“Gorch Fock”, Erik Lehnert und die Internetdemoskopie

Daß der Beitrag von Erik Lehnert in der Zeitschrift Marineforum über den "Einsatz von Frauen in Kampfeinheiten" derartig gehässige Wellen der Empörung...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

hoch­schla­gen ließ, bis hin­auf zu Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter de Mai­ziè­re,  hat mich, ehr­lich gesagt, eben­so ver­wun­dert wie amü­siert.  Denn daß die Grund­the­se zutrifft, daß Frau­en als Sol­da­ten kei­ne für das Funk­tio­nie­ren eines Hee­res güns­ti­ge Opti­on sind, weiß ich salopp gesagt auch so, ohne über­haupt die Stu­die des Insti­tuts für Staats­po­li­tik gele­sen zu haben.

Jeder, der nur halb­wegs alle fünf Sin­ne bei­sam­men und etwas Lebens­er­fah­rung hat, weiß das.  Man muß nicht ein­mal viel von Mili­tär und Krieg ver­ste­hen, um das zu wis­sen oder zumin­dest ein­leuch­tend zu fin­den. Ich wür­de sogar so weit gehen, zu sagen, daß die­se Fest­stel­lung ein Gemein­platz, eine Bana­li­tät ist.

Aber wir leben heu­te eben in Zei­ten, in denen schon das blo­ße Aus­spre­chen von simp­len Tat­sa­chen semi-hys­te­ri­sche Reak­tio­nen pro­vo­zie­ren kann.  Ein nüch­ter­ner Dis­kus­si­ons­bei­trag in einer außer­halb von Fach­krei­sen kaum bekann­ten Zeit­schrift reicht aus, daß gleich meh­re­re Mas­sen­blät­ter ins unters­te Arse­nal grei­fen, um den Über­brin­ger der unlieb­sa­men Bot­schaft in Grund und Boden zu schießen.

Selbst wenn Leh­nert unrecht hät­te, fragt man sich, war­um er nicht ein­fach sach­lich wider­legt wer­den kann, war­um die Ant­wort in Lügen und Dif­fa­mie­run­gen bestehen muß. Weil ein wun­der Punkt getrof­fen ist, weil die getrof­fe­nen Hun­de zu bel­len begin­nen? Zu dem Feu­er­werk der reflex­ar­tig auf­ge­fah­re­nen Anti­kör­per zäh­len Hohn, kras­se Ver­zer­run­gen, Falsch­be­haup­tun­gen, Beschä­mungs­tak­ti­ken, Unter­stel­lun­gen, Ver­däch­ti­gun­gen und Einschüchterungen.

Das Ifs stün­de “poli­tisch zwi­schen Uni­on und Neo­na­zis” und “schon (sic!) in Ver­fas­sungs­schutz­be­rich­ten”, der Autor “ver­tuscht wirk­li­che Ursachen”,“verhöhnt” eine Tote, “wet­tert”, “wet­tert unge­niert”,  schreibt “aus­ge­rech­net” im “renom­mier­ten” Mari­ne­fo­rum, “recht­fer­tigt” sich “aus­ge­rech­net” in der “rechts­las­ti­gen Jun­gen Frei­heit” , “ver­un­glimpft” Frau­en, behaup­te, höhö, was für ein welt­frem­der Tropf, Frau­en sei­en “zu lieb für den Job”,  und sei über­haupt ein reak­tio­när-regres­si­ver Trieb­tä­ter, der sich nicht in Zaum hal­ten kann, trotz all der von Jakob Aug­stein gefor­der­ten “Erzie­hung”:  einen “erstaun­li­chen Rück­fall in sexis­ti­sche Denk­mus­ter” nann­te den Arti­kel, wie immer den Vogel abschie­ßend, der Spie­gel.

Als  typi­scher Ver­tre­ter einer auf Knopf­druck reagie­ren­den Funk­ti­ons­eli­te oute­te sich dann Tho­mas de Mai­ziè­re, indem er eine empö­rungs­ge­sät­tig­te Tira­de anstimm­te, aus der unzwei­fel­haft her­vor­geht, daß er kei­ne ein­zi­ge müde Sil­be des Arti­kels, son­dern ledig­lich die “Bild”-Über­schrift gele­sen hat:  Leh­nerts Aus­las­sun­gen stün­den in einer Rei­he mit jün­ge­ren “skan­da­lö­sen Schmä­hun­gen und Ver­un­glimp­fun­gen um das The­ma Tod und Ver­wun­dung” (übri­gens links­ra­di­ka­ler Pro­ve­ni­enz), sei­en “ein uner­hör­ter Vor­gang” und eine “eine geschmack­lo­se Aus­ein­an­der­set­zung über den Tod der See-Kadet­tin”, die er “wider­wär­tig” fände.

Auf mer­ke­lisch gesagt: Es hat mal wie­der  jemand “die Gefüh­le von Men­schen in die­sem Land ver­letzt”, und dies zu ver­hin­dern, ist ja bekannt­lich alles, wor­auf es noch ankommt. Die Gefüh­le der poli­tisch Kor­rek­ten, die offen­bar mehr zäh­len als jene der Men­schen, die für ihre Ideo­lo­gie bezah­len müs­sen, und sei es mit dem Leben.

Ich muß wohl nicht erwäh­nen, daß der Arti­kel von Erik Leh­nert nichts gemein hat mit den ver­zerr­ten Dar­stel­lun­gen der Pres­se, völ­lig sach­lich gehal­ten ist, und von einem Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl für das Gan­ze getra­gen ist, von einer Ernst­haf­tig­keit und Gewis­sen­haf­tig­keit, die den Gut­ten­bergs und de Mai­ziè­res offen­bar fremd gewor­den ist. Immer­hin sind jen­seits der ver­dam­men­den und ver­höh­nen­den Schlag­zei­len Zita­te aus dem Text in den wei­te­ren Umlauf gera­ten, die zwar zum Zweck der öffent­li­chen Brand­mar­kung und Abschre­ckung vor­ge­führt soll­ten, die aber durch­aus auf hohe Zustim­mung unter den Lesern stießen.

Das scheint zumin­dest ein inter­net­de­mo­sko­pi­scher Blick nahe­zu­le­gen:  im Spie­gel-Forum etwa hat es das The­ma auf bis dato 76 voll­ge­schrie­be­ne Dis­kus­si­on­sei­ten gebracht; die Kom­men­tar­spal­ten der Welt (über 800 Ein­trä­ge) haben sicher­heits­hal­ber schon mal dicht gemacht – wohl des­we­gen, weil die Zustim­mung zu Leh­nerts The­sen erstaun­lich hoch ist. Bei den Lesern des Spie­gels hat sich jeden­falls eine recht erns­te Dis­kus­si­on ent­wi­ckelt, in der die Muse­ums­num­mer aus dem Anno Ali­ce von den “sexis­ti­schen Denk­wei­sen” nur mar­gi­nal auftaucht.

Hier ein paar schnell her­aus­ge­such­te Kom­men­ta­re aus dem Forum:

Nach der Neu­ord­nung der Bun­des­wehr und der Aus­set­zung (nicht Abschaf­fung) des Wehr­diens­tes mel­den sich 3.500 Frei­wil­li­ge – dar­un­ter knapp 50 Frau­en. Ist es dem­nächst auch eine Ver­un­glimp­fung von Frau­en, wenn man fest­stellt, dass die­se genau wis­sen, wo sie auf gar kei­nen Fall frei­wil­lig sein wollen?

Der SPIEGEL soll­te sach­lich über die Anfor­de­run­gen des Wehr­diens­tes berich­ten und nicht reflex­haft rot-grün­lich auf­schrei­en, wenn jemand vom Fach in einem Arti­kel ent­ge­gen dem ideo­lo­gisch gefärb­ten Main­stream der Poli­tik die rea­len Zustän­de beschreibt, die nicht nur zum Unfall auf der Fock geführt haben. Bei allem guten Wil­len – wenn man in bun­des­wei­ten Umfra­gen merkt, dass die Mei­nungs­sos­se, die man ser­viert, nicht gou­tiert wird, weil Erfah­rung und Beob­ach­tung der Men­schen dage­gen spre­chen, Frau­en hät­ten kör­per­lich das glei­che Leis­tungs­po­ten­ti­al, dann soll­ten man das Rezept ändern. Statt­des­sen stampft die Pres­se immer wie­der wie ein klei­nes Mäd­chen auf den Fuß­bo­den und schreit: „Ich will aber, dass die Welt Wil­le und Vor­stel­lung ist“. Damit ver­lä­cher­licht sich die Pres­se epo­chal – ent­geis­ter­tes Kopf­schüt­teln der Nach­welt inklusive.

Es ist doch so einfach:
Wenn Frau­en NICHT weni­ger leis­tungs­fä­hig sind, dann müs­sen sie ganz ein­fach die glei­chen Ein­stel­lungs­tests absol­vie­ren, genau so schnell und weit ren­nen kön­nen wie die Män­ner, genau so lan­ge gra­ben, genau so viel tra­gen usw. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist die Behaup­tung kei­ne Ver­un­glimp­fung son­dern eine Tatsache.

Ein Leser (ange­mel­det seit 2006, über1300 Bei­trä­ge) kon­sta­tiert gar:

Schon sehr ein­drucks­voll zu beob­ach­ten, wie sich das SPON-Publi­kum in den letz­ten bei­den Jah­ren gene­rell in sei­nen Ansich­ten gewan­delt hat. Kaum wird von der Redak­ti­on ein Arti­kel über den Themenkreis

• Gen­der-Main­strea­ming, Femi­nis­mus und Postfeminismus
• fehl­ge­schla­ge­ne Inte­gra­ti­on, Migran­ten-Kri­mi­na­li­tät, Islamisierung
• isla­mi­sche Staa­ten, Demokratiebewegung
• (etc.)

plat­ziert, haben wir Kom­men­tar-Ergeb­nis­se, die vor ein paar Jah­ren noch undenk­bar gewe­sen wären. Ein Ver­tre­ter des links­grü­nen Spek­trums wür­de die­se Mei­nungs­ent­wick­lung »tief­braun« nen­nen. Es gibt eben bestimm­te The­men, da ist die bun­des­deut­sche Gesell­schaft ein­deu­tig gespal­ten – da passt kei­ne poli­ti­sche Mit­te mehr dazwischen.

Wol­len wir hof­fen, daß die­ser Trend wei­ter anwächst. Abseits aller lin­ken und rech­ten, kon­ser­va­ti­ven oder pro­gres­si­ven Schub­la­den gibt es heu­te vor allem nur eine Front, die zählt: der com­mon sen­se gegen die poli­ti­cal cor­rect­ness. Und da paßt heu­te auch “kei­ne Mit­te mehr dazwischen”.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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