In dem Dorf nahe Hermannstadt/Sibiu , in dem wir unterkamen, lebten nach dem Krieg noch weit überwiegend Deutsche. Die sind nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nahezu sämtlich in den Westen gezogen. Das ist kaum erstaunlich.
Die Gehälter in Rumänien machen ein Bruchteil der unsrigen aus, die Lebenshaltunsgkosten hingegen sind vergleichbar, Lebensmittel gar hochpreisig: Im Dorfladen kostete das halbe Pfund Butter etwa 1, 20 Euro (umgerechnet), der Liter Milch ebenfalls. In den einige Kilometer entfernten Supermärkten ist es geringfügig billiger, doch auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind ähnlich teuer wie bei uns. Weniger als eine Handvoll Deutsche sind geblieben, in jenem Dorf. Alte Leute, deren Kinder und Enkel längst in Deutschland sind und dort als fleißige und gute Arbeitskräfte gefragt sind.
Den Rest der Dorfbevölkerung bilden „Rumäner“ (wie die Siebenbürger Sachsen sagen) und Zigeuner. Man sieht die Klientel den Häusern von außen an, und zwar nicht allein von deren Stattlichkeit und Größe her. Die Häuser der Deutschen sind gepflegt, die Gärten ordentlich bestellt, bei den Rumänen ist es unterschiedlich. Die Zigeuner – deren es unterschiedliche gibt (Wanderzigeuner in beeindruckenden, farbenfrohen Gewändern mit einem kalten, fast feindseligen Blick, ungarische Zigeuner und rumänische) – leben weitgehend ärmlich, die „Gärten“ liegen brach und beherbergen gigantische Müllberge; und zwar nicht im Einzel‑, sondern im Normalfall.
Wenn wir mit unseren Kindern durch das Dorf (mit vielleicht 1000 Einwohnern) spazierten, kamen die Zigeunerfamilien aus ihren Häusern, winkten und riefen uns zu, wir sollten doch bitte Photos machen, dafür wiederum waren dann ein wenig Geld oder wenigstens ein paar Zigarillos von Kubitschek fällig. Ein wenig trübte das jene Zigeuner-Romantik unserer Kinder, die seit je Alexandras „Zigeunerjunge“ zu ihren Lieblingshits zählen.
Es wird viel geklaut im Dorf, sämtliche Dachrinnen sind durch ausgefeilte Holzkonstruktionen gegen Diebstahl gesichert. Während die Deutschen zu wissen glauben, wer hier seit Jahrzehnten lange Finger macht , sahen das die idealistischen jungdeutschen Aussteiger in Siebenbürgen – von denen wir erstaunlich viele trafen – anders: Wer sagt, daß nicht die Deutschen selbst sich an fremdem Gut bereichern? Es sei dahingestellt. Daß von den „Sachsen“ aus dem Dorf nie einer im Knast saß, hingegen zahlreiche Zigeuner, behauptete einer der alten Deutschen.
Eben las ich auf der Netzseite der Jungen Freiheit von einer aktuellen Initiative der Grünen, die nun forderten, Zigeuner aus dem Kosovo vor Abschiebungen zu schützen und ihnen in Deutschland ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht „aus humanitären Gründen“ zu erteilen. Hierzulande seien diese Menschen nämlich teils bestens integriert.
Seit unserem Umzug nach Sachsen-Anhalt ist mein Kontakt zu den „mobilen ethnischen Minderheiten“ – die ich aus meiner Offenbacher Zeit eher ungut in Erinnerung habe – jäh abgerissen, hier gibt es keine Zigeuner. Sie bevorzugen andere Aufenthaltsgebiete, warum auch immer. Daß man ihnen in Deutschland außerhalb der anonymen Sphäre der Ämter grundsätzlich freundlich begegnet, glaube ich nicht.
In Rumänien jedenfalls kann man sie weitgehend nicht leiden. Die rumänische Initiative „Pro democratia“ jedenfalls veröffentlichte zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts dort das Resultat einer repräsentativen Umfrage, die nicht nur ergab, daß 91 Prozent der 1.060 Befragten mit der Wiedereinführung der Todesstrafe einverstanden waren, sondern auch, daß 94 Prozent befürworteten, daß Roma, die im Ausland Straftaten verüben, die rumänische Staatsbürgerschaft entzogen wird. Deutschland dürfte somit ein besseres Pflaster für Zigeuner darstellen als das Kosovo und Rumänien.