Der Faschismus der CasaPound Italia

55pdf der Druckfassung aus Sezession 55 / August 2013

von Adriano Scianca

Für einen ausländischen Beobachter mag es schwierig sein zu verstehen, daß Silvio Berlusconi – der einflußreichste italienische Politiker der letzten 20 Jahre – während einer Gedenkfeier am »Tag der Erinnerung« für die »Opfer des Nazifaschismus« (»vittime del nazifascismo«) äußern kann, Mussolini habe »in vielerlei Hinsicht Gutes geleistet«.

Und unvor­stell­bar scheint, daß die Mei­nung die­ses Anfüh­rers eines Mit­te-Rechts-Bünd­nis­ses kein Ein­zel­fall ist im ita­lie­ni­schen Gesamt­bild: In einer Umfra­ge, die das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut SWG im ver­gan­ge­nen Jahr für ein Pro­gramm des öffent­lich-recht­li­chen Fern­se­hens durch­ge­führt hat, beant­wor­te­ten 47 Pro­zent der Befrag­ten die Aus­sa­ge »Der Faschis­mus hat­te gute und schlech­te Sei­ten – sind Sie ein­ver­stan­den?« mit Ja. »Das ist ein kon­stan­tes Ergeb­nis seit über 15 Jah­ren«, kom­men­tier­te der Lei­ter des Insti­tuts SWG.

Die Hälf­te aller Ita­lie­ner ver­bin­det also mit dem Faschis­mus noch heu­te posi­ti­ve Aspek­te. Dies ist erstaun­lich, aber sicher ohne Ent­spre­chung im übri­gen Euro­pa und kann zu Miß­ver­ständ­nis­sen und ober­fläch­li­chen Inter­pre­ta­tio­nen füh­ren. Man könn­te bei­spiels­wei­se anneh­men, daß die Bezie­hung der Ita­lie­ner zum Faschis­mus heu­te oder sogar seit jeher eine ver­söhn­li­che sei und frei von Bit­ter­keit. Aber das stimmt nicht: Die Par­ti­sa­nen haben nach dem Krieg zwan­zig- bis vier­zig­tau­send Faschis­ten umge­bracht – wenn man nur die am Ende des Krie­ges ver­üb­ten Rache­ak­tio­nen in Rech­nung stellt. Allein in Reg­gio Emi­lia wur­den nach 1945 mehr Tote gezählt als wäh­rend der gesam­ten Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on. Außer­dem ist in Ita­li­en die größ­te kom­mu­nis­ti­sche Par­tei des gesam­ten Wes­tens verwurzelt. 

Sie trägt die Ver­ant­wor­tung für einen roten Ter­ro­ris­mus, der einer der blu­tigs­ten in Euro­pa war, mit brei­tem Kon­sens und wich­ti­ger Deckung von poli­ti­scher Sei­te. Erin­nert sei an die Jagd auf die Faschis­ten in den 70er Jah­ren, die zig Tote hin­ter­las­sen hat und Hun­der­te von Ver­letz­ten, und deren Opfer meist sehr jung waren. Noch heu­te stam­men ein gro­ßer Teil des Jus­tiz­ap­pa­rats und die gesam­te Füh­rungs­schicht der größ­ten ita­lie­ni­schen Par­tei (Par­ti­to Demo­cra­ti­co) aus den Rän­gen des mili­tan­ten Anti­fa­schis­mus, und in eini­gen Regio­nen und Städ­ten ist die Ver­bin­dung zwi­schen dem aktu­el­len poli­ti­schen Extre­mis­mus der Lin­ken und der insti­tu­tio­nel­len Poli­tik sehr eng.

Die Lin­ke in Ita­li­en behaup­tet häu­fig, daß die Ver­fas­sung von 1948 aus juris­ti­scher Sicht auf dem Anti­fa­schis­mus basie­re, aber dabei han­delt es sich um eine Unwahr­heit. Wer den Text liest, wird bemer­ken, daß das Wort »Anti­fa­schis­mus« nicht vor­kommt. Es exis­tiert eine Ver­si­on der ver­fas­sungs­ge­ben­den Ver­samm­lung, ursprüng­lich als »Über­gangs­ver­si­on« gedacht, die jedoch bis heu­te in Kraft ist und in der man liest: »Die Neu­grün­dung der auf­ge­lös­ten faschis­ti­schen Par­tei ist in jed­we­der Form ver­bo­ten. Abwei­chend von Arti­kel 48 [der das Wahl­recht regelt] ist per Gesetz fest­ge­legt, daß für einen Zeit­raum von min­des­tens fünf Jah­ren nach dem Inkraft­tre­ten der Ver­fas­sung für die ver­ant­wort­li­chen Füh­rungs­kräf­te des faschis­ti­schen Regimes tem­po­rä­re Beschrän­kun­gen hin­sicht­lich ihres Wahl­rechts sowie ihrer Wähl­bar­keit gel­ten«. Das sind Sät­ze mit Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum: Ist nun jede Par­tei ver­bo­ten, die sich auf den Faschis­mus beruft oder nur die his­to­ri­sche Struk­tur des PNF (Par­ti­to Nazio­na­le fascis­ta)? Der zwei­te Teil läßt dar­über hin­aus den Schluß zu, daß Mus­so­li­ni selbst, wäre er nicht ermor­det wor­den, nach 1953 wie­der hät­te wäh­len gehen und in das demo­kra­ti­sche Par­la­ment gewählt wer­den können.

Ein Gesetz von 1952, das soge­nann­te »leg­ge Scel­ba«, ver­sucht, dies­be­züg­lich Klar­heit zu schaf­fen, indem prä­zi­siert wird, daß es sich um die Neu­grün­dung der faschis­ti­schen Par­tei han­delt, »wenn eine Ver­ei­ni­gung, eine Bewe­gung oder irgend­ei­ne ande­re Grup­pe von min­des­tens fünf Per­so­nen anti­de­mo­kra­ti­sche Zie­le ver­folgt, die der faschis­ti­schen Par­tei zu eigen sind, Gewalt ver­herr­licht, androht oder als Mit­tel des poli­ti­schen Kamp­fes benutzt, oder für die Abschaf­fung der durch die Ver­fas­sung garan­tier­ten Frei­heit ein­tritt, oder die Demo­kra­tie, ihre Insti­tu­tio­nen oder die Wer­te der Resis­ten­za dif­fa­miert, ras­sis­ti­sche Pro­pa­gan­da betreibt oder auch sei­ne Akti­vi­tä­ten der Ver­herr­li­chung von Expo­nen­ten, Prin­zi­pi­en und Metho­den der zuvor genann­ten Par­tei ver­schreibt oder öffent­li­che Kund­ge­bun­gen faschis­ti­schen Cha­rak­ters aus­übt«. Es han­delt sich dabei also um eine Spann­wei­te von Ver­hal­tens­wei­sen, die von der tat­säch­lich die Gesell­schaft zer­set­zen­den Akti­vi­tät bis zum ein­fa­chen Mei­nungs­de­likt reicht.

Ein Urteil von 1957 prä­zi­siert jedoch, daß »die Apo­lo­gie des Faschis­mus nicht nur in der loben­den Ver­tei­di­gung des­sel­ben lie­gen darf, um den Cha­rak­ter einer Straf­tat anzu­neh­men, son­dern ein Aus­maß anneh­men muß, das zur Neu­grün­dung der faschis­ti­schen Par­tei füh­ren könn­te.« Faschis­ti­sche Ansich­ten sind für sich genom­men also noch kei­ne Straf­tat, solan­ge sie nicht in einem tat­säch­lich die demo­kra­ti­sche Ord­nung gefähr­den­den Kon­text ste­hen. Die­se Unge­nau­ig­keit hat jedoch bis heu­te zur Fol­ge, daß die­se Nor­men auf unter­schied­li­che Art und Wei­se inter­pre­tiert wer­den, je nach Gericht und von Fall zu Fall, mal ein­schrän­ken­der, mal toleranter.

Die Akti­vi­tät von Casa­Pound Ita­lia (CPI) fügt sich in die­sen poli­ti­schen, kul­tu­rel­len und recht­li­chen Kon­text. Die Bezug­nah­me auf den Faschis­mus als Haupt­quel­le der Inspi­ra­ti­on für CPI könn­te man für selbst­ver­ständ­lich hal­ten, aber auch hier muß man sich vor ober­fläch­li­chen Les­ar­ten hüten. Simo­ne di Ste­fa­no, der Vize­prä­si­dent von Casa­Pound, hat häu­fig gesagt: »Als wir ange­fan­gen haben, Poli­tik zu machen, haben wir den Faschis­mus vom Boden auf­sam­meln müs­sen«. Das bedeu­tet, daß in Ita­li­en in den 80er und 90er Jah­ren kei­ner vom Faschis­mus als einer tat­säch­li­chen poli­ti­schen Opti­on sprach, einer kon­kret revo­lu­tio­nä­ren Idee. Das Umfeld des MSI (Movi­men­to Socia­le Ita­lia­no), aber auch ein gro­ßer Teil der radi­ka­len außer­par­la­men­ta­ri­schen Rech­ten die­ser Jah­re, schlug in Wirk­lich­keit ein Sze­na­rio vor, das bald Fan­ta­sy, bald am Aus­land ori­en­tiert oder bereits »nor­ma­li­siert« in einem libe­ral­de­mo­kra­ti­schen Sinn war. Die­se Neo­fa­schis­ten wuß­ten alles über Cod­re­a­nu oder den letz­ten Kampf um Ber­lin, sie lasen Tol­ki­en und träum­ten von mit­tel­al­ter­li­chen Rit­tern, aber sie hat­ten weder D’Annunzio oder Mari­net­ti noch Gen­ti­le oder Pavo­li­ni gele­sen, die Hel­den­epik der Squa­dris­ten. Aber auch jene 47 Pro­zent der Ita­lie­ner, die »posi­ti­ve Aspek­te« im Faschis­mus sehen, dür­fen nicht über­be­wer­tet wer­den: vie­le von ihnen wäh­len anti­fa­schis­ti­sche Par­tei­en, ohne den Wider­spruch auch nur zu bemerken.

Aus die­ser Situa­ti­on zog Casa­Pound eini­ge Schluß­fol­ge­run­gen. Sie sind unent­behr­lich für das Ver­ständ­nis die­ser neu­en Bewegung:

  1. In Ita­li­en gibt es eine gro­ße Bereit­schaft, die posi­ti­ven Aspek­te des Faschis­mus außer­halb sei­ner Dämo­ni­sie­rung und fern von Vor­ur­tei­len zu diskutieren;
  2. Die­se Bereit­schaft hat vor allem spon­ta­nen, folk­lo­ris­ti­schen und unpo­li­ti­schen Cha­rak­ter und wird nicht zwin­gend in kon­kre­te Hand­lung übersetzt;
  3. Es gab und gibt immer noch einen hef­ti­gen Anti­fa­schis­mus sowie Repres­si­on gegen poli­tisch nicht kor­rek­te Ansich­ten, die nicht unter­be­wer­tet wer­den dürfen.

War­um aber über­haupt faschis­ti­sche Kon­zep­te? Für deut­sche Leser muß das klin­gen wie ein Rück­griff in das poli­ti­sche Arse­nal fins­te­rer Zei­ten. So klingt das in Ita­li­en nicht, und es reicht manch­mal schon aus, den Libe­ra­len oder den Mar­xis­ten zu zei­gen, daß der Faschis­mus eine für das 20. Jahr­hun­dert typi­sche Welt­an­schau­ung ist – im Gegen­satz zu denen, zu denen sie selbst sich beken­nen. Denn der Mar­xis­mus stammt aus dem 19., der Libe­ra­lis­mus aus dem 18. Jahr­hun­dert, und nie­mand kann bestrei­ten, daß der Faschis­mus zugleich Syn­the­se und Neu­ent­wurf vor dem Hin­ter­grund geschei­ter­ter Ideo­lo­gien war und ist. Bei Lich­te betrach­tet ist der Faschis­mus heu­te in der Tat der tota­le Gegen­ent­wurf zur vor­herr­schen­den Ideo­lo­gie der Gleich­heit und Gleichzeitigkeit.

Ernst Nol­te hat das vor Jahr­zehn­ten aus­ge­führt, als er vom Faschis­mus als dem »Wider­stand gegen die Tran­szen­denz« sprach, wobei er den Begriff Tran­szen­denz als »Frei­heit in Rich­tung der Unend­lich­keit« ver­stand, die, als dem Indi­vi­du­um ange­bo­ren und als rea­ler Bestand­teil der uni­ver­sa­len Evo­lu­ti­on, droht, das zu ver­nich­ten, was man kennt und liebt. Casa­Pound nennt die­se »Tran­szen­denz« ein­fach »Ent­wur­ze­lung« und liest Nol­tes Defi­ni­ti­on des Faschis­mus als »Wider­stand gegen die Tran­szen­denz« schlicht als »offe­nen Kampf gegen die Globalisierung«.

Die Vor­stel­lung vom Faschis­mus als anti­mo­der­nem, wenn nicht sogar vor­mo­der­nem Phä­no­men, außer­halb sei­ner Zeit, als einem rein bar­ba­ri­schen Ein­bruch in eine voll­kom­men fried­li­che Moder­ne, ist von den His­to­ri­kern voll­stän­dig bei­sei­te gelegt wor­den. Ein »mili­tan­ter« His­to­ri­ker wie Adria­no Romu­al­di konn­te schrei­ben, daß »der Faschis­mus wirk­lich in die­ser Syn­the­se liegt zwi­schen dem Anti­ken und dem Neu­en, in die­sem ris­kan­ten Ver­such, den Geist, den Mythos, die Sym­bo­le einer ursprüng­li­chen Tra­di­ti­on in einer Rüs­tung aus Glas und Stahl zu erhal­ten. Beton und geo­me­tri­scher Glanz des 20. Jahr­hun­derts, benutzt, um die Illu­si­on einer kla­ren Ver­bin­dung mit der römi­schen Klas­sik zu erneu­ern.« Vor nicht lan­ger Zeit hat die­sel­be offi­zi­el­le Geschichts­schrei­bung die cha­rak­te­ris­ti­schen Eigen­schaf­ten eines faschis­ti­schen Moder­nis­mus aner­kannt. Den­ken wir nur an Emi­lio Gen­ti­le, den wich­tigs­ten leben­den His­to­ri­ker des Faschis­mus, der geschrie­ben hat: »Die faschis­ti­sche Ideo­lo­gie kann als ein Phä­no­men des poli­ti­schen Moder­nis­mus ver­stan­den wer­den, und zwar im Sin­ne einer Idee, die die Moder­ni­sie­rung akzep­tiert und glaubt, die rich­ti­ge For­mel zu ken­nen, um den Men­schen, die vom Stru­del der Moder­ne mit­ge­ris­sen wer­den, ›die Macht zu geben, die Welt zu ver­än­dern, die sie ver­än­dert, den eige­nen Weg zu gehen inmit­ten die­ses Stru­dels und ihn sich zu eigen zu machen‹ (M. Berman).« 

Die­se moder­ne Sen­si­bi­li­tät, die­ser heroi­sche Moder­nis­mus unter­schei­den sich im Grun­de nicht von dem, was Ernst Jün­ger in der Gestalt des Arbei­ters ent­warf. Dies ist eine Hal­tung, die sich auch bei dem israe­li­schen His­to­ri­ker Zeev Stern­hell aus­for­mu­liert fin­det. Stern­hell beschrieb die Ent­wick­lung zwei­er, auf dem Weg in die Moder­ne ein­an­der anti­the­tisch gegen­über ste­hen­der Ansät­ze seit dem 18. Jahr­hun­dert: Beim einen zäh­le, was die Men­schen ein­an­der gleich mache (das »Pro­jekt der Auf­klä­rung«, das nach Haber­mas den »phi­lo­so­phi­schen Dis­kurs der Moder­ne« begrün­det); beim ande­ren sei aus­schlag­ge­bend, was die Men­schen unter­schei­det: die Geschich­te, die Kul­tur, die Spra­che und die eth­ni­sche Her­kunft. In dem Moment, in dem der Wahn­sinn des Frei­han­dels, die Desas­ter der Glo­ba­li­sie­rung und die Häu­fung von Kata­stro­phen jeg­li­chen Opti­mis­mus bezüg­lich des Fort­schritts im Kern erschüt­tern, ist es tat­säch­lich die­se Haber­mas­sche Moder­ne, die in eine Kri­se gerät. Wer dies schon bedacht und einen ande­ren Weg in die Moder­ne ver­tre­ten hat, fin­det sich plötz­lich auf der rich­ti­gen Sei­te der Geschich­te wieder.

Klar ist: Wir befin­den uns im Jah­re 2013 und nicht im Jah­re 1919. Die Faschis­ten hat­ten damals Erfolg, weil sie es ver­stan­den, ihre eige­ne Zeit zu inter­pre­tie­ren und ihre Epo­che zu ver­ste­hen. Unse­re Zeit ver­langt von uns das­sel­be, denn der ers­te Schritt, um als Revo­lu­tio­nä­re zu schei­tern, wäre, die Epo­che zu miß­ver­ste­hen und in einer ima­gi­nä­ren Rea­li­tät zu leben. Der Faschis­mus hat, wie jedes his­to­ri­sche Phä­no­men, eine Geis­tes­hal­tung und eine spe­zi­fi­sche Theo­rie her­vor­ge­bracht. Ers­te­re wird wei­ter ver­wen­det, letz­te­re muß der Geschich­te über­ge­ben werden. 

Ver­schie­de­ne rech­te Bewe­gun­gen in Ita­li­en, aber auch in Frank­reich, haben Casa­Pound beschul­digt, gefähr­li­che Zuge­ständ­nis­se an den Zeit­geist gemacht, sich der Spra­che von heu­te bedient und für die eige­ne Pro­pa­gan­da auf Ele­men­te der Rock­kul­tur und des Hol­ly­wood-Kinos zurück­ge­grif­fen zu haben. All das ist für jene schon eine Sün­de wider den rei­nen Geist. Casa­Pound jedoch glaubt, daß ein Baum, der tie­fe Wur­zeln hat, sei­ne Äste in jedes Gebiet aus­stre­cken kann. Die post­mo­der­ne Vor­stel­lungs­welt ist vol­ler Vita­li­tät, die genutzt wer­den muß. 

Es han­delt sich nicht nur um die Aktua­li­sie­rung der Spra­che: Auch die Pro­ble­me müs­sen zeit­ge­mäß erkannt und beschrie­ben wer­den. Bio­tech­no­lo­gie, Inter­net, auf­stre­ben­de Mäch­te wie Chi­na und Indi­en, Mas­sen­im­mi­gra­ti­on: Wir kön­nen uns nicht mit der poli­ti­schen Agen­da jener begnü­gen, deren Haupt­pro­blem die Fol­gen des Ver­sailler Ver­trags waren. Und auch die Metho­den sind ande­re: Auf eine Zeit des Frie­dens kön­nen nicht die Mit­tel des Bür­ger­krie­ges ange­wen­det wer­den. Der Squa­dris­mus hat­te eine ihm eige­ne heroi­sche Dimen­si­on, aber in sei­nen lite­ra­ri­schen For­men gehört er augen­schein­lich einer ande­ren Epo­che an und ist heut­zu­ta­ge nicht mehr anwend­bar. Es exis­tiert heu­te ein lega­ler und insti­tu­tio­nel­ler Rah­men, der unmög­lich zu umge­hen ist. Inner­halb die­ses Rah­mens agiert CasaPound.

Es geht ihr um eine Aktua­li­sie­rung des Faschis­mus, und der Schwer­punkt liegt dabei erwar­tungs­ge­mäß auf der All­tags­ge­stal­tung. Für Casa­Pound bedeu­tet das kon­kret: Ver­wal­tung und Bewa­chung eines besetz­ten Gebäu­des, das sich im Zen­trum Roms befin­det und in dem drei­und­zwan­zig Fami­li­en unter­ge­bracht sind, die sich in kon­kre­ter Woh­nungs­not befin­den. Dies ist eine Auf­ga­be, die seit zehn Jah­ren unun­ter­bro­chen und rund um die Uhr erfüllt wird, und zwar aus­schließ­lich von frei­wil­li­gen Akti­vis­ten (»Mili­tan­te« nen­nen wir sie), mit acht­stün­di­gen nächt­li­chen Wach­diens­ten und jeweils drei Schich­ten zu je vier Stun­den tagsüber. 

Dazu kom­men Schicht­diens­te in Pubs und Buch­lä­den – immer auf frei­wil­li­ger Basis – sowie tra­di­tio­nel­le­re poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten wie Pla­ka­tie­ren, Aktio­nen im Sin­ne der poli­ti­schen Kam­pa­gnen der Bewe­gung, zwei Kon­fe­ren­zen pro Monat, min­des­tens eine Ver­samm­lung pro Woche und­so­wei­ter. Casa­Pound bemüht sich also um ein Ambi­en­te der »tota­len Mili­tanz«, inner­halb des­sen der ein­zel­ne Akti­vist sich selbst der Sache ganz kon­kret ver­schreibt, ohne daß ihm Zeit blie­be, sich auf folk­lo­ris­ti­sche oder intel­lek­tua­lis­ti­sche Abwe­ge zu bege­ben. Auf die­se Art und Wei­se ver­liert das Gere­de über das Wie, Wann und Wo der Revo­lu­ti­on sei­ne Bedeu­tung, denn der Akti­vist ist sich sicher, daß er die Revo­lu­ti­on vor­an­treibt, Tag für Tag, ganz real.

Natür­lich stellt sich nach die­ser Über­set­zung des Faschis­mus in unse­re Zeit die Fra­ge nach dem Namen. Gehört das Wort »Faschis­mus« zur Geis­tes­hal­tung oder zum Voka­bu­lar? Trifft es den Wesens­kern oder ist es ein Eti­kett? Vie­le mei­nen, daß die­ses Eti­kett zu den Akten gelegt und ein neu­er Name gefun­den wer­den müs­se. Casa­Pound sieht jedoch nicht ein, war­um der Faschis­mus die ein­zi­ge poli­ti­sche Idee sein muß, die nach so kur­zer Zeit ihren Namen ändern soll­te. Der Ver­gleich mit dem Chris­ten­tum erklärt den Ansatz: Es ist offen­sicht­lich, daß ein Gläu­bi­ger der römi­schen Epo­che, einer aus dem Mit­tel­al­ter und einer von heu­te zugleich der­sel­be und ein ganz und gar ande­rer ist. Die Spra­che sowie die For­men des Kul­tes haben sich ver­än­dert, aber das, was unver­än­dert geblie­ben ist, ist der Glau­be. Er ist das ein­zi­ge, was letzt­end­lich wirk­lich zählt.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.