Oliver Jens Schmitt: Ca˘pitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers

Oliver Jens Schmitt: Ca˘pitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers, Wien: Paul Zsolnay 2016. 336 S., 26

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Ernst Nol­te bezeich­ne­te die Bewe­gung des rumä­ni­schen poli­ti­schen Akti­vis­ten und reli­giö­sen Mys­ti­kers Cor­ne­liu Zelea Cod­re­a­nu (1899–1938) als die wahr­schein­lich »inter­es­san­tes­te und viel­sei­tigs­te aller faschis­ti­schen Bewe­gun­gen«. Es ver­wun­dert daher, daß bis­her kei­ne Bio­gra­phie des radi­ka­len Son­der­lings vor­lag. Der in Wien leh­ren­de Süd­ost­eu­ro­pa-His­to­ri­ker Oli­ver Jens Schmitt hat die­se For­schungs­lü­cke nun geschlossen.

Schmitt schreibt die Fami­li­en- und Lebens­ge­schich­te Cod­re­a­nus im Kon­text sei­ner Zeit, unter­sucht Ideen und Taten, Per­sön­lich­keits­struk­tur und reli­giö­se Prin­zi­pi­en, por­trä­tiert die unter­schied­li­chen orga­ni­sa­to­ri­schen Hül­len sei­ner grün­ge­klei­de­ten »Legio­nä­re« wie die »Legi­on Erz­engel Micha­el«, die »Eiser­ne Gar­de« oder die Ende der 1930er Jah­re erfolg­rei­che Wahl­par­tei »Alles für das Land«. Neben­bei gelingt es Schmitt, dem Leser die Sozi­al­ge­schich­te des Rumä­ni­ens der Zwi­schen­kriegs­zeit ver­ständ­lich zu machen; er unter­sucht sozia­le und eth­ni­sche Kri­sen­ge­bie­te des nach dem Ers­ten Welt­krieg gebo­re­nen »Groß-Rumä­ni­en« mit sei­nen star­ken Min­der­hei­ten, ana­ly­siert sozio­öko­no­mi­sche Wider­sprü­che inner­halb der extrem pola­ri­sier­ten Gesell­schaft (Stadt vs. Land, Alt­reich vs. neu­ge­won­ne­ne Gebie­te, Rumä­nen vs. Juden, Bau­ern vs. Arbei­ter, sys­tem­treue Rech­te vs. sys­tem­feind­li­che Rech­te usw.) und gewährt einen »kur­zen Lehr­gang« in Wesen und Gestalt der poli­ti­schen Rech­ten des Landes.

Es käme einer Gesamt­zu­sam­men­fas­sung des Buches gleich, woll­te man die ein­zel­nen Aspek­te destil­lie­ren, die Schmitts Cod­re­a­nu-Bio­gra­phie unver­zicht­bar für kom­men­de Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem rumä­ni­schen und euro­päi­schen Faschis­mus wer­den las­sen. Zwei Gesichts­punk­te sind den­noch beson­ders erhellend.

Ers­tens räumt Schmitt mit dem Mythos der Legio­nä­re als einer von Cod­re­a­nu ideell homo­ge­ni­sier­ten Sek­te auf. Ver­an­schau­licht wird viel­mehr, daß die natio­nal­re­li­giö­se Eiser­ne Gar­de kein mono­li­thi­scher Block gewe­sen ist, son­dern unter­schied­li­che, kaum in welt­an­schau­li­chen Ein­klang zu brin­gen­de Flü­gel beher­berg­te, die nur durch die Loya­li­tät zu ihrem Anfüh­rer zusam­men­ge­hal­ten wur­den. Erst­mals wird die sozi­al­re­vo­lu­tio­nä­re Strö­mung der Gar­de her­aus­ge­ar­bei­tet. For­de­run­gen wie die Ent­eig­nung des Grund­be­sit­zes, Ver­staat­li­chung der Wirt­schaft oder die Idee einer »legio­nä­ren Kom­mu­ne« lie­ßen bei­spiels­wei­se die Kom­mu­nis­ten Rumä­ni­ens schlicht obso­let wer­den – und ermög­lich­ten eini­gen Vete­ra­nen der Bewe­gung in Zei­ten des Kal­ten Krie­ges den Über­gang zum »Natio­nal­kom­mu­nis­mus«.

Zwei­tens wird in vor­lie­gen­dem Werk deut­lich, daß sich der von Legio­närs­sym­pa­thi­san­ten als »Ver­rat« gewer­te­te Schritt Hit­lers, 1940ff. nicht auf die Legi­on, son­dern auf deren rech­te Tod­fein­de zu bau­en, Jah­re vor­her abzeich­ne­te. Bereits zu Leb­zei­ten Cod­re­a­nus war man im Drit­ten Reich stär­ker an sei­nen Fein­den um Octa­vi­an Goga und A. C. Cuza inter­es­siert; Juli­us Strei­cher und Alfred Rosen­berg sorg­ten für eine Ori­en­tie­rung Hit­lers in Rich­tung der anti­se­mi­ti­schen, königs­treu­en Natio­nal­christ­li­chen Par­tei (PNC), der man sich näher fühl­te als den pro­le­ta­risch-sozia­lis­ti­schen und christ­lich-ortho­do­xen Aske­ten der Cod­re­a­nu-Bewe­gung. Und 1940 stütz­ten die Deut­schen zwar die Ent­ste­hung des »natio­nal-legio­nä­ren« Staa­tes unter Mar­schall Ion Anto­nes­cu und dem blas­sen Cod­re­a­nu-Nach­fol­ger Horia Sima, bestärk­ten Anto­nes­cu aber in sei­nem Unter­fan­gen, sich der Legio­nä­re zu ent­le­di­gen. Vie­le von ihnen lan­de­ten in Konzentrationslagern.

Oli­ver Jens Schmitt gelingt im Schluß­teil des Buches ein her­vor­ra­gen­der Blick auf das Fort­le­ben Cod­re­a­nus in der rumä­ni­schen Nach­kriegs­ge­sell­schaft. Ins­ge­samt zeigt der gebür­ti­ge Bas­ler, daßes mög­lich ist, eine wis­sen­schaft­li­che Bio­gra­phie eines Faschis­ten­füh­rers vor­zu­le­gen, die ohne rau­nen­de Spe­ku­la­tio­nen aus­kommt. Schmitts Bio­gra­phie ist somit das Gegen­stück zu Hans Wol­lers Mus­so­li­ni-Bio­gra­phie (vgl. Sezes­si­on 73).

Oli­ver Jens Schmitt: Ca˘pitan Cod­re­a­nu kann man hier bestel­len .

 

 

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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