Von den Grünen lernen?

Erinnerungen an einschlägige Rollenspiele der Grünen drängen sich geradezu auf.

Lutz Meyer

Lutz Meyer kommt aus der linksanarchistischen Szene, seine Themen findet er auf der Straße.

Dar­auf sind auch eini­ge Leser in ihren Kom­men­ta­ren ein­ge­gan­gen (vor allem “Ger­rit” und “Der Feinsinnige”).

Es ist rich­tig: Man kann als Par­tei einen lang­fris­ti­gen Mit­tel­wert von 10 % im Bun­des­durch­schnitt haben, von vie­len belä­chelt, ver­spot­tet und geschmäht wer­den und trotz­dem über Jahr­zehn­te die The­men set­zen und damit den öffent­li­chen Dis­kurs bestim­men und in der Fol­ge dann umfas­sen­de gesell­schaft­li­che Ver­wer­fun­gen auslösen.

Das ist den Grü­nen auf brei­ter Front gelun­gen. Die­ser Durch­marsch in den Main­stream, die­se Erobe­rung des Com­mon sen­se wäre jedoch nie­mals mög­lich gewe­sen, wären die Grü­nen immer nur eine Par­tei gewe­sen, die sich alle paar Jah­re um die Wäh­ler­gunst bemüht.

Ent­schei­dend war etwas ande­res: Grü­nes Gedan­ken­gut hat seit den 70er Jah­ren nach und nach im täg­li­chen Leben Wur­zeln geschla­gen, war für jeder­mann auch außer­halb des eigent­li­chen poli­ti­schen Rah­mens prä­sent und sichtbar.

Und die­se Prä­senz ver­stand sich in beson­de­rer Wei­se dar­auf, bei aller Schrul­lig­keit sym­pa­thisch und irgend­wie lieb zu wir­ken – man bekann­te sich zu Gewalt­frei­heit und Soli­da­ri­tät, war gut zu Men­schen, Tie­ren und Pflan­zen (auch wenn die Pra­xis oft anders aus­sah – man den­ke an die pädo­phi­len Exzes­se, doch die spiel­ten in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung, anders als in ver­gleich­ba­ren Fäl­len inner­halb der Kir­chen, nie eine Rolle).

Die Band­brei­te grü­ner Prä­senz reich­te schon früh von Umwelt­schutz­the­men und öko­lo­gi­scher All­tags­pra­xis in Haus, Gar­ten und Küche über Kultur‑, Medi­en- und Ver­lags­pro­jek­te bis hin zu Kin­der­ta­ges­stät­ten, Cafés, Knei­pen, Gas­tro­no­mie, Bio- und Fahr­rad­lä­den, alter­na­ti­ven Rei­se­ver­an­stal­tern, Bau­fir­men, Part­ner­schafts­bör­sen und Finanzdienstleistern.

Vor allem die Berei­che, in denen auch für bür­ger­li­che Krei­se sozu­sa­gen nied­rig­schwel­li­ge Kon­takt­an­ge­bo­te geschaf­fen wur­den, hat­ten eine Eis­bre­cher­funk­ti­on und waren des­halb von kaum zu über­schät­zen­der Bedeutung:

Man kauf­te auf dem Wochen­markt sei­ne Möh­ren bei den etwas schra­ti­gen, aber stets gut­ge­laun­ten lang­haa­ri­gen Gemü­se­bau­ern aus der Land­kom­mu­ne, pro­bier­te aus dem net­ten Bio­la­den um die Ecke aus Neu­gier­de mal das als beson­ders gesund gel­ten­de Voll­korn­brot aus Deme­ter-Getrei­de, kos­te­te auf einer Par­ty auch mal vom fran­zö­si­schen Bio­wein (sau­er), reiz­te sei­ne Magen­schleim­haut mit Nica­ra­gua-Kaf­fee (für die Revo­lu­ti­on) und erfuhr neben­bei, daß der net­te Kin­der­arzt und die fach­lich ver­sier­te Klas­sen­leh­re­rin des eige­nen Nach­wuch­ses mit den Grü­nen sympathisierten.

Auch wenn man die­se Par­tei noch immer als eigent­lich nicht wähl­bar betrach­te­te – der grü­ne Lebens­stil, die­se beson­de­re Locker­heit und Läs­sig­keit, die­se offen zur Schau getra­ge­ne mil­de Ver­ach­tung der bür­ger­li­chen Tret­müh­le, die Beto­nung des See­li­schen und auch der ten­den­zi­ell frei­zü­gi­ge Umgang in Sachen Lie­be und Sexua­li­tät mach­ten neu­gie­rig und wirk­ten auf vie­le anziehend.

Wer grün dach­te, enga­gier­te sich oft auch sozi­al, war für Schwa­che und Hilfs­be­dürf­ti­ge da, beriet die männ­li­che Jugend in Ange­le­gen­hei­ten der Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung. Das Gemein­schafts­ge­fühl war stark und wur­de immer stär­ker – nicht zuletzt, weil es gegen über­mäch­ti­ge Geg­ner ging wie Atom­ener­gie, Poli­zei­staat, Waf­fen­schmie­den und die Natur zer­stö­ren­de Groß­kon­zer­ne. Fun­dier­te Auf­klä­rungs­li­te­ra­tur aus eige­ner Pro­duk­ti­on beglei­te­te das Engagement.

Auch auf die Rol­le der Musik soll­te man ein­ge­hen – neben ein­schlä­gi­gen poli­ti­schen Sachen wie Ton Stei­ne Scher­ben hat­ten Folk, Rock und psy­che­de­li­sche Sachen Kon­junk­tur –, es kam das ins Spiel, was posi­ti­ve Emo­tio­nen aus­lös­te, was sym­pa­thi­sche Teil­nah­me bewirk­te. Es war Musik nicht nur zum Hören, son­dern auch zum Tanzen.

Ich selbst (Jahr­gang 1962, im klein­städ­ti­schen Umfeld einer schles­wig-hol­stei­ni­schen Hafen­stadt auf­ge­wach­sen) wur­de seit den spä­ten 70ern auf genau die­se Wei­se zum Sym­pa­thi­san­ten und Wäh­ler der Grü­nen. Damit ist ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt ange­spro­chen: das Jugend­li­che. Grü­nes Auf­tre­ten war meist jugend­lich-unbe­schwert – weit ent­fernt von der säu­er­li­chen Übel­lau­nig­keit ver­schwitz­ter Kra­wat­ten­trä­ger und jeder muf­fi­gen Kleinbürgerlichkeit.

So wirk­te es jeden­falls. Natür­lich gab es bei den Grü­nen auch älte­re Semes­ter, doch selbst die wirk­ten auf eine eigen­tüm­li­che Wei­se verjüngt.

Wir sehen, daß die Grü­nen jen­seits des Par­tei­po­li­ti­schen eine enor­me All­tags­prä­senz hat­ten und unend­lich vie­le Kon­takt­flä­chen mit eini­gen Sym­pa­thie­wer­ten bie­ten und nut­zen konn­ten. So gelang es mühe­los, nach und nach auch Wäh­ler aus dem bür­ger­li­chen Lager für die so sym­pa­thisch wir­ken­de grü­ne Sache zu begeistern.

So wur­de „Grün“ auch zum Medi­en­the­ma und als Lebens­ge­fühl bald von der Wer­bung ent­deckt. Die Lin­ken hat­ten die­ses grü­ne Lebens­ge­fühl als idea­les Lock­mit­tel für ein bür­ger­li­ches Publi­kum ent­deckt, das sich eigent­lich nach etwas ganz ande­rem sehn­te als nach lin­ker Poli­tik. Doch die Sache wur­de zum Selbst­läu­fer und im Lau­fe der Zeit dann bekann­ter­ma­ßen zum Irrläufer.

Grü­nes Den­ken wird heu­te längst als teils sau­er­töp­fi­sche, teils hys­te­ri­sche Bevor­mun­dung in All­tags­fra­gen, als anma­ßen­de Klug­schei­ße­rei und als zer­set­zend in Fra­gen der Iden­ti­tät und all­ge­mein als neue Art der Spie­ßig­keit wahr­ge­nom­men. Doch noch immer ist sie ton­an­ge­bend. Damit nun zum erhoff­ten Roll­back.

Was kann man von der AfD, ihren Sym­pa­thi­san­ten und deren spe­zi­fi­schem Lebens­ge­fühl erwar­ten? Ihre Anhän­ger wer­den nur im Aus­nah­me­fall Kitas betrei­ben oder Bio­kräu­ter feil­bie­ten, wer­den auch sonst in ihren öffent­li­chen Lebens­äu­ße­run­gen eher ver­hal­ten und beschei­den sein. Denn sie stam­men oft aus jenen geschmäh­ten bür­ger­li­chen, teils auch klein­bür­ger­li­chen Milieus, gegen die sich sei­ner­zeit der grü­ne Lebens­stil offen­siv richtete.

Das „Das macht man nicht!“ wirkt hier noch sehr stark – man hat kei­ne Lust zur Revol­te gegen die Nor­ma­li­tät, sieht auch kei­ne Not­wen­dig­keit. Hier neig­te und neigt man nicht dazu, sich öffent­lich­keits­wirk­sam zu pro­du­zie­ren, ist eher zurück­hal­tend und viel­leicht sogar zugeknöpft.

Das lei­der aus gutem Grund – rief es sei­ner­zeit höchs­tens gut­mü­ti­gen Spott her­vor, wenn man sich als Anhän­ger der Grü­nen oute­te (außer viel­leicht im länd­li­chen Bay­ern, wo es auch schon mal der­be­re Ant­wor­ten set­zen konn­te), dro­hen einem heu­te, wenn man sich (vor allem im Wes­ten) als AfD-Sym­pa­thi­sant zu erken­nen gibt, unter Umstän­den ganz ande­re Reaktionen.

Und den­noch wird kein Weg dar­an vor­bei­füh­ren, im öffent­li­chen Raum gera­de die­se nied­rig­schwel­li­gen Kon­takt­an­ge­bo­te zu schaf­fen, um Sym­pa­thie­wer­bung im vor­po­li­ti­schen Raum zu betrei­ben. Und das gegen einen star­ken Wider­stand. Trotz­dem darf man nie­mals die Con­ten­an­ce ver­lie­ren, muß freund­lich und im wei­tes­ten Sin­ne annehm­bar bleiben.

Ohne eine star­ke und sym­pa­thisch wir­ken­de Prä­senz in der brei­ten Flä­che wür­de die AfD das Erfolgs­re­zept der Grü­nen nie­mals nach­ko­chen kön­nen. Es käme nur etwas Unge­nieß­ba­res und unsag­bar Fades dabei heraus.

Lutz Meyer

Lutz Meyer kommt aus der linksanarchistischen Szene, seine Themen findet er auf der Straße.

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Kommentare (47)

Abdiel

15. Mai 2017 12:00

Bester Meyer-Artikel bis jetzt von der Analyse her! Die AfD alleine kann kein Umfeld schaffen, wie es den Grünen gelungen ist, weil der ideologische Markenkern der Partei nicht so klar erkennbar ist. Das kann nur durch ein breites rechtes Umfeld geschehen, dem es gelingen muß, ebenso klare kulturelle und metapolitische Signale auszusenden wie einst die Grünen. Nicht ganz einfach. Kleidungsstile und Habitus der Rechten sind breiter aufgestellt, aber dadurch auch schwerer zuzuordnen. Wir brauchen Kulturinitiativen, Lesekreise, wir sollen versuchen, gleichgesinnte Handwerker zu beauftragen und Läden zu besuchen. Wird trotzdem schwierig. Wo wird unser Kern sichtbar? Vorschläge...?

Gotlandfahrer

15. Mai 2017 12:01

Ich schlage eher vor: Von den Dynamo Fans lernen (nein, sie randalieren nicht):

https://www.bild.de/sport/fussball/dynamo-dresden/dresden-fans-randalieren-in-karlsruhe-51740620.bild.html

Ich hatte als Wessi mit Abneigung gegen sozialistische Kunstclubs Dynamo ehrlich gesagt bisher nicht auf dem Zettel, trotz meiner großen Sympathie für unser wunderschönes Dresden (war wenn eher immer pro Dresdner SC wg Helmut Schön). Das hat sich hiermit geändert.

Denn: Dahinter steht mehr als eine Hooligan-Aktion gegen den DfB, hier zeigen junge deutsche Männer, dass sie sich nicht einschüchtern lassen sondern GEMEINSAM und ABGESTIMMT handeln können und POTENTIELL KAMPFBEREIT sind. So wenig Verständnis ich für Gewqlt bei Fußballspielen habe, sehe ich hier einen geistigen, widerspänstigen Funken, der die noch am ehesten mannstarke und organisationsfähige Widerstandszene der Ultras in Deutschland einen kann. Es geht hier um die Symbolik.

Danke Euch Dynamos!

Gotlandfahrer

15. Mai 2017 12:28

"Trotzdem darf man niemals die Contenance verlieren, muß freundlich und im weitesten Sinne annehmbar bleiben.

Ohne eine starke und sympathisch wirkende Präsenz in der breiten Fläche würde die AfD das Erfolgsrezept der Grünen niemals nachkochen können."

Da bin ich mir nicht sicher, denn Voraussetzung für diese Schlußfolgerung wäre, dass das 'nachkochen' überhaupt ein aussichtsreicher Weg wäre. Daran glaube ich jedoch nicht, weil die grüne wie die linke Bewegung ein Verlockungsangebot waren und sind, dh. sie versprechen Erlösung und Erleichterung im Jetzt unter Verneinung der zukünftigen Schäden und Kosten dieser Haltung: 'Alle Müh und Plag hätten sich zukunftsvernichtende Kapitalisten / Nazis ausgedacht, tanze und habe Sex jetzt und hier wie es Dir gefällt. Da Du sicher ein schlechtes Gewissen dafür haben wirst erkaufe Dir Ablass bei uns.' Zunächst reichte es den Grünen, wenn ihre Jünger ökologische Demut zeigten. Nachdem mittlerweile jedem klar ist, dass ökologisch und nachhaltig zu konsumieren ja gar keinen Schmerz = Ablass bedeutet, weitet sich das grüne in den nach dem Schwund der Arbeiterklasse auch nächsten linken Erlösungskreis aus: Der global (auch ökologisch natürlich) ausgebeuteten Masse der weltweit Benachteiligten. Wie auch immer man die grün-linke Erzählung verdichtet, am Ende ist es ein Gier-Angst-Schema das über einen Schuld-Sühne-Mechanismus Menschen zum Handeln gegen ihre langfristigen Interessen verführt. Das von der AfD vertretene Interesse verhält sich dazu invers: 'Nehme jetzt Mühsal auf Dich (zum Beispiel in Form von Ablehnung, aber auch der Mühe, eine Rückführung von Invasoren durchführen zu müssen), um die Zukunft anderer (der dann lebenden Deutschen) zu bewahren.' Das ist kein verlockender Aufruf sich es endlich leichter machen zu dürfen. Es ist vielmehr der Aufruf zu Blut, Schweiß und Tränen. Da helfen national-befreite Kitas mit entspannt lockeren Ordnungsliebhabern wenig. Nein, ich glaube eher, dass das VERLIEREN der Contenance der richtige Weg ist.

Caroline Sommerfeld

15. Mai 2017 12:31

Imagine ... Jedoch: die Akzeptanzdifferenz lag bei den Grünen zwischen spießig und alternativ. Bei der AfD liegt sie zwischen gut und böse. Merken Sie den Unterschied? Es ist sogar noch schlimmer: man kann retrospektiv dieselbe Differenz auf die Grünen drauflegen und findet sie zweifellos am "gut"-Pol. Auch wenn die AfD "alternativ" besetzt (die Grünen hießen ja auch "Grün-alternative Liste"), bleibt sie noch immer "böse". Mit dem Bösen zu sympathisieren, schaffen nur seltene Gemüter, die meisten wollen doch kuscheln.

Eines bleibt jedoch von den Grünen zu lernen: die Systemkritik "salonfähig" zu machen. Schaut man sich an, daß nach Macron in Frankreich jetzt auch Kurz in Österreich die nächste aus dem Kerbtierschablonenbogen ausgestanzte "Globalistenlaus" (Lichtmesz) hochgejubelt wird als neoliberaler Systemerneuerer, liegt die "Alternative" eigentlich auf der Hand: Antiglobalismus. Den müssen uns schnappen!

RMH

15. Mai 2017 13:05

L. Meyer trifft es. Heute Morgen habe ich im Radio ein Telefoninterview mit R. Stegner (SPD) nach der NRW-Wahl gehört und der sagte in Sachen AfD "die haben nur Sündenböcke, aber keine Lösungen", womit er mal wieder geflissentlich deren umfangreiches Wahlprogramm unterschlagen hat, welches die AfD mittlerweile wie jede andere Partei auch hat. Nun bin ich wahrlich kein Fan dieses Mannes (wer ist das eigentlich?), aber ein Stück weit trifft er damit schon eine gewisse, vorhandene Tendenz bei manchen rechten Vorstellungen. Denn, wie wäre es denn, wenn auf einmal 5- 10 Mio Ausländer weniger in Deutschland wären? Wäre dann mit einem Schlag tatsächlich alles besser? Gar nicht weniges sicher, wenn es die Richtigen sind, da lass ich mich nicht aufs Eis führen, aber man muss schon konkreter werden und darf sich keinen manichäisch anmutenden Vorstellungen in diesem Punkt hingeben. Die AfD hat sich ja - wie geschrieben - mittlerweile ein Programm gegeben mit Lösungsvorschlägen. Das sollte statt interner Querelen auf jeden Fall mehr in den Vordergrund gestellt werden. Im Übrigen hat L. Meyer es richtig benannt: Unsere Leute müssen im Alltag erkannt und als normal und sympathisch identifiziert werden können. Und genau hier haben WIR es eben entschieden schwerer als die Grünen anno dazumal, denn die Alltags-Repression ist schon sehr extrem, nur als kleines Beispiel dazu, dieser Bezahlartikel bei SPON (mit dem entsprechenden Browser und dem entsprechenden Add On geht’s auch so):

https://www.spiegel.de/spiegel/pastorenpaar-in-brandenburg-darf-sich-christ-nennen-wer-der-afd-anhaengt-a-1147487.html

Also zu meiner Kindheits- und Jugendzeit, in den 70er und 80er Jahren, waren gerade die evangelischen Kirchen der Boden, der bereitwillig die grüne Saat aufgenommen hat und sie war ein enormer Resonanzraum für die Grünen (später galt das sogar auch für Teile der katholischen Kirche). Diese ganze Teeküchen-, Räucherstäbchen-, Friedenbewegungs- Anti-Atom-Sache habe ich persönlich ab 1980 ff. erst so richtig in meiner evangelischen Heimatgemeinde wahrgenommen oder durch offen grüne Pfarrer, die am Gymnasium Religionsunterricht hielten - und meine konservativen Eltern glaubten mich "in guten Händen", wenn ich zur Kirche gegangen bin (seltsamerweise bin ich aber doch nie Grüner geworden oder habe diese Partei gewählt ... auch Linker wurde ich dadurch nicht. Alle werden von so eine Mühle dann offenbar doch nicht geschrotet). Und das ist nur ein Beispiel – die offenen Arme bei vielen Alt-68ern an Schulen und Universitäten etc. seien auch genannt und es wird noch viele Beispiele mehr geben. Aber Jammern hilft nicht – konkretes Einstehen bei konkreten Anlässen vermutlich deutlich mehr.

Starhemberg

15. Mai 2017 13:37

Ich kann diesen Überlegungen nur teilweise folgen. Die Großwetterlage ist eine ganz andere, als zu jener Zeit der grünen Idiotien. Ich glaube, dass der Aufstieg der Grünen Bewegung den Höhepunkt der Wohlstandverwahrlosung markierte, in einer Zeit, in der es wesentlich mehr eingebildete als tatsächliche Probleme gab (Saurer Regen! Waldsterben! Morgen sind wir alle tot!). Nun aber leben wir in einer Zeit sehr großer TATSÄCHLICHER Probleme, und die dummdreiste grüne Kernideologie scheitert schlicht und ergreifend an ihrem Todfeind, der REALITÄT.

Ich denke, wir haben es mit einem langfristigem Wechsel von links nach rechts zu tun, der aber den allermeisten Wählern gar nicht so bewusst ist, da für die allermeisten Wähler Ideologien eine untergeordnete Rolle spielen. "It's the economy, stupid!", gilt nach wie vor, neu hinzugekommen sind die brennenden Themen Bildung, innere und äußere Sicherheit, Europa und nationale Identität.

Ich denke, es geht nun darum, schlicht und ergreifend die Hausaufgaben zu machen, und dies bedeutet, unaufgeregt und sachlich den Menschen da draußen ständig und überall eine programmatische ALTERNATIVE anzubieten.

Dabei ist darauf zu achten, sich bei überhaupt keiner anderen Partei politisch anzubiedern, wozu auch, nach der Wahl im September hat man einige Jahre Zeit, um den ganzen Laden genüsslich auseinanderzunehmen. Das grüne Lebensgefühl ist mittlerweile fett in der CDU angekommen, und dies bietet die hervorragende Chance, dort alle echten Konservativen zur AfD zu ziehen. Dies bedeutet aber auch, WIRTSCHAFTSKOMPETENZ zu vermitteln, ich warne davor, einen primitiven Anti-EU, Anti-Konzerne, Anti-Globalisierungskurs auf die Beine zu stellen. Lasst solche sinnlosen Kindereien doch den Linken, wer sieht, wie China mitterlweile global agiert, sieht auch, wie die Zukunft Deutschlands aussehen könnte.

Ein souveränes, selbstbewusstes und sich auf seine Stärken besinnendes Deutschland kann ganz vorne mitspielen, wenn man sich nicht irgendwelchen Träumen linker oder rechter Revolutionen hingibt. Die AfD MUSS für eine Leistungsgesellschaft eintreten, keinesfalls für eine Verteilungsgesellschaft.

Ein rechtes Milieu, wie es zum Beispiel hier gepflegt wird, zu meiner persönlichen Erbauung im Übrigen, ist nett und streichelt die Seele. Für die Masse der Wähler allerdings ist dies nicht notwendig. So tief geht das Interesse der Masse nicht. Eine an der Realität ausgerichtete, furztrockene Sachpolitik, dabei dem politischen Gegner immer wieder knallhart seine Lügen ins Gesicht reibend, so stelle ich mir die Zukunft der AfD vor. Beatrix von Storch entspricht bereits sehr stark diesem Bild, ich halte die Frau für eine große Zukunftshoffnung. Auch sonst ist das Personal nicht so schlecht aufgestellt, als nächster Beurteilungsmaßstab wird die Wahlkampagne herhalten müssen. FDP-Lindner hat es vorgemacht. Die Kampgne muss modern, lässig und selbstbewusst gestaltet sein, nach dem Motto "Wo wir sind, ist die Zukunft".

Das Wichtigste an einer "rechten" Partei ist, den Gegner zu überraschen und sich nicht in Klischees drücken zu lassen. Ein hervorragender Schachzug wäre es z.B., die Legalisierung leichter Drogen zu fordern, was aus liberaler und wirtschaftlicher Sicht, aber auch aus Sicht der Kriminalitätsbekämpfung nur Vorteile bieten würde. Deren Beispiele gäbe es einige. Ich denke, z.B. ein Marc Jongen kann hier viel Stoff liefern, der Mann ist blitzgescheit.

Wie man es jedenfalls in Deutschland nicht machen darf, zeigt meines Erachtens Marine Le Pen. Das ist sozialistische Politik,  weil die Franzosen in der Mehrheit linkes, faules Pack sind. Man halte genug Abstand zu diesen Leuten, nationaler Sozialismus hat bisher nicht so toll funktioniert, ähem.

Das Relikt

15. Mai 2017 13:42

Die Frage ist, wer ist unsere realistische Zielgruppe?

Die linksliberalen Babyboomer und ihre narzisstische Brut, die alle jemanden suchen, der ihnen auf die Schulter klopft und versichert, dass ihre Pathologien  in Ordnung und die Zukunft friedlich ist? Ich halte das für sinnfrei. Da muss man kein freundliches Gesicht zeigen und kann es auch deren Perspektive auch gar nicht. Rechts ist niemals annehmbar für den inhärent Falschen.

Eine realistische Zielgruppe sind die Angeekelten, die Genervten und die Beleidigten. Und die produziert diese Gesellschaft genug, insbesondere unter jungen Männern. Bieten wir diesen Leuten einen Hafen, in dem wir das Gegenteil  von dem Verkörpern was unsere Geselschaft ausmacht. D.h. Gesundheit, statt Piercings durch den Transkörper, Ehre, statt Kartoffel-Demut und Christdemokraten-Cucking, Stärke, statt Skinny-Jeans.

Das in die Fläche bringen, braucht Formen, die bei uns erst im Entstehen sind. Ich bin zuversichtlich und hoffe auch auf ein Aufgehen der Donovan-Ideen. Die Grünen sind Geschichte und ihre Formen auch. Ihr Milieu wird jetzt nur noch jeden Tag ein bisschen mehr Zugeständnisse an die Invasoren machen um in seinem Getto noch ein bisschen das Alter genießen zu können.

Also bitte jetzt keine Vollkorn-Bäckereien aufmachen... ;-)

Ist auch gar nicht so gesund...

Rosenkranz

15. Mai 2017 14:51

Wahlergebnisse werden oft von Stimmungen beeinflußt. In Hamburg hatte es im Oktober 2001 die Schill-Partei aus dem Stand auf fast 20% der Stimmen geschafft und ging dann mit der CDU und FDP eine Koalition ein. Was war passiert? Es konnte im Vorfeld mit Hilfe der Medien eine Stimmung erzeugt werden, die SPD-GRÜNE Koalition in der Bürgerschaft schludere bei dem Thema der Inneren Sicherheit. Auch vom SPD-Filz war oft in der Presse die Rede. Weiter war der Spitzenkandidat Schill als strenger Richter bekannt und so etwas wie die Lichtgestalt der Partei.

Heute hat man es in der Hansestadt geschafft, so eine Stimmung gegen die AfD aufzubauen, daß sie bei der breiten Bevölkerung beliebt wie Fußpilz ist und deren Anhänger quasi als vogelfrei erklärt wurden. Man darf das herkömmliche mediale und politische Bollwerk einfach nicht unterschätzen. Der Focus sollte deshalb nicht so sehr auf dem besseren Argument, sondern auf das Entwickeln von für die AfD positiven Emotionen, Stimmungen und Tendenzen bestehen.

Ich würde mir wünschen, daß diese Emotionen wieder etwas mit Kraft, Stärke und Schönheit zu tun haben. Danke an Gotlandfahrer für den Dynamo-Link. Deshalb liebe AfD-ler, steht nicht mit 5 Leuten eingeschüchtert von Polizei und Antifa am Infostand herum, sondern schlagt mit 50 Leuten frech und fröhlich auf. Dann wäre auch der "Polizeischutz" überflüssig und man hätte mehr Freiheiten.

Hartwig aus LG8

15. Mai 2017 15:22

Es war die Exotik des grünen Zausels im Fahrradladen oder hinter seiner Bio-Gemüsetheke, die ihn "interessant" machte.  Wenn der selbe Typ im Anzug steckte, dann sah der augenschmerzend falsch aus.  Deshalb hatte der Typ gar keinen Anzug oder nur einen billigen und fühlte sich darin deplaziert und unwohl. Übertragen (und überspitzt): Ein Rechter, der sich in kurzen Hosen und Sandalen wohl fühlt, ist keiner!  Man sollte diese "Kleinigkeiten" durchaus ernster nehmen. 

@Meyer liegt nicht falsch. Nur werden die Resonanzräume andere sein müssen, als bei den Grünen. Sie werden da angeboten werden müssen, wo die Leute Sicherheit, Ordnung und Verlässlichkeit suchen werden.

@ Sommerfeld: Antiglobalismus ist nicht nur eine gute Stelle zum Andocken, sondern tatsächlich das wirkliche Schlachtfeld, was es mit Intelligenz zu beackern gilt.

"Falls ich AfD wählen sollte, dann nur als das kleinere Übel" - guter Spruch eines Bekannten, der Nachfragen garantiert.

Dietrich Stahl

15. Mai 2017 15:23

Ihre ausgezeichnete Analyse, lieber Herr Meyer, erinnert mich an meine Lebensgeschichte. Ich war in jungen Jahren von der Rock-Grippe infiziert, mit all den Begleiterscheinungen wie langen Haaren und langem Bart. Das war aber auch Protest gegen ein verlogenes System [DDR] und gegen die „Spießer“. Das Eigene und die Sprache – es ist sehr wichtig die beiden immer wieder in den Fokus zu nehmen. Die deutsche Sprache ist dabei für uns Deutsche existenziell. Nicht umsonst werden massive Angriffe des Gegners seit Jahrhunderten auch insbesondre auf sprachlicher Basis und gegen die deutsche Sprache geführt. Die letzten Attacken sind die Rechtschreibreform und das, was danach an den Schulen bis heute abläuft. Der „Marsch durch die Institutionen“ wurde als genau dieser geplant, propagiert und mit durchschlagendem Erfolg realisiert. Er ist ein exzellentes Beispiel für die Kraft einer Idee zur rechten Zeit. Die Neue Rechte braucht frische, kraftvolle Ideen. Die politische Korrektheit ist keine neue Erfindung. Der Name ist das Neue. Die Benennung ist Programm. Genau wie beim Marsch durch die Institutionen. Das Phänomen, mit mantrischen Wortschöpfungen Bewusstseinsveränderungen erreichen zu wollen und zu etablieren, ist viel älter. Nehmen wir den Spießer und den Kleinbürger. Diese Begriffe wurden im 19. Jahrhundert kreiert und platziert. In diffamierender, herabsetzender und spalterischer Absicht. Wer sind denn die als Spießer und Kleinbürger diffamierten? Handwerker, Gewerbetreibende, Mittelständler, …, oftmals auch Konservative und Rechte. Ich habe beide Worte selbst früher benutzt [in diffamierender Absicht], deswegen ist folgendes keine Kritik, sondern als Hinweis gedacht. Sie schreiben von:

„der säuerlichen Übellaunigkeit verschwitzter Krawattenträger und jeder muffigen Kleinbürgerlichkeit.“

Damit benutzen Sie Feindessprache. „Der Muff von tausend Jahren“ kommt sofort in den Sinn. Auch so ein geschickt platziertes Zerstörungs-Mantra. Tausend Jahre deutscher Geschichte werden in den Dreck gezogen. Gerade habe ich den Slogan gegoogelt und war überrascht bei Wikipedia folgendes zu finden:

„Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ war der Text eines Transparents, das am 9. November 1967 in der Universität Hamburg von den damaligen Studenten und früheren AStA-Vorsitzenden Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer bei der Rektoratsübergabe in der Öffentlichkeit enthüllt wurde. Das dabei entstandene Pressefoto wurde vielfach abgedruckt, und der Text des Transparents bis in die Gegenwart als eine der wesentlichen Kernparolen der Deutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre oft zitiert.“

9. November – das ist das Schlüsseldatum in obigem Absatz. Ich behaupte: Es ist kein Zufall, daß diese Aktion an diesem Tag stattfand. Selbst wenn jetzt einige Verschwörungstheorie denken mögen. Wer die folgende Liste für eine Aneinanderreihung von Zufällen hält, ist kein besonders guter Mathematiker:

9.11.1848 – 9.11.1918 – 9.11.1923 – 9.11.1938 – 9.11.1967 – 9.11.1969 – 9.11.1977 – 9.11.1989 – 9/11 – 11.9.2001 – 9.11.2007

Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig.

Maiordomus

15. Mai 2017 15:23

Zu den fundamentalen Unterschieden zwischen den Grünen und der AfD gehört nun mal, bei aller negativen Konnotation von "Gutmensch", dass die Grünen vom Klischee her als Gutmenschen eingeschätzt werden, hingegen die AfD-Wähler zum Beispiel im Spiegelblog problemlos als "brauner Dreck" bezeichnet werden, was genau so mit gutem Gewissen durchgeschaltet wird wie die Denunziation  "Nazi-Schlampe" für Frau Weidel von den Zwangsgebührensendern, deren unausweichliche Privilegien noch schlimmer sind als der Kirchensteuerprivileg, wo immerhin der Austritt noch eine Option sein kann.

@ RMH. Ihren Einwand finde ich, wie auch die kritischen Bemerkungen von @Starhemberg und @Relikt überaus bedenkenswert.  Natürlich kann man nicht reflexartig bloss stets mit dem Thema "Ausländer" als kausalem Nexus für negative Entwicklungen Politik machen. Dass man hier vor lauter Übereifer gegenüber der Blindheit der anderen  einiges einseitig sieht, ist das Eine. Dass andererseits in Nordrhein-Westfalen nach Umfragen angeblich nur die AfD-Wähler mit der Zuwanderung Mühe haben, ist hoffentlich nur Folge  einer manipulativen Fragetechnik. Eine solche brachte zum Vorschein, dass in NRW 65%  der repräsentativ Befragten die Flüchtlinge, einen Begriff, der schon eine arge Manipulation darstellt, als "Bereicherung" empfinden sollen, ein Ausdruck, der objektiv, wenn man schon nur an die enormen sozialen Kosten denkt, im Ernst wohl doch einen bedeutenden Idiotisierungsgrad manifestieren würde, wie es _derjürgen unverfroren auf den Punkt bringt. Wenn die Deutschen sich diese "Bereicherung" wirklich zur Gewissensberuhigung einbilden und sie dieselbe wegen Auschwitz der Menschheit schuldig zu sein glauben, bleibt es logisch, dass das Land zum Hauptziel der afrikanischen und nahöstlich-asiatischen Flüchtlingsströme werden muss, eine Aufnahme in Südeuropa wäre im Vergleich zu Deutschland eine Diskriminierung. Die Zweidrittelsmehrheit für die Bereicherungssthese stellt wohl einen Weltrekord dar, der von den Profiteuren dieses Illusion, auch der Sozialindustrie, entsprechend ausgenützt werden wird. In Frankreich, Italien, Grossbritannien, Österreich und selbst in der Schweiz käme man nie auf diese Zustimmungsquote einschliesslich dem Ja zur paranoiden Ideologie der "Bereicherung".  Insofern wird man wohl noch eine Zuwanderung von mindesten 10 Millionen privilegierter zu "integrierender" Armutsflüchtlinge abwarten müssen, bis eine potentielle Mehrheit das Gefühl von "zu viel" realisiert. Dies wird freilich zu einem Zeitpunkt erfolgen,  da man die Katastrophe nicht mehr rückgängig machen kann. Was NRW betrifft, bleibt zu bedenken, dass die FDP fast 5% mehr gemacht hat als die AfD. Verkehrte Welt? Von diesen 12% sind wohl die meisten nicht der Meinung, dass der Sozialstaat die Masseneinwanderung erträgt, doch bleiben sie im globalistischen Sinn "weltoffen". Auf diese Widersprüche müsste unbedingt aufmerksam gemacht werden. Über 12% FDP im Vergleich zu nur 7,4% AfD müssten umso mehr zu Kopfschütteln Anlass geben, wenn man nur schon bedenkt, dass es in den fünziger, sechziger und noch in den siebziger Jahren eine markanten rechtsliberalen Flügel in dieser Partei gab, dass sogar die Gründergeneration der NPD um von Thadden und Mussgnug, ursprünglich aus dem nationalliberalen Lager gekommen ist. Da haben sich allerdings, sowohl in der NPF als auch in der FDP, die Verhältnisse mittlerweile radikal gewandelt. Aber eines bleibt wahr: Der Wohlfahrtsstaat und offene Grenzen für Einwanderung in denselben bleiben unvereinbar, eine Einsicht, der im Grunde heute nur die AfD nachlebt, obwohl es in der CSU hinter vorgehaltener fast jeder alte Parteikämpe ebenfalls sagt, und gewiss würde ein FDP-Politiker wie der freiwillig abgestürzte Möllemann es auch so sehen. Letzterer strebte mit einem annährend nationalliberalen Kurs im übrigen 18% Wähleranteil  für die FDP an, was meines Erachtens bis 2021 das obere Limit der AfD werden kann.  Damit kann Deutschland nicht politisch verändert werden, allenfalls das politische Klima als Voraussetzung zu weiteren Änderungen, siehe Grüne, die es in dieser Hinsicht zu ihrer Zeit jedoch mit weit weniger als 18% Wähleranteil geschafft haben. Insofern sind Wahlresultate nicht zu überschätzen.

Dietrich Stahl

15. Mai 2017 15:39

@ Gotlandfahrer

Zum Sonntagsheld habe ich gerade bzgl. der Dynamo-Ultras einen kurzen Kommentar geschrieben. Einfachheitshalber zitiere ich mal:

„Was da für Potenzial auf den Fußballplätzen schlummert. Bisher wird dort Energie in Ultra-Kämpfe, Fankultur und -choreographien vergeudet. Wenn diese Energie richtig kanalisiert wird …“

Ihrem Dank an die Dynamos schließe ich mich an.

„dass das 'nachkochen' überhaupt ein aussichtsreicher Weg wäre. Daran glaube ich jedoch nicht,“

Dito. Es gibt nur einen Weg: Das Eigene. Das enthält aber eine unendliche Vielzahl von Möglichkeiten, nie Gedachtes, neue Wege, Überraschungen …

@ Caroline Sommerfeld

Keine Form von „Anti-“ reicht. Auf die Gefahr hin, durch Wiederholung zu langweilen: Das Eigene, nur das Eigene, und das originell, kreativ, frisch – siehe IB.

Dietrich Stahl

15. Mai 2017 16:01

Ergänzung zu den positiven Entwicklungen bei den [leider bisher nur] ostdeutschen Fußballfans. Bei der Fußball EM 2016 gab es den Europa beeindruckenden Siegesjubel der isländischen Fußballer und ihrer Fans. Dieser archaische HU-Jubel wird inzwischen von ostdeutschen Fans praktiziert. Beispielsweise von Union Berlin und FC Magdeburg. In meinem Blog sieht man ein Foto, wie die Magdeburger Fans und die Zuschauer nach dem 2:0 Sieg der Mannschaft die Rune Algiz [vermutlich ohne daß die große Mehrheit die Bedeutung der Geste kennt] stellen und HU rufen.

Der Gehenkte

15. Mai 2017 16:14

@ Lutz Meyer

"Entscheidend war etwas anderes: Grünes Gedankengut hat seit den 70er Jahren nach und nach im täglichen Leben Wurzeln geschlagen, war für jedermann auch außerhalb des eigentlichen politischen Rahmens präsent und sichtbar."

Bereits beim ersten Artikel über die Grünen hatte ich das "falsche Bewußtsein" Meyers kritisiert - jener war nur spiegelverkehrt richtig, dieser verwechselt erneut Ursache und Wirkung. Der Denkfehler besteht in der "Geschichtsvergessenheit" (siehe dortigen Kommentar).

Nicht das grüne Gedankengut hat Wurzeln geschlagen, sondern die Grünen schmücken sich mit den falschen Wurzeln! Diese Wurzeln sind - wie alle Wurzeln - "braun", erdig, konservativ. Jünger, Klages, Heidegger ... Nur in den Himmel ragende Blüten können bunt sein.

1953 hatte Heidegger seine "Einführung in die Metaphysik“ aus dem Jahre 1935 neu aufgelegt. Darin der skandalisierte Satz – dessen Kritik Habermas, 24-jährig, erst berühmt gemacht hatte:

„Was heute vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Größe der Bewegung (nämlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das macht seine Fischzüge in diesen trüben Gewässern der ,Werte’ und der ,Ganzheiten’“.

Die Paranthese stand in der 35er Ausgabe noch nicht – Heidegger gab dem Satz nun eine neue oder seine eigentliche Bedeutung: „Verdüsterung der Welt, die Flucht der Götter, die Zerstörung der Erde, die Vermassung des Menschen“.

Die Verdunklung war also 1935 wie 1953 das eigentliche Thema, die Angst vor der Naturzerstörung – das ist ja nur ein Bsp. – ist wesenhaft deutsch und ist konservativ. Auf und aus diesem Grund wuchs die Grüne Partei. Ökologie ist „in das deutsche spekulative Denken“ eingeschrieben, wie Alain Badiou richtig bemerkte und Heidegger steht an einem Anfang.

Dieser Anfang wurde von Rudolf Bahro wieder aufgenommen! Bahro, Marxist und Gründungsmitglied der Grünen, wurde aus diesem Grund auch bald wieder geschasst. Er hatte in der „Logik der Rettung“, dem Grundlagenwerk des ökologischen Fundamentalismus, nicht nur den Schulterschluß zur CDU (Biedenkopf) und der „Konservativen Revolution“ vollzogen, sondern in der „Matrix der politischen Umkehr“ auch einen „Exkurs über Grün und Braun“ eingefügt, der strukturellen Parallelen aufzeigte und den NS als (auch) grüne Bewegung beschrieb: „Grün und Braun – zwei Pole einer Bewegung“. Das hat ihm innerhalb der Partei das Genick gebrochen; schon damals gab es dort die PC.

Später hatte er sich ausdrücklich auf Heidegger berufen und zwar in dem weniger bekannten „Rückkehr. Die In-Weltkrise als Ursprung der Weltzerstörung“.  Schon der Titel heideggert.

Kurz und gut: die Frage, was von den Grünen zu lernen sei – sie mag taktisch sinnvoll sein – muß historisch korrigiert werden: Wir müssen von uns selber lernen und ja, dabei auch durch das grüne Prisma schauen, aber das ist eine Nebenbeschäftigung. Die Grünen haben qualitativ wenig hervorgebracht, sie haben die Diskussion durch Fakten, durch Quantität bereichert und die sollte man unvoreingenommen nutzen.

Caroline Sommerfeld

15. Mai 2017 16:15

@Starhemberg: ich warne davor, einen primitiven Anti-EU, Anti-Konzerne, Anti-Globalisierungskurs auf die Beine zu stellen. Lasst solche sinnlosen Kindereien doch den Linken,

Sondern? Alternativlosigkeit des Neoliberalismus abfeiern? Warum wäre es "primitiv", die metaphysische Leere, die Entfremdung, die ekelhafte Gleichmacherei des Marktes, die Marionettenhaftigkeit der Protagnisten zur Zielscheibe grundsätzlicher Kritik zu machen? Weil "Leistung" nur im Turbokapitalismus läuft? Stimmt nicht. Weil Deutschland sonst ökonomisch "untergeht"? Stimmt nicht. In Gesprächen mit Nicht-Rechten kam mir immer wieder als Hauptgrund gegen rechte Parteien (sowohl FN als auch FPÖ und AfD) neben dem "unguten Gefühl" dabei, "sowas" zu wählen, die Angst vor finanzieller Schwächung der jeweiligen Nation zum Tragen. Ich lese gerade Charles Péguy "Das Geld", das Übel sitzt viel tiefer ....

Utz

15. Mai 2017 16:21

Danke an Herrn Meyer für diesen superguten Artikel: so viele richtige Erkenntnisse und wichtige Warnungen!

Trotz aller Bedenken und vermutlich einer schlechteren Ausgangslage als sie die Grünen damals hatten, spricht jetzt doch einiges für uns, und öffnen sich auch begehbare Wege.

1. Die Grünen sind alt, ihr Charme ist aufgebraucht. Wir haben eher junge Leute auf unserer Seite.

2. Anstelle der Nettigkeit der Grünen, ihren lebensbejahenden Idealen, gibt es jetzt bei uns die Ablehnung der Globalisierung wie auch Caroline Sommerfeld betont. Wir sind für eine überschaubare Welt, die verspricht weniger angstbesetzt zu sein. Die Ablehnung international agierender Konzerne findet breite Zustimmung. Es fehlt nur noch die Verbreitung der Erkenntnis, daß die es sind, die die weltweiten Wanderungsbewegungen brauchen und wollen.

3. Nett sind auch die neuen Rechten, da ja auch sie in der breiten Masse Gewalt ablehnen. Aktionen, wie sie die IB macht, zeigen auch die netten jungen Menschen, die bei genauerer Betrachtung einfach nicht so aussehen wollen wie bedrohliche Nazis, egal wie oft die Presse das herbeizuschreiben versucht. Es müssen nur noch öfter solche Aktionen kommen, die es der breiten Bevölkerung erlaubt, den netten jungen Menschen ins Gesicht zu sehen und die irrationalen Ängst abzubauen.

4. Kitas und Bioläden haben nichts mit rechten Inhalten zu tun, deshalb wird es schwierig sein, unsere Inhalte selbstverständlich im Alltag präsent sein zu lassen. Andererseits: was haben die grüngesinnten erreicht? Daß es grüne Absolutionen gibt: wenn du grünen Strom und Fairtrade-Produkte kaufst, kannst du weiterleben wie bisher, kannst auch hin und wieder fliegen, weil du tust ja sonst so viel gutes. Jahrzehnte grüner Ideen haben weder Glyphosat noch immens steigenden Verbrauch von Verpackungsmaterial verhindern können. Reichen uns Lippenbekenntnisse zu rechten Ideen? Nein! Es sollte eine profundere Änderung werden. Wie man das machen kann, weiß ich auch nicht. Aber ich denke in unseren Reihen sind zur Zeit mehr intelligente Menschen als in denen der Grünen. Wir werden eine Lösung finden. 

Utz

15. Mai 2017 16:31

Und was ich noch vergessen habe: ein ganz schweres Pfund, mit dem wir wuchern können: unser europäisches Ausland ist sich in weiten Teilen einig, daß der deutsche Weg ein Irrweg ist. Auf lange Sicht kann man das in Deutschland nicht ausblenden. Der Gedanke, daß die deutschen Politiker die einzige sein sollten, die recht tun, und alle anderen wären auf dem Holzweg, trägt nicht auf Dauer. Wir müssen diese ausländische Perspektive mit gemeinschaftlichen Aktionen in unser Land holen.

Starhemberg

15. Mai 2017 16:59

@ Caroline Sommerfeld: Ich warne vor Klischees jeglicher Art. Ich habe selbst mehr als zwanzig Jahre für internationale Konzerne gearbeitet und wissen Sie was - die sind weder gut noch böse. Sie agieren im jeweiligen Rechtsrahmen nach ihren durchaus unterschiedlichen Strategien. Was manche Linke wollen, und anscheinend auch manche Rechte, ist "eine bessere Welt". Doch die gibt es nicht. Die Welt ändert sich nicht. Was es gibt und auch geben muss, sind Gewinner und Verlierer. Singapur ist ein Gewinner, Venezuela ist ein Verlierer. Ich möchte, dass Deutschland und einige andere europäische Länder fürderhin auf der Gewinnerseite stehen. Und der Markt ist immer noch gerechter, als jedes System der Gerechtigkeit, welches sich bisher irgendwelche Intellektuellen in ihren jeweiligen Elfenbeintürmchen zusammengeschwurbelt haben. Damit Sie mich nicht falsch verstehen - ich schätze Ihre Kommentare außerordentlich. Und seit Ihrem mutigen Auftritt am 1. Mai bewundere ich Sie sogar ein bisserl.... Aber die Globalisierung ist unumkehrbar, wir sollten darin zu neuen Stärken finden, anstatt uns zu fürchten. Die Wirtschaft ist unser Freund, keinesfalls unser Feind. Arbeit ist sinnstiftend und keine Krankheit. Die Sozialdemokratisierung bzw. Verschnullerung (R. P. Sieferle) macht uns träge, weich und angreifbar. Eben zu "Weicheiern" (van Creveld). Da  draußen herrscht ein ständiger Verteilungskampf, und dem können wir uns nicht entziehen. Und das Übel sitzt tatsächlich viel tiefer, es begann schon in den USA vor dem Ersten Weltkrieg. Aber wissen Sie was, an dem Versuch dies zu ändern, sind schon ganz andere Kapazunder gescheitert. Da brauchen wir uns nicht einzureihen. Für mich persönlich jedenfalls bedeutet "rechts" auch - weniger Ideologie und Utopie, mehr Hemdsärmel und anpacken. Im Übrigen finde ich es fabelhaft, wie man auf dieser Seite miteinander diskutieren kann.

deutscheridentitärer

15. Mai 2017 17:02

Diesem Artikel von Herr Meyer kann ich tatsächlich einmal unneingeschränkt zustimmen. Das eigentliche Problem ist aber natürlich, wie man nun so ein Milieu mit gewinnender Ausstrahlung auf die Beine stellt. Grundsätzlich sind wir dabei gar nicht schlecht aufgestellt finde ich: konservativ mag im allgemeinen ein biederes Image haben, rechts dagegen hatte immer ein einen gewissen "Appeal", zwar einen dunklen, weswegen man damit nicht unbedingt Politik machen kann, aber gerade darum geht es hier ja nicht. Das ganze steht und fällt mit dem Personal. Und ich muss sagen, dass ich in der rechten Szene die besten Leute meiner Altersgruppe kennen gelernt habe - und zwar mit Abstand. Und ich meine damit keineswegs nur die Prominenz, sondern durchaus auch das Fußvolk. Natürlich gibts auch die leidigen Spinner immer noch, aber es ist kein Vergleich mehr etwa zum NW, in dem es auch hervorragende Leute gab, die aber halt leider in einer Flut aus Asozialen nicht auffielen. Ein bisschen wegkommen muss man von dem Wutrentnerimage durch Pegida und AfD. Die IB macht es unter Sellner genau richtig mit ihrer Mittelmeeraktion gerade etwa - das wollen die jungen Leute, die etwas wert sind: Gefahr, Abenteuer, im Erfolgsfall Ruhm und Ehre und das ganze auch noch im sonnigen Süden. Als grotesk empfand ich die Bilder, die ich gestern bei der Wahlberichterstattung auf ARD und ZDF zu sehen bekam: Das waren ja keine Menschen, sondern Karrikaturen, was sich da auf den Wahlparties insbesondere von CDU und FDP rumgetrieben hat. Ich bin qua Studienfach und Verbindungserfahrung mit dem schnöseligen Typus durchaus vertraut - aber in dieser konzentrierten Einfalt trifft man das nicht mal in Bad Kösen an.

Hartwig aus LG8

15. Mai 2017 17:34

Ergänzung:

Bei vielen taktischen Erwägungen steht sich die Rechte selbst im Wege. Und die Lösung ist nicht einfach. Beispiel: Sicherheit, Ordnung, Polizei.  Durch den unbegrenzten Asylantenzuzug hat sich die Sicherheitslage im Land verschärft (Terrorismus, Alltagskriminalität, Gewalt, Vandalismus etc.) . Nahezu unisono erklingt ein Ruf nach mehr Polizei, Überwachung, Kontrolle und Sicherheitstechnik aus allen Parteien; selbstverständlich auch aus der AfD. Das ist quasi konsens. Eine Umfrage hier auf diesen Blog würde diesen Konsens  wahrscheinlich bestätigen. Doch was haben WIR davon?? Das ist ja so, als wären grüne Kernkraftgegner nicht gegen die Kraftwerke, sondern würden sich für gigantische Betonmäntel aussprechen und um gut gesicherte Endlager kämpfen. Wer jetzt nach mehr Polizei ruft, stützt das System mitsamt der Asylpolitik in seinen Grundfesten; mal abgesehen davon, dass er den ganzen Aufwand auch bezahlt.   Je stärker sich Sicherheit und Ordnung privatisiert, desto besser ist das für rechts und vernichtend für links. Aber welcher Rechte weist denn jetzt den Wunsch nach mehr Polizei zurück??

Henrik Linkerhand

15. Mai 2017 18:59

Für mich waren die Grünen niemals attraktiv. Im veröffentlichten Raum repräsentieren sie für mich in politischer, kultureller und ästethischer Hinsicht eine kleinbürgerliche Borniertheit. Daß ich mein Obst und Gemüse beim Ökobauern von nebenan kaufe, ist eher ein antiglobalistischer und solidarischer Akt. Ein kauziger Baldur Springmann hatte seinen Charme, ebenso Herbert Gruhl und Petra Kelly in der Anti-Atomkraft, Umwelt und Friedensbewegung. Aber davon sind die heutigen Grünen meilenweit entfernt.

Die AfD wird simultan mit jedem parlamentarischen Mandatsgewinn immer mehr zur Pariapartei abgestempelt ("Nazischlampe"). Hier sehe ich langfristig die Gefahr durch Unterwandererung der Basis von Menschen, die sich von einem solchen Image angezogen fühlen. Wenn eine Partei oder eine Jugendbewegung à la Identitäre von einer kriecherischen Journalistenkaste als "böse" diffamiert wird, ist das schlimm, aber noch schlimmer ist das Prädikat "unattraktiv und dumm". Antiglobalismus, Identität, Heimatverbundenheit mit ehrlichen Respekt vor anderen Kulturen, frech und witzig, gewaltfrei, gelassen und mutig, ästethischer Widerstand, Schönheit usw. sind die spontanen Schlagwörter.

Eine Rechte, die ständig nach mehr Polizei, Sicherheit und Ordnung etc. ruft, also einen starken Staat fordert, ist völlig unattraktiv und meinen Augen nicht sehr clever. Remigration ist ein politischer Willensakt, gesunde Kapitalismuskritik / Antiglobalismus ist eine kulturell-gesellschaftliche Willensbildung. Ein starker Staat wird dafür nicht gebraucht.

Stil-Blüte

15. Mai 2017 19:35

@ Lutz Meyer

Auch ich kann Ihrem Beitrag, bestätigt er doch eigenes spätjuveniles Hingezogenfühlen ebenso wie die reifer gewordene Abkehr von den GRÜNEN, viel abgewinnen. 

@  Dietrich Stahl    

'Das Eigene und die Sprache – es ist sehr wichtig, die beiden immer wieder in den Fokus zu nehmen. Die deutsche Sprache ist dabei für uns Deutsche existenziell. '

Stimmt nur allzu sehr, aber auch in 'unseren' Gefilden unterschätzt. Man unterzieht englischene Texte nicht mehr der Mühe (ja, es macht Mühe), sie ins Deutsche zu übersetzen und sie damit nicht nur der eigenen Gedankenwelt einzuverleiben, sondern weniger Sprachbegabten, die man mit dem Englisch ständig vor den Kopf stößt,  zugänglich zu machen. Jüngeren Autoren muss man den Vorwurf machen, dieses Phänomen allzusehr auf die leichte Schulter zu nehmen.   

Empfehle Ihnen zur Erbauung: Johann Amadeus Mozart, Briefe. ISBN 3-362-00049-5. Kostprobe: (An Prof. Dr. Anton Klein in Mannheim)

...da würde vielleicht das so schön aufkeimende    N a t i o n a l = theater zur blüthe gedeihen, und das wäre Ja ein Ewiger Schandfleck für teutschland, wenn wir teutsche einmal mit ernst anfiengen teutsch zu denken - teutsch zu handeln - teutsch zu reden, und gar teutsch zu Sinten !!! -

... gänzlich überzeugt mit einem  t e u t s  c h e n   M a n n e   zu reden, liess ich meiner zunge freyen lauf, daß man sich nach solch einer herzens ergiessung keklich einen Rausch trinken dürfe...

In diesem Sinne,  wohl bekomms.

Utz

15. Mai 2017 20:06

Antiglobalismus, Identität, Heimatverbundenheit mit ehrlichen Respekt vor anderen Kulturen, frech und witzig, gewaltfrei, gelassen und mutig, ästethischer Widerstand, Schönheit usw. sind die spontanen Schlagwörter.

Hört sich doch gut an! Setzen wir doch der angeblichen Weltoffenheit der Linken die Nächstenliebe im wörtlichen Sinn entgegen. Plädieren wir dafür mit unserem Kaufverhalten das eigene zu fördern, hier Humanität zu leben. Plädieren wir hier im engen Kreis für Kennenlernen, für überschaubare Kreisläufe und bewußte Förderung dort, wo man weiß daß man Menschen hilft, und nicht großen Konzernen.

@ Starhemberg

Was manche Linke wollen, und anscheinend auch manche Rechte, ist "eine bessere Welt". Doch die gibt es nicht. Die Welt ändert sich nicht. Was es gibt und auch geben muss, sind Gewinner und Verlierer. Singapur ist ein Gewinner, Venezuela ist ein Verlierer. Ich möchte, dass Deutschland und einige andere europäische Länder fürderhin auf der Gewinnerseite stehen.

Ich frage mich: wenn Deutschland ein Gewinner ist, sind das dann auch Deutsche, die gewinnen? Oder ist das wieder mal ein Konzern mit deutschem Namen, der da auch nur wieder Black Rock gehört?

Vielleicht können wir den Kampf nicht gewinnen, weil "die Globalisierung unumkehrbar ist" und alles alternativlos ist. Aber ich sehe es überhaupt nicht ein schon vorher aufzugeben. Wenn die Globalisten wieder mal ihr Credo runterleiern: freier Warenverkehr, freier Kapitalverkehr, freier Verkehr der "menschlichen Ressourcen" auf der ganzen Welt, dann sollten wir "nein" sagen. Und das ist das Thema, für das es viel Zustimmung in der Bevölkerung gibt, das uns hilft unsere Bewegung zu vergrößern.

Starhemberg

15. Mai 2017 20:43

Da ich mich hier etwas missverstanden fühle:

Wenn ich meine, der Prozess der Globalisierung ist unumkehrbar, dann meine ich damit natürlich die wirtschaftliche Komponente. Deshalb nannte ich ja auch China als Beispiel. Die Han-Chinesen sind so stolz und selbstbewusst auf ihre Identität und Kultur, wie seit mehr als 300 Jahren nicht mehr. Und zwar trotz der Globalisierung oder vielleicht sogar deswegen.  Man beschäftige sich mit Deng Xiaoping, diesem kleinen großen Mann, diesem Visionär und Erfinder des modernen China.

Es gilt, die Chancen zu nutzen und das Eigene zu schützen. Kein Widerspruch für mich. Und natürlich gibt es immer Verlierer, es wird auch deutsche Verlierer geben, das nennt sich Freiheit. Wer will, dass es "allen gut geht", ist Utopist und Bolschewist und Kommunist. Man darf auch die Freiheit haben, sich selbst zu schaden.

Globalisierung ist für mich das Wasser, mit dem wir unsere Insel benetzen. Die anderen müssen leider draußenbleiben, die sollen sich um ihre eigenen Inseln kümmern.

Curt Sachs

15. Mai 2017 23:43

Herr Meyer schrieb: "man denke an die pädophilen Exzesse, doch die spielten in der öffentlichen Wahrnehmung, anders als in vergleichbaren Fällen innerhalb der Kirchen, nie eine Rolle"

Diese Bemerkung ist ziemlich ungeheuerlich. In "den Kirchen" wurde niemals der freie Sex mit Kindern gefordert und als für die Kinder nützliche Erfahrung propagiert, wie es Grüne in den 80ern getan haben. Es gibt auch von der Anzahl her keine vergleichbaren Fälle; da ist Herr Meyer den in diesem Bereich üblichen Spiegel-Fakenews aufgesessen.

Der_Jürgen

15. Mai 2017 23:44

Lutz Meyer schreibt:

"Man kann als Partei einen langfristigen Mittelwert von 10% im Bundesdurchschnitt haben, von vielen belächelt, verspottet und geschmäht werden und trotzdem über Jahrzehnte die Themen setzen und damit den öffentlichen Diskurs bestimmen."

Ja, das stimmt durchaus, aber wer meint, die AFD könne diese grüne Strategie aufgreifen, ist aus mehreren Gründen auf dem Holzweg:

- Wie ich kürzlich in einer Antwort an @Starhemberg, der sich Gedanken über die langfristig von der AFD einzuschlagende parlamentarische Strategie machte, festhielt, haben wir nicht mehr allzu viel Zeit, schon gar nicht "Jahrzehnte". Wenn nichts ausserordentlich Dramatisches geschieht (Krieg; massive Zunahme von Terroranschlägen;  wirtschaftlicher Zusammenbruch aufgrund äusserer Faktoren, auf die Deutschland keinen Einfluss hat), wird das System weitermachen wie bisher, vermutlich mit einer erneuten massiven Steigerung der Migrantenzahlen nach den Wahlen.

Da die wirtschaftliche Substanz Deutschlands noch etliche Jahre, vielleicht ein Jahrzehnt oder gar mehr, ausreichen wird, um den totalen Kollaps zu verhüten, sind bis dann die vom System gewünschten Realitäten geschaffen, die sich nicht mehr, oder nur mit ungeheurem Blutvergiessen, rückgängig machen lassen. Sind die jungen Deutschen erst einmal gegenüber ihren orientalischen und afrikanischen "Mitbügern" in der Minderheit sind, dürfte der Zug nach menschlichem Ermessen abgefahren sein.

- Wie mehrere Kommentatoren, am Ende seiner Darlegungen auch Lutz Meyer selbst, hervorheben, schlug den Grünen nie auch nur annähernd dasselbe Mass an Feindschaft und Hass gegenüber wie der AFD heute. Wer sich der gleichgeschalteten Medienmeute gegenübersieht, kommt nicht an die Macht - allzu gross ist die Manipulierbarkeit der Massen. Das jüngste von zahllosen Beispielen ist Frankreich. Donald Trump schien die Ausnahme zu sein, welche, wie man läppischerweise sagt, "die Regel bestätigt" (natürlich ist das Gegenteil wahr), aber wir alle wurden Zeugen, wie rasch ihn das System in die Knie gezwungen hat.

- Alle Gedankenspiele darüber, wie die AFD, wenn sie schon nicht die volle Macht gewinnen kann (was hier wohl keiner glaubt), so doch wenigstens nach und nach den Diskurs bestimmen und so einen Paradigmenwechsel auslösen kann, gehen davon aus, dass diese Partei von ehrlichen Patrioten geführt wird. Den Beweis dafür ist sie bisher schuldig geblieben. Petry und Pretzell, über den sich ja Michael Klonovsky mit erfrischender Deutlichkeit geäussert hat, sind genau so falsche Fuffzger, wie es Henkel und Lucke waren. Ja, man darf hoffen - und ich halte es für sehr gut möglich -, dass die echten Patrioten wie Höcke die Oberhand gewinnen werden, aber dann wird die Hetze gegen die AFD gigantische Ausmasse annehmen, und die Gefahr eines Verbots wird dann sehr real. Vorarbeit hierfür hat Karlsruhe ja bereit geleistet, indem es von einem NPD-Verbot ausdrücklich nur darum Abstand nahm, weil der Einfluss dieser Partei gering sei. Für die AFD war das ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Wie man es auch dreht und wendet, die AFD - oder eine andere Rechtspartei - wird den Untergang Deutschlands nicht auf parlamentarischem Wege verhindern können. Sie kann ihn allenfalls um ein paar Jährchen hinauszögern. Man kann nicht gegen die Medien regieren. Um regieren zu können, muss man die Kontrolle über die Medien übernehmen - und das geht nicht auf legalem Wege. Quod erat demonstrandum.

@Maiordomus 

Volle Zustimmung zu Ihrem Kommentar; hier finde nicht einmal ich "eine Raupe im Sauerkraut", wie die Banatdeutschen sagen.

@Der Gehenkte

Sehr schön, dass Sie Rudolf Bahro erwähnen, einen Mann, der keine Denkverbote akzeptierte. Er war ein wirklich origineller politischer Denker.

Nansen

15. Mai 2017 23:50

@ Starhemberg

"Ein hervorragender Schachzug wäre es z.B., die Legalisierung leichter Drogen zu fordern, was aus liberaler und wirtschaftlicher Sicht, aber auch aus Sicht der Kriminalitätsbekämpfung nur Vorteile bieten würde."

Empfehle an dieser Stelle Peggy Mann: "Hasch, zerstörung einer Legende".

  • ISBN-10: 3596151589
  • ISBN-13: 978-3596151585

Nautilus

16. Mai 2017 01:16

@Caroline Sommerfeld,

ich gebe Ihnen im ersten Kommentar völlig recht. Die Grünen sind auf der guten Seite und die AFD auf der bösen, so werden die Grünen medial angepriesen. Für mich hat die AFD auch die Aufgabe, diese politische Korrektheit zu sprengen. Wird das unerterlassen, werden wir nie an politischen Raum gewinnen. Die Frage ist jedoch, ist der notwendige Mut vorhanden.

Franz Bettinger

16. Mai 2017 01:19

@Abdiel. Die AfD ohne Markenkern? Dann arbeitet ihn heraus. Er ist in vielen Punkten ur-grün: 1. frech sein, Schluss mit politischer Korrektheit, 2. für echten Naturschutz, gegen Windmühlen, 3. für Frieden, gegen Kriegsbeteiligung der Bundeswehr, gegen Sanktionen, 4. gegen staatliche Zensur und die Staats-Propaganda der öffentlich Rechtlichen, gegen die GEZ-Abzocke, 5. gegen Börsen-, Banken-, Raubtier-Kapitalismus und Globalisierung. - Das Wichtigste und Sexyste an der AfD aber müsste 6. der viel offensiver als bisher vorgetragene Kampf für eine Direkte Demokratie sein. Das hat Charme, und außerdem: Gesicht zeigen und sich mutig bekennen, rechts zu sein.

@Gotlandfahrer: Ich habe viel Sympathie für Ihren Vorschlag, gelegentlich die Contenance zu verlieren und Stärke zu zeigen (Dynamo-Fans). Das sollte aber nur für die Sympathisanten der AfD gelten, nicht für die Partei selbst. Die AfD muss in der Tat Stil und Manieren bewahren. Auch das, die Doppelstrategie, haben die Grünen einmal recht gut beherrscht.

@Starhemberg: Prima Idee, Ihr Vorschlag an die AfD, die Legalisierung leichter "Drogen" wie THC (Marihuana, Haschisch) zu fordern!

Cacatum non est pictum

16. Mai 2017 04:22

@Starhemberg

Dies bedeutet aber auch, WIRTSCHAFTSKOMPETENZ zu vermitteln, ich warne davor, einen primitiven Anti-EU, Anti-Konzerne, Anti-Globalisierungskurs auf die Beine zu stellen.

Dann stellen wir eben einen anspruchsvollen Antiglobalisierungskurs auf die Beine. Das ist mindestens alternativlos.

Ein souveränes, selbstbewusstes und sich auf seine Stärken besinnendes Deutschland kann ganz vorne mitspielen, wenn man sich nicht irgendwelchen Träumen linker oder rechter Revolutionen hingibt.

Klar, Deutschland kann immer vorn mitspielen, ob in der Wirtschaft oder im Fußball. Das haben wir hinreichend unter Beweis gestellt. Und vor lauter Erfolgseifer hören wir die Ketten nicht mehr klappern, an die man uns gebunden hat. Leider hat man uns glücklichen Sklaven ein nicht so schönes Schicksal zugedacht: Während wir vorn mitspielen, werden wir hinten Stück für Stück ausgetauscht. Daran ändert gerade unsere Leistungsgesellschaft zur Zeit rein gar nichts.

Eine an der Realität ausgerichtete, furztrockene Sachpolitik, dabei dem politischen Gegner immer wieder knallhart seine Lügen ins Gesicht reibend, so stelle ich mir die Zukunft der AfD vor. Beatrix von Storch entspricht bereits sehr stark diesem Bild, ich halte die Frau für eine große Zukunftshoffnung.

Ich warne davor, seine Zukunftshoffnung in irgendwelche Parlamentarier zu setzen (schon gar nicht in solche, bei denen die Google-Bildersuche zahlreiche Fotos mit Freimaurer-Signalgesten ausspuckt). Lesen Sie nach bei Carl Schmitt.

Ich warne vor Klischees jeglicher Art. Ich habe selbst mehr als zwanzig Jahre für internationale Konzerne gearbeitet und wissen Sie was - die sind weder gut noch böse. Sie agieren im jeweiligen Rechtsrahmen nach ihren durchaus unterschiedlichen Strategien. Was manche Linke wollen, und anscheinend auch manche Rechte, ist "eine bessere Welt". Doch die gibt es nicht. Die Welt ändert sich nicht. Was es gibt und auch geben muss, sind Gewinner und Verlierer. Singapur ist ein Gewinner, Venezuela ist ein Verlierer. Ich möchte, dass Deutschland und einige andere europäische Länder fürderhin auf der Gewinnerseite stehen. Und der Markt ist immer noch gerechter, als jedes System der Gerechtigkeit, welches sich bisher irgendwelche Intellektuellen in ihren jeweiligen Elfenbeintürmchen zusammengeschwurbelt haben.

Ihren knallharten Libertarismus in Ehren, aber Sie wollen doch bloß ein paar Schönheitskorrekturen am globalistischen Bauwerk vornehmen. Von Rückbau oder Neugestaltung lese ich bei Ihnen nichts. Als ob Globalisierung ein Naturgesetz wäre! Sie ist schrittweise ausgebaut worden, also kann man sie auch schrittweise wieder rückgängig machen - Wille und Macht vorausgesetzt. Und daran führt auch kein Weg vorbei, denn die naturfeindlichen Konsequenzen, die dieser Irrsinn zeitigt, werden nachfolgenden Generationen ihre Zukunft verbauen.

Globalisierung ist für mich das Wasser, mit dem wir unsere Insel benetzen. Die anderen müssen leider draußenbleiben, die sollen sich um ihre eigenen Inseln kümmern.

Wenn Sie glauben, dass Globalisierung als Einbahnstraße funktioniert, dann sind Sie nicht weniger Utopist als die Kommunisten und die "faulen" linken Franzosen. Dem freien Warenverkehr folgt der freie Personenverkehr, das sollten Sie doch mittlerweile erkannt haben.

Bones

16. Mai 2017 09:45

Aus einigen der hier versammelten Kommentare spricht die Enttäuschung über die bescheidenen Ergebnisse der AfD bei den letzten Landtagswahlen. Ich möchte demgegenüber zu bedenken geben, daß jedenfalls in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen für die mit dieser "Bewegung" sympathisierenen Wähler eine sehr attraktive Alternative in der FDP bestand, die viele Punkte des AfD-Programms inkorporiert hatte. Mit der FDP bekam man also weitgehend dasselbe Paket, plus die Option auf eine Regierungsbeteiligung, die bei der AfD bisher gänzlich fehlt. Zudem waren Kubicki und Lindner starke Zugpferde. 

Nun wird man von einer etablierten Partei wie der FDP sicher keine Fundamentalopposition erwarten können, wie sie von vielen herbeigesehnt wird. Indessen: Wäre diese mit den beiden betroffenen AfD-Landesverbänden denn möglich gewesen? Eine Pretzell-AfD ist eben nicht radikal genug, um sich unter diesem Gesichtspunkt als wirkliche Alternative anzubieten.

Ich sehe die Sache positiv und optimistischer als manche meiner Vorredner: In NRW haben die beiden liberalen, alternativen Parteien AfD und FDP zusammen 20% der Wählerstimmen bekommen. Damit läßt sich schon einiges bewirken, zumal wenn die größere der beiden Parteien an der Regierung beteiligt ist. Die AfD wird als willkommene Bereicherung des Parlaments die wichtigen Themen wachhalten und die politische Klasse, auch der Linksparteien, zwingen, sich zu positionieren.

Utz

16. Mai 2017 10:34

In NRW haben die beiden liberalen, alternativen Parteien AfD und FDP zusammen 20% der Wählerstimmen bekommen. Damit läßt sich schon einiges bewirken, zumal wenn die größere der beiden Parteien an der Regierung beteiligt ist.

Die FDP wird niemals einen einwanderungskritischen Kurs verfolgen, egal was einzelne Vertreter auf Wahlkampfveranstaltungen von sich geben. Als typische Arbeitgeberpartei ist ihr an freiem Personenverkehr sehr gelegen. Sollten einzelne Parteimitglieder das noch nicht wissen, wird ihnen das spätestens dann gesagt, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen.

Gotlandfahrer

16. Mai 2017 11:24

@Starhemberg: Zu Legalisierung von Drogen als Überraschungscoup

Da bin ich bei Ihnen. Weiter gedacht bedeutet diese Umkehr der Positionen aber die von mir in einem anderen Thread eingebrachte 'Feuer mit Feuer bekämpfen' Strategie: Forderung der Scharia und Förderung des muslimischen Zuzugs. Nicht als 'ironischer Gag', der als solcher leicht entlarvbar ist, sondern als konsequente Fortentwicklung des ja offenbar als 'unumkehrbar' und 'wünschenswerten' Prozesses.  Das beste was den Zerstörern passieren kann ist eine Transformationsrate knapp unter Eskalationsniveau. Gelingt ihnen dies, werden wir die Tide nicht umkehren können. Wenn aber der Untergang eh kommt, dann daraus einen Tsunami machen, der zieht sich schnell wieder zurück, ein gestiegener Meeresspiegel bleibt viele Generationen. Das Donnern eines Tsunamis verstetzt die Trägen auch eher in Aktion, als zunehmend nasse Keller.

H. M. Richter

16. Mai 2017 11:36

Seinerzeit war die Furcht vor dem Waldsterben und der Atomkraft real, wurde Bewegung.

Heute dagegen geht es nicht mehr um den Wald, die Umwelt, sondern um das Land überhaupt. In stetiger wie in teilweiser rasender Geschwindigkeit haben Städte und Gemeinden sich verändert, sind oftmals nicht wiederzuerkennen.

Wenn sich die Einsicht durchsetzt, daß es nicht mehr um den Wald, nicht mehr um die Atomkraft, sondern um weit mehr geht, nicht nur um Töchter, die abends die öffentlichen Plätze nicht mehr queren oder die frühnächtliche S- oder U-Bahnen nicht mehr benutzen können, nicht nur um Konzertbesucherinnen, denen man rät, nach dem Konzert ihren geerbten Goldschmuck keinesfalls mehr öffentlich zu zeigen, nicht nur um die ansparenden Familien, die von der Null-Zins-Politik schwer betroffen sind, aber in ihren längst noch nicht abbezahlten Häusern nun teure Diebstahlsicherungsanlagen einbauen sollen, nicht nur um jene, die Sonntag für Sonntag im Gottesdienst saßen und sitzen und in denen über Jahre die Einsicht gewachsen ist, hier geht etwas unwiederbringlich zu Ende, was über Jahrhunderte Grundlage war, auch nicht nur um die, die keine Großveranstaltungen mehr besuchen können, aus Angst von einer Bombe zerfetzt zu werden, sondern um das GANZE, buchstäblich um ALLE und ALLES, dann könnte daraus eine Kraft entstehen, die jene von den GRÜNEN einst entwickelte bei weitem übersteigt, da sie tatsächlich nicht nur Gruppen, sondern die Masse - das Volk - erreicht.

Valjean72

16. Mai 2017 12:55

@Bones: "Ich sehe die Sache positiv und optimistischer als manche meiner Vorredner: In NRW haben die beiden liberalen, alternativen Parteien AfD und FDP zusammen 20% der Wählerstimmen bekommen. Damit läßt sich schon einiges bewirken, ..."

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Wie man allen Ernstes Hoffnungen in die FDP sezten kann, dass sie die Dynamik des Grossen Austausches" stoppen oder gar umkehren wird, ist mir schleierhaft - mehr noch: es lässt mich perplex zurück.

Es muss wohl tatsächlich erst einmal noch schlimmer kommen bis die Bequem-Bürgerlich-Konservativ-Liberalen, bzw. die Patrioten darunter, erkennen, dass mit diesen Altparteien überhaupt kein Land mehr zu gewinnen ist.

Stil-Blüte

16. Mai 2017 13:19

 @Starhemberg: ich warne davor, einen primitiven Anti-EU, Anti-Konzerne, Anti-Globalisierungskurs auf die Beine zu stellen. Lasst solche sinnlosen Kindereien doch den Linken...

Im Prinzip richtig.

Doch sollte die Ablehnung dieser einigermaßen erstarrten Begriffe vom lebendigem Schaffen der Menschen abgegrenzt werden.

- EU nein, aber ein Ja zu über Jahrhunderte historisch (zusammen-)gewachsenes und immer noch wachsendes Europa.

- Konzerne, feindliche Übernahmen nein; aber ein Ja zu traditionellen Familienunternehmen, Erbengemeinschaften, ortsansässige Firmen, Mittelstand.

- Nein zumGlobalisierungskurs, zur Eine-Welt-Herrschaft,  zur 'besseren Welt, aber Ja zu Jahrtausende altem Austausch von Waren und Ideen zwischen  Völkern und Kontinenten (z. B. Seidenstraße)

Bones

16. Mai 2017 14:10

@ Utz: Danke für Ihre Wortmeldung und Ihren beachtlichen Einwand. Ich würde aber nie "niemals" sagen. Auch aus marktwirtschaftlicher Perspektive (oder "als typische Arbeitgeberpartei") kann der FDP nur an einem begrenzten Zuzug von qualifizierten Fachkräften und einsatzfähigen Arbeitern gelegen sein, nicht aber an einer hemmungslosen Überflutung mit prekären Menschen, die weder lesen noch schreiben können und einer vorgestrigen Religion verpflichtet sind.

@ Valjean72: Die Hoffnung stirbt eben zuletzt, jedenfalls bei mir. Außerdem: Wo ist die Alternative? Eine Regierungsbeteiligung oder gar Machtübernahme der AfD wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Da setze ich doch lieber darauf, daß die Etablierten noch zur Vernunft kommen. Anzeichen dafür gibt es, worauf ich schon hingewiesen habe.

Starhemberg

16. Mai 2017 14:12

@ Stil-Blüte: So kommen wir zusammen. Damit kann ich gut leben. Allerdings hätte ich schon gerne ein paar schöne deutsche Konzerne, aber auch mir sind Familienunternehmen deutlich sympathischer. Was ich hier bei der Sezession immer wieder versuche, ist der auffallenden Wirtschafts- Leistungs- und Wettbewerbsfeindlichkeit einiger Mitsezessionisten eine Gegenposition gegenüberzustellen. Ich halte mich an die reale Welt, und beschäftige mich eher weniger mit einer idealen. Sie bringen den "goldenen Mittelweg" jedenfalls gut auf den Punkt.

P.S. Im Wettbewerb gegen Amis und Chinesen brauchen wir allerdings auch ein paar durchschlagskräftige Konzerne....

Der_Jürgen

16. Mai 2017 15:07

@Starhemberg

"Was ich hier bei der Sezession immer wieder versuche, ist der auffallenden Wirtschafts-, Leistungs- und Wettbewerbsfeindlichkeit einiger Mitsezessionisten eine Gegenposition entgegenzustellen."

Lieber Starhemberg, Sie bauen hier einen Pappkameraden auf, wie er im Buche steht. Die "Mitsezessionisten", von denen Sie schreiben und zu denen vermutlich auch meine Wenigkeit gehört, sind mitnichten wirtschaftsfeindlich. Sie sind bestimmt nicht gegen Leistung und Wettbewerb, sondern wissen sehr wohl, dass beides Motoren einer gesunden Gesellschaft sind.

Sie verwechseln, sicherlich ohne böse Absicht, Kritik am FINANZKAPITALISMUS, der keine Werte schafft und nur für eine kleine Gruppen von Profiteuren von Vorteil ist, mit Gegnerschaft gegen Leistung und Wettbewerb. Vermutlich schreibt auf diesem Blog kein einziger, der eine leninistisch-stalinistische Planwirtschaft einführen will. Dass eine solche schlecht funktioniert, zeigt die Geschichte. Der Vergleich zwischen Nord-und Südkorea spricht Bände (vor allem wenn man bedenkt, dass fast alle Bodenschätze im Norden liegen).

Was ich, und wahrscheinlich auch die meisten Mitforisten, wollen, ist das Primat der Politik vor der Wirtschaft. Erstere soll Herrin sein, letztere Dienerin. Dies bedeutet natürlich, dass der freien Marktwirtschaft Grenzen gesetzt sein werden. Nicht minder wichtig ist folgendes:

In der heutigen liberalkapitalistischen Ordnung ist das Geld nicht nur das Instrument zur Erleichterung des Tauschhandels, das es ursprünglich war, sondern es ist selbst zum Objekt des Handels geworden. In einer gesunden Gesellschaft gäbe es das nicht. Es gäbe keine Börsen, keine Börsenspekulation, keine Derivate, keine Hedgefonds, kein virtuelles Geld. Der Staat würde sein Geld selber drucken, statt es von parasitären Institutionen zu Zins zu leihen.

Es gab in Europa mal einen Staat, im Moment weiss ich nicht mehr welcher, dessen Chef (sein Name ist mir auch entfallen, vermutlich weil er in den Medien niemals erwähnt wird) dies alles kapiert hatte und daraus die erforderlichen Konsequenzen zog. Bald darauf wurde seinem Land ein Krieg aufgezwungen. Von wem, kann ich ebenfalls nicht mehr aus dem Stegreif sagen. Man wird eben älter...

Starhemberg

16. Mai 2017 16:14

@ Der _ Jürgen:  Ich bin Libertärer, ich traue dem Staat genausowenig, wie der freien Wirtschaft. Im Fall der Fälle richten Staaten regelmäßig noch mehr Schaden an, als selbst der ungezügelte "Raubtierkapitalismus" (was immer das auch sein solI).

Das Primat der Politik vor der Wirtschaft hat überhaupt erst zu dieser katastrophalen Situation geführt. Die jahrzehntelange Sozialdemokratisierung basierend auf Milliardenschulden wertlosen Papiergeldes ist die alleinige Verantwortung der sogenannten "Politiker" und jener Dummbeutel, die sie jahrzehntelang gewählt haben. Der Goldstandard hätte niemals aufgegeben werden dürfen. Aber bevor ich mich zu sehr aufrege - lassen wir das alles im Moment. Ich weiß ja selber, dass ein radikal libertärer Kurs absolutes Minderheitenprogramm ist, und ich möchte mich auf das Einigende konzentrieren, anstatt auf das Trennende. Trotzdem glaube ich, schadet es nicht, hier immer mal wieder etwaige Staatsgläubigkeit aufs Korn zu nehmen.

Jedenfalls nochmal vielen Dank für die gute Diskussion!

Klaus D.

16. Mai 2017 19:38

@Starhemberg

Ich bin (bzw. war) geborener und gelernter DDR-Bürger, aufgewachsen in der sozialistischen Planwirtschaft. Wenn ich dabei eins gelernt habe, dann das, daß die Witschaft oberste Priorität hat. Die muß "funktionieren", auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sein, sonst hat alles keine Zukunft. Nur der wirtschaftlich Stärkere setzt sich durch! Und im Zweifel muß der Wirtschaft eben mehr Freiheit eingeräumt werden, ABER:

Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, mir die eine oder andere Regulierung zu wünschen. Die ungezügelte Vernichtung von Ressourcen macht mir Sorgen, z.B. der Raubbau in den Wäldern von Rumänien - und wofür? Um buntgedruckte Prospekte herzustellen, die umgehend in die blaue Tonne wandern. Jugendarbeitslosigkeit in etlichen Ländern Europas. Lagerhaltung auf der Straße in LKW-Kolonnen. Das sind nur 3 Beispiele, wo ich mir (mehr) staatliche Regulierung wünschen würde. Ich bin nun kein Wirtschaftsexperte, aber so ganz die Zügel schleifen lassen und alles nur dem Markt überlassen ...?

Gerrit

16. Mai 2017 20:26

Mir kamen eben zu dem Artikel und vor allem den zahlreichen Kommentaren folgende Gedanken:

-Es ist völlig richtig, dass viele der "grünen" Themen nicht links sind. Dies ist einer der Gründe, warum die grüne Bewegung überhaupt so einflussreich werden konnte. Die von den Grünen gezeichnete und erträumte heile Welt war sogar erstaunlich rückwärtsgewandt. Es war die Welt aus den Werken von Astrid Lindgren. Ich kenne keinen Linken meiner Generation, der diese Welt nicht geliebt hat. Ohne Fabriken und Atomkraftwerke, keine Soldaten und Tiefflieger. Es ist jetzt an der "modernen" Rechten zu zeigen, dass der linke Irrweg in eine Welt geführt hat, die mit dem Idyll von Astrid Lindgren so gar nichts zu tun hat. Das Leben in der Dortmunder Nordstadt, in Kiel-Gaaden, in Hamburg-Steilshoop ist geradezu der Gegenentwurf. Die AFD kann den Erfolg der Grünen nur dann kopieren, wenn es ihr gelingt, der breiten, unpolitischen Masse zu verkaufen, dass sie den Weg nach Büllerbü weist. Oder von mir aus auch den Weg zum Immenhof. Witzigerweise stelle ich mir Schnellroda als eine Mischung aus Immenhof und  Lönneberga vor. Nur so am Rande.

- Die zur Reflektion bereiten Teile der Linken beginnen sich doch selbst zu fragen, ob der massenhafte Import von "Islamo-Faschisten" wirklich so eine gute Idee war. Außerdem stellt man dort fest, dass der Erzfeind (das asoziale, globale Fonanzkapital) zunehmend auf der eigenen Seite steht. Die Lebenslügen der Linken lassen sich doch nur noch durch extreme gedanklich-sprachliche Kraftanstrengungen überdecken.

- Die FN malt diese positiven Bilder übrigens auch, und zwar erfolgreich. Sie beschwört das Bild des "alten" Frankreichs. Von Männern mit Baskenmützen und Baguette auf dem Fahrrad, Boule spielenden Männern auf staubigen Dorfplätzen, hübschen Mädchen in Kleidern in Lavendelfeldern. Und dies im Kontrast zu brennenden Banlieues, bevölkert von Massen fremder Muslime. Dabei ist es für die Wirkung dieser Bilder irrelevant, ob es dieses alte Frankreich so wirklich jemals gab und ob das wirklich alles so toll war. Und diese Bilder entfalten auch beim politischen Gegner durchaus ihre Wirkung.

- Wenn Frau Sommerfeld konstatiert, dass Links=gut und rechts=schlecht ist, so ist dies nicht die Ursache des Erfolgs der grünen Bewegung, sondern dieser Eindruck ist das Ergebnis dieses Erfolges. Die oben beschriebenen Welten sind durch und durch "gut". Und erzkonservativ. Im Übrigen: Wer glaubt denn von sich selbst, dass er "böse" ist? Also ich halte mich selbst ebenfalls für durch und durch gut. Dass sich jetzt Rechte das Attribut "Böse" selbst anheften, ist Ausdruck des Erfolgs der Linken.

- Es ist nicht richtig, dass die Kirche und die Medien die Grünen bereitwillig aufgenommen hat. Der Eindruck ist allerdings verständlich, beruht aber auf zeitlicher Verzerrung. Ende der 60er und praktisch die gesamten 70er wurden die "links-alternativen" Kreise noch massiv angegriffen. Nicht nur in der "Bild", sondern praktisch in den gesamten Printmedien (in SH zB in der SHZ). Ich kann mich auch an keinen Prominenten erinnern, der offen mit den Grünen sympathisiert hätte. Auch an die Kirche habe ich andere Erinnerungen. Dies änderte sich doch erst, als die 68-Generation ihre Theologie-Studien abschloss und dann die Gemeinen eroberte. Viele dieser jungen Pastoren hatten es nach meiner Erinnerung nicht leicht mit konservativ besetzten Kirchenvorständen und ebenso konservativen Vorgesetzten.

Starhemberg

16. Mai 2017 20:30

@Klaus D.

wie ich schon anklingen ließ, ich glaube diese Diskussion muss man hier jetzt im Moment nicht führen. Sie ist nämlich eine sehr lange und komplexe. Ich verweise auf Sezession Heft 68 vom Oktober 2015. Darin gibt es ein sehr lesenswertes Gespräch zwischen Ellen Kositza und André Lichtschlag vom "eigentümlich frei". Darin sind die Linien ungefähr festgemacht, wobei Lichtschlag allerdings teilweise radikaler argumentiert, als ich selbst. Nur soviel dazu, weil ich nicht so unhöflich sein möchte, Ihren guten Kommentar unbeantwortet stehen zu lassen:

Sie haben vollkommen recht, auch ich würde keinesfalls alles nur dem Markt überlassen. Z.B. Polizei oder Militär stünden nicht zur Diskussion. Ganz im Gegenteil - sofortige Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht.

Aber das Gefängnis wiederum könnte man privatisieren, um den Steuerzahler zu entlasten.

Es geht darum, sich jeden Bereich ehrlich und ungeschminkt im Detail anzusehen, wo kann ich den Staat rauskicken, und wo nicht? Doch wer sollte dies tun? Egal welche Partei an der Macht ist, an den eigenen Machtstrukturen möchte niemand rühren. Es gäbe mehrere hundertausend Beamten- bzw. Verwaltungsjobs, die man morgen privatisieren könnte. Alles zum Nutzen des schwer geknechteten Mittelstands. Es wären daraus massive Steuererleichterungen zu lukrieren. Doch wenn man einen Sumpf trockenlegen möchte, darf man damit keine Frösche beauftragen.

Daher bin ich ein gelassener Libertärer, da ich genau weiß, dass die von mir bevorzugte Form einer Staatsorganisation in unserer komplett durchsozialdemokratisierten Vollkasko-Gesellschaft niemals den Hauch einer realpolitischen Chance haben wird.

Ich wäre im Moment schon damit zufrieden, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu zerschlagen. Der Traum eines jeden Libertären.

Jürg_Jenatsch

17. Mai 2017 00:47

@Starhemberg Was des letzten Satz betrifft, bin ich in Gänze bei Ihnen. Ich finde viele Libertäre und Rechte haben eine Menge an Gemeinsamkeiten, jedenfalls mehr als es Gegensätze gibt. Vor allem gehören wir in Mitteleuropa zu politischen Minderheiten, die mehr oder minder in Opposition zum System stehen. Gleichwohl teile ich die Auffassung, daß der Staat den Rahmen zu setzen hat, in welchen die Wirtschaft operiert. Die Wirtschaft hat dem Volk zu dienen, nicht umgekehrt. Wenn Deutschland wiedergenesen soll, dann benötigt es sicher eine starke und leistungsfähige Wirtschaft. Ebenso wie ein starkes Heer, das eindrucksvolles Abschreckungsmittel sein sollte. Zur Globalisierung bin ich eher beim Jürgen und anderen. Ich bedanke mich aber für Ihre leidenschaftlichen und gleichzeitig profunden Wortmeldungen. Ich habe eine Zeitlang auf der linken Seite des Zaunes verbracht. Die Grünen habe ich aber seit ich politisch denken kann, immer verabscheut. Sie waren mir schon rein emotional zuwider, angefangen von grünen Lehrern und später den grünen Professoren.

Maiordomus

17. Mai 2017 17:36

_derjürgen. Dass es vor 60 bis 70 Jahren, auch später, noch hartgesottene Rechte in der FDP gab, verdient erinnert zu werden, weil der heutige Liberalismusbegriff immer mehr demjenigen in den Vereinigten Staaten angepasst wird. Dies gilt zum Beispiel für die Führungsgeneration der FDP, die sich im Zweifelsfall kapitulationsbereit für die grenzüberschreitende Globalisierung entscheiden wird. In meinem obigen Text habe ich aus Versehen NPF statt NPD geschrieben. Es bleibt dabei, dass die NPD, die unter von Thadden mehr als 4,5% in den Bundestagswahlen machte (1969) und indirekt mit diesem Resultat die sozialliberale Koalition von Brandt-Scheel ermöglichte (nachdem Nixon BR Kurt-Georg Kiesinger bereits zum Wahlsieg gratuliert hatte), dass jene NPD unbeschadet des Anteils an Drittreichveteranen noch einen Anteil politisch erfahrene und im Prinzip zurechnungsfähige Realpolitiker in ihren Reihen hatte, eher als die spätere Partei dieses Namens: dies mir im Rückblick offensichtlich. Sonst hätten nicht so vergleichbar kluge Leute wie Bernhard Wintzek und ein später überragender Gelehrter wie Heinrich Meier sich jener Partei anschliessen können. Ehrlich gesagt: Wer Carl Schmitts politische Theorien verstanden hat, nicht zu verwechseln mit dessen persönlichen Verirrungen und Fehleinschätzungen, müsste und würde gerade nicht eine extremistisch anmutende Politik betreiben. Das wäre schlicht unmachiavellistisch. Wer sich aber als Rechter nicht mit dem Theoriekern von Schmitt und seiner Schule auseinandersetzen will, verfehlt seine Richtung mindestens so sehr wie ein Linker, der sich vollständig um die Theorie von Marx drücken würde. Wer indes heute in der AfD oder bei den Identitären über blosse Verleumdung hinaus einen rechtsextremen Eindruck vermittelt, müsste Schmitt genauer lesen und im Sinne von Machiavelli die "qualità dei tempi" studieren, also das, was in den zeitgeistigen Verhältnissen realisierbar und sagbar ist als Rezept für die Technik der Macht als Politik:  im demokratischen Zusammenhang ein legitimationsstiftendes Verfahren zur Erstellung von Zustimmungsbereitschaft.

Der Feinsinnige

17. Mai 2017 19:30

Aus meiner Sicht ist dies eine der spannendsten und bewegendsten Diskussionen der letzten Monate in diesem meinerseits hochgeschätzten Block – über einen lesens- und bedenkenswerten Artikel.

@ RMH

Besonders dankbar bin ich für den Hinweis auf den Artikel aus dem „Spiegel“. Es werden geradezu prototypische und albtraumhafte Situationen für jeden sich einer christlichen Gemeinde zugehörig Fühlenden geschildert, die ich mir in den letzten Jahren so ähnlich immer und immer wieder vorgestellt – und sodann natürlich doch lieber den Mund gehalten habe, was angesichts der Thematisierung der „Flüchtlinge“ in beinahe jedem Gottesdienst durchaus nicht einfach gewesen ist.

@ Starhemberg u.a..

„Die Globalisierung ist unumkehrbar.“

„Globalisierung ist für mich das Wasser, mit dem wir unsere Insel benetzen. Die anderen müssen leider draußenbleiben, die sollen sich um ihre eigenen Inseln kümmern.“

Der erste zitierte Satz hat mich ziemlich getroffen, da er gerade in diesem Block gefallen ist und daher aus meiner Sicht ein ganz anderes Gewicht hat, als wenn er von etabliert-politischer bzw. -medialer Seite formuliert worden wäre. Mit dem auf die weitere Diskussion antwortenden zweiten zitierten Satz kann ich mich inhaltlich eher anfreunden.

Entscheidend dürfte sein, was genau unter dem Begriff Globalisierung zu verstehen ist. Der Begriff ist derzeit einschlägig besetzt durch diejenigen, die mit ihm „offene Grenzen“, total freien Warenverkehr, die Hinnahme oder sogar Förderung jeglicher Wanderungsbewegungen von Menschen verbinden und positiv zu begründen versuchen. Die Globalisierung in diesem Sinne muß und kann m.E. zumindest gestoppt (wenn schon nicht umgekehrt) werden (durch Wiederherstellung von Staatsgrenzen, die diesen Namen verdienen, durch eine Art „Schutzzollpolitik“ – wer kennt oder benutzt heute eigentlich diesen Begriff noch? - und anderes mehr). An dieser Stelle kommt in Gesprächen in der Regel der Einwand, das wäre „schlecht“ für unser Land, weil es „schlecht“ für „die Wirtschaft“ sei. Der Kern ist also die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation. Hier versuche ich regelmäßig einzuwenden, daß „die Wirtschaft“ in früheren Jahrzehnten auch bei noch bestehenden Staatsgrenzen, bei noch bestehenden Einfuhr- und Ausfuhrzöllen, ja in Zeiten einer - horribile dictu -  nationalen Währung usw. funktioniert hat, und das nicht etwa schlecht. Weiterhin fragt sich, ob sich eine demokratische Mehrheit tatsächlich für ein perspektivisch moslemisches oder von Einwanderern aus fremden Kulturen geprägtes Deutschland bei exzellent florierender Wirtschaft (wobei noch fraglich ist, ob beides wirklich zusammengeht) oder vielleicht doch lieber für ein deutsch oder zumindest mitteleuropäisch geprägtes Deutschland bei nur leidlich funktionierender Wirtschaft entscheiden würde. Anders formuliert: Wäre eine Mehrheit bereit, auf bestimmte Wohlstandsspitzen zu verzichten, wenn dadurch die negativen Folgen der ungebremsten Massenzuwanderung vermieden bzw. kleingehalten würden? Wenn Deutschland das Land der Deutschen bleiben würde, Europa der Kontinent der Europäer? Wie die Antwort ausfiele, ist schwer zu prognostizieren, ich wäre insoweit aber nicht allzu pessimistisch. Ich denke insoweit natürlich auch an „Das Migrationsproblem“ von Rolf-Peter Sieferle, in dem dieser auf S. 36 ff. und 42 ff., darlegt, daß der demographische Wandel nicht (wie uns etablierte Politik, Medien und diverse Wirtschaftsvertreter weismachen wollen) durch Massenzuwanderung in die Sozialsysteme, sondern durch Steigerung der Arbeitsproduktivität aufzufangen sei – ein naheliegender Gedanke, der Verbreitung finden müßte.

Die Formulierung „Die anderen müssen leider draußenbleiben“ geht dagegen doch wohl in eine völlig andere Richtung als der herrschende Begriff der Globalisierung. Insoweit sollte vielleicht besser ein neuer Begriff gesucht bzw. geprägt werden, der die global angelegte Bewahrung von bestehenden Ethnien und Identitäten beinhaltet. Dies wäre aber ein Gegenentwurf zum heute herrschenden Verständnis von „Globalisierung“.

@ Bones

Tut mir leid, aber ich kann ganz einfach keinerlei Glauben oder Hoffnung darein setzen, daß „die Etablierten noch zur Vernunft kommen“. Es scheint ein Wesensmerkmal etablierter Politik (insbesondere der sog. „Bürgerlichen“) zu sein, niemals, wirklich niemals, einen Fehler einzuräumen und zu korrigieren. Und die etablierten Parteien, die sich selbst immer noch als nicht „links“ sehen (Union und FDP) sind nach meiner Erinnerung noch nicht ein einziges Mal willens bzw. in der Lage gewesen, irgendwelche Fehler der noch linkeren Hälfte des etablierten Spektrums rückgängig zu machen. Ich nenne nur scheinbare Nebensächlichkeiten wie die Rechtschreibreform, die nur achtjährige Gymnasialzeit oder die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Die Rechtschreibreform hätte ohne weiteres verhindert werden können, wenn die „Bürgerlichen“ nicht mitgemacht hätten. Wer macht „G 8“ rückgängig? Nicht etwa die „Bürgerlichen“, sondern das rotgrün regierte Niedersachsen. Dies sind nur ein paar markante Beispiele für viele. Nein, die Etablierten werden nicht mehr zur Vernunft kommen. Sie müssen entmachtet werden.

Der_Jürgen

18. Mai 2017 00:44

 @Maiordomus

Darf ich fragen, wer der "überragende Wissenschaftler" Heinrich Meier ist oder war, der sich der NPD anschloss? Ich fand im Netz nur einen Mann, auf den die Beschreibung zutreffen könnte, den Philosophiedozenten Heinrich Meier, der aber erst 1953 geboren ist. 

Das Problem mit der Thadden-NPD bestand darin, dass sie im Grunde nur eine bessere CDU-CSU sein wollte, so wie das neofaschistische MSI in Italien nur eine bessere CD sein wollte. Antikommunismus und nochmals Antikommunismus, das reichte als ideologische Grundlage einfach nicht aus. Man hätte sehen müssen, dass das Ziel der Wiedervereinigung nicht gegen Moskau durchzusetzen war.

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