… was nicht als dazugehörig, sondern als entartet betrachtet wird. Nun könnte man davon ausgehen, daß in Zeiten des anything goes eben alles geht: Drip painting, Fettecken und Kadaver zerlegen. Wenn es so wäre, hätte ich damit kein Problem. Es gibt aber Dinge, die nicht gehen. Und das sind Dinge, die einem im ersten Moment nicht als abseitig auffallen würden, beispielsweise das Wandbild “Chemnitz – Stadt der Moderne” von Benjamin Jahn-Zschocke.
Dieses Bild, das die Cafeteria eines Chemnitzer Berufsschulzentrums schmücken sollte, wurde bislang nicht enthüllt. Seit der Fertigstellung im September ist es verhangen, jetzt soll es entfernt werden. In einem Schreiben des Bürgermeisters Berthold Brehm an den Künstler heißt es:
[…] die Stadt Chemnitz ist Eigentümerin des Grundstücks […], das mit dem Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft I bebaut ist. Sie haben eine Wand im Speisesaal dieser Berufsschule ohne Wissen der Grundstückseigentümerin und ohne hierzu befugt zu sein mit einem großformtigen farbigen Wandbild […] bemalt.
Die gegen den Willen der Grundstückseigentümerin erfolgte Bemalung stellt eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts dar, zu deren Duldung die Stadt Chemnitz nicht verpflichtet ist. Die Stadt Chemnitz wird deshalb in Ausübung ihres Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB das Wandbild entfernen lassen.
Davon wurden bislang weder die Schule noch der Förderverein, der das Bild in Auftrag gegeben hatte, informiert. In Zeiten, in denen die Eltern von Schulleitern angebettelt werden, die Unterrichtsräume ihrer Kinder selbst zu streichen, könnte man denken, daß sich die “Eigentümerin” freut, wenn der Förderverein für so etwas aufkommt. Aber weit gefehlt.
Über dieses Bild wurde seit der Fertigstellung gestritten (eine Dokumentation enthält die Druckausgabe der Sezession 27 im Bildteil). Der Grund ist nicht sofort ersichtlich. Es handelt sich um eine solide Arbeit eines jungen Künstlers, der damit an seine schwer bombenkriegsgeschädigte Stadt erinnern wollte. Daß die Arbeit sich stilistisch etwas an den DDR-Realismus anlehnt, dürfte in Zeiten der Ostalgie eher auf Zustimmung stoßen.
Es sind zwei Dinge, die die Entfernung veranlaßt haben, die nichts mit dem Eigentumsrecht der Stadt zu tun haben: Die Tatsache, daß der Künstler Fraktionsmitarbeiter bei PRO Chemnitz ist (ehem. REP/DSU) und, da das nicht strafbar ist, daß sich auf dem Bild ein sog. Keltenkreuz befinden soll, was aber auch ein stilisierten Lilienkreuz (wie es die Markthalle krönte) sein könnte. Eine lokale Pressekampagne gegen das Bild erzeugte schließlich den notwendige Druck, um den Bürgermeister zum Handeln zu bewegen.
Was ist das jetzt? Eine Provinzposse? Ein Lehrstück über die “Herrschaft des Verdachts”? Oder einer weiterer Schritt in Richtung “DDR light”? In jedem Fall ist es ein beredtes Zeugnis dafür, daß Kunst auch heute noch “entartet” sein kann.