Erstmals werden die Junge Alternative für Deutschland (JA), und die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. (IBD) jeweils als Verdachtsfall und als „gesichert rechtsextremistisch“ aufgeführt werden. Eine Vorstellung des Berichts sollte diesen Dienstag folgen, wurde aber ohne Begründung vom Innenministerium kurzfristig abgesagt.
Beide Vereine haben hiergegen Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin gesucht; beide vergeblich. Besondere Bedeutung kommt dabei dem am vergangenen Freitag ergangenen Beschluß des Gerichts zu, mit dem es den Antrag der IBD auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ablehnte. Denn anders als in vergleichbaren Fällen erging dieser Beschluß im Rahmen eines seit zweieinhalb Jahren laufenden Hauptsacheverfahrens.
Das Verwaltungsgericht entschied also nicht nur aufgrund einer überschlägigen Bewertung des Sachverhalts und der Rechtslage, sondern auf der Grundlage einer vollständigen Kenntnis aller Fakten und Rechtsnormen. Das Urteil in der Hauptsache (das für die zweite Jahreshälfte in Aussicht steht) ist somit vorgezeichnet. Daher lohnt sich eine nähere Analyse.
Zunächst grundsätzlich: Womit begründet der deutsche Staat – ich schreibe bewußt nicht „Verfassungsschutz“, weil es eben nicht um eine einzelne Behörde geht, die irgendwie „aus dem Ruder läuft“, sondern um den Staat insgesamt – seine Negativbewertung der IBD und anderer rechter Organisationen?
Die zentralen Angriffspunkte sind: der ethnische Volksbegriff, die Steuerung der Einwanderung nach ethnischen Kriterien und die Ablehnung des Liberalismus. (Alle weiteren Begründungsversuche für den angeblichen Extremismus sind nur unterstützend und tragen nur mit Bezug auf die genannten Hauptpunkte.)
Ihre rechtliche Verortung finden sie alle fast ausschließlich in einer einzigen Norm des Grundgesetzes, die sich als juristische Allzweckwaffe erweist: Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Die Argumentation geht so: Wer ein ethnisch geprägtes deutsches Volk erhalten wolle, wer die Einwanderung nach ethnischen Kriterien regulieren wolle, der unterscheide zwischen Menschen nach deren für sie unabänderlichen, jedenfalls zum Teil biologisch bedingten Gruppenzugehörigkeit. Dies sei eine rassisch motivierte Diskriminierung und eine Abwertung von Menschen der einen Gruppe gegenüber denen der anderen. Eine solche Diskriminierung und Abwertung mißachte den jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zukommenden Wert und verletze damit seine Würde.
Weiter behaupten die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, es gebe kein ethnisch geprägtes deutsches Volk; vielmehr gebe es ein deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, das vom Gesetzgeber festgelegt werde und das regele, wer Deutscher sei und wer nicht. Mit ethnischen Kriterien habe das überhaupt nichts zu tun; es gebe auch keinen deutschen Nationalstaat. Zur Begründung wird immer gerne eine Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil im NPD-Verfahren zitiert: Das Grundgesetz kenne einen ausschließlich an ethnischen Kriterien orientierten Begriff des Volkes nicht. Entscheidend ist hier freilich das Wort „ausschließlich“.
Hinsichtlich der Ablehnung des Liberalismus schließlich heißt es von seiten des Staates: Wer den Liberalismus ablehne, der strebe folglich einen Kollektivismus an, der die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Individuen mit Füßen trete und damit deren Würde verletze.
Allen diesen Argumentationen liegt offensichtlich eine simplizistische, rein dichotomische Betrachtungsweise zugrunde, die blind ist für Grautöne, für Übergänge, für Maß und Mitte.
Weder liegt in der Bevorzugung der Angehörigen eines Volkes gegenüber denjenigen eines anderen eine Abwertung der letzteren, da es doch gar nicht um eine Bewertung von Menschen (oder von Völkern) geht sondern um eine Einschätzung über ihre Passung zu einem selbst und zum eigenen Volk;
noch bedeutet die Abwendung von einem Extrem – dem Liberalismus – eine Hinwendung zum andern – dem Kollektivismus, da doch in der Mitte zwischen beiden der Kommunitarismus steht;
und das Beharren darauf, daß Deutschland der Idee nach der Staat eines historisch gewachsenen, zur Nation gewordenen Volkes – eines Ethnos – ist, hat mitnichten zur Konsequenz, deutsche Staatsangehörige, die nicht im ethnischen Sinn Deutsche sind, in irgendeiner Weise zu diskriminieren; denn Einwanderung hat es immer gegeben, und ein Volk ist in der Lage, Fremde aufzunehmen und zu assimilieren.
Wie hat nun das VG Berlin seine Entscheidung gegen die IBD begründet? Drei Punkte sind hervorzuheben
1. Der Beschluß wirkt ordentlich und im Bemühen um Sachlichkeit geschrieben. Ausführlich gibt er programmatische Stellungnahmen der IBD wieder, um die Berechtigung der Einschätzung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ zu begründen. Diese Wiedergabe ist zum allergrößten Teil korrekt. Es gibt jedoch bezeichnenderweise ganz wesentliche Ausnahmen:
An zwei Stellen behauptet das Gericht, das Idealbild der IBD bestehe in dem Nebeneinander ethnisch „reiner“ Völker, wobei es das Wort „rein“ bzw. „Reinheit“ jeweils in Anführungsstriche setzt und damit den Eindruck erweckt, es handle sich um ein Zitat – was nicht der Fall ist und nicht sein kann, da im Gegenteil die Identitäre Bewegung sich immer ganz bewußt und entschieden von allen Absolutheits- und Reinheitsvorstellungen distanziert hat. Ihr ging und geht es immer nur um eine relative Homogenität.
Das Gericht gibt zunächst weitgehend zutreffend die mit dem Grundgesetz übereinstimmende Auffassung der IBD wieder, daß das deutsche Volk, verstanden als das historisch gewachsene ethnisch geprägte Staatsvolk, Subjekt der Demokratie des deutschen Staates ist. Dem setzt es jedoch völlig unpassenderweise die oben zitierte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts entgegen und insinuiert damit fälschlich, die IBD definiere den Begriff des deutschen Volkes ausschließlich ethnisch.
Tatsächlich jedoch hat die IBD in ihrer Antragsschrift klar zum Ausdruck gebracht, daß die materielle Charakterisierung des deutschen Volkes als ethnisch geprägt unscharf ist und politisch nur als Leitlinie dienen kann, während alle konkreten Bürgerrechte über den formalen Begriff der Staatsangehörigkeit, erweitert durch die Bestimmung des Art. 116 Abs. 1 GG, vermittelt werden. Auf sublime aber entscheidende Weise verfälscht das Verwaltungsgericht also in seiner Begründung die Position der IBD, und die Vermutung liegt nahe, daß die Kammer diese Verfälschung für erforderlich hielt, um den Antrag zurückweisen zu können.
2. Das Gericht begründet den Beschluß nach der Maxime: Der Überbringer der schlechten Nachricht wird bestraft. Die Kammer gibt die Analyse der durch den Großen Austausch bewirkten gesellschaftlichen Veränderungen, die von der IBD immer wieder publiziert wird, zutreffend wieder; aber ohne auch nur den Versuch zu machen, sie als unrichtig zu erweisen, wird sie als Beweis für eine angeblich pauschal gegen Ausländer gerichtete und damit in der Sicht des Gerichts menschenwürdewidrige Haltung gewertet. Dies nun ist kein juristisches sondern ein ideologisches Verfahren: Äußerungen und Verhalten des Rechtsuchenden werden nicht anhand ihres Bezugs zur Wirklichkeit bewertet sondern anhand ihres Bezugs zur herrschenden Ideologie.
3. Schließlich: Das VG Berlin geht mit keiner Silbe darauf ein, daß der Grundgedanke der Identitären Bewegung, das Prinzip des Ethnopluralismus‘, nichts anderes ist als eines der Fundamente des Völkerrechts: der Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das gesamte übernationale Recht, das Völkerrecht spielt für das Gericht keine Rolle. Dies mag in einer Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verständlich sein. Doch ist es auch signifikant für die Haltung des deutschen Staates gegenüber dem deutschen Volk und denjenigen, die sich für seine Interessen einsetzen: Das Völkerrecht kann ihm, dem Staat, nur als minderwertig erscheinen und die UNO nur als eine rassistische Organisation.
Welche Erkenntnisse und Folgerungen ergeben sich aus dem Beschluß? Es sind vor allem diese:
- Es sind nicht irgendwelche grenzwertigen, befremdlichen, abseitigen Positionierungen, die patriotischen Akteuren das Siegel „rechtsextremistisch“ einbringen, sondern allein schon das Festhalten am Völkerrecht, an den Vorgaben des Grundgesetzes und an dem, worauf es sich bezieht: dem deutschen Volk.
- Es sind nicht irgendwelche subalternen Beamten in den Ämtern für Verfassungsschutz, die mit an den Haaren herbeigezogenen Konstruktionen den Extremismusstempel vergeben, sondern es ist der deutsche Staat, der mit einer in sich stimmigen, freilich auf willkürlichen ideologischen Setzungen basierenden, gegen Falsifikation durch Abschottung gegenüber der Wirklichkeit geschützten Argumentation die Diskriminierung betreibt.
- Diese beiden Feststellungen führen unausweichlich zu der Frage: Hat es Sinn, in dieser Lage als Rechter weiter für das Recht zu streiten? Die Antwort muß jeder Akteur im patriotischen Lager für sich selbst finden. Die IBD hat sich dafür entschieden, ihren geraden Weg weiterzugehen. Das birgt auch das Risiko des Scheiterns. Der Lohn liegt darin, sich auch weiterhin morgens im Spiegel ansehen zu können.
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Gerhard Vierfuß ist Rechtsanwalt und vertritt die Identitäre Bewegung Deutschland in ihren Rechtsstreitigkeiten mit der Bundesrepublik Deutschland. Hier twittert er.
Ein gebuertiger Hesse
Ja, das mit dem Sich-noch-im-Spiegel-ansehen-können muß immer gewährleistet sein. Wer hierfür Sorge trägt, tut das Richtige. Die anderen - auch an dieser Stelle nicht.
Hoffe, Leute wie Herr Vierfuß können was bewegen. Ihnen gilt unser Dank.