Die Rückkehr der Geschichte

Unter der Dachzeile »US-Bomber über Mittelost« reagierte Josef Joffe, Mitherausgeber der Zeit, am 1. Oktober dieses Jahres... 

mit einem Jubel­schrei der Erleich­te­rung: »USA – wie­der da!« End­lich, so der gern als Pen­ta­gon-Spre­cher auf­tre­ten­de Bel­li­zist aus Ham­burg, habe Prä­si­dent Barack Oba­ma sein lan­ges Zögern auf­ge­ge­ben und sei in die Rol­le des Welt­po­li­zis­ten geschlüpft, um den Wes­ten zu ret­ten. Einen schnel­len Sieg über die Got­tes­krie­ger des »Isla­mi­schen Staats« (IS) wer­de es aller­dings nicht geben, viel­mehr dro­he ein zeit­rau­ben­der Abnut­zungs­krieg mit offe­nem Ende, denn: »Auf Al-Kai­da folg­te der IS, auf den IS folgt …«

Mit die­ser rea­lis­tisch-trü­ben Aus­sicht hat sich für die Ban­ner­trä­ger der trans­at­lan­ti­schen »Frei­heit« das ablau­fen­de Jahr so depri­mie­rend ent­wi­ckelt, wie für sie das Jahr 2011 begon­nen hat­te. Damals waren es die völ­lig über­ra­schen­den Umstür­ze in Tune­si­en und Ägyp­ten gewe­sen, die ihnen schmerz­haft vor Augen führ­ten, wie sehr die jahr­zehn­te­lan­ge Unter­stüt­zung auto­kra­ti­scher Fol­ter­re­gime durch den Wes­ten den stets laut­stark pro­kla­mier­ten Idea­len von Frei­heit, Demo­kra­tie und Men­schen­rech­ten hohn­ge­spro­chen hat­te. Jetzt, knapp vier Jah­re spä­ter, waren und sind es die Kon­flik­t­her­de Ukrai­ne, Gaza, Syri­en und Irak, die die Ver­tre­ter der »west­li­chen Wer­te« in Alarm­stim­mung ver­set­zen. So kon­sta­tier­te Bernd Ulrich, Vize-Chef­re­dak­teur der Zeit, unter der Über­schrift »Ver­wirr­te Welt« am 18. August: »Die Welt ist aus den Fugen, wie sie es seit Jahr­zehn­ten, viel­leicht seit sieb­zig Jah­ren, nicht war.« Und Ste­fan Kor­ne­li­us, Res­sort­chef Außen­po­li­tik der Süd­deut­schen Zei­tung, sprach nahe­zu zeit­gleich von einer »halt­lo­sen Welt … Das inter­na­tio­na­le Ord­nungs­ge­fü­ge aus der Zeit nach dem Kal­ten Krieg hat sich end­gül­tig über­lebt.« Ihre gemein­sa­me Dia­gno­se war ein­deu­tig: Die bekla­gens­wer­te Lage, so der Befund der Ver­tre­ter des wöchent­li­chen und des täg­li­chen Leit­or­gans des deut­schen Links­li­be­ra­lis­mus, sei auf die Schwä­che des Wes­tens zurück­zu­füh­ren. Gleich­wohl sprach Kor­ne­li­us sich und den Sei­nen Mut zu: »Im ewi­gen Rin­gen um eine gerech­te und sta­bi­le Ord­nung hat trotz all sei­nen Unzu­läng­lich­kei­ten das west­li­che Sys­tem – Rechts­staat­lich­keit, Demo­kra­tie, Markt­wirt­schaft – eine nicht zu schla­gen­de Attrak­ti­vi­tät ent­wi­ckelt. Wer die­ses Sys­tem fes­tigt und beschützt, der wird die fried­li­che Welt an sei­ner Sei­te wissen.«

Ganz so schnell moch­te Bernd Ulrich nun doch nicht über die Sün­den der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit hin­weg­ge­hen. Die neue Schwä­che des Wes­tens, so sein Memen­to, bedeu­te ja kei­nes­wegs, daß er sei­ne alte Arro­ganz schon durch­ge­hend abge­legt habe: »Wie west­li­che Staats­chefs in den letz­ten fünf­zehn Jah­ren das Völ­ker­recht gebo­gen, teils gebro­chen haben, wel­che Kriegs­be­grün­dun­gen sie gege­ben und wel­che Bünd­nis­wech­sel sie voll­zo­gen haben, das war schon atem­be­rau­bend. Die­se Hypo­thek muß end­lich aus­ge­spro­chen und ange­nom­men wer­den, neu hand­lungs­fä­hig wird der Wes­ten nur ein­ge­denk die­ser Schuld, nicht indem er sie beschweigt.«

Was Links­li­be­ra­le so ver­stört und bis ins Mark getrof­fen hat, ist die Rück­kehr der Geschich­te – als kul­tu­rell-reli­giö­ses und als geo­po­li­ti­sches Phä­no­men. So wie Chi­nas macht­vol­les Erschei­nen auf der welt­po­li­ti­schen Büh­ne vor­her­seh­bar war, so konn­ten nur Träu­mer davon aus­ge­hen, mit dem Unter­gang des Sowjet­im­pe­ri­ums sei das »Ende der Geschich­te« (Fran­cis Fuku­ya­ma) im Sin­ne eines dau­er­haf­ten und letzt­gül­ti­gen Tri­um­phes des Wes­tens gekom­men. Schon die seit sei­ner Grün­dung unsi­che­re Exis­tenz Isra­els, das über Jah­re kon­ti­nu­ier­li­che Erstar­ken des isla­mi­schen Fun­da­men­ta­lis­mus und die stets viru­len­te Kur­den-Fra­ge konn­ten jedem Beob­ach­ter zei­gen, daß vie­le Kon­flik­te aus einer Ver­gan­gen­heit rüh­ren, die qua­si »uner­le­digt« ist, auch wenn man­cher sie in der »Mot­ten­kis­te der Geschich­te« wähn­te und längst ver­drängt hatte.

In die­se Kate­go­rie gehört auch die Ukrai­ne-Kri­se. Sie begann Ende 2013 mit dem Ange­bot eines EU-Asso­zi­ie­rungs­ab­kom­mens, ent­wi­ckel­te sich nach dem Sturz des demo­kra­tisch gewähl­ten Prä­si­den­ten Vik­tor Janu­ko­witsch durch die Demons­tran­ten des Kie­wer »Euro-Mai­dan« im Febru­ar 2014 zu einem Bür­ger­krieg und gip­fel­te schließ­lich in der bis heu­te andau­ern­den Kon­fron­ta­ti­on zwi­schen Ruß­land und dem Wes­ten, weil Mos­kau die Krim annek­tier­te und in der Ost­ukrai­ne die pro­rus­si­schen Sepa­ra­tis­ten unter­stützt. Was die Süd­deut­sche Zei­tung am 30. August unter der Über­schrift »Zurück in dunk­le Zei­ten« gei­ßel­te, war auch in die­sem Fall nichts ande­res als die Rück­kehr der bis in die Gegen­wart rei­chen­den Geschich­te: Im ers­ten rus­sisch-tür­ki­schen Krieg (1768–1774) sicher­te sich das Zaren­reich unter Katha­ri­na der Gro­ßen mit der Erobe­rung der Krim erst­mals den Zugang zu einem »war­men Meer« – ein schon von Peter I. ange­streb­tes Ziel. Die Tür­ken wur­den vom Dnjepr bis zur Donau zurückgedrängt.

Als »Neu­ruß­land« (Nowo­ros­si­ja) glie­der­te Katha­ri­na die Gebie­te im Süden und Osten der heu­ti­gen Ukrai­ne ihrem Reich ein und ernann­te Fürst Gri­go­ri Pot­jom­kin zum Gene­ral­gou­ver­neur. Der Ver­trau­te der Zarin sorg­te für die Besied­lung der frucht­ba­ren, aber fast men­schen­lee­ren Step­pe durch Bau­ern und Leib­ei­ge­ne sowie durch die Anwer­bung aus­län­di­scher Kolo­nis­ten. Städ­te wur­den gegrün­det – mit Werf­ten und Häfen für die ent­ste­hen­de Schwarz­meer-Flot­te (Cher­son, Sewas­to­pol). 1802 wur­de Nowo­ros­si­ja eine Pro­vinz des Zaren­rei­ches und blieb bis 1917 inte­gra­ler Bestand­teil Ruß­lands. Erst die Bol­sche­wi­ki tra­ten die Regi­on an die 1919 neu­ge­bil­de­te »Ukrai­ni­sche Sozia­lis­ti­sche Sowjet­re­pu­blik« ab – war­um, das wis­se »nur Gott«, erklär­te Prä­si­dent Putin im April 2014. Genau­so schlei­er­haft sei nicht nur ihm das Motiv des dama­li­gen sowje­ti­schen Par­tei­chefs Niki­ta Chruscht­schow, der 1954 die Halb­in­sel Krim sei­ner ukrai­ni­schen Hei­mat zum Geschenk mach­te. Auch dies, so Putin, sei ein »his­to­ri­scher Feh­ler« gewe­sen, denn in bei­den Gegen­den – sowohl in der heu­ti­gen Ost­ukrai­ne als auch auf der Krim – sei­en die Men­schen tief mit dem rus­si­schen Staat verwurzelt.

Und in der Tat: Nach dem zwei­ten rus­sisch-tür­ki­schen Krieg (1787–1791) hat­te sich die Tür­kei off­zi­ell mit dem Anschluß der Krim an das Zaren­reich ein­ver­stan­den erklärt und das Gebiet zwi­schen dem süd­li­chen  Bug und dem Dnjes­tr an Ruß­land abge­tre­ten. Dort grün­de­te Katha­ri­na II. 1794 die Hafen- und Han­dels­stadt Odes­sa. Nun war das nörd­li­che Ufer des eis­frei­en Schwar­zen Mee­res end­gül­tig gewon­nen und die natür­li­che Gren­ze im Süden erreicht und dau­er­haft gesi­chert. Das Recht der frei­en Schif­fahrt ins Mit­tel­meer hat sich Mos­kau seit­dem nicht mehr strei­tig­ma­chen las­sen. Aus wirt­schaft­li­chen und mili­tär­stra­te­gi­schen Grün­den ist dies auch für das aus der Kon­kurs­mas­se der Sowjet­uni­on wie­der­erstan­de­ne Ruß­land von exis­ten­ti­el­ler Bedeu­tung. Man muß daher kein »Putin-Ver­ste­her« sein, um zu erken­nen, daß EU und NATO die Ukrai­ne – ein his­to­risch labi­les Gebil­de, das erst 1991 zur staat­li­chen Unab­hän­gig­keit fand – als nütz­li­ches Werk­zeug benut­zen, um Mos­kau zu schwä­chen und das Einfluß­ge­biet des Wes­tens zu erweitern.

Auch im Nahen Osten hat die Rück­kehr der Geschich­te in die­sem Jahr zu unab­seh­ba­ren Fol­gen geführt. Welch ver­häng­nis­vol­le Rol­le Groß­bri­tan­ni­en dort gespielt hat, räum­te der dama­li­ge Außen­mi­nis­ter Jack Straw im Novem­ber 2002 in einem Gespräch mit dem New Sta­tes­man ein: »Die krum­men Gren­zen wur­den von den Bri­ten gezo­gen. Die Bal­four-Dekla­ra­ti­on und eine Rei­he ihr wider­spre­chen­der Garan­tien gin­gen an Paläs­ti­nen­ser und Israe­lis gleich­zei­tig. Das ist eine inter­es­san­te Geschich­te, wenn auch kei­ne unbe­dingt ehren­haf­te.« Straws »krum­me Gren­zen« spiel­ten auf das Sykes-Picot-Abkom­men vom 16. Mai 1916 an. In die­ser gehei­men Über­ein­kunft hat­ten die Regie­run­gen Groß­bri­tan­ni­ens und Frank­reichs ihre kolo­nia­len Inter­es­sen­ge­bie­te nach der Zer­schla­gung des Osma­ni­schen Reichs im Ers­ten Welt­krieg fest­ge­legt. Inhalt­lich stand das Abkom­men jedoch im Wider­spruch zum Brief­wech­sel zwi­schen dem Emir des Hed­schas und dem bri­ti­schen Hoch­kom­mis­sar in Ägyp­ten. Wäh­rend in jener Hus­sein-McMa­hon-Kor­re­spon­denz der Jah­re 1915/16 den Ara­bern die Unter­stüt­zung Lon­dons im Fall eines Auf­stands gegen das Osma­ni­sche Reich zuge­sagt und die Aner­ken­nung einer anschlie­ßen­den ara­bi­schen Unab­hän­gig­keit in Aus­sicht gestellt wur­de (»Law­rence von Ara­bi­en«), teil­ten Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en statt des­sen wei­te Tei­le des ara­bi­schen Ter­ri­to­ri­ums unter sich auf. Inner­halb der jewei­li­gen Einfluß­zo­nen grün­de­ten sie ohne Rück­sicht auf his­to­ri­sche Reli­gi­ons- und Stam­mes­gren­zen Kunst­staa­ten wie Jor­da­ni­en, Irak, Syri­en und Libanon.

Was Frank­reich (das Land der Men­schen­rech­te) und Eng­land (die ältes­te kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie) in der Pha­se ihres glo­ba­len Impe­ria­lis­mus hin­ter­las­sen haben, sind »ein­ge­fro­re­ne« Kon­flik­te, die jetzt unter ver­än­der­ten Bedin­gun­gen auf­bre­chen. So knüpft die Bewe­gung »Isla­mi­scher Staat« (IS), jah­re­lang mit Gel­dern aus den west­li­chen Bünd­nis­part­nern Katar und Sau­di-Ara­bi­en fnan­ziert, an die vor­ko­lo­nia­le Epo­che an und will zunächst zwi­schen Mit­tel­meer und Euphrat nach dem Vor­bild Moham­meds ein Kali­fat, einen sun­ni­ti­schen Got­tes­staat, errich­ten. Inner­halb von fünf Jah­ren, so IS-Anhän­ger, sol­le jedes Ter­ri­to­ri­um, wo der­zeit Mus­li­me leben oder frü­her gelebt haben, zum künf­ti­gen Kali­fat gehö­ren: halb Asi­en, drei Vier­tel Afri­kas, Tei­le Ost­eu­ro­pas und Anda­lu­si­en. In der Hoff­nung, durch die gewalt­sa­me Besei­ti­gung dik­ta­to­ri­scher Regime im Irak und in Liby­en die »Demo­kra­ti­sie­rung« des Ori­ents in die Wege lei­ten zu kön­nen, haben die west­li­chen Staa­ten, allen vor­an die USA, statt des­sen die Büch­se der Pan­do­ra geöff­net und die Uhr der Geschich­te zurück­ge­dreht. Als Ver­bün­de­te im Kampf gegen die fun­da­men­ta­lis­ti­schen IS-Mili­zen dür­fen sich daher mitt­ler­wei­le auch die rund 40 Mil­lio­nen Kur­den Hoff­nung auf einen eige­nen Staat machen; ent­ge­gen anders­lau­ten­den Ver­spre­chun­gen war ihr Sied­lungs­raum nach dem Ers­ten Welt­krieg dem Iran sowie den neu­en Staa­ten Irak, Syri­en und der moder­nen Tür­kei Ata­türks zuge­schla­gen worden.

Isra­el wie­der­um, von den meis­ten Ara­bern und Mus­li­men bis heu­te als bri­tisch-ame­ri­ka­ni­scher Sta­chel im eige­nen Fleisch emp­fun­den, muß selbst im 66. Jahr nach sei­ner Grün­dung noch immer um die Wah­rung der staat­li­chen Exis­tenz kämp­fen. Als die zio­nis­ti­sche Bewe­gung Ende des 19., Anfang des 20. Jahr­hun­derts ent­stand, mach­ten die Juden allen­falls drei Pro­zent der Bevöl­ke­rung Paläs­ti­nas aus. Als Fol­ge der Bal­four-Dekla­ra­ti­on von 1917 wuchs die jüdi­sche Ein­wan­de­rung unter dem bri­ti­schen Pro­tek­to­rat indes lawi­nen­ar­tig an. Der Tei­lungs­plan der Ver­ein­ten Natio­nen von 1947 wies den damals 600000 Juden 55 Pro­zent des Ter­ri­to­ri­ums zu, den 1,2 Mil­lio­nen Paläs­ti­nen­sern jedoch, die sei­ner­zeit noch  Eigen­tü­mer von 94 Pro­zent des Lan­des waren, ledig­lich 45 Pro­zent. Eine Lösung des Kon­flikts ist illu­so­risch, solan­ge Isra­el sei­ne völ­ker­rechts­wid­ri­ge Sied­lungs­po­li­tik im 1967 besetz­ten West­jor­dan­land sowie im annek­tier­ten Ost-Jeru­sa­lem fort­setzt und die USA die­ses Vor­ge­hen mit ihrem Veto im Welt­si­cher­heits­rat decken.

Für die Ver­tre­ter des Links­li­be­ra­lis­mus hat die Rück­kehr der Geschich­te auch innen­po­li­tisch uner­war­te­te Fol­gen: Die auf­bre­chen­den Kon­flik­te haben in Euro­pa vie­ler­orts zu einer längst über­wun­den geglaub­ten Aus­dif­fe­ren­zie­rung der jewei­li­gen Gesell­schaf­ten auf kul­tu­rel­lem, reli­giö­sem und poli­ti­schem Gebiet geführt, was der ega­li­ta­ris­ti­schen Eine-Welt-Ideo­lo­gie vehe­ment wider­spricht. So beklag­te Ulrich Beck, Lei­ter eines For­schungs­pro­jekts zum »Metho­do­lo­gi­schen Kos­mo­po­li­tis­mus«, auf dem Höhe­punkt des jüngs­ten Gaza-Krie­ges, daß die­ser in euro­päi­schen Städ­ten sei­nen Wider­hall fin­de: »Wir – vie­le Deut­sche und ande­re Euro­pä­er – set­zen deut­sche, fran­zö­si­sche, ita­lie­ni­sche Juden mit Israe­lis gleich. Plötz­lich wer­den die Nach­barn wie­der zu Juden und damit zu Aus­län­dern im eige­nen Land.« Der Sozio­lo­ge Beck ver­gaß zwei­er­lei zu erwäh­nen: ers­tens, daß sich nicht nur in Deutsch­land die off­zi­el­len Reprä­sen­tan­ten der jüdi­schen Gemein­den mit Isra­el iden­ti­f­zier­ten und sei­nem mili­tä­ri­schen Vor­ge­hen die unein­ge­schränk­te Soli­da­ri­tät bekun­de­ten, sowie zwei­tens, daß es in der über­wie­gen­den Mehr­zahl zuge­wan­der­te Mus­li­me waren, die ihrem anti­jü­di­schen und anti­is­rae­li­schen Haß frei­en Lauf ließen.

Die impor­tier­ten Krie­ge und Bür­ger­krie­ge, ob natio­nal oder reli­gi­ös moti­viert, las­sen die Inte­gra­ti­ons­hoff­nun­gen und Berei­che­rungs­träu­me der Kos­mo­po­li­ten und Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten als Far­ce erschei­nen. Für die weit­ge­hend unge­re­gel­te Zuwan­de­rung dürf­te die Gren­ze des Sozi­al­ver­träg­li­chen somit bald erreicht sein; auf ande­ren Gebie­ten hat die Libe­ra­li­tät zu einer Bin­dungs­lo­sig­keit geführt, an deren Ende die Auflö­sung der Gesell­schaft ste­hen wird. Auf die­sen Irr­weg wies Prä­si­dent Putin in einer Rede am 30. Sep­tem­ber 2013 hin: »Vie­le euro-atlan­ti­sche Län­der … ver­leug­nen ihre mora­li­schen Prin­zi­pi­en und alle tra­di­tio­nel­len Iden­ti­tä­ten: natio­na­le, kul­tu­rel­le, reli­giö­se und sogar sexu­el­le. Sie machen eine Poli­tik, die gro­ße Fami­li­en gleich­stellt mit homo­se­xu­el­len Part­ner­schaf­ten, den Glau­ben an Gott mit dem Glau­ben an den Teu­fel.« Der ein­gangs zitier­te Bernd Ulrich schleu­der­te Putin und sei­nes­glei­chen ent­ge­gen: »So schwul, so liber­tär, so säku­lar – und dabei nach wie vor öko­no­misch so erfolg­reich, das kön­nen sie nicht fas­sen. Die Vor­stel­lung, daß die west­li­chen Gesell­schaf­ten nicht trotz ihrer Tole­ranz, ihrer Plu­ra­li­tät, ja ihrem gan­zen ver­weich­lich­ten Geha­be so erfolg­reich sind, son­dern eben des­halb, die ist ihnen kom­plett wesens­fremd.« Ange­sichts des in den USA, beson­ders aber in EU-Euro­pa seit Jah­ren zu beob­ach­ten­den wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Nie­der­gangs zeugt Ulrichs Phil­ip­pi­ka von einem erstaun­li­chen Realitätsverlust.

Die Atti­tü­de, unlieb­sa­me Erschei­nun­gen zu ver­leug­nen oder sie als ledig­lich sozia­le Pro­ble­me zu bemän­teln, die man mit beherz­tem Griff in staat­li­che Kas­sen lösen kann, ist die Kon­se­quenz eines illu­sio­nä­ren Welt- und Men­schen­bil­des. In Abwand­lung des berühm­ten Gast­ar­bei­ter-Zitats von Max Frisch lie­ße sich sagen, die Eine-Welt­Ideo­lo­gen rufen nach Men­schen, aber es kom­men Ira­ner, Syrer, Tür­ken, Roma, Schii­ten, Sun­ni­ten, Sal­afs­ten, Kopf­tuch­trä­ge­rin­nen, Ver­fech­ter von Blut­ra­che, Ehren­mor­den etc. Der »Mensch«, abs­tra­hiert von sei­ner gene­ti­schen, eth­ni­schen, geschicht­li­chen und sozio­kul­tu­rel­len Her­kunft, ist blo­ße Fik­ti­on, eine abs­trak­te Gat­tungs­be­zeich­nung und Hül­le ohne Inhalt – gemäß der Sen­tenz des fran­zö­si­schen Staats­recht­lers Joseph de Maist­re, der schon vor 200 Jah­ren erklär­te, noch nie habe er einen »Men­schen« getrof­fen, son­dern immer nur Ita­lie­ner, Fran­zo­sen, Rus­sen oder Eng­län­der. Ein­mal mehr lehrt die Rück­kehr der Geschich­te, daß nicht das ihr 1989/90 pro­phe­zei­te Ende auf der Tages­ord­nung steht, son­dern ein Kampf der Kul­tu­ren, der durch eine ver­fehl­te Poli­tik jetzt auch inmit­ten der euro-atlan­ti­schen Gesell­schaf­ten droht.

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