Der Fotograph Robert Capa hat es im September 1936 geschossen, der Fallende wurde meistens als “Loyalist” und gelegentlich als der Anarchist Federico Borrell Garcia identifiziert (was sehr wahrscheinlich ebenfalls eine Legende ist.)
Mehr als siebzig Jahre später haben nun Nachforschungen zweifelsfrei ergeben, daß das Foto gestellt wurde: in der Landschaft, die im Hintergrund zu sehen ist, fanden im fraglichen Zeitraum keine Kämpfe statt; ein zweites Foto zeigt einen anderen fallenden Soldaten auf exakt derselben Stelle; und schließlich existiert eine ganze Serie von Bildern der Milizionäre, während sie spielerisch für Capa posieren, offensichtlich am selben Tag und selben Ort aufgenommen. Berichte mit Bildmaterial gibt es hier, und hier (ein älteren Text aus dem Jahr 2002, der die Authentizität des Bildes zu beweisen sucht; dies wird jedoch in den Kommentarspalten sachkundig bestritten). Ende Juli erschien auch ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung.
Einig sind sich die Kommentatoren, daß die Enthüllung der Manipulation den Wert des Fotos in künstlerischer, journalistischer wie moralischer Hinsicht nachhaltig herabsetzt. Capa, ein aus Ungarn stammender Jude, der 1936 gerade erst 22 Jahre alt und ein überzeugter Parteigänger der Linken war, wurde später einer der verwegensten und verdientesten Kriegsfotographen. Sein Engagement bezahlte er schließlich mit seinem Leben – er kam 1954 in Indochina durch eine Landmine um. Es ist ironisch, daß am Anfang seiner Karriere eine Fälschung stand, frei nach dem amerikanischen Erfolgsmotto “Fake it till you make it”.
Das Foto des “sterbenden” Milizionärs ist nur eine von vielen “gemachten” Ikonen, die unser Bild der Geschichte geprägt haben. Die Befestigung der amerikanischen Flagge auf dem Mount Suribachi gehört ebenso dazu wie die der sowjetischen auf dem zerstörten Reichstag. Diese Bilder “funktionieren” jedoch nur durch etwas Drittes, das zwischen ihnen und dem Betrachter unsichtbar aus dem Bildhintergrund heraus wirkt, nämlich die Behauptung oder Annahme einer faktischen Realität des von der Kamera festgehaltenen “magischen Momentes”. Wir verlangen, daß die Epiphanie “echt” sei, und nicht bloß eine symbolische Inszenierung, unsere Mythen dürfen nicht bloß etwas “Geglaubtes” sein, sondern müssen den Fakten einer Zeitung entsprechen. Darum ist auch der Kampf um “Wahrheit” in der Geschichtspolitik immer auch ein Kampf um die Gültigkeit von Symbolen, Ikonen, Repräsentationen.
Der Spanische Bürgerkrieg ist in dieser Hinsicht besonders interessant: hier wurde die Geschichte ausnahmsweise nicht durch den Sieger geschrieben, zumindest nicht außerhalb der Grenzen des geographisch und politisch eher randständigen Landes. Es gibt eben im 20. Jahrhundert spätestens seit 1917 keine nationale Geschichte mehr, die sich aus dem Kontext des Weltbürgerkriegs herauslösen ließe. So ist auch der Spanische Bürgerkrieg nur eine Episode in einer weitaus größeren Auseinandersetzung gewesen. Auf globaler Ebene hat die Partei Francos den Krieg propagandistisch verloren, dank der massiven Unterstützung durch Künstler, Schriftsteller und Journalisten aus aller Welt, von Capa über Picasso bis zu Hemingway und Malraux. Ihr größter Coup war dabei zweifellos, die Anklage gegen Franco in eine Anklage gegen den Krieg schlechthin (also nicht nur den spanischen) umzumünzen. Wer Macht über die Bilder hat, hat auch Macht über die Geschichte.
Update: Und noch eine Jahrhundert-Legende demontiert – Hitler hat Jesse Owens doch die Hand geschüttelt.