Nahezu alle Politiker der etablierten Parteien suggerieren, Deutschland verfüge in naher Zukunft über zu wenige Arbeitskräfte und brauche deshalb Einwanderer, um den erreichten Wohlstand zu sichern. Das klingt nach einer „win-win-Situation“: Die Ausländer können in Deutschland höhere Löhne als in ihrer Heimat erzielen und die Deutschen erhalten auch in Zukunft eine Rente, weil die zugewanderten Arbeitskräfte die Sozialkassen füllen.
Noch traumhafter klingt diese Rechtfertigung für die derzeitige Masseneinwanderung nach Deutschland, ergänzt man sie um einige Prognosen zur internationalen Wirtschaftsentwicklung. Führende Wissenschaftler in diesem Feld betonen immer wieder, das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne in den nächsten Jahrzehnten um 50 bis 150 Prozent steigen, wenn denn nur endlich diese nervigen Staatsgrenzen eingerissen werden. Es geht hier um astronomische Zahlen: Ein Anstieg um 50 Prozent würde beim derzeitigen BIP der Welt von 77,6 Billionen Dollar fast 40 Billionen Dollar bedeuten, 150 Prozent würden eine Steigerung um mehr als 116 Billionen Dollar ergeben.
Die Rechnungen für solche Prognosen liefern Ökonomen wie der Amerikaner Michael Clemens vom Center for Global Development (CGD). Er erweckt den Eindruck, wir könnten sofort die Billionen-Dollar-Scheine vom Fußweg einsammeln, wenn wir nur endlich die größten Migrationsbeschränkungen aufheben würden. Das Kalkül dahinter wird deutlich, wenn wir die Welt einfachheitshalber in „reich“ und „arm“ aufteilen. Im reichen Teil, so die Erklärung von Clemens, verdient eine Milliarde Menschen im Durchschnitt 30.000 Dollar pro Jahr. Im armen Teil der Erde leben dagegen sechs Milliarden Menschen, die im Schnitt nur 5.000 Dollar pro Jahr verdienen. Wenn nun die Armen in die reichen Länder ziehen, erzielen sowohl sie als auch die Weltwirtschaft enorme Gewinne, auch wenn die Einwanderer nur 60 Prozent des Lohnniveaus erreichen sollten.
Den heimlichen Gewinner in dieser Rechnung erwähnt Clemens unterdessen nur indirekt: Es sind die Unternehmen in den reichen Ländern, die billige Arbeitskräfte gestellt bekommen und Lohneinsparungen realisieren können. Es ist dabei unvorstellbar, in welchem Ausmaß die Forscher Massenwanderungen von armen in reiche Länder prognostizieren oder sich sogar wünschen. Man ist sich relativ einig, daß 40 bis 60 Prozent der Bewohner der allerärmsten Länder auswandern möchten. Abgehalten werden sie bisher nur von den Kosten der Migration und einigen gesetzlichen Bestimmungen, die eine Auswanderung erschweren.
Bei einer weiteren Lockerung der Einwanderungsbestimmungen, die derzeit sowohl von der Wirtschaft als auch Politik nahezu aller westlichen Staaten vorangetrieben werden, könnte dies also bedeuten, daß 200, 300 oder vielleicht auch 500 Millionen Menschen in den „Kristallpalast“ (Dostojewski) des Westens eindringen wollen. Clemens und andere Forscher können sich dieses Szenario durchaus vorstellen und bestreiten, daß dies negative Auswirkungen auf die Herkunftsländer der Migranten habe.
Nur im Hinblick auf ein Problem spucken sie den Einwanderungsbefürwortern im wohlhabenden Westen in die Suppe. Es besteht kein Zweifel darüber, daß bei fortgesetzter Masseneinwanderung, die über den tatsächlichen Bedarf an Arbeitskräften hinausgeht, die Löhne der Einheimischen leicht sinken. Die Ökonomen haben übrigens auch dafür eine Lösung parat: Für den Fall, daß die Einheimischen gegen eine Lockerung der Einwanderungsbestimmungen protestieren, ist eine zusätzliche Steuer für Einwanderer vorgesehen, die diese zahlen sollen, damit die Nachteile der Einheimischen kompensiert werden können. Ideen für solche Steuern gibt es zahlreiche: Manche Wissenschaftler, die Nachteile für die Herkunftsländer durch die Massenmigrationen des 21. Jahrhunderts befürchten, wollen dieses Problem einfach damit lösen, daß die Migranten eine Abgabe an ihre Heimatstaaten entrichten müssen.
Alle diese Kosten-Nutzen-Analysen der weltweiten Massenmigrationen sind jedoch in erschreckender Weise menschenverachtend. Sie behandeln den Menschen lediglich als „Humankapital“, das an einem beliebigen Ort auf der Welt eingesetzt werden kann, und folgen einer fatalen Umverteilungslogik. Man kann dagegen zunächst recht einfach Argumente finden: Gemäßigte Einwanderungskritiker wie ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, die noch in Talkshows auftreten und Kolumnen für die etablierten Medien verfassen dürfen, haben zu genüge auf die offensichtlichen Mängel der Berechnungen von Migrationslobbyisten hingewiesen. Dann kommt auf einmal heraus, daß in Deutschland Einwanderer keineswegs die Sozialkassen füllen, sondern den Steuerzahler unter dem Strich etwas kosten.
Doch mit Hilfe von Umverteilung, Steuern und kosmetischen Korrekturen ist es für einen Staat recht einfach, auf solche schlechten Nachrichten zu reagieren. In Kanada, das viele zu Unrecht als vorbildliches Einwanderungsland ansehen, läuft das übrigens genau in dieser Weise. Seit Jahren funktioniert das dortige Punktesystem nur unzureichend und die Reaktion ist immer dieselbe: Es wird an einigen Schrauben gedreht, um das System „effizienter“ zu machen. Die Frage aber, ob das System überhaupt gut ist, wird umgangen.
Worum müßte es also wirklich gehen, wenn über Kosten und Nutzen von Einwanderung gesprochen wird? De facto ist es schon heute jedem Menschen möglich, sich an fast jedem Ort der Welt niederzulassen, wenn er dies aus eigener Kraft schafft. Dazu braucht man in der Regel vor der Auswanderung eine Arbeitsstelle sowie ausreichende Sprach- und Kulturkenntnisse. Da nur ein kleiner Bruchteil der Menschen über den dazu nötigen Mut, die Intelligenz und das Quentchen Glück verfügt, können all jene Migrationen, die aus eigener Kraft erfolgen, auch tatsächlich als Bereicherung der Aufnahmegesellschaft angesehen werden.
Um die Akzeptanz dieser Migranten geht es jedoch in der Einwanderungsdebatte überhaupt nicht. Vielmehr wollen die Einwanderungsbefürworter, daß der Staat Anreize schafft, damit auch diejenigen einwandern, die dazu eigentlich nicht in der Lage sind. Und es kommt noch schlimmer: Sie fordern dann zusätzlich auch noch, daß der Staat das Risiko für die durch falsche Anreize entstehenden Massenmigrationen übernimmt. Er soll also im Zweifelsfall die Einwanderer und ihre Verwandten durchfüttern und alle Kosten übernehmen, die durch die Migration entstehen.
Wenn um den Nutzen der Einwanderung gestritten wird, geht es aus Sicht des Staates um die Frage, ob es sich gelohnt hat, dieses Risiko zu übernehmen oder nicht. Der Staat kommt bei dieser Bewertung gut weg, wenn er suggerieren kann, daß die bisherige Politik keine wirklich spürbaren Kosten verursacht hat und für die Zukunft große Gewinne zu erwarten sind.
Der Denkfehler liegt jedoch genau hier: Es ist vollkommen egal, ob Einwanderung einen volkswirtschaftlichen Nutzen oder Schaden hat. Die Aufgabe des Staates ist es immer, die damit verbundenen Risiken zu minimieren. Das heißt, er muß illegale Flüchtlingsströme bekämpfen, abgelehnte Asylbewerber konsequent in ihre Heimat zurückschicken, Einwanderung in die Sozialsysteme unmöglich machen und kriminelle Ausländer bis hin zur Abschiebung hart bestrafen.
Daß diese eigentlich selbstverständlichen Maßnahmen in Deutschland lediglich in den Parteiprogrammen rechter Parteien auftauchen, liegt am egalitären Freiheitsbegriff unserer Gesellschaft. Die Grundforderung hinter diesem egalitären Freiheitsbegriffs lautet, daß jeder vom Staat ein Wohlstandsniveau gestellt bekommen muß, das ihm ein Leben in Freiheit ermöglicht. Das ist eine schöne Utopie, aber leider unmöglich.
Sowohl praktikabel als auch ethisch vertretbar ist hingegen ein Freiheitsbegriff, der die Verantwortung des Individuums in den Mittelpunkt stellt. Nach diesem Verständnis muß jedes Individuum das Risiko für eigene Entscheidungen wie z.B. eine Auswanderung selbst tragen.
Teil zwei dieses Beitrags erscheint nächste Woche und beschäftigt sich nach diesen Vorüberlegungen intensiver mit der IfS-Studie über den „Bereicherungsmythos“. Sein Buch Die Ausländer. Warum es immer mehr werden im Antaios-Laden.
Belsøe
Zur tatsächlichen Arbeitsmigration kann man zudem noch feststellen, dass auch hier keineswegs alles so reibungslos läuft, und die akademisch ausgeheckten Probleme wiederum der realwirtschaftlichen Ebene aufgebürdet werden. Eine mir bekannte deutsche Krankenschwester, die in Schweden lebt und arbeitet, mokiert sich z.B. durchaus deutlich, dass manche orientalische und osteuropäische Importärzte sowohl fachlich oftmals andere, teils auch weniger Dinge können als das was man von einem nordeuropäischen Arzt erwarten kann, und worauf die Arbeitsabläufe zugeschnitten sind. Dass der Ton gegenüber dem Pflegepersonal (dass dort eine hohe Selbständigkeit und fachlichen Respekt gewohnt ist) dann noch teilweise die Selbstherrlichkeit des heimatlichen Berufsverständnisses spiegelt, führt zu einer subjektiven Verschlechterung von Produktivität und Arbeitsklima, auch wenn in der Statistik alles stimmt - gute Ausbildung, feste Stelle und Steuerzahler. Meine Tante hat während der (schwer belastenden und tödlichen) Tumorerkrankung ihres Mannes wochenlang kein anständiges Aufklärungsgespräch in der Klinik bekommen, nur Radebrech von einem ägyptischen Arzt, dem man ganz im Sinne von "alles kein Problem" nur rudimentärste Sprachkenntnisse hatte angedeihen lassen, und das auf einer sehr Angehörigen-lastigen Krebsstation.
Aus eigener Erfahrung (ebenfalls ein Bereich mit gewissen Freiheiten, aber auch hoher "Eigensteuerung") kann ich von Kollegen berichten, die es schlichtweg kulturell nicht gewohnt waren, den gewährten Freiheiten mit Verantwortung zu begegnen. Es gab auf Arbeit keinen Capo, die ersten zwei Krankentage waren auf Vertrauensbasis ohne Attest möglich - ratet mal, wer am ausgiebigsten schwänzte, Aufgaben einfach liegen liess/nicht sah und nicht gewährte Urlaubswochen einfach als Krankschreibung an die kulant gewährten Wochen dranhängte, weil sich die weite Heimreise sonst nicht lohnt. Ein Fünkchen Solidarität, da dann ja jemand anderes Doppelschichten fahren muss - Fehlanzeige. Andere waren (ebenfalls kulturell bedingt) nicht in der Lage, eigene Fehler zügig und offen zu melden und auf die Kappe zu nehmen, weil Mamas kleiner Pascha zum Familiengenie ernannt wurde. Dabei gibt es bei uns für sowas nicht mal Ärger, Ehrlichkeit vorausgesetzt.
Nun würde nur ein Idiot aus solchen Erlebnissen heraus alle über einen Kamm scheren. Ich habe selbst auch positive Gegenbeispiele parat. Trotzdem sind also selbst bei Fachkräften inhaltliche, fachliche, arbeitsmoralische und verhaltensmässige Unterschiede festzustellen, die sich keineswegs von selber in Wohlgefallen auflösen.
Von Leuten, die "Bäcker" oder "Mechaniker" sind weil sie entsprechende Arbeitserfahrung senegalesischen Standards haben, darum aber noch lange nicht wie ein deutschen Mechatroniker oder ein in allen Vorschriften kundiger deutscher Bäcker einsetzbar sind, wollen wir gar nicht erst anfangen. Selbst deren positive Bilanz liesse sich erst nach Investitionen in ihre Aus- und Weiterbildung realisieren.
Das ist dann wirklich alles nur noch Verschiebemasse, und die Leute sollten endlich mal begreifen dass die GEGEN UNS in Stellung gebracht werden, weil wir die unverschämte Erwartung hegen, für Vollzeitarbeit so etwas wie Mittelstand bleiben oder werden zu dürfen. Frei nach Brecht ist man wohl wirklich dabei, sich ein neues Volk zu wählen...und im Gegensatz zu früher ist es dem Geld der Wirschaft komplett schnuppe, wie die Rechnung für das Geld des Allgemeinwesens aussieht.