Wiedervorlage (17): Wer hat vor einem Jahr unsere Pipelines gesprengt?

von Alfred de Zayas -- Übernommen von counterpunch.org und übersetzt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Im Juni 1971, auf dem Höhe­punkt des Viet­nam­kriegs, ver­öf­fent­lich­te Dr. Dani­el Ells­berg in der New York Times und der Washing­ton Post die so genann­ten “Pen­ta­gon Papers”.

Ells­berg war ein Mili­tär­be­ra­ter der US-Regie­rung (als sol­cher lang­jäh­rig für den Thinktank Rand Cor­po­ra­ti­on tätig) und Pro­fes­sor am Mas­sa­chu­setts Insti­tu­te of Technology.

Die „Pen­ta­gon Papers“ beinhal­ten 47 Bän­de ver­trau­li­cher Unter­la­gen, die etwa 7000 Sei­ten gehei­mer Regie­rungs­be­rich­te umfas­sen. Hier­in wird die Ver­wick­lung der USA in “schmut­zi­ge Tricks” und ille­ga­le Aktio­nen unter den Prä­si­den­ten Tru­man, Eisen­hower, Ken­ne­dy, John­son und Nixon dokumentiert.

Die Doku­men­te beleg­ten, daß die­se in ihren Amts­zei­ten auf­ein­an­der­fol­gen­den US-Prä­si­den­ten das ame­ri­ka­ni­sche Volk belo­gen hat­ten, daß Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen orga­ni­siert, “Fake News” ver­brei­tet und von den jewei­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­tern gefälsch­te Berich­te her­aus­ge­ge­ben wor­den waren.

Wie ein Redak­teur der New York Times schrieb,

hat­te die John­son-Regie­rung nicht nur die Öffent­lich­keit, son­dern auch den Kon­greß sys­te­ma­tisch über ein The­ma von über­ge­ord­ne­tem natio­na­len Inter­es­se belogen.

Die logi­schen Aus­wir­kun­gen der Pen­ta­gon Papers wur­den dem dama­li­gen Prä­si­den­ten Richard Nixon von sei­nem Stabs­chef H.R. Hal­de­man kurz und bün­dig dar­ge­legt. Im End­ef­fekt wür­de das ame­ri­ka­ni­sche Volk durch sol­che Ent­hül­lun­gen das Gefühl bekom­men wür­de, daß

man der Regie­rung nicht trau­en kann; man kann nicht glau­ben, was sie sagt; und man kann sich nicht auf ihr Urteils­ver­mö­gen ver­las­sen; … das unaus­ge­spro­che­ne Ver­trau­en in die Unfehl­bar­keit von Prä­si­den­ten, das in Ame­ri­ka eine vor­herrsch­te, wird dadurch schwer ver­letzt, weil es zeigt, daß … der Prä­si­dent im Unrecht sein kann.

Dar­auf­hin bean­trag­te Nixon eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung, um die wei­te­re Ver­öf­fent­li­chung zu ver­hin­dern, ver­lor den Fall jedoch vor dem Obers­ten Gerichts­hof der USA, der mit sechs zu drei Stim­men ent­schied, daß die Ver­öf­fent­li­chung recht­mä­ßig sei, da die Pres­se­frei­heit eine der “moder­nen Säu­len” der Rech­te des Ers­ten Ver­fas­sungs­zu­sat­zes sei.

Im Nach­hin­ein erken­nen wir, daß Dr. Ells­berg ethisch kor­rekt gehan­delt und dem ame­ri­ka­ni­schen Volk einen Dienst erwie­sen hat, indem er Ver­bre­chen auf­deck­te, die in unse­rem Namen began­gen wur­den, die aber von den nach­fol­gen­den Regie­run­gen ver­tuscht oder geleug­net wur­den. Wie Dr. Ells­berg sag­te, als er sich am 28. Juni 1971 dem US-Bezirks­ge­richt für den Bezirk Mas­sa­chu­setts stellte,

war mir, als ame­ri­ka­ni­schem Bür­ger, als ver­ant­wor­tungs­be­wuß­tem Bür­ger, klar, daß ich die­se Infor­ma­tio­nen vor der ame­ri­ka­ni­schen Öffent­lich­keit nicht län­ger ver­ber­gen konn­te. Ich habe dies ein­deu­tig auf eige­ne Gefahr hin getan und bin bereit, für alle Kon­se­quen­zen die­ser Ent­schei­dung einzustehen.

Wie ich selbst in einem Buch über Geheim­hal­tung in der Regie­rung geschrie­ben habe, ermög­licht Geheim­hal­tung Ver­bre­chen und erleich­tert Geschichtsklitterung.

Ells­berg wur­de unter dem archai­schen Espio­na­ge Act (1917, erlas­sen nach dem Ein­tritt der USA in den Ers­ten Welt­krieg) wegen Spio­na­ge, Dieb­stahls und Ver­schwö­rung ange­klagt, was 115 Jah­re Gefäng­nis hät­te bedeu­ten kön­nen. Wäh­rend sei­nes Pro­zes­ses im Jahr 1973 ver­such­te Ells­berg, sei­ne Hand­lun­gen zu erklä­ren: Die Doku­men­te sei­en unrecht­mä­ßig als geheim ein­ge­stuft wur­den, und zwar nicht, um sie vor einem feind­li­chen Zugriff, son­dern vor dem der ame­ri­ka­ni­schen Öffent­lich­keit zu schüt­zen. Das Gericht erklär­te die­ses Begrün­dung jedoch für “irrele­vant” und Ells­berg wur­de zum Schwei­gen gebracht, bevor er über­haupt damit begin­nen konn­te, sich zu verteidigen.

2014 schrieb Ells­berg in The Guar­di­an, daß sein

Anwalt ver­är­gert sag­te, er habe noch nie von einem Fall gehört, in dem ein Ange­klag­ter den Geschwo­re­nen nicht sagen durf­te, war­um er tat, was er tat. Der Rich­ter ant­wor­te­te: “Nun, jetzt ken­nen Sie einen”.

Den­noch gelang es Ells­bergs Anwalt, dem Har­vard-Pro­fes­sor Charles Nes­son (bei dem ich selbst übri­gens 1967–68 stu­dier­te), nach­zu­wei­sen, daß die Regie­rung ille­ga­le Abhör­maß­nah­men durch­ge­führt und die Staats­an­walt­schaft der Ver­tei­di­gung ent­schei­den­de Bewei­se vor­ent­hal­ten hatte.

Der Pro­zeß dau­er­te vier Mona­te und ende­te mit der Abwei­sung aller Ankla­ge­punk­te. Dr. Ells­berg wur­de zum berühm­tes­ten Whist­le­b­lower in der Geschich­te der USA, und eini­gen Leu­ten wur­de lang­sam klar, daß der Geheim­hal­tung und dem, was Regie­run­gen tun dür­fen, kla­re Gren­zen gesetzt sei­en. Whist­le­b­lower waren kei­ne Ver­rä­ter, son­dern Bür­ger mit Gewis­sen und staats­bür­ger­li­cher Ver­ant­wor­tung, ech­te Menschenrechtsverteidiger.

Wer heu­te die „Pen­ta­gon Papers“ liest, dürf­te ein “Déjà-vu”-Gefühl haben – aber als ich vor 50 Jah­ren die Berich­te las, emp­fand ich erst Ent­täu­schung über unse­re Regie­rungs­be­am­ten, dann Trau­rig­keit, dann Wut. Mei­ne Ide­al­vor­stel­lung von einer rechts­staat­li­chen Regie­rung, einer Regie­rung, die sich für das Wohl des ame­ri­ka­ni­schen Vol­kes ein­setzt und eine gerech­te Welt schaf­fen will, brach in sich zusammen.

Ob es mir nun gefiel oder nicht, ich muß­te ein­se­hen, daß Per­so­nen, denen ich bis dahin ver­traut hat­te, mich und ganz Ame­ri­ka im Stich gelas­sen hat­ten. Der Krieg in Viet­nam war kein “Bür­ger­krieg”, son­dern eine ein­deu­ti­ge Aggres­si­on der Ver­ei­nig­ten Staa­ten gegen das viet­na­me­si­sche Volk, nicht zu des­sen oder unse­rem Wohl, son­dern zur Befrie­di­gung der Ideo­lo­gen in den ame­ri­ka­ni­schen Denk­fa­bri­ken, des mili­tä­risch-indus­tri­el­len Kom­ple­xes, den Eisen­hower bereits 1961 ver­ur­teilt hat­te, und der­je­ni­gen, die die “Domino”-Theorie erfun­den hatten.

Die Lügen und Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen wur­den von sämt­li­chen Medi­en ver­brei­tet, und vie­le mei­ner Freun­de aus der High School und dem Col­lege hat­ten sich frei­wil­lig gemel­det, um in Viet­nam für die “Demo­kra­tie” zu kämp­fen. Drei mei­ner Freun­de wur­den getö­tet. Sie opfer­ten ihr Leben nicht für “Demo­kra­tie” oder “Gerech­tig­keit”, son­dern für die geo­po­li­ti­schen Illu­sio­nen eini­ger grö­ßen­wahn­sin­ni­ger und fehl­ge­lei­te­ter “Intel­lek­tu­el­ler” in Washington.

Ich fühl­te mich an das Sprich­wort erin­nert:  “Der Weg zur Höl­le ist mit guten Absich­ten gepflastert”.

Spu­len wir nun vor zum „Desert Storm“, dem Krieg gegen den Irak 1991 wegen sei­ner Erobe­rung Kuwaits im Jahr davor, die Sad­dam Hus­sein unter den Auge von US-Beam­ten ange­ord­net hat­te; spu­len wir vor zu den Pro­pa­gan­da­lü­gen, mit denen das ame­ri­ka­ni­sche Volk davon über­zeugt wer­den soll­te, daß Sad­dam ein wei­te­rer Hit­ler sei; den­ken wir an die Bom­bar­die­rung Jugo­sla­wi­ens durch die NATO im Jahr 1999, an die geziel­ten Über­trei­bun­gen bezüg­lich der eth­ni­schen Säu­be­run­gen im Koso­vo, den­ken wir an die Ver­su­che, die nach dem Krieg unter­nom­men wur­den, um die­sen Angriff zu rechtfertigen.

Ändern Sie die Namen und die Orte, und wir haben ähn­li­che Sze­na­ri­en von Regie­rungs­fehl­ver­hal­ten, Geheim­hal­tung, Ver­tu­schung, Des­in­for­ma­ti­on, gefälsch­ten Berich­ten und Gräu­el­ge­schich­ten wie in den Pen­ta­gon Papers.

Wir kön­nen auf den anhal­ten­den Infor­ma­ti­ons­krieg bli­cken, der dar­auf abzielt, den Anspruch der USA auf die Welt­herr­schaft zu recht­fer­ti­gen, ihn in den Augen des ame­ri­ka­ni­schen Vol­kes zu recht­fer­ti­gen, damit es plau­si­bel erscheint, daß das, was unse­re Regie­rung sagt, wahr ist und das, was die Regie­rung tut, gerecht. Die Bewei­se fin­den sich über­all im Inter­net und in wis­sen­schaft­lich recher­chier­ten Büchern.

Wir müs­sen nur unse­re Augen öff­nen, lesen und mit unse­ren Freun­den dis­ku­tie­ren. Aber zuerst muß es uns wie Schup­pen von den Augen fal­len und wir müs­sen kapie­ren, was das ame­ri­ka­ni­sche Volk 1971 kapiert hat: daß unse­re Regie­rung sys­te­ma­tisch lügt.

Wir haben es mit ähn­li­chen Sze­na­ri­en in unse­ren Krie­gen in Jugo­sla­wi­en und in Afgha­ni­stan zu tun, in Liby­en (2011), in Syri­en (lau­fend), bei den Ereig­nis­sen auf dem Mai­dan im Jahr 2014, auf der Krim und im Don­bass sowie beim Stell­ver­tre­ter­krieg der USA/NATO in der Ukrai­ne seit 2022.

Wir schwim­men in einem Meer von offi­zi­el­len Lügen. Am auf­schluß­reichs­ten ist die Betei­li­gung der USA an der Spren­gung der Nord­stream-Pipe­lines und deren Leugnung.

Aber zurück zur hoch­amt­li­chen Mani­pu­la­ti­on der öffent­li­chen Mei­nung, die in den Pen­ta­gon Papers auf­ge­deckt wur­de. Wie kann es sein, daß wir aus die­sen Ent­hül­lun­gen nichts gelernt haben? Und wie kön­nen wir nach den spek­ta­ku­lä­ren Lügen, die uns unse­re Regie­run­gen über Sad­dam Hus­sein und sei­ne Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen erzählt haben, nach der unver­hoh­le­nen Lüge vor dem UN-Sicher­heits­rat, nach der Ent­hül­lung von Kriegs­ver­bre­chen und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit im Irak und in Afgha­ni­stan durch Wiki­leaks noch irgend­et­was glau­ben, was das Außen­mi­nis­te­ri­um oder das Pen­ta­gon uns erzählt?

War­um wol­len vie­le Ame­ri­ka­ner immer noch die unglaub­li­chen Demen­tis des Außen­mi­nis­te­ri­ums und des Pen­ta­gons glau­ben, wenn es um Nord­stream geht? Wor­an liegt es, daß die Main­stream­m­e­di­en heu­te kei­ne Wäch­ter mehr sind, son­dern als Echo­kam­mer für die Regie­rungs­pro­pa­gan­da fun­gie­ren, oder schlim­mer noch, wenn die Medi­en zu Kampf­hun­den wer­den, die die­je­ni­gen ein­schüch­tern und zen­sie­ren, die von der offi­zi­el­len Dar­stel­lung abwei­chen? Was ist in den letz­ten 50 Jah­ren aus der New York Times, der Washing­ton Post und dem Groß­teil der “Qua­li­täts­pres­se” geworden?

Es scheint, als habe nur die US-Regie­rung aus den Pen­ta­gon Papers gelernt. Sie haben gelernt, das Risi­ko von Ver­öf­fent­li­chun­gen bes­ser zu kon­trol­lie­ren, Ver­bre­chen bes­ser zu ver­schlei­ern und die Main­stream-Medi­en nicht von der Lei­ne zu lassen.

Das führt dazu, daß ein pro­mi­nen­ter Har­vard-Pro­fes­sor, Jef­frey Sachs, aus der Sen­dung gewor­fen wird, als er der offi­zi­el­len Linie wider­spricht und das Offen­sicht­li­che sagt – daß die USA hin­ter der Spren­gung von Nord­stream stecken.

Obgleich die Ent­hül­lun­gen in den Pen­ta­gon Papers von enor­mer und drin­gen­der Bedeu­tung für unse­re Wahr­neh­mung des Krie­ges in der Ukrai­ne sind, bestimmt die US-Regie­rung die Musik, und die­je­ni­gen, die nicht nach ihrer Pfei­fe tan­zen wol­len, wer­den igno­riert, dif­fa­miert und lächer­lich gemacht.

Dani­el Ells­berg war und ist auf der rich­ti­gen Sei­te der Geschich­te und des gesun­den Men­schen­ver­stan­des, wenn er uns dar­an erin­nert, daß unge­ach­tet des gan­zen Nar­ra­tiv­ma­nage­ments unse­rer Regierung

ein schei­tern­der Krieg genau­so pro­fi­ta­bel ist wie ein gewon­ne­ner … Es ist der alte latei­ni­sche Slo­gan, Cui Bono, wer pro­fi­tiert? … Wir sind schließ­lich kei­ne euro­päi­sche Nati­on und wir haben kei­ne beson­de­re Rol­le in der Euro­päi­schen Uni­on. Aber in der NATO – das ist, wie die Mafia sagt, Cosa Nos­t­ra, unse­re Sache – kon­trol­lie­ren wir die NATO ziem­lich genau, und die NATO gibt uns einen Vor­wand und einen Grund, jetzt enor­me Men­gen an Waf­fen an die ehe­ma­li­gen War­schau­er-Pakt-Staa­ten zu ver­kau­fen … Russ­land ist ein unver­zicht­ba­rer Feind.

Heu­te brau­chen wir mehr denn je eine freie Pres­se, aber wir haben sie nicht. Wir brau­chen Ent­hül­lungs­jour­na­lis­ten wie Sey­mour Hersh, aber sie sind eine fast aus­ge­stor­be­ne Spe­zi­es. Wir brau­chen eine star­ke alter­na­ti­ve Pres­se, die uns die Infor­ma­tio­nen lie­fert, die von der “Qua­li­täts­pres­se” unter­drückt werden.

Wir brau­chen Aka­de­mi­ker mit Mut und intel­lek­tu­el­ler Red­lich­keit wie die Pro­fes­so­ren Nils Mel­zer, John Mears­hei­mer, Jef­frey Sachs, Richard Falk, die genau wis­sen, wel­chen Preis sie ihr Ein­ste­hen für Wahr­heit und Rechts­staat­lich­keit kos­tet. Wir brau­chen Whist­le­b­lower, die genau wis­sen, was bei der Spren­gung der Nord­stream-Pipe­lines pas­siert ist.

Schwei­gen in sol­chen Fäl­len ist nicht ehren­haft. Es bedeu­tet, ter­ro­ris­ti­sche Akti­vi­tä­ten zu ver­tu­schen. Wir brau­chen Doku­men­ta­tio­nen und Hol­ly­wood-Fil­me, die die Öffent­lich­keit dar­über auf­klä­ren, was heu­te geschieht und wie sich das auf die Zukunft nicht nur der Ame­ri­ka­ner, son­dern auch der übri­gen Welt aus­wir­ken wird.

Wir brau­chen einen neu­en 20th Cen­tu­ry Fox-Block­bus­ter wie The Post, mit einer Geschich­te über die Lügen und die Ver­tu­schung im Vor­feld der Krie­ge in Jugo­sla­wi­en, Afgha­ni­stan, Irak, Liby­en, Syri­en und der Ukrai­ne. Wir brau­chen seriö­se Doku­men­tar­fil­me über das “extra­or­di­na­ry rendition”-Programm, über Fol­ter in Abu Ghraib und Guan­ta­na­mo, über die Spren­gung der Nordstream-Pipelines.

Wer wird die Rol­len von Geor­ge W. Bush, Barak Oba­ma, Donald Trump, Joe Biden, Ant­o­ny Blin­ken und Vic­to­ria Nuland spie­len? Wer wird die Rol­len von Juli­an Assan­ge, Edward Snow­den, Chel­sea Man­ning, Jef­frey Ster­ling, John Kiria­kou spielen?

Ich schla­ge kei­nen Film mit einer ein­fa­chen Schwarz­weiß-Hand­lung vor – das Gute gegen das Böse. Ich mei­ne einen Film mit all den kom­ple­xen Zusam­men­hän­gen, die ein Inter­es­sen­aus­gleich erfor­dert, der die Gewis­sens­kri­se von Regie­rungs­be­am­ten ver­deut­licht, die die Wahr­heit der Zweck­mä­ßig­keit opfern, von “Patrio­ten”, die nur “right or wrong – my coun­try” sehen und die nicht in der Lage sind zu ver­ste­hen, daß Patrio­tis­mus auf lan­ge Sicht Wahr­heit und Klug­heit erfordert.

Ein sol­cher Film soll­te die exis­ten­zi­el­le Angst von Whist­le­b­lo­wern spür­bar machen, die gro­ße per­sön­li­che Risi­ken ein­ge­hen – weil sie es müs­sen, weil ihr Gewis­sen sie zum Han­deln zwingt. In die­sem Zusam­men­hang ist es auch wich­tig, die Ver­fol­gung von Juli­an Assan­ge und die Mit­schuld der Medi­en an sei­ner Ver­fol­gung zu the­ma­ti­sie­ren. Ist irgend­et­was von den Grund­satz­ur­tei­len des Obers­ten Gerichts­hofs übrig­ge­blie­ben, die 1971 in der Sache New York Times Co. gegen die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ent­schie­den und im Frei­spruch-Ver­fah­ren für Dani­el Ells­berg 1973?

Zu den Lek­tio­nen, die wir noch ler­nen müs­sen, gehört, daß wir, weil alle Regie­run­gen lügen, man­che mehr, man­che weni­ger, von allen unse­ren gewähl­ten Beam­ten und Insti­tu­tio­nen Trans­pa­renz und Rechen­schafts­pflicht ver­lan­gen müs­sen. Und selbst dann müs­sen wir eine gesun­de Skep­sis gegen­über dem pfle­gen, was wir in den Medi­en lesen.

Wir wis­sen, dass wir schon ein­mal belo­gen wur­den, und wir müs­sen damit rech­nen, auch in Zukunft belo­gen zu wer­den. Wir sind es uns selbst und unse­rer Zivi­li­sa­ti­on schul­dig, wach­sam zu blei­ben, wenn es um die Kor­rup­ti­on bestimm­ter Insti­tu­tio­nen und den all­ge­mei­nen Ver­trau­ens­ver­lust infol­ge von Ver­stö­ßen gegen die Rechts­staat­lich­keit geht.

Wir brau­chen mehr Whist­le­b­lower, nicht weni­ger. Wir brau­chen auch eine Char­ta der Rech­te von Whist­le­b­lo­wern, damit sie nicht län­ger der Ver­fol­gung und bös­ar­ti­gen Straf­ver­fol­gung aus­ge­setzt sind. Wir müs­sen den Mut haben zu begrei­fen, daß die glei­chen Kräf­te, die uns die Kata­stro­phen in Viet­nam und Afgha­ni­stan beschert haben, uns wahr­schein­lich auch in der Ukrai­ne und anders­wo wei­te­re Kata­stro­phen besche­ren werden.

Wir müs­sen ler­nen zu akzep­tie­ren, daß die uni­po­la­re Welt ein Dino­sau­ri­er ist und daß das Über­le­ben der Mensch­heit einen Kom­pro­miß erfor­dert, einen ver­nünf­ti­gen Modus viven­di, der auf der UN-Char­ta beruht und von einem Gefühl der Brü­der­lich­keit in inter­na­tio­na­ler Soli­da­ri­tät getra­gen wird.

– – –

Blei­ben Sie auf dem neu­es­ten Stand:
Abon­nie­ren Sie hier unse­ren Tele­gramm-Kanal.
Abon­nie­ren Sie uns hier bei twit­ter.
Tra­gen Sie sich hier in unse­ren Rund­brief ein.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.