Schöne Müritz. Arme Müritz!

von Heino Bosselmann

Die Abendnachrichten von NDR-MV teilten mit, daß in der Müritzregion 2.000 Menschen durch „Die Tafel“ mit überständigen Lebensmitteln aus Supermärkten versorgt würden.

Die­se Mel­dung wur­de freu­dig, ja bei­na­he mit echauf­fier­tem Froh­sinn anmo­de­riert, so als wäre ein bun­tes Event der soli­da­ri­schen Zivil­ge­sell­schaft zu vermelden.
Noch ein­mal: Zwei­tau­send Men­schen im Müritz­ge­biet, dem Alt­kreis Waren, müs­sen sich offen­bar von Almo­sen ernäh­ren, in einer Regi­on des Bun­des­lan­des Meck­len­burg-Vor­pom­mern, die dank Tou­ris­mus, Dienst­leis­tungs­sek­tor und sogar Gewer­be ver­gleichs­wei­se intakt ist. Daß eben dort Papp­kis­ten mit Lebens­mit­teln an Fami­li­en ver­teilt wer­den, wird im Staats­fern­se­hen zur guten Nach­richt! Kein Gedan­ke dar­an, daß Hin­ter­grün­de auf­ge­zeigt wür­den, die erhell­ten, war­um die sozia­le Situa­ti­on so bedenk­lich ist.

Sicher, man muß Respekt haben vor den Hel­fern der „Tafeln“. Sie enga­gie­ren sich in ehren­wer­ter Wei­se! Man muß den Initia­to­ren dank­bar sein, kei­ne Fra­ge. – Nur stel­le man sich einen Augen­blick vor, was eine sol­che Mel­dung für Bewe­gung aus­ge­löst hät­te, wür­den „Kenn­zei­chen D“ oder das „ZDF-Maga­zin“ mit Ger­hard Löwen­thal vor 1990 ver­mel­det haben, im Land­kreis Waren (Müritz) müß­ten sich 2.000 Men­schen von gespen­de­ten Lebens­mit­tel­pa­ke­ten ernäh­ren! Nicht nur die Kirch­ge­mein­den im Wes­ten hät­ten mobi­li­siert. Wie zur Zeit des Kriegs­rechts in Polen im Dezem­ber 1981.– Die Leu­te mit red­lich erar­bei­te­tem Brot zu ver­sor­gen, das haben sogar die ost­elbi­schen Guts­be­sit­zer zu Bis­marcks Zei­ten ver­mocht; und der Nati­on war es Ehren­sa­che, daß Für­sor­ge nicht für Tau­sen­de, also hoch­ge­rech­net Hun­der­tau­sen­de die Regel ist, son­dern die nowen­di­ge Ausnahme.

Gut, nicht alles, was hinkt, ist ein Ver­gleich. Aber bevor man ana­ly­siert, soll­te man ein­fach das Phä­no­men auf sich wir­ken las­sen, die Tat­sa­che, DASS es genau so ist. DASS wir soweit her­un­ter­ge­kom­men sind! Und ein Lan­des­sen­der mit dem Stolz von Jung­pio­nie­ren dar­über berich­tet, daß es ja zum Glück die „Tafel“ gibt, die armen Men­schen unei­gen­nüt­zig hilft, und all die freund­li­chen Super­märk­te, die Bana­nen­kis­ten mit Lebens­mit­teln fül­len las­sen, die sie ansons­ten weg­wer­fen wür­den, weil sie ja ohne­hin über die Hälf­te der frisch und kna­ckig zu prä­sen­tie­ren­den Nah­rungs­mit­tel weg­wer­fen MÜSSEN oder sie durch Recy­cler in Strom und Wär­me ver­wan­deln las­sen. Bio­kraft! Grü­ne Ener­gie­wen­de! Oder zu Kom­post­er­de. Weil es der Markt so will! Weil es der Kun­de so will!

Ja, das ist nun wie­der eine ganz ande­re Geschich­te, wird man sagen. Nein, es ist genau die­sel­be, denn bei­des hängt zusam­men. Über den Markt, der ja alles regeln soll und dabei zum einen Über­maß pro­du­ziert, zum ande­ren dank Effi­zi­enz eine Men­ge Men­schen “frei­setzt”, die von der Trans­fer­ge­mein­schaft geatzt wer­den müssen.

Ich bin nicht reich. Aber käme hier ein Trans­por­ter an und bräch­te mir ein paar Prin­zen­rol­len, Rühr­ku­chen, ein­ge­schweiß­te Sülz­ko­te­letts und indus­tri­ell auf­ge­schnit­te­nes Brot vor­bei, weil ich sonst hun­gern müß­te, wüß­te ich, daß etwas ganz Ent­schei­den­des nicht stimmt. Was zuerst an mir lie­gen kann, was aber auch in der Gesell­schaft sei­ne Grün­de hat, was jeden­falls auf sehr pre­kä­re Ursa­chen und Umstän­de hin­deu­tet, die ver­dammt alar­mie­rend sind. (Wer ist “die Gesell­schaft”? Exis­tiert sie noch im Sin­ne von bspw. Bür­ger­lich­keit?) Bis­lang rüh­re ich lie­ber Quark mit fri­schem Lauch und Zwie­beln an und wür­ze ihn aus der Pfef­fer­müh­le, wenn ich nicht Spree­wäl­der Lein­öl ver­wen­de. Und Brot kau­fe ich beim Land­bä­cker, der für sich ums geschäft­li­che Über­le­ben ringt. Bislang.

Nein, es bedarf nicht immer der öko­no­mi­schen Ursa­chen­be­schrei­bung, es genü­gen manch­mal die Phä­no­me­ne selbst und unse­re Reak­ti­ons­mus­ter aus dem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen her­aus – Gerech­tig­keits­sinn und ein­fach Zorn. Zorn nicht etwa gegen­über den armen Men­schen, die sich in der Exklu­si­on hel­fen las­sen müs­sen, schon gar nicht gegen­über ihren Hel­fern, natür­lich nicht!, son­dern gegen­über den Zustän­den – DASS sie so sind, wie sie sind. In einem Land, das sich mit uner­hör­ter Eitel­keit prä­sen­tiert und sich eigens eine Pro­vinz­re­gie­rung leis­tet, für die Tau­sen­de Men­schen in dem Not­stand, sich ihre Nah­rungs­mit­tel nicht selb­stän­dig erwer­ben zu kön­nen, nicht “Chef­sa­che” sind, dafür aber wohl der „Kampf gegen rechts“, die „Fes­te der Demo­kra­tie” und die Ganz­tags­schu­le, die wie­der mal den “neu­en Men­schen” erzieht.

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Kommentare (57)

Stefan Pauly

7. Juni 2013 12:52

Über die Tafeln hat sich auch schon ein anderer Blogger vor längerer Zeit seine Gedanken Gedanken gemacht: https://www.flegel-g.de/who-is-who.html https://www.flegel-g.de/tafeln.html Bei Gerhard Flegelskamp handelt es sich zwar um jemanden, der eher links orientiert ist, aber das hat ja keinen Einfluss auf die Richtigkeit seiner Argumente.

Heino Bosselmann

7. Juni 2013 13:05

Ich bedanke mich für den Hinweis.

Inselbauer

7. Juni 2013 13:33

Ich werde hellrot im Gesicht vor Zorn, wenn ich von diesen Armenspeisungen lese. Mein Großvater war zwischen 1934 und 1938 aufgrund des arbeitsmarktpolitischen Drucks der Klerikalfaschisten dazu gezwungen, sich "abspeisen" zu lassen und mit seinen 7 Kindern Almosen anzunehmen. Alle seine Nachkommen hassen seit dieser zeit jede staatliche Unterstützung; meine Großtanten haben in den 50er- und 60er- Jahren Eisenbahnlinien händisch von Unkraut befreit, um nicht "stempeln" gehen zu müssen. Armenspeisung ist ein Knüppel, mit dem man politische Gegner so weit demütigt, dass sie niemals mehr den Mund aufmachen, so haben wir das in Österreich gelernt.
Die Menschen in MV sind doch Deutsche! Warum lassen sie sich das gefallen, ich kann es nicht verstehen. Das Leid dieser geschiedenen, verzogenen und verzweifelten Menschen muss fruchtbar sein, "Bequemlichkeit" des Sozialstaates hin oder her. Im 18. Jahrhundert sind viele meiner Landsleute nach Preußen vertrieben worden; dort herrschten freie Verhältnisse, weil es keine Armenspeisung gab.
Irgendwann müssen sich diese Dinge furchtbar rächen. Gestern hat sich Brigitte Böhnhardt vor einem UA in berührender Weise geäußert. Sie hat davon gesprochen, dass nach der Wende so viel "in Unordnung" gekommen sei, und dass diese Unordnung seither auch nicht aufgehört habe. Ich halte es immer wieder den masochistischen Analytikern vor, die die Deutschen als stumpf und verloren ansehen: "Der Michel schlägt viel zu spät zurück, er schlägt den Falschen, aber es geht böse aus." (Brecht)

Freidenker

7. Juni 2013 13:45

Hätten die Landarbeiter der besagten ostelbischen Gutsbesitzer ihre Lebensmittel bei einer Tafel geschenkt bekommen,so hätte wohl niemand mehr die Felder bestellt,auf denen diese erzeugt werden.

Martin Lichtmesz

7. Juni 2013 13:52

In Wien ist gerade "Containern" in, da plündern Studenten die Mülltonnen von BILLA in Nacht-und-Nebel-Aktionen...

Gustav Grambauer

7. Juni 2013 13:57

Wenn die "Zivilisation" um uns herum in ihrem Wesen die Perversion des Christentums ist, so ist das öffentliche "Abfeiern" der sogenannten "Tafeln" die Perversion des gebrochenen Brotes in der Herberge von Emmaus.

- G. G.

ene

7. Juni 2013 14:20

Gut, daß Sie solche Themen hier mal aufgreifen!
Darf ich eine bezeichnende Geschichte hier kurz erzählen?
Bei einem Arzt bedanke ich mich für die Überweisung an einen kompetenten Kollegen. Er sieht mich traurig an und sagt: "Schade, daß ich nicht noch mehr Patienten an ihn überwiesen kann. Aber leider ist seine Praxis zu weit weg."
Die Praxis liegt im nächsten Berliner Stadtbezirk. Fahrzeit: knappe 20 Minuten. - Darauf hingewiesen, war seine Antwort: "Ja, aber den Fahrschein können sich viele meiner Patienten nicht mehr leisten."
Für Rentner mit bescheidenen Einkünften heute nichts Ungewöhnliches mehr .

@ Inselbauer, man muß weder "geschieden" noch "verzogen" sein - es reicht schon, chronisch krank zu sein, oder selbstständig mit geringen Einkünften oder oder...was meinen Sie, bis in welche Bevölkerungsschichten diese Zustände schon reichen. Man sieht es den Leuten nicht immer an.

gerdb

7. Juni 2013 14:21

Das hier ist Kommunismus von dem man uns nur erzählt hat,wie ein älterer Ex-Russlanddeutscher vollbepackt von einer dieser Tafeln von dannen zog.
In der Tat handelt es sich um ein "Event", wie ich selber einen "Bedürftigen" begleitend (der übrigens seine nicht bedürftige Familie mitversorgt) feststellen konnte.
Man sieht sich, man kennt sich und kommt mal aus der Bude.
Der Pastor (in dessen Räumlichkeiten es stattfindet) macht eine Diashow
und auch die Hunde kommen nicht zu kurz.
Also fast wie Weihnachten einmal die Woche.

Theosebeios

7. Juni 2013 14:26

Einwand. Aus der Nutzung der Tafel ist weder Armut noch Bedürftigkeit (unmittelbar) abzuleiten. Wie es in ihren Bundesländern gehandhabt wird, weiß ich nicht. Bei uns, inmitten einer Ballungsregion mit sehr hohem durchschnittlichen Lebensstandard, gibt es auch eine "Tafel", die regen Zuspruch erfährt. Die Qualität der von Geschäften abgegebenen Lebensmittel ist hoch, die Quantität mehr als reichlich. Der kritische Nutzer wählt, was ihm schmeckt, nicht was evtl. übrig ist.
Jeder kann hingehen, jeder bekommt etwas. Man muss sich nicht legitimieren, denn das erhöht die "Schwellenangst", "stigmatisiert", "exkludiert" und mag manche auch tatsächlich abhalten. Niemand weiß, welcher Sozialhilfeempfänger zur "Tafel" geht und welcher nicht. Niemand weiß auch, wer von den Ankommenden daran denkt, die durch die kostenlosen Lebensmittel eingesparte "Sozialknatter" in Alkoholisches zu investieren.

Nur eines darf man sicher vermuten: "Hungern" muss hier niemand.

Es grüßt Th., "ein Konservativer von der schlimmsten Sorte" (Ehrentitel, erhalten im Forum von "Projekt Ernstfall").

Inselbauer

7. Juni 2013 14:31

Das Beispiel von den österreichischen Studenten ist deprimierend. Ich mag es mir gar nicht vorstellen, dort wird also auch die Tafel-"Kultur" pervertiert, mit dem Anspruch, irgendwelchen großstädtischen Trends aus den USA hinterher zu hecheln. Die Vorstellung, dass irgend ein Gletscherschweizer-Gesindel aus Vorarlberg mit Hornbrillen auf oder perfekt assimilierte Bosniaken (diese überheblichen Südosteuropäer) den Müll-Hype leben, bringt mich zur Raserei. Wenn es nur irgendwie möglich wäre, diese Perversion mit einem Gegenbeispiel aus irgend einer anderen Stadt zu toppen, ich wäre ein glücklicher Mann. Jede Alleinerziehende aus Penzlin ist eine Heilige dagegen.

Sugus

7. Juni 2013 14:50

@ Freidenker
Heute - und um das Heute geht es in diesem Text - ersetzen die Maschinen der ostelbischen Agrarkonzerne 1000 Hände von Landarbeitern.
Was soll der Landarbeiter tun, wenn er nicht mehr benötigt wird? Sich umbringen?

Gustav Grambauer

7. Juni 2013 15:36

@Sugus

„Die Zivilisation geht ihrem Ende zu, wenn die Landwirtschaft aufhört, eine Lebensform zu sein, und zur Industrie wird.“
- Gómez Dávila, Einsamkeiten, Karolinger, 1. Auflage, Seite 115

Buchempfehlung hierzu:

https://www.pelagius.de/index.php?id=12

(Nicht beirren lassen von dem Klappentext, welcher von einem Pädagogen verfaßt wurde - dem es nicht ansatzweise gelungen ist, die Wucht dieses Büchleins anzuuten: es führt solide ein in die natur- bzw. Kosmos-gegebene Organik des Mineral-, Pflanzen- und Tierlebens einer idealen Hofwirtschaft (etwa in den Proportionen der Anzahl der Tiere, in ihren Rhythmen, im Aus-Balancieren von Schädlingen usw.), und mit welchen Mitteln man eine solche Wirtschaft zum Blühen bringt.)

- G. G.

Carl Sand

7. Juni 2013 15:41

Lieber Theosebeios,

Sie haben in Ihrem Kommentar die Anführungszeichen in '"Konservativer" vergessen. Den Rest haben Sie ja gerade dankenswerterweise selbst dazu getan.

"Warum Konservative immer verlieren" ist der Titel eines ausgezeichneten Aufsatzes von Alex Kurtagic. Manchmal braucht man aber gar keine tiefgreifende metapolitische Analyse, da reicht das Herz und der gesunde Menschenverstand.

Aber da hat man eben oder man hat es nicht.

Und stellen wir uns einmal wirklich die Frage: Wollten wir wirklich zu "uns" dazugehören? Wenn wir zu der Mehrheit, ja Mehrheit! von Menschen dazugehörten (natürlich tun wir es nicht; tönt das Pfeifen im Walde), für die diese Bibabundeswachstumsrepublik längst ein Albtraum geworden ist? Man sieht die Abgehängten bei uns nicht, sie verstummen.

Schließlich ist ja jeder seines Glückes Schmied. Und die Gescheiterten und Geschiedenen, die Alten und Wegrationalisierten halten auch brav den Mund, schließlich würden sie mit einer lauteren! Annahme ihres Schicksals sich jeder Chance berauben, wieder zu heiraten, wieder einen "Dchob" zu kriegen, - ein soziales Umfeld zu behalten, schlicht: keine Versager und Vermucker zu sein.

Der Mensch ist das gehässige Wesen. Und so lange es noch einen gibt, der unter ihn steht, solange ist er zufrieden. Darum schweigen die Versager um kein Sozialbetrüger zu sein, der "unser aller Geld" in "Alkoholika" anlegt. - So reden Sie, Theosebeios, und streicheln die Spätlesen Ihres Weinkellers - leider nur nach Jahrgang, nicht nach Geschmack zusammengekauft.

Wollte man also wirklich zu "uns" dazugehören? Zu Menschen die ihre altbacken-humanistischer Bildung dampfend nach fufziger Jahrewie eine Monstranz (und in Wahrheit wie einen Schutzschild vor sich hertragen? - Natürlich Bildung, die noch was wert war - Die noch angepackt und nicht gejammert haben - deren Antwort auf einen Arbeitslosen ein "ordentlicher Haarschnitt" ist - ein wahrlich sympathisches Bild unserer "Szene".

Oh si tacuisses.

Nein, Theosebeios, Sie sind nicht der "schlimmste Konservative". Sie sind schlicht der Grund, warum keiner uns mag.

D. L.

7. Juni 2013 16:07

Schuster bleib bei den Leisten; Feuilleton-Leser und -Schreiber, laß ökonomische Fragen in Ruhe. Das gilt scheinbar nicht nur in den Mainstream-Medien, sondern ganz offensichtlich leider auch hier...

Aber die ökonomische Erörterung ist an dieser Stelle noch nicht einmal notwendig. Den die zugrunde liegende Unlogik des Beitrages ist offensichtlich:

Daß zweitausend Menschen etwas machen, bedeutet nicht, daß zweitausend Menschen etwas machen müssen. Und mit dieser simplen Feststellung ist dem ganzen Text die dünne argumentative Grundlage entzogen.

Wenn man Mitleid haben will, dann mit dem geringverdienenden Facharbeiter, der brav seine Abgaben bezahlt, aber vom Staat nichts bekommt, weil er zu ehrlich ist, das System auszunutzen. Und die bekommen dann nämlich auch nichts von der Tafel...

Inselbauer

7. Juni 2013 16:19

Sehr geehrter "D.L.", Sie "E.T." der Ökonomie, der sich unter die Nationalisten traut: Ein Volk ist eine Schicksalsgemeinschaft, und wenn ein Nationalist über seine Leute schreibt, dann wird er dies nicht nach der Logik der Homo Oeconomicus tun sondern als teilnehmender Volksgenosse. Welche Art von Willensfreiheits-Diskurs soll das werden? Ich kann dem nur den alten Satz von Nestroy als Kommentar an die Seite stellen: "Die Wirklichkeit ist immer noch der schönste Beweis für die Möglichkeit."

Heino Bosselmann

7. Juni 2013 16:25

Leider nur per Handy: Akzeptiert! So bleibt neben dem abstrakt ökonomischen Problem noch das gesellschaftliche bzw. kulturelle und ethische bestehen-in fragwürdigen Akten des Gebens und Nehmens.

Rumpelstilzchen

7. Juni 2013 17:45

@Inselbauer

Mein Neffe containert auch. Ist auch total aktuell bei Studenten in Deutschland. Ich fragte ihn, was er von Ihrem Beitrag hält.

Antwort:

Nicht die containernden Studenten sind deprimierend, sondern die Tatsache, dass so viele Lebensmittel vernichtet werden, ist deprimierend.

ene

7. Juni 2013 18:11

Wenn einer etwas umsonst bekommt - und sei es auch wenig, und sei es auch etwas, was man selber nicht mehr nimmt - warum gibt es dann immer noch jemanden, der dem Empfänger genau das nicht gönnt??

Denjenigen, die schlechter dran sind als man selbst, die Bissen in den Mund zu zählen - ist schäbig und sollte ganz einfach der menschliche Anstand verbieten.

Einige statements hier klingen ja wie aus der Bild-Zeitung (Stichwort: "Deutschlands faulster Arbeistloser")

Rautenklausner

7. Juni 2013 18:27

Wie immer den beitrag des verf. mit grossem respekt gelesen. Ich vermisse ihn sehr im ND! Treffend auch die anmerkung des inselbauern. Als ergänzung bleibt dann nur der hinweis auf brechts 'lied von den krücken'...

PB

7. Juni 2013 18:30

Der selbe Gesetzgeber, der den Stromlieferanten zumutet, die EEG-Subventionen der Öffentlichen Hand bei seinen Kunden abzukassieren, könnte auch Ladenbetreiber dazu verpflichten, einen (kleinen) Prozentsatz der Ladenfläche für überlagerte, unansehnliche oder sonst wie schwer verkäufliche Ware bereitzustellen, auf der diese dann zu einem niedrigeren Preis als in den normalen Regalen angeboten werden könnte, wie dies in vielen Läden bereits geschieht.

Da diese Verkaufsflächen zu keinem anderen Zweck verwendet werden dürften, hätten nach Einführung einer entsprechenen Regelung nunmehr alle Verkäufer auch ein finanzielles Interesse daran, eine erweitere Verwertungspraxis einzuführen und für ihre 1b-Ware noch an Ort und Stelle zumindest einen Deckungsbeitrag zu erlösen.

Die dezentrale Bereitstellung von Bezugsmöglichkeiten für derartige Waren, noch dazu an ihrem letzten regulären Aufenthaltsort, könnte außerdem noch manche Transporte einsparen: den des Abfalls zu den Sammelplätzen und die der ohnehin schon bedürftigen Kunden zu den wenigen zentralen Ausgabestellen.

jak

7. Juni 2013 18:41

Seit ein paar Jahren gibt es auch in meiner niedersächsischen Heimatkleinstadt eine Tafel. Das erste mal als ich an der Essensausgabestelle vorbei kam und die in Schlange stehenden zerlumpten Gestalten gesehen habe war ich erschrocken. Hartz4 wirkt? Kann sein, dass ich da einer romantischen Idee von einer Gesellschaft anhänge in der niemand betteln muss usf. Inzwischen hat Deutschland (dank Kanaillen wie W. Clement etc) einen explodierenden Niedriglohnsektor. Man kann natürlich immer sagen, dass es den Leuten anderswo noch viel mieser geht und der globale Trend sowieso unaufhaltsam in Richtung Brasilianisierung geht. Ein Jammer ist der Verfall unserer leidlich funktionierenden Gesellschaft aber doch...

Inselbauer

7. Juni 2013 18:56

Rumpelstilzchen, Ihr Neffe ist sicher ein netter Kerl. Trotzdem hat er einen an der Waffel, seien Sie mir nicht böse. Wenn es wirklich deprimierend sein sollte, dass Lebensmittel weggeworfen werden - ich glaube das nicht, weil das immer schon so gemacht worden ist im Umfeld von Kriegen -, dann ist es doch sinnlos, sich auch noch zum kulturellen Wurmfortsatz einer solchen Schweinerei zu machen. Ich gönne allen alles - aber meine Verwandtschaft sollte keine abgelaufenen Lebrnsmittel fressen oder im Müll herumpolken.

JeanJean

7. Juni 2013 19:13

Ohne die Überregulierung durch staatliche/EU Verbraucherschutzgesetze, könnten die Supermärkte bei uns, wie in England, Produkte, die kurz vor dem Verfallsdatum angekommen sind, zu Niedrigstpreisen abgeben.

In ihren ersten Jahren in England, kochte meine Schwester (sehr lecker) nahezu ausschließlich Gerichte aus diesem verbilligten Warenangebot. Man muss nicht in Tonnen wühlen und nicht Bittsteller sein, wenn im Handel einfach nur gesunder Menschenverstand zugelassen wird.

Die Tafeln sind auch eine Folge der Überregulierung. Die politische Wirksamkeit der Bilder von Tafelabhängigen ist erwünscht.

@ene,

Es geht nicht um "gönnen" es geht um Würde, Würdelosigkeit und den Nanny state, der kriechende Abhängige braucht und daher produziert.Kostenlose Schulspeisungen und Suppenküchen sind Erziehungswerkzeuge zum Untertanentum.

Mauretanier

7. Juni 2013 20:12

Was ist jetzt am Containern so schlimm?

Mal ganz abgesehen davon, dass das wohl schon seit Anbeginn der Menschheit auf die ein oder andere Art praktiziert wurde.

ene

7. Juni 2013 20:49

@ JeanJean

Sie sprechen von Würde und Würdelosigkeit - schön und gut.
Nur haben Sie dabei die falsche Personengruppe im Auge!
Wieviel Abgeordnete und Inhaber von Berechtigungsausweisen jeglicher Art (teilweise liegt sogar die entsprechende Berufstätigkeit schon 20 Jahre zurück...) nehmen Vegünstigungen jeglicher Art (- die sie nicht nötig haben!) gern in Anspruch. In Berlin - wenn ich mich recht erinnere - standen den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses immer kostenlose Opernplätze zur verfügung... wird wohl immer noch so sein.
Keiner hat je freiwillig bezahlt, weil er kein "kriechender Abhängiger" sein wollte!

In Instituten (mal allgemein gesagt) finden hochdotierte Personen nichts dabei, ihre Sekretärinen ihren ganzen Privatkram noch mitbearbeiten zu lassen. Und bringen ihre Post von zu Hause mit, um sie über den Institutsbriefkasten zu befördern.

Fragen Sie hier mal nach, ob das nicht "würdelos" sei. Sie werden erstaunte Blicke ernten.

Und wem steht es da zu, jenen Leute, von denen oben "jak" spricht, ausgerechnet denen mit der "Würde" zu kommen?

Zwischen kostenlosen Schulspeisungen und Untertanentum sehe ich keinen Zusammhang.

ene

7. Juni 2013 20:54

@ Mauretanier

Finden Sie es deshalb nicht schlimm, weil Sie selbst das auch ohne weiteres machen würden? -

Rumpelstilzchen

7. Juni 2013 21:09

Gemach Gevatter Inselbauer,

1. Mein Neffe ist wirklich ein netter Kerl und seine Kumpels auch
2. Die Frage der Hygiene ist auch Thema bei der Containerbewegung, was Sie kugeln können.
3. Jede Jugend hat das Recht, einen an der Waffel zu haben, sprich, sich von den Alten abzugrenzen.
4. Es ist deprimierend, dass in Deutschland ein Drittel der gekauften Lebensmittel weggeschmissen werden. die Kriegsgeneration hat das nicht so gemacht und die Alten werfen auch nichts weg.
5. Es können durchaus Zeiten kommen, wo Sie froh sein würden, im Wohlstandsmüll herumpolken zu können
Und zum Schluss, klischeehaft und provokativ:
Ich will nicht dumpfbackig massenhaft Billigfleisch grillen und beim Grillen in PI Manier über die Zigeuner und Moslems herziehen, während mein Rottweiler die Reste frißt und mein Ikea Heim bewacht und mir Null Kopp über Ernährung machen. Sorry.
Der verantwortliche Umgang mit Lebensmitteln hat mit Kultur zu tun und sollte auch in konservativen und rechten Kreisen ein Thema sein.

Ein Hoch auf die Pellkartoffeln mit Quark und Lauchzwiebeln, Herr Bosselmann. Dazu aber ein kühles Bierchen.

civis germanicus aus dem Kalifat

7. Juni 2013 21:13

Wenn ich mir diese Diskutiererei so ansehe dann frage ich mich ob Islamisierung nicht ein Segen wäre; vielleicht hörte dann endlich das Geschwätz auf.

Gott ist groß, Amen - und Schweigen . . .

Theosebeios

7. Juni 2013 21:26

RUMPELSTILZCHEN, schönen Gruß an Ihren Neffen. Nichts ist deprimierend. Jeder deprimiert sich selbst, mancher auch so gut er kann. Sonst wäre die Welt, wie sie ist, ein großer Deprimierungskasus, was ganz offensichtlich nicht der Fall ist.

Kiki

7. Juni 2013 21:46

@Inselbauer
Wo haben denn Ihre Großeltern gelebt, daß sie in den 30ern von "Klerikalfaschisten" gequält worden sind?

Ich frage dies ohne jede Ironie und aus ehrlichem Interesse, denn bisher kannte ich diesen Begriff nur aus dem Propagandaarsenal der BolschewikInnen in Polen, Kroatien, Tschechien, Ungarn usw.

Die beklebten (und verfolgten, ja vernichteten oftmals) damit alles und jeden, der nicht in ihrer Manier in die lichte Zunkunft des Neuen Menschtums stürmen wollte, sondern der reaktionären Meinung war, daß sich in vielen Lebenslagen altbewährte Dinge und Einrichtungen besser machen als experimenteller Buderzauber.

Wie gesagt, diese Art von "Klerikalfaschisten" kenne ich aus mannigfaltigen Erzählungen und die Älteren meiner Sippe aus eigener Erfahrung. Wenn es daneben noch andere gibt, würde ich gern noch dazulernen.

Martin

7. Juni 2013 21:58

Sie lebt von Hartz IV und Kindergeld. Abzüglich ihrer Fixkosten muss sie von 80 Euro im Monat für ihren gesamten Lebensunterhalt auskommen.

So ein Zitat aus dem Cicero Artikel.

Da darf man aber schon einmal nachfragen, welche Schauergeschichten man hier aufgetischt bekommt.

Nach Abzug der (echten) Fixkosten darf es - wenn man Hartz IV bezieht - eigentlich nicht zu 80.- Euro "Rest" kommen, da ja Miete und alles andere "on top" durch die Träger zum Regelsatz von 382.- Euro gezahlt werden. Hartz IVler haben auch Pfändungsschutz (und tschüß, lieber Gläubiger ... im Ernstfall noch ne Verbraucherinsolvenz und in 6 Jahren - demnächst 3 - ist alles egal... Verfahrenskosten interessieren auch nicht mehr) und bekommen unproblematisch Prozesskostenhilfe etc., etc. - man darf halt offiziell kaum mehr was an Vermögen haben ...

Wenn man über "die Tafeln" spricht, dann sollte man auch einmal erwähnen, dass man hier eigentlich ganz schön viel verdienen darf, um immer noch dort Lebensmittel zu bekommen. In unserer Stadt führt das zu den berühmten "Mitnahme-Effekten", man greift sich die Tüten (bei und ist noch das "Tütenmodell" angesagt), pickt sich das für sich individuell brauchbare raus und der Rest landet in den Grünanlagen des neben der Tafel sich befindenden Friedhofes - nicht bei anderen oder auch nicht wieder bei der Tafel.

Ein paar Gutmenschen fühlen sich gut und ein paar Leute, denen eh schon alles egal ist, sparen sich ein paar Kröten, um sich davon was anderes als Lebensmittel kaufen zu können (was BEIDES auch so gewollt ist - sonst könnten sie BEIDE ja aufmüpfig werden). That´s all.

Von "Armenspeisungen" sind wir in Deutschland noch sehr weit entfernt.

Ach ja, ich gönne alle diesen Leuten rein materiell all diese Zuwendungen, aber ich beneide sie nicht um ihr Schicksal.

Effektiv betrachtet verhalten sich die "Transferempfänger" aber genau so ökonomisch, wie die "Höchststeuersatzzahler" und "Steuergestaltungsoptimierer" also wie die "bösen Kapitalisten".

"Oben" wird versucht, das Maximum heraus zu holen und "unten" wird der garantierte Mindestsatz mit möglichst geringen Aufwand (= keine Arbeit) erzielt und mit weiteren Transfers wie Tafeln etc. "verbessert", ggf. auch mit Schwarzarbeit (Minimalprinzip).

Also: Keine Sozialromantik bitte! Oben wie unten sind Ergebnisse einer durch und durch materialistischen und ökonomisierten Gesellschaft, die sich auch in allen Schichten entsprechend gesetzmäßig verhält.

Würdelos und unfrei ist das Leben von mindestens über 90% der Menschen hier ... "everybody´s someone else´s nigger", da hat der Herr Marylin Manson schon recht damit ...
und:
"Freedom´s just another word for nothing left to lose" - sang schon Janis Joplin ... (Gott hab sie selig) ...

Inselbauer

7. Juni 2013 22:06

Es ist schon richtig, jeder soll sich seine Kartoffeln so zusammensuchen, wie es ihm grad passt. Wenn Sie, Freund Rumpelstilzchen, beim Googlen sind, dann versuchen Sie mal die Ursachen für die Hungersnöte in den beiden Weltkriegen herauszufinden; der rationale Umgang mir Nahrungsmittelresspurcen war es nicht (...)
Der puritanische Ansatz, Biofleisch alle zwei Wochen zu grillen und das auch noch sinnlich zu finden, ist lächerlich. Ich scheisse, im wahrsten Sinn des Wortes, auf einen "verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln". Fressen und saufen, wenn es schmeckt, und keine Ideologie draus machen, alles andere wäre ja noch schöner.

Mauretanier

7. Juni 2013 22:08

Finden Sie es deshalb nicht schlimm, weil Sie selbst das auch ohne weiteres machen würden? -

Als Mathematikstudent, der chronisch am Rande des Existenzminimums vor sich hin vegetiert, habe ich es sogar bereits getan.

ene

8. Juni 2013 00:22

@ Mauretanier

Danke für Ihre offene Antwort! Dann sind sie wohl einer der wenigen hier, der überhaupt weiß - aus Erfahrung weiß - warum es geht.

Inselbauer

8. Juni 2013 00:49

@Kiki
Ich sprach vom österreichischen Klerikalfaschismus, der Mitte der 30er-Jahre dort eine so morbide Hoffnungslosigkeit verbreitete, dass den Leuten in jeder Hinsicht der Verstand abhanden gekommen ist. Das war eine Zeit, in der eine aufgebrochene Wirtschafts- und Sozialstruktur mit stümperhaften, brutalen Gesetzen restituiert werden sollte unter dem Dekor eines dekadenten Katholizismus und eines hilflosen Kostümfadchismus. Die wenigen ehrlichen Politiker dieses Regimes sind umgekommen. Bis zum Einmarsch der Nazis, der vom Großteil der Bevölkerung als Ende dieses perversen reaktionären Experiments empfunden wurde, herrschten surreale Verhältnisse, die auf jeden Fall an Abscheulichkeit dem Nachkriegs-Kommunismus in nichts nachstehen (plus Hungersnot).

JeanJean

8. Juni 2013 04:08

@ene;

Werfen Sie mal einen Blick darauf, wer die kostenlose Schulspeisung propagiert. Es sind die gleichen Leute, die die verpflichtende staatliche Kinder Betreuung U 3, die die Abrichtung zum Neuen Menschen in Ganztagsschulen mit politisiertem Aktivismus nach Dewy Rezept und die kulturelle Vielfalt predigen.

Gerade die Nahrungsaufnahme ist in den Programmen der Globalisierer ein wichtiger Baustein zur Gleichschaltung und Gängelung geworden. Nachhaltiges Denken, Schuldgefühle, Altruismus, gesunde Ernährung als Bürgerpflicht, jeder Apfel eine Botschaft, jedes Schnitzel ein Verbrechen gegen die Menschheit und der Mensch als defizitäres Wesen, das zu vernünftigem Handeln lebenslänglich der lenkende Hand einer über ihm installierten Expertokratie bedarf um vollständig zu werden und "richtig" zu handeln.

Wenn diese geballte Ladung kostenlos ausgeschüttet wird , rufen viele Hurra, jetzt zahlen die Anderen.

In der Masse aufs Töpfchen, in der Masse gefüttert, als Masse behandelt und gelenkt.

Für mich ist das ein Verbrechen an der Menschenwürde, was nicht im Gegensatz dazu steht, dass unsere Politikerkaste aus Würdelosen Verrätern besteht - im Gegenteil!

FS

8. Juni 2013 07:55

Die Tafeln sind nichts weiter als ein Teil des Geschäftsmodells der Supermärkte. Das Wegschmeißen ist teurer als die Abgabe der Waren an die Tafeln, unter denen ein knallharter Konkurrenzkampf um Zuwendungen etc. herrscht. Auch helfen die Tafeln, dass die ALG II-Regelsätze möglichst niedrig bleiben können, was die unteren Löhne weiter nach unten drückt.
Das hat alles mit Nächstenliebe etc. herzlich wenig zu tun. Das ist Bizniz.

ene

8. Juni 2013 11:05

@ JeanJean

Wenn Sie gegen die Zurichtung zum Einheitsmenschen polemisieren, haben Sie mich ganz an Ihrer Seite!

Jedoch - Schulspeisung, das ist für viele Kinder einmal der Höhepunkt des Schultages gewesen. Eine warme Mahlzeit am Tag! Ich habe solche Menschen noch gesprochen, "untertänig" ist dadurch keiner geworden.

Ein freier Geist wie Nietzsche nahm in Kindheit und Jugend im Internat von Schulpforta an streng ritualisierten Schulspeisungen teil. Den Wochenspeiseplan hat er seiner Mutter mal in einen Brief mitgeteilt, alles Tag für Tag genau festgelegt. Sie können über ihn vieles denken - aber wohl kaum, daß er vom "Untertanengeist" beherrscht war.
(Übrigens war es auch für ihn kostenlos, er bekam ein Stipendium, wegen der Bedürftigkeit der Mutter. Wäre heute wohl HartzIV, zwei kleine Kinder, Mann gestorben, kein Beruf...)

Vielleicht sollte man nicht alles so zuspitzen!

Und im übrigen ist der Mensch nicht nur defizitär, sondern auch unberechenbar. Und Druck erzeugt Gegendruck. Darauf darf man doch immerhin hoffen.

Rumpelstilzchen

8. Juni 2013 13:41

In Hamburg läuft das umstrittene Kunstprojekt "Menschenzoo".
Obdachlose und Hartz IV Empfänger werden in Käfigen ausgestellt und können gefüttert werden . Besonders die Politiker empören sich.
Max Straubiner (CSU) bezeichnet diese Aktion als menschenverachtend. Zitat: "Hartz IV ermöglicht eine Teilnahme am Leben, wenn auch auf eingeschränktem Niveau." Es sei bösartig, Sozialleistungen so negativ darzustellen.

Vielleicht geht es gar nicht um mehr Geld und Tafeln für die "strukturell Überflüssigen" dieser sog. Gesellschaft, sondern darum, nicht mehr "strukturell überflüsig" zu sein.
Das wird durch solche Massnehmen wie Tafeln und Hartz IV aber latent ausgesagt. Eine ganze Armutsindustrie als Geschäftsmodell lebt von den "strukturell Überflüssigen", so auch die Einwanderer Industrie.
Wirkliche Teilhabe, nicht an einer anonymen Gesellschaft, sondern z. B. in einer Volksgemeinschaft oder auch in einer Community, gibt auch den Armen einen Status und Wert.
Oder biblisch gesprochen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Fenris

8. Juni 2013 13:48

D.L. : Daß zweitausend Menschen etwas machen, bedeutet nicht, daß zweitausend Menschen etwas machen müssen. Und mit dieser simplen Feststellung ist dem ganzen Text die dünne argumentative Grundlage entzogen

Genau, Sie Leuchte. Die könnten es sich ja auch genauso gut aus Ihrem stylischen Kühlschrank mit Eiswürfeldispenser klauen. Schon mal versucht, einen Monat lang mit € 386,00 auszukommen?

Selbst wenn die 2000 oder wenigstens ein Teil es nicht machen müsste, wäre es doch wohl immer noch traurig genug, daß sich mittlerweile in jeder Kleinstadt in so großer Zahl Leute finden, denen das Wörtchen Würde überhaupt nichts mehr bedeutet, oder?

Zamolxis

8. Juni 2013 14:37

Es gibt auch die islamische Tafel: wochentlich 2 Kilo Lamm und/oder Kalbfleisch, 1 Liter Ölivenöl, 1 kg Mehl, 2 x 250 gr. Butter, 1 L Milch. Bei Bedarf werden auch Medikamente verteilt. Die Verteilung übernimmt die örtliche DITIB. Auf diese Weise werden sowohl arme Christen konvertiert, aber auch die strenggläubige Variante des Islams verbreitert und gefestigt.

Freidank

8. Juni 2013 15:17

@ Freidenker

Wenn man in unserem Land wieder arbeiten müßte, allein um nicht physisch zu verhungern, wären wir nicht besser als Nigeria.

Vielleicht kommt es ja dahin, wenn das letzte Wasserwerk den internationalen Finanzinvestoren zum Fraß vorgeworfen und das letzte Privatvermögen von Goldmann Sachs eingesammelt ist.

Spaß beiseite: Zynische Argumente wie das, welches Sie vorgebracht haben, sind die Kehrseite der Hurra-Berichterstattung, über die Bosselmann sich hier aufregt.
In beidem ist ein gewisser Sinn für Sittlichkeit verloren gegangen.

Martin

8. Juni 2013 16:33

Schon mal versucht, einen Monat lang mit € 386,00 auszukommen?

Ja - und das geht gar nicht mal so schlecht. Sarrazin hatte auch in diesen Punkten durchaus nicht unrecht. Ich war eine längere Zeit selbständig und da blieb nach Abzug von Krankenkasse, Altersvorsorge, Mieten, Betriebsausgaben in manchen Monaten auch nicht viel mehr übrig. Und dafür habe ich aber gearbeitet ... verhungert bin ich dabei wahrlich nicht ... obwohl ich mit meinen Steuerbescheiden bei der Tafel auch was bekommen hätte (Die Bezugsberechtigung ging übrigens, so war es zumindest damals bei uns, deutlich über Hartz IV an), was ich mir aber nie geholt habe.

Wie schon geschrieben: Man kann sich mit den Transferleistungen einrichten und man optimiert dann eben an anderen Stellen - ebenso auch mit geringerem Einkommen.

Ich halte es auch für durchaus "würdevoller", sich die Kohle vom Staat zu holen, als dafür 40 Stunden die Woche für 1000 -1100.- Euro brutto zu malochen ... Ohne die Transferleistungen würde das Lohnniveau in Deutschland noch mehr absinken (wenn es keine "Aufstocker" gäbe, die diesem Prinzip zu wider laufen). Sie stellen quasi die Schwelle dar, ab der sich Arbeit nicht mehr lohnt - also müssen Arbeitgeber dann noch ne Schippe drauf legen, damit es sich lohnt. Und wenn alle einmal genau nachrechnen würden, dann würde viele feststellen, dass sich Arbeit für sie nicht mehr lohnt in diesem Lande.

Was aber in jedem Falle abgeschafft gehört, sind die sog. "Aufstocker". Hier werden Arbeitgeber in wettbewerbswidriger Weise für ihre billig-jobs subventioniert und das konterkariert dann auch noch das oben beschriebene Prinzip, dass Löhne über Hartz IV Niveau liegen müssen, damit jemand noch arbeitet. Daher dann lieber gar nicht arbeiten ... und alles vom Staat holen. Ich zahle dafür übrigens lieber meine Steuern (mittlerweile wieder recht viel - Angeb ...), als für die Altersversorgung von Beamten und Politikern ...

Arbeiten nur um der Arbeit willen: Dass ist nun wirklich "Sklavenmoral" ...

Ohne Führerschein

8. Juni 2013 17:33

Ein geschickt gestrickter Artikel auf dessen Leim offenbar so mancher hängengeblieben ist.

Im Cicero-Artikel wird die Rentnerin derart skizziert dass sie auf staaliche Almosen aus Gründen des Stolzes verzichtet und lieber zur Tafel geht statt Grundsicherung im Alter zu beantragen. Hier wird das Bild verarmter Rentner, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und nun auf Almosen angewiesen sind, gemalt. Sicherlich gibt es das auch, das Gros der Tafel-Kunden dürften allerdings eher aus H4-Schwindler bestehen. Ich halte es diesbzgl. mit Hr. Sarrazin, der sich zu diesem Thema folgendermaßen zitieren lässt:

„Die Leute gehen dahin, weil sie dadurch Lebensmittel-Geld abzweigen für Medienkonsum, Zigaretten, auch Alkohol. Der Erfolg solcher Küchen weist nicht auf Armut, sondern auf Verhaltensdefizite hin.“

Hinter diesem Zitat steht das Bild einer Gruppe in der Gesellschaft welche die Sicherung ihres eigenen Lebensunterhaltes nicht mehr als ureigenste Aufgabe ansieht, sondern diese Aufgabe beim Staat (und damit der Solidargemeinschaft) sieht und sogar einen moralischen Anspruch darauf ableitet, der rechtlich tatsächlich auch besteht.

Für diese Leute ist H4 nur eine Vorstufe zum bedingungslosen Grundeinkommen, womit sie auch nicht ganz falsch liegen dürften.

Vereinfach ausgedrückt tritt hier die verarmte "Schaffe, schaffe, Häuslebaue"-Generation gegen die jüngere Generationen der Anspruchdenker an, wobei nur erstere medial für die Gutmenschen nutzbar sind.

Provokant ausgedrückt geht es darum ob der zynisch mißbrauchte Ausspruch "Arbeit macht frei" nicht doch seine Berechtigung hat weil Sozialbezüge eine Form staalticher Bevormundung darstellen.

Ich will das anhand einer folgendermaßen demonstrieren: Vor einiger Zeit half ich im Freundeskreis einen gefällten Baum in Art einer Hausschlachtung zu Feuerholz zu verarbeiten. Als Büromensch taten mir am Abend (und den drei folgenden) alle Knochen weh, hatte aber dabei das Gefühl etwas geschafft zu haben - wo morgens noch ein grosser Stapel Holz lag war nur noch Rasen und die einst leere Holzlagerhütte war mit handlichen Holzstückchen bis zum bersten gefüllt - ein befriedigendes Gefühl.

Im Kontrast dazu steht bspw. das sich jährlich wiederholende Elend mit den Spargelstechern und auch beim angeblichen Amazon-Skandal stellt sich die Frage warum man Arbeitswillige aus Spanien und Polen ankarren muss die sich mit einer für diese Tätigkeit fairen Entlohnung von ~8,50€/Stunde zufrieden geben. Offenbar ist es also so dass ein H4-Bezieher es nicht nötig hat für 8,50€ zu arbeiten - und damit auch durchkommt.

D.h. diese Sorte Mensch hat weder das Verständnis noch ein Interesse an dem einem "...durch eigne' Hände Arbeit"-Gefühl eine innere Befriedigung zu erfahren.

Diese Einstellung äussert sich auch politisch. Statt mit stolz geschwellter Proletarierbrust nicht nur für Brot, sondern eben auch für Arbeit zu demonstrieren, tritt man für Umverteilung und weitere Ziele der "Freibier für alle"-Kategorie ein.

Es ist damit offenbar dass der Zusammenhang zwischen Arbeit und einer selbstbestimmten Existenz der Gesellschaft immer mehr verloren geht. Davon sind zunehmend auch solche Menschen betroffen, die zwar durchaus arbeitswillig sind, aber ohne staatliche Unterstützung nicht von ihrer Hände Arbeit allein leben können (Nebenbei: da waren sie wieder, die 8,50€).

Wir haben also ein dreischichtiges System. Jene auf dem ersten Arbeitsmarkt, die von ihrer Arbeit unabhängig existieren können (klassisches Bürgertum), jene, die zwar arbeiten wollen, davon aber nicht selbstständig existieren können (Aufstocker) und dann noch jenen, die sich in diesem System bereits eingerichtet haben (Sozialadel). Die Gruppe der Aufstocker wird staatlicherseits mit sanftem Druck in Richtung Sozialadel gedrängt, wobei das Beispiel Spargelstecher zeigt dass dies offenbar recht problemlos möglich ist.

An dieser Stelle kommt nur der zweite Link im Artikel zum tragen, der dieser Art der Exklusion zumindest anschneidet.

Eine Essenz aus diesem Artikel, die Herr Bosselmann mit seiner "Quark - Lauch - Zwiebel"-Metapher unterstreicht, ist, dass man allen Zwängen und auch Verlockungen zum Trotz es letzlich doch selbst in der Hand hat ob man sich exkludieren (spricht: unmündig machen) lässt oder eben nicht.

Die eingangs erwähnten Tafel sind demnach zum einen eine Stimulationshilfe für in Kumpanei mit Großkonzernen der Lebensmittelindustrie, welche diese Entwicklung nach Kräften vorantreiben, zelebrierter Onanie.

Zum anderen sind sie Teil des Systems der Unmündigkeit. Die gute Nachricht: Jeder hat - auch unter prekären Umständen - eine Wahl. Unmündigkeit ist demnach selbstgewählt!

Auch mich sticht, ebenso wie wohl Herrn Bosselmann, immer wieder mal der Hafer mich mit Linken auseinanderzusetzen. Was Herr Bosselmann beschreibt ist eine bedrohte und in grossen Teilen bereits verloren gegangene klassische Tugend der Arbeiterbewegung. D.h. dass nicht nur vermeintlichen "konservativen" unter den etablierten Parteien gegenüber ihren Wählern versagen, sondern auch die ebenso vermeintlichen "linken".

Aus all dem kann man, wenn man denn will, auch die Erkenntnis ziehen dass eine wahrhafte Linke essentieller Teil einer Nation ist. Die zentrale schlechte Nachricht ist dass das Staatsversagen seine Ursachen in beiden Seiten des Spektrums hat, die amtierenden Linken verraten das Volk ebenso wie die amtierenden Rechten.

Es gibt also einen über das allbekannte rechts/links Gezänke hinaus einen gemeinsamen Feind.

TastetheWaste

8. Juni 2013 21:40

@Mauretanier

Ist es nicht seltsam?
Wenn man sich als Student nützllich macht verschuldet man sich über beide Ohren oder muss containern.
Wenn man einfach nur rumhängt braucht man keinen Kredit.

antihunkebunk

9. Juni 2013 00:38

Inselbauer: hier sachfremde Erwägung, aber mir ungeheuer am Herzen liegend:
Nicht t o p p e n , sondern ü b e r t r e f f e n !

Kleingeist

9. Juni 2013 01:46

Danke Herr Bosselmann, dass Sie dieses Forum thematisch mal aus den Niederungen der Metapolitik ziehen. Denn das stört mich schon länger. Ihre Autorenschaft hier ist ein Gewinn! Als "Herzenskonservativer" ist mir der propagierte "kalte Blick von rechts" immer ein wenig suspekt, erinnert er mich doch fatal an die Kaltschnäuzigkeit von Makroökonomen.
Verteilungsgerechtigkeit ist ein eminent wichtiges Thema - will das ernsthaft jemand bestreiten? - und sollte mitnichten eine Domäne der Linken sein. Ich wünsche mir mehr davon bin der "Sezession".

Inselbauer

9. Juni 2013 01:50

Ich finde es sehr sympathisch, dass hier auch über soziale Probleme gesprochen wird. Als alter Bolschewik finde ich es sehr schön, wie ungelenk das hier passiert (...) einerseits sind es natürlich klischeehafte "rechte" Haltungen von der Abwertung von Arbeitslosen bis zur Verherrlichung von Bioerdäpfeln. Andererseits gibt es ein echtes Interesse, wenn auch die Mittel unzureichend sind. Der Sezession könnte ein wenig Nationalbolschewismus gar nicht schaden; über den wird ja sonst nur in historischen Floskeln gesprochen.

gerd

9. Juni 2013 07:29

"überständigen Lebensmitteln aus Supermärkten " ... schon in den "...märkten" sind gut 90% der so genannten "Lebens"mittel eher als "Gift"müll zu bewerten.

"Über 18 kg chemischer Zusatzstoffe nimmt jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr zu sich."
https://www.tele-akademie.de/begleit/ta090614.htm

Bei „Die Tafel“ ist die Auswahl dann bei gut 99% ***"Mittel" die nicht mehr als "Lebens"*** gelten können

Rumpelstilzchen

9. Juni 2013 08:46

In Hamburg läuft das umstrittene Kunstprojekt „Menschenzoo“.
Obdachlose und Hartz IV Empfänger werden in Käfigen ausgestellt und können gefüttert werden . Besonders die Politiker empören sich.
Max Straubiner (CSU) bezeichnet diese Aktion als menschenverachtend. Zitat: „Hartz IV ermöglicht eine Teilnahme am Leben, wenn auch auf eingeschränktem Niveau.“ Es sei bösartig, Sozialleistungen so negativ darzustellen.
Vielleicht geht es gar nicht um mehr Geld und Tafeln für die „strukturell Überflüssigen“ dieser sog. Gesellschaft, sondern darum, nicht mehr „strukturell überflüsig“ zu sein.
Das wird durch solche Massnahmen wie Tafeln und Hartz IV aber latent ausgesagt. Eine ganze Armutsindustrie als Geschäftsmodell lebt von den „strukturell Überflüssigen“, so auch die Einwanderer Industrie.
Wirkliche Teilhabe, nicht an einer anonymen Gesellschaft, sondern z. B. in einer Volksgemeinschaft oder auch in einer Community, gibt auch den Armen einen Status und Wert.
Oder biblisch gesprochen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Freidank

9. Juni 2013 09:17

@ Kleingeist, @ Inselbauer:

Dito!

Gustav Grambauer

9. Juni 2013 09:40

@inselbauer

Der Imperativ der Frankfurter Schule: "Vergesellschaftung Gottes und Vergötzung der Gesellschaft" feiert seinen Durchbruch bei Sezession, es kann Vollzug gemeldet werden. Maßnahme "Agit-Prop übers Herz" erfolgreich angewendet. Reaktionäre Kräfte nach bewährter Anwendungsschablone erfolgreich lächerlich gemacht.

So hat die katholische Soziallehre auch angefangen, und jeder hier weiß, wohin das dort geführt hat.

Die obigen "sozialpolitischen" Gedankengänge werden in tausenden und abertausenden anderen allein deutschsprachigen Blogs Tag für Tag abgedroschen. Das ganz Besondere an Sezession gegenüber DENEN, was ihr den Charakter eines unschätzbaren Solitärs gibt, wird so nach Bulldozer-Art planiert.

Der Bolschewismus marschiert, auch hier ...

- G. G.

ene

9. Juni 2013 10:41

@ jak, Freidank, Kleingeist et al.

Viel Zustimmung!
Wie "konservative Werte" - die ja auf dieser Seite vertreten werden! - eigentlich in der sozialen Wirklichkeit verankert sind - ist keine marginale Frage! Und dürfte in der Zukunft in Deutschland immer wichtiger werden, da überhaupt nicht abzusehen ist, daß die Probleme weniger werden.
Überspitzt gesagt: elitärer Zynismus steht niemandem. Eine "Haltung" ist das auch nicht, eher eine Attitüde. -

Kreuzweis

9. Juni 2013 14:54

TANSTAAFL - "There ain't no such thing as a free lunch"
Ich halte es für nutzlos, das Phänomen der Tafeln (oder Kleiderkammern) moralisierend zu betrachten. Sie sind ein Teil der Armuts-und-Elendsindustrie und damit eine der vielen Sumpfblüten des real-existierenden BRD-Sozialismus. Die Tafeln sind die Folge einer sozialistischen Marktverzerrung: staatsnahe Akteure profitieren, der dumme Steuerzahler zahlt's.
Da ich regelmäßig einen Berechtigten zur Tafel fahre - und tüchtig mitprofitiere - habe ich auch einen kleinen Einblick in das Geschehen.

Die Empfänger:
Die ganz Dummen und Faulen unter den Hartzern nutzen sie erst gar nicht.
Die etwas weniger Dummen stehen sich nach Art der Schafe die Beine in den Bauch.
Die Intelligenten sehen zu, daß sie mit einem Minimum an Zeitaufwand ein Maximum an Ware bekommen. Anfahren, mit den Damen schekern, einladen, weg; jeder muß nur die für ihn nützlichen "Schwachstellen" der jeweiligen Tafel finden.

Die Betreiber:
Für die Tafelbetreiber sind da vielfältige Vorteile.
Die Einfältigen, die Ehrenamtlichen, polieren dort zuvorderst ihren Heiligenschein.
Die "1-Euro-Jobber" haben einen kleinen materiellen Vorteil, die Festangestellten ein bescheidenes Auskommen.
Doch für einige dürfte es auch ein prima Geschäft sein: alle Genußmittel - Kaffee, Tee, Bier, Pralinen, Kosmetika, Drogeriewaren etc. - finden nämlich äußerst selten ihrem Weg in die Arme der Armen. Sie fallen ebenfalls in großer Menge an, nur wo werden sie "entsorgt"?
Doch der Haupttreibstoff der Tafeln sind fette Spendenschecks immagebedürftiger Firmen und vieler Gutmenschen, sowie obendrauf diverse "Staatsknete", wie Zuschüsse und Fördergelder vom Jobcenter.

Die Lebensmittelspender:
Der Lebensmittelhändler ist zuvorderst Ökonom, der jeden Euro zweimal umdrehen muß; er hat i.R. nichts zu verschenken. Doch seit der Ökosozialismus die BRD im Griff hat, ist die Marktfreiheit nur noch rudimentär gegeben. Waren früher Futtermittelhersteller oder Landwirte dankbare Abnehmer der Überschüsse von Kantinen und Lebensmittelgeschäften, so haben hinrissige "Hygieneverodnungen" diesen Weg versperrt. Andererseits fallen durch (beispielsweise) lobbygruppengesteurte Verkürzunges des MHD und andererseits systematische Kundenverblödung, immer mehr "abgelaufene" Lebensmittel an. An sich, sollte man meinen, daß sich die Läden durch Tafelspenden selbst schädigen, denn wer sich dort versorgt, entfällt als Kunde. Aber die Läden müssen für die "zertifizierte" Entsorgung derart viel "Kohle abdrücken", daß die Tafel doch das kleinere Übel ist: hier müssen sie nicht nur nichts zahlen, sondern bekommen sogar steuerwirksame Spendenquittungen!

Es ist also weniger eine Frage der Armut, sie zur Nutzen, sondern eine Frage Ökonomie. Sie ermöglichen, einen Teil der "Sozialknete" für andere Zwecke, wie Bier und Zigaretten oder Edelmetall und Antaios-Produkte, zu verwenden.
Ich haben den kommunistischen Sozialismus noch in bester Erinnernung, daher kann ich die Tafeln nur schwer als Zeichen der Armut sehen.

Druide

9. Juni 2013 15:26

@Martin

Ohne die Transferleistungen würde das Lohnniveau in Deutschland noch mehr absinken (wenn es keine „Aufstocker“ gäbe, die diesem Prinzip zu wider laufen). Sie stellen quasi die Schwelle dar, ab der sich Arbeit nicht mehr lohnt – also müssen Arbeitgeber dann noch ne Schippe drauf legen, damit es sich lohnt.

Das ist ein beachtenswerter Aspekt. Er gilt jedoch lediglich für das Proletariat ohne Grundbesitz und Eigenheim. Denn der Transferleistungsbezug ist ja an die vorherige Preisgabe des Besitzstands gekoppelt. Die Reduzierung des Bürgertums wird durch dieses System also dennoch gefördert.

Carl Sand

9. Juni 2013 16:54

@G.G.

"So hat die katholische Soziallehre auch angefangen, und jeder hier weiß, wohin das dort geführt hat"

Also wirklich: doch nicht mit der katholischen Sozaillehre. Mit den Bäumen hat das angefangen. Mit dem aufrechten Gang- das war der Fehler.

Wobei ganz orthodoxe Reaktionäre natürlich schon beim Verlassen der Ozeane ansetzen.

Hätte man niemals tun sollen!

Heino Bosselmann

9. Juni 2013 17:48

Herzlichen Dank für die breite Teilnahme und die kontroverse Debatte! – Wir schließen hier. Auf bald.

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