SEZESSION: Herr Hübner, Sie haben sich von der Bundespartei der Freien Wähler getrennt und sich der Alternative für Deutschland zugewandt. Zunächst: Warum die Trennung von den Freien Wählern?
HÜBNER: Zuerst: Ich trenne mich nicht von den Freien Wählern in Frankfurt, die ich 1994 – damals noch unter der Bezeichnung Bürger Für Frankfurt (BFF) – mitgegründet habe. Ich habe mich aber von der FW-Partei unter dem Vorsitzenden Hubert Aiwanger getrennt, weil diese Partei politisch, geistig und organisatorisch in einem desolaten Zustand ist, den ich mit Aussicht auf Erfolg nicht mehr positiv beeinflussen kann und will. Die FW-Partei hat die große Chance der Unterstützung durch die Wahlalternativ 2013 leichtfertig verspielt. Zudem war ich seit einigen Monaten unsäglichen Angriffen aus der Parteispitze in Bayern und Hessen ausgesetzt. Der Abschied war notwendig und ist mir nicht mehr schwer gefallen.
SEZESSION: Es gibt mehrere alternative liberale und konservative Parteien. Was zieht Sie gerade zur AfD hin?
HÜBNER: Die AfD hat im Gegensatz zu anderen kleinen Parteien eine Konzeption, die mir inhaltlich am meisten entgegenkommt. Dazu hat sie ein Mitglieder- und Wählerpotential, das politischen Erfolg verspricht. Wer real etwas verändern will, darf sich nicht in Kleinparteien oder gar Sekten organisieren.
SEZESSION: Es gibt im AfD-Programm nur zwei klare Forderungen, nämlich das Ende des Euro und die Rückverlagerung von Kompetenzen von der EU auf die Nationalstaaten. Alles andere ist – pardon – Wischiwaschi. Ist ein solches Ein-Punkt- oder Zwei-Punkte-Programm nicht ein bißchen wenig für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, eine „Alternative für Deutschland“ zu sein?
HÜBNER: Die Beschränkung auf wenige Punkte, die allerdings ganz wesentlich sind, kann gewiß kein Dauerzustand sein, ist aber wenige Monate vor der Bundestagswahl völlig richtig. Die Arbeit an einem umfassenden Parteiprogramm hat erst begonnen und wird sehr demokratisch, also langwierig erfolgen. Das ist der richtige Weg. Wenn das Programm formuliert ist, wird die AfD eine echte Alternative auch in vielen anderen Fragen sein – ich bin da sehr optimistisch.
SEZESSION: Ein in den konkreten Sachaussagen so schmaler Ansatz ergibt eigentlich nur einen Sinn, wenn er auf sofortige Regierungsbeteiligung zielt. Wie stark ist unter dieser Voraussetzung die Verhandlungsposition einer Kleinpartei, deren einziger denkbarer Koalitionspartner die Union ist, wenn diese Union ihrerseits freie Hand hat, durchaus auch mit der SPD, notfalls sogar mit den Grünen zu koalieren?
HÜBNER: Die AfD wird über eine mögliche Koalition ihre Mitglieder entscheiden lassen. Ich sehe aber nicht, welche Koalition sich da abzeichnen könnte: Nach Lage der Dinge wird es – erst recht bei einem Erfolg der AfD – eine sogenannte Große Koalition geben.
SEZESSION: Auch unscharfe Programmaussagen lassen Rückschlüsse auf die ihnen zugrundeliegende Ideologie zu. Betrachtet die AfD nicht allzusehr die Dinge aus einer ökonomischen Perspektive, und hat dies möglicherweise mit der Dominanz von Ökonomen in der Führung zu tun?
HÜBNER: Die bundesdeutsche Identität speist sich immer noch aus dem ökonomischen Erfolg nach dem nationalen Zusammenbruch 1945. Es ist nur folgerichtig, daß die faktische Zerstörung dieser sicher problematischen Identität durch das Euro-Desaster nun in hohem Maße zum Gründungsinhalt der neuen Partei wird. Allerdings ist ein anderes wichtiges Motiv der AfD auch der fortgesetzte Rechtsbruch der Regierung und der etablierten Parteien. Und übrigens: besser eine Dominanz von Ökonomen als von Juristen und selbsthassenden Volkserziehern.
SEZESSION: Zum Themenkomplex „Immigration“ finden sich die Aussagen, Deutschland brauche die Einwanderung von Fachkräften, und das Asylrecht müsse erhalten bleiben. Angst vor Beifall von der falschen Seite hat man bei der AfD also nicht – aber was soll daran „alternativ“ sein?
HÜBNER: Die jetzigen Aussagen gehen mir und vielen anderen gewiß nicht weit genug. Aber das wird sich im Laufe der Programmerstellung sicher noch ändern. Einstweilen muß und kann ich damit leben, zumal die Freien Wähler in Frankfurt eine sehr ausgefeilte Position haben, die mir nicht genommen wird.
SEZESSION: Über unserem Land liegt der Mehltau einer öden political correctness, aufgrund derer existentielle Probleme nicht einmal diskutiert, geschweige denn angegangen werden können. Wird eine Partei, die schon bei ihrer Gründung vor den Geßlerhüten der PC auf die Knie fällt, dazu beitragen, daß dies sich ändert? Anders gefragt: Begibt man sich mit programmatischer Leisetreterei nicht auf eine Schiene, von der man dann kaum noch herunterkommt?
HÜBNER: Ich erkenne Vorsicht, keine „Leisetreterei“. Wer die Berichte und Kommentare in den Medien verfolgt, kann doch erkennen, wie wütend darauf reagiert wird, daß die AfD so wenig Respekt vor der political correctness hat, das aber sehr unaufgeregt vertritt. Man muß nicht immer mit Anlauf gegen die Wand rennen, sondern diese mit Geduld und Geschick zum Einsturz bringen. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich das seit vielen Jahren tue.
SEZESSION: Die Unzufriedenheit mit der herrschenden Politik ist verbreitet, insbesondere unter kleinen Leuten und bis weit in die Wählerschaft von SPD und Linkspartei hinein. Kann eine Partei, die im Kern so offenkundig eine Milieupartei von liberalkonservativen Honoratioren ist wie die AfD, dieses Potential auch nur annähernd ausschöpfen und der Mehrheit des Volkes glaubwürdig eine Stimme geben? Anders gefragt: Welcher Arbeiter wählt AfD?
HÜBNER: Ich denke und hoffe: viele. Mit der Euro-Frage ist die soziale Frage sehr eng verbunden. Wir werden das im Laufe der nächsten Monate und im Wahlkampf noch massenwirksam herausarbeiten, gerade für die sogenannten „kleinen Leute“. Ich habe dafür viele Ideen. Niemand muß übrigens so besorgt vor dem Aufkommen der AfD sein wie die Linkspartei und auch die SPD.
SEZESSION: Als ehemaliger Linker, der sich eines Besseren besonnen hat, wissen Sie, wie sich Linkssein „von innen“ anfühlt. Hand aufs Herz – wenn Sie noch links wären: Würden Sie sich vor der AfD fürchten?
HÜBNER: Nicht unbedingt fürchten, aber unbedingt Respekt haben. Denn die AfD ist das politische Signal, daß sich die Meinungshoheit der Linken und Linksliberalen dem wohlverdienten Ende nähert. Wenn der Vorsitzende der Linkspartei der AfD Gefährlichkeit attestiert, weil diese so weit nach „rechts“ offen sei, ist das ein Indiz dafür, daß von feindlicher Seite eine Gefahr erkannt wird – und das ist gut so!
OG d.R.
Weil richtig rechte Parteien zu einem Gespenst (Popanz) erklärt werden, probieren es alle Jahre wieder welche auf die seichte Tour. Dabei, was spricht dagegen »richtig rechts« zu sein außer die erhobenen Zeigefinger in alten Medien, die immer weniger Leute lesen bzw. einschalten? Oder glauben wir selbst schon an den Popanz?