Deutsche Täter sind keine Opfer!

In meiner Übersetzung aus dem Schwafelzonalen eines Interviews mit dem bayrischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) habe ich diesem die Klage in den Mund gelegt,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

bzw. sie mal eben aus sei­nen Aus­sa­gen her­aus­ge­fil­tert, daß die “Migran­ten” allem hei­ßem Bemü­hen des deut­schen Sozi­al­staats zum Trotz die Hand, die sie füt­tert, immer noch nicht lie­ben. Sei nur noch ange­merkt, daß der deutsch-tune­si­sche Sprach­künst­ler Bushi­do (eben­falls CSU) der glei­chen Mei­nung ist.

So sehr, wie wir Ein­wan­de­rer euch auf der Nase rum­tan­zen in eurem eige­nen Land, da kön­nen wir uns nicht beschwe­ren. Ist doch klar, dass wir Deutsch­land lie­ben. Wir zie­hen euch die Trans­fer­leis­tun­gen aus den Taschen und haben trotz­dem kei­nen Respekt vor euch Deut­schen. Wir hal­ten euch für Kar­tof­feln, für Opfer.

Die­ses Zitat muß man in Ste­reo mit einem bizar­ren Erguß lesen, den Car­lo Cle­mens im JF-Blog auf­ge­spießt hat. Die taz hat einen Kom­men­tar von Eve­lin Lubig-Fosel und Yase­min Shoo­man (war­um nur haben die­se Leu­te immer so komi­sche Namen?) ver­öf­fent­licht, die eine Leh­re­rin in Wed­ding, die ande­re Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin (oder so), die zur Zeit “am Zen­trum für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät zum The­ma Anti­mus­li­mi­scher Ras­sis­mus” pro­mo­viert. Bei­de sind GEW-Mitglieder.

Ver­mut­lich gibt es in den ein­schlä­gi­gen Insti­tu­ten auto­ma­ti­sche Text­ge­ne­ra­to­ren, denn die­se Art von Arti­kel liest sich immer gleich, stets am Ran­de der Selbst­par­odie. Da heißt es also, mit ver­steht sich äußerst mage­ren Begrün­dun­gen, der Begriff “Deut­schen­feind­lich­keit” tau­ge “nicht zur Ana­ly­se der vor­han­de­nen Kon­flik­te”, und sei außer­dem “dem Ziel einer dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Schu­le” nicht zuträg­lich, weil die­sem eine (huch) “aus­gren­zen­de Wir-sie-Logik zugrun­de liegt”. Fer­ner ist die Rede von “gesell­schaft­li­chen Ursa­chen von Selbst­eth­ni­sie­rung bei Jugend­li­chen” und von der “ver­meint­lich” “frem­den” (in Anfüh­rungs­stri­chen) Kul­tur des Islam.

Erspa­ren wir uns, das Teil Satz für Satz aus­ein­an­der­zu­neh­men (da wüß­te man gar nicht, wo man anfan­gen soll), und knöp­fen wir uns ledig­lich das Haupt­ar­gu­ment vor, näm­lich daß die Deut­schen nach dem alten Mot­to “Deut­sche Täter sind kei­ne Opfer” natür­lich wie­der ein­mal sel­ber an allem schuld seien:

Wenn Ange­hö­ri­ge gesell­schaft­lich mar­gi­na­li­sier­ter Grup­pen durch “deut­schen­feind­li­che” Äuße­run­gen und Taten auf­fal­len, stellt sich zudem die Fra­ge, inwie­fern es sich hier­bei um die Über­nah­me eth­ni­sie­ren­der Zuschrei­bun­gen und die Rück­ga­be erleb­ter Dis­kri­mi­nie­run­gen handelt.

Die struk­tu­rel­le Aus­gren­zung, die sol­che Jugend­li­chen tag­täg­lich erfah­ren, tritt nicht zuletzt in der Ver­wei­ge­rung von Zuge­hö­rig­keit zuta­ge. Wenn die Betref­fen­den von der Mehr­heits­ge­sell­schaft, deren Zuschrei­bungs­macht gegen­über Min­der­hei­ten nicht zu unter­schät­zen ist, stän­dig als “Aus­län­der”, “Mus­li­me” oder “Migran­ten” bezeich­net wer­den, ist eine dar­aus fol­gen­de Selbst- und Frem­d­eth­ni­sie­rung wenig ver­wun­der­lich, da ihnen ande­re Iden­ti­täts­an­ge­bo­te ver­wei­gert wer­den. Unse­re Selbst­ver­or­tung als Indi­vi­du­um hängt in hohem Maße auch von der Außen­per­spek­ti­ve auf uns ab.

Mit ande­ren Wor­ten:  die sog. “Ange­hö­ri­gen gesell­schaft­lich mar­gi­na­li­sier­ter Grup­pen” wer­den erst dann zu “Aus­län­dern”, “Mus­li­men” und “Migran­ten”, wenn die “Mehr­heits­ge­sell­schaft” sie als sol­che bezeich­net. Also etwa so, als wür­de man ein paar neu­tra­le amor­phe Lebe­we­sen mut­wil­lig mit einem ver­ba­len Zau­ber­stab berüh­ren, und sim­sa­la­bim, sind sie “eth­ni­siert”, und haben sich plötz­lich in “Ara­ber” und “Tür­ken” und “Mus­li­me” ver­wan­delt. Wenn sie sich nicht schon vor­her aus lau­ter ver­ständ­li­chem Streß  “selbst­eth­ni­siert” haben. Hät­te man ihnen nicht “die Zuge­hö­rig­keit ver­wei­gert”, und sie nicht “aus­ge­grenzt” (und das wird aus­ge­rech­net der bis­he­ri­gen deut­schen Inte­gra­ti­ons­po­li­tik vor­ge­wor­fen?), dann hät­ten sie soet­was Böses wie eth­ni­sche Fremd- und Selbst­zu­schrei­bun­gen und alle die­se ver­werf­li­chen, unauf­ge­klär­ten Wir-sie-Gefüh­le nie­mals ken­nen­ge­lernt, dann wären sie ver­mut­lich gut­mensch­li­che edle Wil­de geblie­ben, die Zivi­li­sa­ti­ons­krank­hei­ten wie “Dis­kri­mi­nie­rung” gar nicht ken­nen wür­den und uns alle als ihre Brü­der in die Arme geschlos­sen hätten.

Aber es kommt noch kruder:

Mit dem Begriff der “Deut­schen­feind­lich­keit” wird die­se Form der Zuge­hö­rig­keits­ver­wei­ge­rung fort­ge­schrie­ben – denn er besagt, dass die­je­ni­gen, deren Ver­hal­ten mit die­sem Begriff pro­ble­ma­ti­siert wer­den soll, kei­ne Deut­schen sind und auch nicht sein können.

Also aus­buch­sta­biert: Die “Zuge­hö­rig­keits­ver­wei­ge­rung” geht aus­schließ­lich von jenen aus, die das Ver­hal­ten jener “pro­ble­ma­ti­sie­ren”, die ihre Unzu­ge­hö­rig­keit zur “Mehr­heits­ge­sell­schaft” (also: den Deut­schen) durch Gewalt und demons­tra­ti­ve Ver­ach­tung ihrer schwächs­ten Glie­der expli­zit zum Aus­druck brin­gen. Und damit natür­lich auch, daß sie weder Deut­sche sind, noch Deut­sche sein wol­len.

Eine “aus­gren­zen­de Wir-sie-Logik” liegt also nicht vor, wenn die eine Grup­pe die ande­re als “Kar­tof­feln”, “Nazis”, “Schwei­ne­fleisch­fres­ser”, “Scheiß­chris­ten” und “Schlam­pen” beschimpft, son­dern erst dann, wenn man die­se Pra­xis “pro­ble­ma­ti­siert” und als “aus­gren­zend” bzw. “dis­kri­mi­nie­rend” bezeich­net.  Alles klar?

Ich schen­ke mir einen Kom­men­tar zu dem gan­zen Quark über “struk­tu­rel­len Ras­sis­mus” und über die Behaup­tung “Ras­sis­mus ist also immer an eine Macht­po­si­ti­on gekop­pelt” (was für eine “Macht­po­si­ti­on” haben denn bit­te kon­kret Kin­der, die auf dem Schul­hof von feind­se­li­gen Gangs gemobbt wer­den?). Nur soviel: es ist nicht nur so, daß hier durch blo­ßes Jon­glie­ren mit und Ver­mei­den von Wor­ten Wirk­lich­kei­ten erschaf­fen, negiert und ver­än­dert wer­den sol­len. In die­ser Den­ke wer­den kon­kre­te Men­schen, aus­ge­rech­net im Namen einer abs­trak­ten Mensch­lich­keit, in blo­ße sche­ma­ti­sche Figu­ren ver­wan­delt. Als wür­de sich nun plötz­lich alle Welt in sich nicht mehr gegen­sei­tig “dis­kri­mi­nie­ren­de” Nur-Men­schen ver­wan­deln, wenn man die Fremd- und Selbst­zu­schrei­bun­gen per Sprach­re­ge­lung bzw. ‑kos­me­tik auf­he­ben würde.

Da ver­schwin­den nicht nur die kon­kre­ten deut­schen Kin­der, ihr kon­kre­tes Leid und ihre kon­kre­ten Erfah­run­gen von Gewalt, Aus­gren­zung und Dis­kri­mi­nie­rung. Auch jene Jugend­li­chen, die die bei­den Autorin­nen als “tür­kisch” oder “ara­bisch” zu bezeich­nen ver­bis­sen ver­wei­gern, und als deren Anwäl­te sie sich offen­bar begrei­fen, wer­den zu blo­ßen Zif­fern in ihrer ideo­lo­gi­schen Rech­nung. Mehr noch: sie wer­den, wie gesagt, zu edlen, ewig schuld­lo­sen Wil­den ohne “Wir-Ihr-Gefühl” sti­li­siert, die all die­se Aus- und Abgren­zungs­sün­den gar nicht ken­nen und bege­hen wür­den, hät­te sie ihnen der böse “wei­ße” Mann, mit oder ohne Anfüh­rungs­stri­chen, nicht erst beigebracht.

Dabei steht wie ein eiser­nes Axi­om fest: schuld ist immer der “Wei­ße”, der “Deut­sche”, mit oder ohne Anfüh­rungs­stri­che, mit oder ohne sei­ne “Mehr­heits­ge­sell­schaft”, unschul­dig immer der Min­der­hei­ten­an­ge­hö­ri­ge, des­sen Namen gar nicht erst genannt wer­den darf, weil ihm dann ja schon wie­der “Zuge­hö­rig­keit ver­wei­gert” wür­de.  Er ist nicht nur unschul­dig, er ist auch prak­tisch von Natur aus zur Dis­kri­mi­nie­rung unfä­hig, es sei denn, er wird zu ihrem Opfer. Er scheint über­haupt kei­nen eige­nen Wil­len zu haben, son­dern nur von dem gesteu­ert zu wer­den, was die “Mehr­heits­ge­sell­schaft” ihm antut oder an ihm ver­säumt. Damit wer­den die “Ange­hö­ri­gen gesell­schaft­lich mar­gi­na­li­sier­ter Grup­pen” zur sen­ti­men­ta­len Pro­jek­ti­ons­flä­che einer links-libe­ra­len, cha­rak­te­ris­tisch deutsch-post­na­tio­na­len Uto­pie eines para­die­si­schen Nur-Mensch­seins ohne “Aus­gren­zung”.

Daß hier­in auch ein ver­blüf­fen­des Stück pater­na­lis­ti­scher, typisch “wei­ßer” Her­ab­las­sung steckt, die ledig­lich sei­ten­ver­kehrt gewen­det wur­de, ist offen­sicht­lich. Zumin­dest für mich.  Es bleibt jeden­falls eine unwahr­schein­li­che Gro­tes­ke und ein bedenk­li­ches Sym­ptom, daß man in Deutsch­land mit der­art sinn- und logik­frei­em Gewäsch, das jeder Beschrei­bung spot­tet, eine aka­de­mi­sche Kar­rie­re machen kann, und daß der­glei­chen von einer gro­ßen Tages­zei­tung gedruckt wird, die sich für seri­ös hält und ernst­ge­nom­men wer­den will.

 

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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