So etwas ist in Deutschland stets ein Wagnis von der Art der berühmten Schiffspassage zwischen Skylla und Charybdis: Während hier der Vorwurf der Verharmlosung und der Rechtfertigung des Unbegreiflichen lauert, beteiligt man sich dort rasch an der moralischen, spät-intensiven, jedenfalls ungefährlichen Bekämpfung Hitlers, die, je länger sein Reich zurückliegt, desto heftiger betrieben wird.
Walser wagte den Versuch einer »reinen« Beschreibung, gemäß dem Grundsatz, daß alles, was ist, solange es ist, nicht dasselbe ist, was es ist, wenn es gewesen sein wird. Oder anders ausgedrückt: »Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte.« Walser meinte damit nichts anderes, als daß alles Geschehen und Erleben im Nachgang erzählerisch glattgezogen oder umgebogen, jedenfalls eingefärbt oder sogar eingetrübt werde, daß die Sprache dies ermögliche und hergebe, dabei jedoch jene Reinheit eines springenden Brunnens verliere, die ihr eigen sei, wenn sie sozusagen an der Quelle des Erlebens unmittelbaren sprudle – unvernutzt, nicht eingebettet, im Überfluß.
Als Walsers Roman erschien, wurde sein Ansatz kritisch beäugt: Liegt in der »reinen« Erzählfreude über eine Zeit, in der – so die Nachgeborenen – jedes anständige Leben einen Geschwister-Scholl-Verlauf hätte nehmen sollen, nicht bereits eine Verharmlosung? Suggeriert der Roman nicht, es habe ein wahres Leben im Falschen gegeben? Darf man sich der schwarzen Zeit überhaupt naiv, kindlich, rein nähern? Darf da die Sprache übersprudeln oder sollte sie nicht doch lieber in der für diesen Trunk vorgesehenen Schale abgeschöpft und dem Leser vorgesetzt werden? Oder darf der Versuch Walsers als vorbildlich für ein Hüteamt an der Sprache an sich gelten?
Die Sprache unserer Zeit – sie ist kein springender Brunnen mehr, sondern ein vergifteter. Die Enthemmung hat sie vergiftet. Sie ist hemmungslos geworden, weil die Entgrenzung an den Grenzen stattfinden konnte und die Gegner dieser Entgrenzung denunziert, verleumdet, wissentlich mißverstanden und verdächtigt werden, also mit sprachlichen Mitteln und unter Ausnutzung der Zugänge zur veröffentlichten Sprache. Nichts wirkt zersetzender als der Mißbrauch der Sprache durch Institutionen mit seriösem Ruf. An diesem Punkt sind wir angekommen.
Dem schmutzigen Einsatz der Sprache ist kaum ein Riegel mehr vorgeschoben. Es gibt weniger und weniger ein Innehalten vor der bösartigen und kalkulierten Feindmarkierung mit vernichtenden Vokabeln (»Nazi«, »Brandstifter«, »Volksverräter«, »Lügenpresse«). Das sprachliche Gift entfaltet seine Wirkung langsam, aber gründlich: Es zersetzt die Verständigungsstränge, es vergällt uns die Lektüre und das Zuhören. Bald werden private Projekte (die Amadeu-Antonio-Stiftung oder die »Rechercheplattform« correktiv.org) mit staatlichem Auftrag versehen darüber entscheiden, welche Äußerung »Haß« transportiere. Von solchen Instanzen wird das sprachliche Gift mit feinen Nadel injiziert, die Denunziation wird mit vergifteten Wörtern abgesichert.
Seit Walsers Brunnenfest sind fast zwanzig Jahre vergangen. Wenn sein Bild vom aufspringenden Wasser letztlich darauf abzielte, der Geschichtserzählung »aus ihrer Zeit heraus« aufzuhelfen und die Sprache auf diesem Feld zu enttrüben, muß man sagen: Er ist gescheitert – nicht in seinem Roman zwar, aber auf’s Ganze gesehen.
Unsere Hoffnung geht dahin, daß es mit der Sprache unserer Tage einmal so sein wird wie mit allem, was in konkreter Lage und Zeit seine Färbung erfährt: Man wird nicht mehr nachvollziehen können, wie es dazu hatte kommen können. Der Springbrunnen der Sprache muß tabu sein, an ihm müssen sich Freund und Feind laben dürfen, und niemand darf ihn vergiften, noch nicht einmal der Korrespondent einer Tageszeitung, deren Bedeutungsschwund einen seiner Gründe in der Arroganz und verleumderischen Neigung eben dieses Korrespondenten hat.
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5. August 1942 – Die Marschetappen werden jetzt nach Brunnen festgelegt, die manchmal ohne zugehörige Siedlung einsam aus der Weite ragen. In der Nacht erkennt man ihre Balkenwippen erst spät, aber die richtigen Wege sind nicht zu verfehlen. Einheimische erzählen, daß oft deutsche Truppen und russische Fahrzeuge sich geradezu bei den Brunnen ablösten. Anfangs befürchtete man Brunnenvergiftungen, doch ist das uralte Gesetz der Steppe bisher von keinem übertreten worden: Das Wasser ist tabu.
deutscheridentitärer
Der Text von Alan Posener ist nur lächerlich. Lustig ist, wie er von seinen Claqueuren dafür gefeiert wird. hurr durr Hitler hat auch gesagt, die Juden wären ein Volk ohne Land. RIchtiges Beobachtungsgenie, dieser Hitler, hat sonst sicher niemand gemerkt, klar dass Kubitschek zu dieser Erkenntnis nur durch intenisve, bejahende Lektüre von Hitlers Schriften gekommen sein kann. Lustig in dieser Schar natürlich auch nach wie vor Frau Bednarz, die sich derzeit an Matussek abarbeitet, bzw. es jedenfalls versucht. Dazu postet sie Screenshots seiner Beiträge in sozialen Medien und kommentiert sie im Stil von "die Radikalisierung geht weiter, tragisch", "er war doch so ein guter Journalist, wie konnte er nur so tief fallen, tragisch" usw.
Es ist absurd.