Volk – Aufgabe statt Konstrukt (I)

Auf dem untergehenden Schiff Europa gibt es zwei Gruppen: Die eine schöpft das eindringende Wasser ab. Die andere lehnt sich amüsiert zurück oder bohrt sogar Löcher.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

Wäh­rend sich der Bug lang­sam neigt, haben sie nichts als Ver­ach­tung für die­je­ni­gen, die die Hava­rie ver­hin­dern wol­len: „Wovor haben Sie denn Angst?“ „Der Mensch besteht selbst zu 90% aus Was­ser, wo ist das Pro­blem?“ „Daß das Deck feuch­ter wird, hat nichts mit den Löchern zu tun. Bei Regen wird es auch naß.“ „Offen­heit ist die bes­te Waf­fe gegen ein Leck.“

So oder so ähn­lich wür­den die Aus­sa­gen der lin­ken Uni­ver­sa­lis­ten – wie Kün­ast, Aug­stein, Ste­g­ner, Göring und Roth – lau­ten, wenn man sie in die­se Meta­pher über­trägt. Das Lieb­lings­ar­gu­ment die­ser Ideo­lo­gen lau­tet aber: „Das Boot ist nur ein sozia­les Konstrukt.“

Die Mär vom „sozia­len Kon­strukt“ ist eine der Kern­ideen des lin­ken Uni­ver­sa­lis­mus. Ihre rela­ti­vis­ti­sche Wucht ist der Preß­luft­ham­mer, der sich gegen alle bestehen­den Iden­ti­tä­ten und gewach­se­nen Struk­tu­ren rich­tet. Die Frag­men­te, die danach übrig blei­ben, wer­den im Sin­ne einer abs­trak­ten Ord­nung neu zusammengefügt.

Die Idee, eine neue Ord­nung und einen neu­en Men­schen schaf­fen zu kön­nen, der mit bis­he­ri­gen anthro­po­lo­gi­schen Kon­stan­ten wie Krie­gen sowie sozia­len und kul­tu­rel­len Unter­schie­den „auf­räu­men“ kön­ne, ist das zen­tra­le Merk­mal der moder­nen Ideo­lo­gien. Auf den Punkt gebracht, besteht sie aus zwei Ideen:

  1. Wir bewe­gen uns unauf­halt­sam in Rich­tung einer „neu­en, fried­li­chen, ver­ein­ten Welt“.
  2. Alle Gren­zen, Unter­schie­de und Kon­flik­te beru­hen nur auf Irr­tum, Aber­glau­be oder dem Ego­is­mus ein­zel­ner Diktatoren.

„Auf­klä­rung“ über die­se Irr­tü­mer müs­se not­wen­dig zur kom­men­den Welt­ein­heit füh­ren. Soweit die Theo­rie. Prak­tisch steht die­ser Uni­ver­sa­lis­mus heu­te vor den Trüm­mern einer Uto­pie. Der angeb­li­che „Mensch­heits­fort­schritt“ zu einer post­eth­ni­schen, mul­ti­kul­tu­rel­len Welt­ge­sell­schaft ent­larvt sich als lokal begrenz­tes Sozi­al­ex­pe­ri­ment, des­sen vor­läu­fi­ges Ergeb­nis nur als kul­tu­rel­ler Sui­zid­ver­such beschrie­ben wer­den kann.

Aller ideo­lo­gi­schen Pro­pa­gan­da zum Trotz erken­nen laut einer neu­en Umfra­ge immer­hin 53 Pro­zent der Deut­schen, daß, „wenn immer mehr Ein­wan­de­rer nach Deutsch­land kom­men, das, was Deutsch­land war, all­mäh­lich ver­lo­ren­geht“. Nur 30 Pro­zent wider­spre­chen dem. Die „Köp­fe“ des Lan­des ste­cken jedoch immer noch im ideo­lo­gi­schen Wol­ken­ku­ckucks­heim fest.

Trau­ri­ges Bei­spiel dafür war ein Kol­lo­qui­um des Deut­schen Bun­des­ta­ges anläß­lich des 100. Jah­res­ta­ges der Anbrin­gung des Schrift­zu­ges “Dem Deut­schen Vol­ke” am Reichs­tags­ge­bäu­de. Nach den ers­ten Minu­ten der Debat­te wur­de klar, daß sich alle rela­tiv einig waren: das Volk sei eine Fik­ti­on, ein Kon­strukt, es „exis­tiert als iden­ti­tä­res homo­ge­nes Phä­no­men nicht. […] Volk besteht viel­mehr aus einer Viel­zahl regio­na­ler, eth­ni­scher, öko­no­mi­scher, poli­ti­scher, reli­giö­ser oder welt­an­schau­li­cher sowie durch Geschlecht, Alter, Bil­dung, Inter­es­sen, viel­fach sozi­al dif­fe­ren­zier­ter Grup­pie­run­gen. Die­se sind durch das eini­gen­de Band der Geschich­te, der Kul­tur und auch der Ver­fas­sung zu einer stets auf­ge­ge­be­nen Ein­heit zusam­men­ge­fügt.“ So wird Rudolf Stein­burg, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor der Uni Frank­furt, zitiert.

Ich will aus phä­no­me­no­lo­gi­scher Sicht auf die­sen Satz ein­ge­hen und zei­gen, auf wel­chen ver­al­te­ten Prä­mis­sen und Wider­sprüch­lich­kei­ten er beruht. Das Fun­da­ment für die Ansicht, daß es nur zwei rele­van­te poli­ti­sche Ord­nungs­grö­ßen gebe, näm­lich das ein­zel­ne Indi­vi­du­um und ein Kol­lek­tiv namens „Mensch­heit“, ist ein reduk­tio­nis­ti­sches Ver­ständ­nis von Wahrheit.

Der zitier­te Satz fällt, ohne es viel­leicht zu wis­sen, ein „Seins­ur­teil“. Er spricht dem Volk eine gewis­se Exis­tenz­form ab. Es gibt das Volk zwar, aller­dings nicht „real“, nicht „fleisch­lich“, son­dern als geis­ti­ge Fik­ti­on und damit will­kür­li­che Fest­set­zung. Es ist ein rein begriff­li­ches Bün­del loser Frag­men­te. Es ist nichts, wor­auf sich eine Iden­ti­tät bezie­hen könn­te, es ist kein „iden­ti­tä­res Phänomen“.

Die­se Fik­ti­on ist damit als baro­cker Zufall der Geschich­te in einer höhe­ren ratio­na­len Ord­nung, einer „defrag­men­tier­ten“ Mensch­heit, auf­zu­he­ben. Die­ses Seins­ur­teil über das Volk ist per­for­ma­tiv ver­nich­tend. Die Staats­po­li­tik agiert so, als wür­den Völ­ker „nicht exis­tie­ren“, und ver­nich­tet damit ihre Exis­tenz. Ihre Zer­stö­rung nimmt sie damit, wenn über­haupt, nur als Kol­la­te­ral­scha­den ohne böse Absicht wahr (die­se ist der Kul­tur­po­li­tik jedoch durch­aus zu unterstellen).

Die rela­ti­vis­ti­sche Kri­tik gegen das Volk ver­birgt eine uni­ver­sa­lis­ti­sche Grund­hal­tung. Sie ver­langt eine kla­re und prä­zi­se Defi­ni­ti­on der „Essenz“ des Volks. Das Volk muß als geschichts- und zeit­lo­ser Gegen­stand der Erkennt­nis begreif­bar sein, sonst wird ihm das Sein an sich abge­spro­chen: Was macht „deutsch sein“ im Kern aus? Kann die­se Defi­ni­ti­on nicht gelie­fert und „auf den Punkt“ gebracht wer­den, ist das Volk damit als „Kon­strukt“ ent­larvt und der Ver­nich­tung preis­ge­ge­ben. Hier ent­larvt sich aber in Wirk­lich­keit etwas ganz anderes.

Auf den Punkt gebracht und klar defi­niert wer­den kann nur das, was defi­nier­bar ist. Ein logi­sches Gesetz bei­spiels­wei­se oder eine gesetz­te Rechts­norm. Ein Volk ist aber weder eine Norm noch ein Gegen­stand der Mathe­ma­tik noch aus­schließ­lich der Natur­wis­sen­schaft. Selbst­ver­ständ­lich kann es nicht wie ein Mine­ra­li­en­bro­cken, eine neue Käfer­art oder eine Teil­chen­sor­te unter­sucht, defi­niert und kate­go­ri­siert werden.

Das gilt aber nicht nur für das Volk, son­dern für jedes kul­tu­rel­le, sozia­le, poli­ti­sche und in letz­ter Kon­se­quenz auch öko­no­mi­sche Phä­no­men. Genau­so­we­nig wie wir beschrei­ben kön­nen, was die Essenz des Vol­kes ist, kön­nen wir die Essenz der „Mensch­heit“, der japa­ni­schen Tee­ze­re­mo­nie, des Mit­tel­al­ters, des Jugend­stils oder Islams inter­sub­jek­tiv exakt beschrei­ben und „auf den Punkt bringen“.

Das liegt nicht dar­an, daß die­se Phä­no­me­ne „weni­ger exis­tent“ wären als etwa eine mathe­ma­ti­sche For­mel. Sie sind nicht klar defi­nier­bar, aber sie „sind“ des­we­gen um nichts weni­ger. Sie haben schlicht eine ande­re Art der Gege­ben­heit, da sie im Grun­de „Epi­phä­no­me­ne“ des mensch­li­chen Daseins sind. Die­ses ist, da wir es je selbst sind, wesens­ge­mäß nicht „inter­sub­jek­tiv“ zugäng­lich, weil es sich als blo­ße Exis­tenz jeder sta­ti­schen Defi­ni­ti­on (d.h. Umgren­zung) entzieht.

Das, was hier ver­geb­lich umzäunt und zum begriff­li­chen Still­stand gebracht wer­den soll, ist ein Voll­zug. Es ist gleich­zei­tig Aus­le­gen­des und Aus­zu­le­gen­des. Die­ser her­me­neu­ti­sche Zir­kel schafft eine Unein­hol­bar­keit, womit – hier lag auch Stein­burg im obi­gen Zitat rich­tig – jeder bün­deln­de Begriff immer eine Auf­ga­be bleibt.

Die­se besteht aber nicht nur für das Volk, son­dern natür­lich auch auf den Begriff der „Mensch­heit“, der Men­schen­wür­de, des Men­schen­rechts und der Gleich­heit. Sie wer­den heu­te aber mit einem fast schon reli­giö­sen Ges­tus kano­nisch ver­an­kert und ihre angeb­lich objek­ti­ven poli­ti­schen Kon­se­quen­zen wie Dog­men von den Lehr­stüh­len gepredigt.

Wenn man will, kann man jede Aus­sa­ge, die nicht in den Bereich der Natur­wis­sen­schaft fällt, als „mensch­li­ches Kon­strukt“ ent­lar­ven. Die­ser Reduk­tio­nis­mus ist heu­te über­all gang und gäbe und wird von eini­gen Rech­ten lei­der auch als angeb­li­che Geheim­waf­fe gegen Kul­tur­mar­xis­mus gefei­ert. Eine phä­no­me­no­lo­gi­sche Her­an­ge­hens­wei­se ver­pflich­tet aller­dings dazu, auch die Phä­no­me­ne der Kul­tur, Kunst, Reli­gi­on und Phi­lo­so­phie in ihren jeweils eige­nen Wahr­heits­kri­te­ri­en und Gege­ben­heits­wei­sen ernst zu neh­men. Heid­eg­ger bezeich­net das Phä­no­men in einem berühm­ten Satz als das, „das Sich-an-ihm-selbst-zei­gen­de“, also wie ein Ding sich von sich selbst her erfahr­bar macht. Die “Ethik” der Phä­no­me­no­lo­gie, die die des Eth­no­plu­ra­lis­mus ist, bedeu­tet die Din­ge nicht mit vor­ge­ge­be­nen Scha­blo­nen zu “über­fal­len”.

Das Volk ver­schimmt also dann zur sub­jek­ti­ven Idee wenn man es am Erkennt­nis­ide­al der Mathe­ma­tik aus­rich­tet und Wahr­heit aus­schließ­lich als empi­ri­sche Gewiss­heit, als „cla­ra et distinc­ta per­cep­tio” (Des­car­tes) ver­steht. Das Volk als meta­phy­si­sche “Idee” wird dann genau­so abge­schafft wie Gott, da sich bei­de nach Kant als „spe­ku­la­ti­ve, über blo­ße Begrif­fe, über Erfah­rung erhe­ben” würden.
Der­art wird aber nur ganz bestimm­ten poli­ti­schen Begrif­fen zu Lei­be gerückt. Volk und Volks­zu­ge­hö­rig­keit als poli­ti­sche Fak­to­ren sind nicht weni­ger „Kon­strukt“ als die Men­sche­heit oder Gleichheit.

Es gibt hier ein­fach kei­ne „offen­kun­di­ge Wahr­heit“, zur deren Lord­sie­gel­hal­ter man sich erklä­ren könn­te. Die rela­ti­vis­ti­sche Kri­tik wirft dem Phä­no­men eigent­lich die kon­tin­gen­te Art und Wei­se sei­ner Gege­ben­heit vor. Weil die Rol­le der Frau, das Ver­ständ­nis des Vol­kes, etc nicht immer und über­all gleich war “gibt” es sie gar nicht. Weil die­se Phä­no­me­ne nicht den Kri­te­ri­en einer meta­phy­si­schen Idee oder mate­h­amti­schen For­mel ent­spre­chen, die man selt­sa­mer­wei­se als Erkennt­nis­ide­al unter­schiebt, exis­tie­ren sie gar nicht und haben kei­ne Relevanz.

Die­ser Trick wird von den lin­ken Uni­ver­sa­lis­ten aber sehr selek­tiv ange­wandt. Am aller­we­nigs­ten unter­wer­fen sie ihre eige­nen uni­ver­sa­lis­ti­schen Idea­le dem rela­ti­vis­ti­schen Preß­luft­ham­mer. Der gesam­te deutsch-euro­päi­sche Schuld­kult und die dar­an ange­schlos­se­ne Mul­ti­kul­ti-Uto­pie wür­den sich dabei rasch als unhalt­ba­re Ungleich­be­hand­lung und als inter­po­lier­ter „Euro­zen­tris­mus“ entlarven.

Denn offen­bar ist die wei­ße, euro­päi­sche, christ­li­che und männ­li­che Iden­ti­tät “noch kon­stru­ier­ter“ und damit „weni­ger exis­tent“ als z.B. die ara­bi­sche, weib­li­che, nicht­eu­ro­päi­sche, isla­mi­sche, wel­che in der Poli­tik durch­aus die Stel­lung „iden­ti­tä­rer Phä­no­me­ne“ genie­ßen. Nur bei unse­rer Iden­ti­tät ist die Unmög­lich­keit einer mathe­ma­ti­schen oder meta­phy­si­schen Defi­ni­ti­on Anlaß, ihr die Exis­tenz oder die Rele­vanz kom­plett abzusprechen.

Das Sein eines Phä­no­mens ist aber nicht an sein Wahr­heits­kri­te­ri­um gebun­den und die­se ist nicht auf ein ein­zi­ges Erkennt­nis­ide­al zu redu­zie­ren. Im Zuge der neue­ren Kri­tik der Bewußt­seins­phi­lo­so­phie und ihrer diver­sen Turns (lin­gu­i­stic, nar­ra­ti­ve etc.) hat sich längst ein brei­te­res Ver­ständ­nis von Wahr­heit eta­bliert. Die sprach­li­che und nar­ra­ti­ve Ver­faßt­heit, die kul­tu­rel­le und geschicht­li­che Kon­tin­genz aller Wahr­hei­ten gehört zum Ein­mal­eins jedes geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Erst­se­mes­ters. Seit Mer­leau-Pon­ty ist auch die “Leib­lich­keit” jeder Erkennt­nis im Gespräch. Beim Volk gilt das aber alles nichts mehr. Es ist „unlo­gisch“ und damit „inexis­tent“.

Aber das Volk “als” meta­phy­ische Essenz oder “als” mathe­ma­ti­sche For­mel zu “wider­le­gen”, heißt nicht es als Phä­no­men zu widerlegen.
Dabei ist „Volk“ nichts ande­res als die for­ma­le Anzei­ge der vor­po­li­ti­schen, gemein­schaft­li­chen Exis­tenz des mensch­li­chen Daseins. Volk ist Aus­druck der unhin­ter­geh­ba­ren eth­no­kul­tu­rel­len Exis­tenz, die das Dasein nicht deter­mi­nert, der man aber auch nicht ganz „ent­kom­men“ kann.
Es ist der eth­no­kul­tu­rel­le Ver­ständ­nis­ho­ri­zont, in dem sich jeder Ein­zel­ne not­wen­dig befin­det. Wenn man an sei­nen Rand gerät, tun sich nur neue Hori­zon­te auf. Auch eine nega­ti­ve oder gleich­gül­ti­ge Hal­tung stellt sich in bezug zur eige­nen Her­kunft. Jeder Mensch „ist“ bis zu einem gewis­sen Grad not­wen­dig auch Volk, ob ihm das gefällt oder nicht. Er denkt “volk­haft” oder “völ­kisch” um Frau­ke Petry zu zitiert. Gera­de die Deut­schen die das am vehe­men­tes­ten ableh­nen, sind am stärks­ten in ein eth­no­na­tio­na­les Nar­ra­tiv der Schuld eingebunden.

Die­ser unhin­ter­geh­ba­re Ver­ständ­nis­ho­ri­zont, wur­de als gro­ße Krän­kung der uni­ver­sa­lis­ti­schen Dog­men von Den­kern wie Her­der, Kier­ke­gaard, Scho­pen­hau­er und Nietz­sche the­ma­ti­siert. Er ent­larvt, wie Alain de Benoist meis­ter­haft dar­ge­stellt hat, die ideo­lo­gi­sche Grund­la­ge eines jeden Welt­staats als impe­ria­lis­ti­sche Anma­ßung, als geis­ti­gen Über­griff auf frem­de Wahr­heits­räu­me und Lebens­wel­ten. Glo­ba­li­sie­rung und Mul­ti­kul­ti ent­lar­ven sich als Ver­nich­tung von Vielfalt.

Völ­ker sind eth­ni­sche und kul­tu­rel­le Gemein­schaf­ten, die – eben­so wie das mensch­li­che Dasein – nicht auf eine Sei­te ihres Phä­no­mens redu­ziert, also bio­lo­gi­siert oder ver­geis­tigt wer­den kön­nen. Auch unse­re je eige­ne Exis­tenz lässt sich nicht auf eine Sum­me an Zel­len, oder eine sta­ti­sche per­sön­li­che Iden­ti­tät redu­zie­ren. Die Her­kunfts- und Abstam­mungs­ge­mein­schaft ist wis­sen­schaft­lich unter­such- und nach­weis­bar, macht aber nicht das Wesen des Vol­kes aus. Das Volk hat kei­ne „Essenz“ und kei­nen sta­ti­schen Kern, son­dern ist wesen­haft nar­ra­tiv. Auch die Fest­stel­lung eines sta­ti­schen meta­phy­si­schen „Volks­geis­tes“ ist frag­lich, da sie dem oben beschrie­be­nen her­me­neu­ti­schen Zir­kel unter­liegt. Nietz­sches „Kenn­zeich­nung“ der Deut­schen, daß bei ihnen die Fra­ge, was „deutsch sein“ heißt, nicht aus­stür­be, ent­spricht die­ser Dyna­mik auf genia­le Art und Weise.

Gera­de weil das Dasein als for­ma­le Anzei­ge gleich­ur­sprüng­li­cher Struk­tur­merk­ma­le auf gewis­se Wei­se „uni­ver­sal“ ist, die Men­schen in ihrem welt­wei­ten, kon­kre­ten Auf­tre­ten aber ein­zig­ar­tig, plu­ra­lis­tisch und ago­nal sind, ist es kein Wider­spruch, daß die­se Fra­ge auch bei kei­nem ande­ren Volk der Welt aus­stirbt. Die bio­lo­gis­ti­sche oder meta­phy­ische Beschrei­bung sucht dage­gen immer nach einer “ein­zig­ar­ti­gen Aus­zeich­nung” eines Vol­kes, die es von allen ande­ren unter­schei­det, die einen geis­ti­gen oder gene­ti­schen Trenn­strich zwi­schen ihrer Essenz und „all die ande­ren“ zieht.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

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