Schnellroda, 16. VI. 2017
Sehr geehrter Herr Dr. Münkler,
Sie gaben dem Deutschlandfunk in der “Lesart” heute ein Interview zum “Fall Sieferle”. Sie taten das als Mitglied jener Jury, die Rolf Peter Sieferles Finis Germania auf ihrer Sachbuchliste des Monats Juni empfahl.
Ich will mich nicht damit aufhalten, daß Sie diese Juni-Liste (die auch Ihre Liste ist) natürlich nicht zur Kenntnis nahmen, bevor sie vom wachsamen Feuilleton darauf gestoßen wurden, daß da etwas nicht in Ordnung sei. Sie und Ihre Kollegen interessieren sich im Grunde gar nicht für diese Liste, es interessiert sich kaum jemand für diese Liste – das haben mir Autoren bestätigt, deren Bücher schon einmal platziert waren und die in diesem Zusammenhang keine Steigerung der Verkaufszahlen feststellen konnten.
Ich will mich auch damit nicht aufhalten, daß Sie die Verantwortung für Ihr Desinteresse und für das Ihrer Kollegen auf den Vorsitzenden der Jury, Andreas Wang, abwälzen, in einer Art und einem Ton, wie man beides wohl nur in Ihren gesellschaftlichen Sphären kennt und für normal hält.
Was gäbe es da auch abzuwälzen? Desinteresse und Überheblichkeit sind nichts, was man abwälzen könnte. Vermutlich haben Sie nur dann auf die Liste geschielt, wenn Sie auf die Plazierung eines Ihrer Bücher hofften. Hätten Sie indes die Liste gründlicher studiert, wäre Ihnen wohl aufgefallen, wie sich Finis Germania nach oben schob.
Das Verfahren ist nämlich folgendes: Man kann Punkte ansammeln, kann Monat für Monat einen Teil seiner Punkte auf ein Buch ansammeln, und dieser Vorgang ist für jedes andere Jury-Mitglied einsehbar, ohne daß klar wäre, wer diese Sammlung betriebe. Im April also tauchte Finis Germania bereits in der Tabelle auf, die den Juroren vorlag, im Mai rückte das Buch nach oben und im Juni rutschte es auf die öffentliche Plazierung.
Dies ist mein Kenntnisstand, und ich will gleich mitteilen, daß ich dies nicht von Johannes Saltzwedel erfahren habe, sondern von einem Ihrer Kollegen, der noch immer – wie Sie – der Jury angehört und von Ihrer und von Herrn Wangs Heuchelei und Verlogenheit die Nase gründlich voll hat, und zwar gründlich. Ihr Interview war der Auslöser für seinen Anruf bei mir.
Aber Ihr peinliches Überraschtsein über den Coup der “unanständigen” Plazierung von Finis Germania ist eine Bagatelle im Vergleich zu einer Ungeheuerlichkeit, die Sie gelassen aussprechen und in die Welt erfinden und die alles schlägt, was über den Fall Sieferle bisher an boshafter Unterstellung auf uns kam. Der Deutschlandfunk faßt die Passage in seinem Begleittext zur Hördatei folgendermaßen zusammen:
“Alle sprechen darüber und das ist eigentlich, das Schlimme daran”, sagte der Politologe Herfried Münkler im Deutschlandfunk Kultur. Es handele sich bei “Finis Germania” um ein schlechtes Buch, das möglicherweise sogar strafrechtlich relevante Passagen enthalte und zutiefst von antisemitischen Vorstellung getränkt sei. Undurchsichtig sei auch, wie viel von dem Text tatsächlich von Sieferle stamme und wie viel der Verleger hinzugefügt habe.
Ich stelle zu dieser wahnwitzigen Aussage folgendes fest:
- Finis Germania enthält keine strafrechtlich relevanten Passagen.
- Finis Germania enthält keine antisemitische Vorstellung.
- Finis Germania ist von der ersten bis zur letzten Silbe von Rolf Peter Sieferle nicht nur verfaßt, sondern auch angeordnet, mit Kapitel- und Unterkapitelüberschriften versehen und zum Druck freigegeben worden. Das Lektorat meines Verlags beschränkte sich auf die Korrektur weniger Schreibfehler und einer einzigen Satzstellung, deren Verschachtelung durch die Einfügung eines Semikolons vereinfacht wurde.
Bedenken Sie, Herr Münkler, bitte nur ein einziges Mal, nur eine halbe Minute lang, was Sie durch solche Spekulationen und Erfindungen mit der Witwe Sieferles und mit uns Verlegern anrichten. Weder Regina Sieferle noch wir können über den Deutschlandfunk Ihre verlogenen Spekulationen zurückweisen oder Sie in einem öffentlichen Gespräch konfrontieren und Belege fordern.
Ich gehe davon aus, daß Sie, Herr Münkler, dieses Buch nicht gelesen haben und daß Sie zu einem schäbigen, boshaften alten Mann geworden sind, der Mitleid verdient hat.
Gruß!
Kubitschek
hs
Ich freue mich schon auf den Kulturzeit-Beitrag zur Causa Sieferle mit Armin Nassehi ...