Jetzt hat in Person des Staatsrechtlers Karl Albrecht Schachtschneider aber jemand zum Widerstand aufgerufen, dem es nicht um Umsturz geht, sondern um den Schutz der bestehenden Ordnung:
Wir müssen davon ausgehen, dass die politische Klasse die Euro-Rettung bis zum bitteren Ende fortführen wird. Der Grund ist, dass man mit dem Euro und der Euro-Rettungspolitik im Grunde den europäischen Staat erzwingen will. Die politische Union wird gegen Vertrag und Verfassung aufgebaut.
Schachtschneider vertritt den Standpunkt, daß Widerstand gegen die Bundesregierung nach Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes gerechtfertigt sei, vor allem wegen ihres mutmaßlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Volkssouveränität. Alle konventionellen Möglichkeiten zur Abwehr solcher Verstöße seien ausgeschöpft, was gewaltlosen Widerstand legitimiere.
Die Frage nach der Legitimität von Widerstand ist jedoch in erster Linie nicht rechtlicher, sondern ethischer Natur. Die Diskussion um Widerstand sollte daher nicht vorrangig die Frage behandeln, ob es ein Recht dazu gibt, sondern welche sittliche Basis Widerstand haben könnte. Belastbarer Widerstand bedingt ein Ethos, das auf Pflicht gegenüber dem Volk gründet.
Manfred Kleine-Hartlage hat das Widerstandsrecht bereits ausführlich erläutert und Schachtschneiders Argumentation dabei unterstützt, aber gleichzeitig betont, daß der Wert des Widerstandsrechts eher propagandistischer Art sei. Es ermögliche es, “das zentrale Thema der deutschen und europäischen Politik auf die Tagesordnung zu bringen: den Verrat der europäischen Eliten an ihren Völkern.” Darüber hinaus sei sein Wert gering.
Der Bundesregierung hat offenbar erkannt, daß ihr Handeln den Grundsatz der Volkssouveränität verletzt, weshalb sie eine neue Verfassung beschließen lassen will, in der solche Hindernisse für die eigenen Absichten nicht mehr enthalten wären. Für eventuelle rechtliche Probleme beim Umgang mit legitimen Widerstand würde man ähnliche Lösungen finden, die notfalls ausschließlich auf überlegener Macht beruhen würden. Die rechtlichen Aspekte des Geschehens sind somit nachrangig.
Eine mögliche sittliche Grundlage für künftigen Widerstand wäre der militärische Widerstand im Dritten Reich, der auch im Selbstverständnis der Bundesrepublik vordergründig eine besondere Rolle einnimmt. Man beruft sich auf seine Tradition, ignoriert dessen Ethos aber weitgehend. Im patriotischen Denken, dem auch der militärische Widerstand folgte, ist der höchste Bezugspunkt von Treue nicht ein Führer, eine Kanzlerin oder eine Verfassung, sondern das Volk. Eine Verfassung zum zentralen Gegenstand von Treue zu machen wäre unabhängig von deren Inhalt fehlgeleitet, da diese nur ein Mittel zum politischen Zweck des dauerhaften Bestands des Staatsvolkes ist. Der Widerstand berief sich nicht auf die 1944 auf dem Papier immer noch gültige Weimarer Verfassung, sondern auf die abzuwendende Bedrohung der Existenz Deutschlands und des deutschen Volkes. Im Grundgesetz, daß sich ebenfalls durch das deutsche Volk legitimiert, hat sich dieses Denken zumindest formell ebenso ausgewirkt wie im Eid deutscher Soldaten auf “das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes” oder den (nicht strafbewehrten) Amtseid von Mitgliedern der Bundesregierung, “dem Wohle des deutschen Volkes” zu dienen.
Die ethische Grundlage für möglichen Widerstand ist somit identisch mit der sittlichen Grundlage jenes Politikverständnisses, das eine Regierung nicht als selbstherrliche Obrigkeit, sondern als ersten Diener von Staat und Volk begreift. Die Fähigkeit, notfalls Widerstand gegen eine Regierung zu leisten, die sich gegen das Volk wendet, unterscheidet dabei den mündigen Staatsbürger vom bloßen Inhaber einer Staatsangehörigkeit, und “wehrhafte Demokratie” würde in diesem Sinne nicht den Kampf des Staates gegen sein Volk bedeuten, sondern den Widerstand der Bürger gegen eine ihre Macht mißbrauchende Regierung.
Noch ist die Frage nach Widerstand eher hypothetischer Art, schon weil die überwiegende Zahl der Deutschen die Vorboten der bevorstehenden Krisen noch nicht persönlich erfährt. Schachtschneider erwartet jedoch, daß sich dies bald ändern könnte:
Diese Politik wird unvermeidlich in den wirtschaftlichen Niedergang aller Völker führen. Im Süden ist dies bereits deutlich spürbar […]. Das betrifft auch mehr und mehr Frankreich und wird auch bald Deutschland mit in den Abgrund ziehen. […] Das ganze führt in eine schwere politische Krise. Die Bevölkerung wird dann möglicherweise rebellieren. Und diese Rebellion wird mit allen Mitteln niedergeschlagen […]. Der Umsturz ist weitestgehend gelungen und wir werden ein Europa erleben, das despotisch bzw. diktatorisch beherrscht werden wird.
Die Frage nach den sittlichen Grundlagen möglichen Widerstands sollte beantwortet sein, bevor es soweit kommt.
quer
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Das ist der Text des Art. 20, Abs. 4 GG
„Diese Ordnung“ bezieht sich auf die vorangehenden Art. 1 bis 19 GG, erstreckt sich aber zusätzlich auf den Grundsatz der föderalen Verfaßtheit Deutschlands. Auch eine neue Verfassung gem. Art. 146 GG muß deshalb dieses Widerstandsrecht zum Schutze der Grundfreiheiten enthalten. Alles andere wäre gem. der „Ewigkeitsgarantie“ des GG nicht rechtens und käme einer vorsorglichen Entmachtung des Volkes - im Sinne des Art. 20, Abs. 2 GG - gleich.
Wenn im Abs. 4 steht, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“, so kann damit letztendlich nur das BVerfG gemeint sein. Das bedeutet, daß ein Widerstandsrecht erst dann gegeben ist, wenn die obersten Verfassungsrichter entweder versagen, sich nicht deutlich genug zugunsten des GG äußern, oder deren Spruch seitens der Politik ignoriert oder gegenteilig behandelt wird.
Dann aber ist jede Hemmschwelle zur Anwendung und Berufung des/auf Art. 20, Abs. 4 GG gefallen, bzw. gegeben.
Es wird zu Recht darauf hingewiesen und vermutet, daß wir in nicht allzufernen Tagen, möglicherweise schon sehr bald Farbe bekennen müssen.
Aus gutem Grund bindet das GG den Widerstand nicht an eine Form und läßt die Wahl der Mittel unter dem Eindruck von 1944 bewußt offen. Somit ist jede Form und jedes Mittel zur Bewahrung der Grundfreiheiten und der Rechte des Volkes legitim.
Der Widerstand wird sich allerdings nicht nur einer Partei (im Sinne von Gegnerschaft) gegenübersehen, sondern gleich zwei Parteien: Den Antidemokraten des eigenen Volkes und den Einwanderergruppen aus fremden Kulturkreisen, die ihre Ernährungsgrundlage verschwinden sehen.