Dietmar Dath, so heißt der FAZ-Kommunist, setzt seine journalistischen Schwerpunkte bei Themen wie Wissenschaftskultur, elektronische Lebensaspekte, Science-Fiction, schreibt auch sonst viel, sogar Romane: Die liest jedoch fast keiner, weil sie zu elitär und versponnen sind. Es wäre wirklich übertrieben zu befürchten, der späte Lenin-Jünger könnte – außer bei seinem Arbeitgeber – wirklichen Schaden anrichten.
In der FAZ-Ausgabe vom 3. November 2017 durfte Dath nun die erste Seite des Feuilletons für seinen langen Text mit der zweideutigen Überschrift „Der rechte Lohn“ beanspruchen. Illustriert ist das mit einem knallig-martialischen Propaganda-Bild der kommunistisch dominierten Internationalen Brigaden aus dem Jahr 1937. Die hat im Spanischen Bürgerkrieg bekanntlich gegen die nationalen Kräfte gekämpft und verloren.
Doch damit beschäftigt sich Dath nicht. Vielmehr sucht er Antwort auf die selbstgestellte Frage: „Wie links und internationalistisch ist die soziale Frage noch?“ Bevor wir erfahren, warum sich ausgerechnet ein Kommunist eine Frage stellt, die für seinesgleichen eigentlich gar keine sein kann, bringt er betrübliche Beispiele fehlenden richtigen Bewusstseins in der europäischen Arbeiterklasse in Erinnerung. Dath zitiert anklagend einen französischen kommunistischen Parteifunktionär, der einst seufzte: „Was wollen wir machen? Die Arbeiterklasse ist halt rassistisch, kolonialistisch und imperialistisch“.
Da unser Lenin 2.0 dieses Problem als „nicht neu“ bezeichnet, ahnen wir nun schon, was ihn umtreibt. Mit Seitenhieben gegen Intellektuelle, Kleinbürger und die deutsche Sozialdemokratie macht der Autor dann auch deutlich, mit wem er nichts zu tun haben will. Dath hält es lieber mit dem toten Karl Marx, der schon in einem Brief an Abraham Lincoln Ende 1864 das Dilemma der ungleichen Entwicklung auf der Welt erkannt haben soll: Entweder resultiere aus der Globalisierung ein unerträglicher Abgrund zwischen Gewinnern und Verlierern. Oder es werde die – noch zu erkämpfende – solidarische (kommunistische) Weltgesellschaft geben.
Jetzt können wir uns denken, warum der Redakteur eine Vorliebe für Science Fiction hat. Denn in diesem Genre wird ja ganz gerne von künftigen Weltgesellschaften, meist allerdings unerfreulichen Charakters, fabuliert. Für Dath ist klar, daß nur der Totalkommunismus die Menschheit retten wird. Leider gibt es keine Protokolle von Redaktionskonferenzen der FAZ, in denen der hagere Weltenretter seine Kollegen agitiert – nicht gänzlich erfolglos übrigens.
Doch gibt es arge Hindernisse auf dem Weg ins irdische Paradies: Da ist allerorten eine fehlgeleitete Arbeiterklasse, die zum Beispiel jüngst in Deutschland und Österreich besonders gerne AfD oder FPÖ wählte. Und da ist auch der liberale „Lieblingsteufel“ Götz Kubitschek. Der verantworte die Website Sezession, in der von einem Politikwissenschaftler namens Benedikt Kaiser zu lesen gewesen sei, es gehe nun „um eine Forcierung einer authentisch sozialen Ausrichtung bei dem Bewusstsein für die Bedeutung der popularen Klassen und des tatsächlichen Mittelstandes“.
Diese Querfront-Terminologie bringt Dath so in Rage, daß sich ein längeres Zitat aus seinem Text lohnt:
Man versteht diese Rechte nur, wenn man sie als Schmarotzmonster in den Blick nimmt, das seine faulen Eier in inhaltlich ausgehöhlte und äußerlich verhärtete linke Konstruktionen legt und dann auf die Hitze sozialer Konflikte baut, die seine gefräßigen Jungen ausbrüten sollen.
Daths Empörung klingt echt, denn daß die Kubitscheks „Kaderarbeit“ und die „Mobilisierung der ökonomisch Unselbständigen“ zu betreiben wagen – sowas verstößt provokativ gegen das linke Copyright. Dabei, so schreibt er, habe „die Rechte in Europa seit 1789 einfach keine eigene Idee hervorgebracht“.
Das ist eine äußerst wagemutige Behauptung, die einer näheren Überprüfung gewiß wert ist. Doch selbst wenn Daths Behauptung richtig sein sollte, gäbe es einen wichtigen Unterschied zwischen der Rechten und der Linken: Die klügsten Rechten könnten künftig durchaus noch eigene Ideen und Ideale entwickeln. Doch selbst für die intelligenteren Linken sind alle Ideen und Ideale zu erbarmungslos von der Wirklichkeit blamiert worden, um auch nur die geringste Hoffnung auf ihre erfolgreiche Wiedergeburt zu hegen.
Nachdem es der in Zorn entbrannte FAZ-Kommunist den „Schmarotzmonstern“ ordentlich besorgt hat, wendet er sich wieder seinen anderen Todfeinden zu, also der Sozialdemokratie. Die, so schreibt er, sei daran schuld,
dass mehr Lohnabhängige und Arbeitslose für Pegida auf die Straße gehen oder AfD wählen, als seit Schröder je gegen die Aufweichung des Flächentarifrechts, die Verbetrieblichung und Zersplitterung der Lohnauseinandersetzungen und Sozialkürzungen aus die Straße gegangen sind.
Warum das nicht so sehr im Versagen der Sozialdemokratie begründet ist, hätte Dath besser gewußt, wenn er außer Lenin auch mal die eigene FAZ lesen würde. Am 16. Oktober 2017 wurde dort ganzseitig ein sehr lesenswerter Aufsatz des Osnabrücker Politikwissenschaftlers Armin Schäfer unter der programmatischen Überschrift „Kultur statt Ökonomie“ abgedruckt. Schäfer stellt fest, wie sehr sich die alten Fronten zwischen „Links“ und „Rechts“ verändert haben und kommt zu dem Schluß: „Universellen oder kosmopolitischen Einstellungen stehen partikularistische oder kommunitaristische Einstellungen gegenüber.“
Schlichter formuliert: Es geht den einfachen Leuten, also den lohnabhängigen Massen, eben nicht nur um Geld und soziale Absicherung, sondern auch und nicht zuletzt um nationale und kulturelle Identität. Was sagt unser Lenin 2.0 dazu? Er donnert:
Wer außerdem glaubt, die „Identität“ von Menschen wäre die genetische Zugehörigkeit zu irgendeiner Ethnie …, wer also vergisst, dass die menschliche Identität aus der Summe der Wünsche, Ziele, Zwecke, Erlebnisse, des Wissens und Gewissens von Individuen innerhalb wirklicher wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhänge besteht, kriegt im Fall eines Sieges dieses Schwachsinns entweder die Nation als ein vom Weltmarkt abgeschnittenes Volksgefängnis für Autochthone oder muss den Rest der Welt zu Raubzwecken mit Wunderwaffen unterwerfen.
Dath ist Jahrgang 1970. Er dürfte also während seiner prägenden Freiburger Schuljahre in den achtziger Jahren von progressiven Lehrkräften den Nationalsozialismus gleich mehrfach als die ultimative Höllenfahrt der Weltgeschichte indoktriniert bekommen haben. Auch bei ihm hat das zu jenem nicht vom allergeringsten Zweifel berührten „Antifaschismus“ geführt, der hierzulande epidemisch verbreitet ist. Nur so lassen sich Sätze wie dieser erklären:
Die Rechten haben, wie immer keinerlei produktiven Plan; sie können siegen und erobern, nie produzieren und verwalten, deswegen geht es mit ihnen immer aus wie 1945.
Da möchte man seufzen: Nur einige wirklich verstandene Seiten aus Rolf Peter Sieferles Werk Epochenwechsel – und selbst Dath könnte klüger sein. Aber sowas liest der FAZ-Lenin nicht mal heimlich unter der Bettdecke. Statt dessen verbreitet er sowas:
Gewerkschaften und linke Parteien werden hierzulande Türkisch, Kurdisch, Arabisch, afrikanische und asiatische Sprachen lernen müssen. Das ist sogar wichtiger als das Reden mit Rechten.
Ein echter Scherzbold ist er halt auch, der listige Dietmar: Fräulein Kipping lernt Suaheli, die Wagenknecht kurdische Dialekte – wirkungsvoller läßt sich die Linkspartei nicht lahmlegen.
Der Rest des Textes ist dann Gejammer über eine Linke, die immer verliert, also über seinesgleichen. Dabei geht es argumentativ ein wenig arg wirr zu, denn wir lesen plötzlich von Jesus, dem Christentum und dem römischen Kaiser Konstantin. Vermutlich war Dath Katholik, bevor er Leninist wurde. Darauf deutet jedenfalls auch der letzte Satz seines Artikels hin:
Wenn es diesen Marxisten nämlich nicht gelingt, den Abhängigen zu vermitteln, dass nicht erst Nächstenliebe, sondern schon simpelstes Eigeninteresse sie zur Solidarität anhält, dann wäre es für die Welt wahrhaftig besser, sie bekehrten sich zur katholischen Soziallehre.
Das klingt ziemlich bitter und auch ziemlich arrogant. Aber schließlich ist auch nicht jeder Kommunist in FAZ-Diensten, sondern nur einer, Daths Dietmar. Jedoch könnten wir den letzten Satz vorsichtig hoffnungsvoll so werten, daß der Verfasser aus verständlicher Verzweiflung über den Bankrott der marxistischen Kirche demnächst (wieder) in den Schoß der Una Sancta zu überwechseln erwägt.
Vielleicht schafft es der Redakteur, der darüber gewiß ein Buch schreiben wird, dann endlich auch mal auf die Bestsellerliste. Leider ist das im Land der „Schmarotzmonster“ und unfähigen Linken mit Daths postleninistischer Bekenntnisliteratur einfach nicht möglich. Wie nett, daß wenigstens die FAZ dafür noch ein Plätzchen frei hält.
Thomas S.
Möglicherweise ist sich Dath nicht der Tatsache bewusst, dass es sich bei katholischen Soziallehre nicht nur um eine christlich verbrämte Variante des Marxismus oder der Sozialdemokratie handelt.
Die Soziallehre befürwortet etwa den Nationalstaat als auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden abendländischen Gegenentwurf zu imperialen Staatsgebilden. Als Erweiterung der natürlichen Gemeinschaft der Familie beruhe er auf Bindungen, die das gemeinsame Verfolgen des Gemeinwohls fördern würden, wie es Johannes Paul II. beschrieben hatte.
Die Soziallehre bewertet Migration zudem sehr zurückhaltend und ist sich iher Risiken bewusst. Auf diesen Gedanken beruht die im Katechismus der Katholischen Kirche festgehaltene Position, der zufolge Migranten als Gäste auch Verpflichtungen gegenüber ihren Gastgebern hätten, etwa „das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.“
Johannes Paul II sagte in diesem Zusammenhang, dass Staaten sittlich verantwortlich seien, eine “Kontrolle der Zuwanderungsströme unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls durchzuführen. Die Aufnahme muß immer unter Einhaltung der Gesetze erfolgen und daher, wenn nötig, mit der Ausschaltung von Mißbräuchen einhergehen.“ Es müsse zudem das „besondere kulturelle Erbe jeder Nation bewahrt werden“.
Dath wird also noch einen weiten geistigen Weg zurücklegen müssen, bevor er mit der Soziallehre argumentieren kann.