Diese Meldung wurde freudig, ja beinahe mit echauffiertem Frohsinn anmoderiert, so als wäre ein buntes Event der solidarischen Zivilgesellschaft zu vermelden.
Noch einmal: Zweitausend Menschen im Müritzgebiet, dem Altkreis Waren, müssen sich offenbar von Almosen ernähren, in einer Region des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, die dank Tourismus, Dienstleistungssektor und sogar Gewerbe vergleichsweise intakt ist. Daß eben dort Pappkisten mit Lebensmitteln an Familien verteilt werden, wird im Staatsfernsehen zur guten Nachricht! Kein Gedanke daran, daß Hintergründe aufgezeigt würden, die erhellten, warum die soziale Situation so bedenklich ist.
Sicher, man muß Respekt haben vor den Helfern der „Tafeln“. Sie engagieren sich in ehrenwerter Weise! Man muß den Initiatoren dankbar sein, keine Frage. – Nur stelle man sich einen Augenblick vor, was eine solche Meldung für Bewegung ausgelöst hätte, würden „Kennzeichen D“ oder das „ZDF-Magazin“ mit Gerhard Löwenthal vor 1990 vermeldet haben, im Landkreis Waren (Müritz) müßten sich 2.000 Menschen von gespendeten Lebensmittelpaketen ernähren! Nicht nur die Kirchgemeinden im Westen hätten mobilisiert. Wie zur Zeit des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981.– Die Leute mit redlich erarbeitetem Brot zu versorgen, das haben sogar die ostelbischen Gutsbesitzer zu Bismarcks Zeiten vermocht; und der Nation war es Ehrensache, daß Fürsorge nicht für Tausende, also hochgerechnet Hundertausende die Regel ist, sondern die nowendige Ausnahme.
Gut, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Aber bevor man analysiert, sollte man einfach das Phänomen auf sich wirken lassen, die Tatsache, DASS es genau so ist. DASS wir soweit heruntergekommen sind! Und ein Landessender mit dem Stolz von Jungpionieren darüber berichtet, daß es ja zum Glück die „Tafel“ gibt, die armen Menschen uneigennützig hilft, und all die freundlichen Supermärkte, die Bananenkisten mit Lebensmitteln füllen lassen, die sie ansonsten wegwerfen würden, weil sie ja ohnehin über die Hälfte der frisch und knackig zu präsentierenden Nahrungsmittel wegwerfen MÜSSEN oder sie durch Recycler in Strom und Wärme verwandeln lassen. Biokraft! Grüne Energiewende! Oder zu Komposterde. Weil es der Markt so will! Weil es der Kunde so will!
Ja, das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte, wird man sagen. Nein, es ist genau dieselbe, denn beides hängt zusammen. Über den Markt, der ja alles regeln soll und dabei zum einen Übermaß produziert, zum anderen dank Effizienz eine Menge Menschen “freisetzt”, die von der Transfergemeinschaft geatzt werden müssen.
Ich bin nicht reich. Aber käme hier ein Transporter an und brächte mir ein paar Prinzenrollen, Rührkuchen, eingeschweißte Sülzkoteletts und industriell aufgeschnittenes Brot vorbei, weil ich sonst hungern müßte, wüßte ich, daß etwas ganz Entscheidendes nicht stimmt. Was zuerst an mir liegen kann, was aber auch in der Gesellschaft seine Gründe hat, was jedenfalls auf sehr prekäre Ursachen und Umstände hindeutet, die verdammt alarmierend sind. (Wer ist “die Gesellschaft”? Existiert sie noch im Sinne von bspw. Bürgerlichkeit?) Bislang rühre ich lieber Quark mit frischem Lauch und Zwiebeln an und würze ihn aus der Pfeffermühle, wenn ich nicht Spreewälder Leinöl verwende. Und Brot kaufe ich beim Landbäcker, der für sich ums geschäftliche Überleben ringt. Bislang.
Nein, es bedarf nicht immer der ökonomischen Ursachenbeschreibung, es genügen manchmal die Phänomene selbst und unsere Reaktionsmuster aus dem Einfühlungsvermögen heraus – Gerechtigkeitssinn und einfach Zorn. Zorn nicht etwa gegenüber den armen Menschen, die sich in der Exklusion helfen lassen müssen, schon gar nicht gegenüber ihren Helfern, natürlich nicht!, sondern gegenüber den Zuständen – DASS sie so sind, wie sie sind. In einem Land, das sich mit unerhörter Eitelkeit präsentiert und sich eigens eine Provinzregierung leistet, für die Tausende Menschen in dem Notstand, sich ihre Nahrungsmittel nicht selbständig erwerben zu können, nicht “Chefsache” sind, dafür aber wohl der „Kampf gegen rechts“, die „Feste der Demokratie” und die Ganztagsschule, die wieder mal den “neuen Menschen” erzieht.
Stefan Pauly
Über die Tafeln hat sich auch schon ein anderer Blogger vor längerer Zeit seine Gedanken Gedanken gemacht: https://www.flegel-g.de/who-is-who.html https://www.flegel-g.de/tafeln.html Bei Gerhard Flegelskamp handelt es sich zwar um jemanden, der eher links orientiert ist, aber das hat ja keinen Einfluss auf die Richtigkeit seiner Argumente.