Auch auf dem Feld des organisierten, politischen Terrorismus soll es 1:1 stehen, mindestens, bei moralischer Überlegenheit der linken Seite natürlich, die irgendwie doch die Richtigen umlegte und intelligentere Bekennerschreiben verfaßte.
Um es deutlich zu sagen: Mit den Konstrukteuren einer Braunen Armee Fraktion meine ich nicht das Zwickauer Trio samt viertem oder fünftem Bube, sondern diejenigen, die – davon bin ich nach einigem Nachdenken und etlichen Gesprächen überzeugt – einen Popanz aufgebaut haben. Meine Fragen, wobei ich beim Ende anfange:
1. Zwei Männer, die seit 13 Jahren in der Illegalität leben, dabei neun Ausländer und eine Polizistin erschossen und eine Nagelbombe gezündet sowie über ein Dutzend Banken ausgeraubt haben sollen, begehen Selbstmord, als eine Polizeistreife sich ihrem Wohnmobil nähert. Warum verwenden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dabei Gewehre, und warum schießt sich einer der beiden dabei in die Brust und nicht – wie bei einem Selbstmord üblich – in den Kopf? Und warum wehren sie sich nicht? Sie sind keine Heroen einer Bewegung, die sie als Märtyrer verehren wird, sondern Mörder ohne Bekenntnis. Warum nutzen sie Festnahme und Prozeß nicht für dieses Bekenntnis, das sie doch ohnehin in Form einer Videobotschaft just in diesen Tagen zur Veröffentlichung vorbereitet hatten?
2. Diese bereits kuvertierte Videobotschaft auf DVD wird in mehreren Exemplaren unversehrt aus dem Haus des Terror-Trios in Zwickau geborgen, das ansonsten nur noch aus Trümmern und verkohlten Resten besteht. Den Brand gelegt hatte das weibliche Drittel der Bande, Beate Zschäpe. Warum eigentlich? Um Beweismaterial zu vernichten? Warum aber sind dann neben den Bekennerschreiben auch Tatwaffen im Haus verblieben, auch diese eminent wichtigen Beweisstücke völlig unversehrt, während die Waberlohe doch dergestalt war, daß Metall zu Klumpen verschmolz?
3. Wie gelang es dem Nazi-Trio, 13 Jahre lang unentdeckt in Deutschland zu leben, und dies, obwohl die drei nicht Ruhe hielten, sondern all das anrichteten und vollzogen, was oben schon aufgezählt ist? Wie gelang in das vor allem in der von VS-Leuten und Informanten durchsetzten rechtsradikalen Szene? Die Schweige-Disziplin wäre sensationell, übermenschlich und nicht vorstellbar in einem von dauernden Spaltungen, Ausstiegen und Ausspähungen zerlöcherten Milieu.
4. Die Morde an türkischen Kleinunternehmern endeten im Jahre 2006, mithin just in dem Moment, als die Polizei nach dem Mord an Yalit H. in dessen Internet-Café nach dem 6. Zeugen suchte und ihn schließlich fand: einen Beamten des hessischen Verfassungsschutzes, der nichts mitbekommen haben wollte. Kurz später stellte sich heraus, daß dieser Mann bei fünf weiteren Morden in unmittelbarer Nähe zum Mordopfer gewesen war. Über diesen Mann, seine Stellung im VS, seine Aufgabe würde man gern alles erfahren. Und vor allem eines: Warum endete nach seiner Enttarnung die Mordserie?
5. Warum erschoß das Trio zuletzt noch eine Polizistin, eine Thüringerin? Warum blieb dieser Wechsel in der Opferwahl wiederum ohne Bekenntnis, ohne Erklärung an die Öffentlichkeit?
6. Zuletzt: Wie konnte das Trio überhaupt Ende der Neunziger aus dem völlig von VS-Leuten durchsetzten Netz des “Thüringer Heimatschutzes” (THS) verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen? Die führende Figur des THS, Tino Brandt, wurde 2001 als VS-Agent enttarnt, zwei, drei Jahre zuvor war es bereits dem NPD-Chef Thüringens so ergangen. Man bildete also und baute auf, was man beobachten wollte.
7. Der damalige Chef des Thüringischen Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, hatte im Keller des Hauses ein Ludendorff-Kostüm gelagert, und im Grazer Ares-Verlag hat er ein Buch über die Rote Kapelle und andere Geheimdienstmythen veröffentlicht, Sezession hatte es in Heft 39/ Dezember 2010 rezensiert. Zuvor war schon bei Faber&Faber in Leipzig ein Buch mit dem Titel Skrupellos. Die Machenschaften der Geheimdienste in Rußland und Deutschland erschienen. Wie skrupellos handelte Roewer selbst? Warum ließ er über V‑Männer in Thüringen NPD- und Kameradschaftsstrukturen aufbauen?
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Schnitt: Damals gab, heute gibt es Profiteure solcher Feindbilder, wie wir es nun seit fünf Tagen präsentiert bekommen. Wer profitiert von dem neuesten Popanz? Was kann damit unterbunden werden, was gefördert? geht es um ein NPD-Verbotsverfahren, geht es um die Vorratsdatenspreicherung, geht es darum, alles, was rechts ist, vor der dräuenden Finanzkatastrophe noch einmal so richtig gründlich unmöglich zu machen?
Zugegeben: Diese letzte Frage provoziert wilde Theorien. Beschränken wir uns also bitte zunächst auf die Antwort zu den Rätseln 1–7, wobei Verweise zu neuen Erkenntnissen besonders hilfreich sind. Welterklärungsmodelle oder sachundienliche Kommentare hingegen werden nicht freigestellt.
Ein Fremder aus Elea
1. Natürlich ist es denkbar, daß es kein Selbstmord war, sondern letzterer nur bequemer ist, aber so ungewöhnlich ist es auch wieder nicht, daß sich jemand mit einem Gewehr erschießt (Kurt Cobain etwa) und nicht (zuerst) auf den Kopf zielt (Seppuku etwa, mit der ganzen dranhängenden Philosophie).
2. Laut SPIEGEL sind die Tatwaffen sehr wohl versehrt, weshalb eine eindeutige Bestätigung ihres Tatwaffenseins bisher auch nicht möglich war. Oder schreiben sie mittlerweile wieder was anderes? Man kommt ja kaum nach. Bzgl. der DVDs lanciert der SPIEGEL mittlerweile die Theorie, daß sie von Beate Z. übergeben wurden.
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4. Gute Frage, war mir bisher neu. Allerdings sollten Sie vorsichtig bzgl. der Mord"serie" sein, denn eine Serie ist es ja nur dadurch, daß jemand diese Morde zu einer Serie zusammengefaßt hat. Abgesehen davon verbindet sie doch nur der Umstand, daß eine Czeska eines bestimmten Kalibers benutzt wurde. Wie oft das wohl bei den tausenden Morden in einem Jahrzehnt passiert?
5. Der Grund dafür scheint gewesen zu sein, an ihre Waffe zu kommen. Jedenfalls scheint mir das am plausibelsten.
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7. Nun, das ist gängige Praxis seit Gründung der NPD, um diesen Bereich des politischen Spektrums zu beobachten.