Der weichgezeichnete Marx

pdf der Druckfassung aus Sezession 5 / April 2004

sez_nr_5von Konrad Löw

3,3 Millionen Zuschauer beteiligten sich am 29. November 2003 an der Abstimmung Unsere Besten im Zweiten Deutschen Fernsehen, 778 984 sorgten dafür, daß Konrad Adenauer auf den ersten Platz kam. Für Karl Marx stimmte über eine halbe Million, was ihm – nach Martin Luther – Rang drei einbrachte. Die Bewohner der neuen Bundesländer hielten Marx mehrheitlich sogar für „Unseren Besten“.

Ist dar­an etwas anstö­ßig? Bevor man mit Ja oder Nein ant­wor­tet, erscheint es gebo­ten, über Marx und sei­ne Aus­wir­kun­gen nach­zu­den­ken. Schließ­lich haben – wie heu­te unbe­strit­ten – beken­nen­de Mar­xis­ten den Tod von über 85 Mil­lio­nen Men­schen zu ver­ant­wor­ten. Das „Schwarz­buch des Kom­mu­nis­mus“, vor fünf Jah­ren in Deutsch­land erschie­nen, bie­tet die Bewei­se. Da drängt sich die Fra­ge auf, ob sich die Mör­der zu Recht auf Marx beru­fen haben, oder ob die­se Beru­fung auf einer Ver­ken­nung der Tat­sa­chen beruht, ob der Name Marx viel­leicht sogar absicht­lich miß­braucht wor­den ist. Was heißt Mar­xis­mus? Ein Mar­xist wür­de ant­wor­ten, der Mar­xis­mus set­ze sich aus dem dia­lek­ti­schen und dem his­to­ri­schen Mate­ria­lis­mus zusam­men. Poli­ti­sche Öko­no­mie bil­de einen Haupt­teil. Fer­ner bie­te er Ant­wor­ten auf zeit­lo­se und aktu­el­le poli­ti­sche Fragen.
Bei der Fra­ge, wie er zu die­ser Welt­an­schau­ung kam, soll­te man berück­sich­ti­gen, daß auch Marx ein Pro­dukt aus Umwelt und Anla­ge ist. Die Vor­fah­ren von Karl Marx, väter­li­cher- wie müt­ter­li­cher­seits, waren Juden, nicht weni­ge davon Rab­bi­ner. Sein Vater, Hein­rich Marx, trat etwa zwei Jah­re vor Karls Geburt in die evan­ge­li­sche Kir­che über. Karl selbst wur­de im Alter von sechs Jah­ren getauft, sei­ne Mut­ter ein Jahr spä­ter. Sein Vater war auf­rich­tig gott­gläu­big, aber nicht aus­ge­spro­chen fromm, sei­ne Mut­ter wird als tief reli­gi­ös geschil­dert. Sei­ner Kon­fes­si­on ent­spre­chend nahm Karl am evan­ge­li­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt, nicht aber am Wahl­fach Hebrä­isch, teil. Sein Abitur­auf­satz in Reli­gi­on behan­delt das The­ma „Die Ver­ei­ni­gung der Gläu­bi­gen mit Christo …“
Man könn­te eben­so leicht die Ähn­lich­kei­ten im Kno­chen­auf­bau eines Affen und eines Men­schen leug­nen wie die­je­ni­gen in der Struk­tur des Mar­xis­mus und des mosa­isch-christ­li­chen Welt­bil­des. Die Par­al­le­len sind so frap­pie­rend, daß Zufall als Erklä­rung aus­schei­det. Dar­über ist man sich heu­te weit­ge­hend einig. In der Zeit, in der die Marx­sche Ideo­lo­gie, der ori­gi­nä­re Mar­xis­mus, Gestalt annimmt, ist Marx dem reli­giö­sen Den­ken unge­wöhn­lich stark ver­haf­tet. Die Spra­che ist voll reli­giö­ser Bil­der, Aus­drü­cke, Strukturelemente.
Auch der Mar­xis­mus selbst, nicht nur Mar­xens Spra­che, ist ein Spie­gel­bild des Offen­ba­rungs­glau­bens bis hin­ein in die Details sei­ner Ver­wirk­li­chung. Dem bibli­schen Gar­ten Eden ent­spricht im Mar­xis­mus der Urzu­stand, wie er vor allem von Engels beschrie­ben wor­den ist. In ihm sind die vier klas­si­schen kom­mu­nis­ti­schen Frei­hei­ten schon ver­wirk­licht: Frei­heit von Arbeits­tei­lung, Frei­heit von Pri­vat­ei­gen­tum, Frei­heit von Ent­frem­dung und Frei­heit von Ausbeutung.
Doch dann kommt der „Sün­den­fall“. Marx selbst ist es, der die Par­al­le­le zwi­schen Offen­ba­rungs­glau­ben und sei­ner Leh­re zieht. Unter der Über­schrift: „Das Geheim­nis der ursprüng­li­chen Akku­mu­la­ti­on“ schreibt er: „Die­se ursprüng­li­che Akku­mu­la­ti­on spielt in der poli­ti­schen Öko­no­mie unge­fähr die­sel­be Rol­le wie der Sün­den­fall in der Theo­lo­gie. Adam biß in den Apfel, und damit kam über das Men­schen­ge­schlecht die Sünde.“

Der Sün­den­fall ist Fluch und Segen zugleich. Im christ­li­chen Glau­ben ist er des­halb auch ein Segen, weil so die Mensch­wer­dung Got­tes ein­ge­lei­tet wur­de. Nach Marx und Engels bedeu­tet die Ursün­de die Nega­ti­on des posi­ti­ven Urzu­stan­des. Die Nega­ti­on der Nega­ti­on ist Rück­kehr zum Urzu­stand, aber auf höhe­rer Ebe­ne. Die vier bereits erwähn­ten Frei­hei­ten wer­den ergänzt durch die Frei­heit von Not und die Frei­heit von Furcht. Das ist der per­fek­te Kom­mu­nis­mus. Doch zunächst muß der Fluch der Sün­de aus­ge­kos­tet wer­den. Das „Jam­mer­tal“, ein bibli­sches Wort, das auch Marx gebraucht, hat ein Ende. Hier wie dort wird ein Erlö­ser geboren.
Das Pro­le­ta­ri­at ist ent­frem­det wie Jesus in sei­ner höchs­ten Not, wenn er zum Vater, mit dem er wesen­seins ist, ruft: „Mein Gott, mein Gott, war­um hast Du mich ver­las­sen!?“ Das Pro­le­ta­ri­at ist frei von der Haupt­sün­de der Aus­beu­tung. Chris­tus ist das unschul­di­ge Opfer­lamm. Es nimmt hin­weg alle Sün­de, wie das Pro­le­ta­ri­at aller Unge­rech­tig­keit ein Ende bereitet.
Obwohl geschmäht und geschän­det, sind bei­de, Jesus wie das Pro­le­ta­ri­at, von einem beson­de­ren Adel ver­klärt. Marx: „Rau­chen, trin­ken, essen und so wei­ter sind nicht mehr da als Mit­tel der Ver­bin­dung oder als ver­bin­den­de Mit­tel. Die Gesell­schaft, der Ver­ein, die Unter­hal­tung, die wie­der die Gesell­schaft zum Zwe­cke hat, reicht ihnen hin, die Brü­der­lich­keit der Men­schen ist kei­ne Phra­se, son­dern Wahr­heit bei ihnen, der Adel der Mensch­heit leuch­tet uns aus den von der Arbeit ver­här­te­ten Gestal­ten entgegen.“
Nur durch die äußers­te, alles Leid aus­lo­ten­de Ernied­ri­gung erfül­len bei­de ihre Mis­si­on, bewir­ken die Hei­lung der Welt. Marx spricht das Pro­le­ta­ri­at als die „Klas­se mit radi­ka­len Ket­ten“ an, an der „das Unrecht schlecht­hin“ ver­übt wird.
Den Abschluß der Vor­ge­schich­te der Mensch­heit bil­det nach der Bibel das Jüngs­te Gericht, nach Marx die Kom­mu­nis­ti­sche Revo­lu­ti­on, jeweils ein furcht­erre­gen­des, für vie­le schmerz­li­ches Ereig­nis. Wie­der ist es Marx selbst, der auf die Par­al­le­len hin­weist: „Der Traum vom nah bevor­ste­hen­den Unter­gang der Welt feu­er­te die pri­mi­ti­ven Chris­ten an in ihrem Kampf gegen das Römi­sche Welt­reich und gab ihnen Sie­ges­ge­wiß­heit. Die wis­sen­schaft­li­che Ein­sicht in die unver­meid­ba­re und ste­tig unter unse­ren Augen vor­ge­hen­de Zer­set­zung der herr­schen­den Gesell­schafts­ord­nung … reicht hin als Bürg­schaft, daß mit dem Moment des Aus­bruchs einer wirk­lich pro­le­ta­ri­schen Revo­lu­ti­on auch die Bedin­gun­gen ihres … Modus ope­ran­di gege­ben sein werden.“
Das Jüngs­te Gericht und die pro­le­ta­ri­sche Revo­lu­ti­on läu­ten die glück­li­che End­zeit ein. Marx: „Mit die­ser Gesell­schafts­for­ma­ti­on schließt daher die Vor­ge­schich­te der mensch­li­chen Gesell­schaft ab.“ Doch nur dem im Feu­er geläu­ter­ten wird Zutritt gewährt. Der per­fek­te Kom­mu­nis­mus ist allein über den rohen Kom­mu­nis­mus, eine Art Gerichts­feu­er, zu erreichen.
Der per­fek­te Kom­mu­nis­mus ist das bibli­sche Land der Ver­hei­ßung, „in dem Milch und Honig flie­ßen“, und wohin der Herr sein Volk führt. „Die Lösung aller Welt­rät­sel“ als greif­bar nahe und zugleich end­lo­se Ewig­keit. Eine End­zeit­leh­re, die den Him­mel auf Erden ver­heißt, den neu­en Him­mel und die neue Erde in eins ver­schmel­zen läßt.
Als Marx sein 1835 in Bonn begon­ne­nes Stu­di­um 1836 in Ber­lin fort­setz­te, ent­fern­te er sich rasch von der Juris­te­rei und wand­te sich der Phi­lo­so­phie zu. Obgleich er nicht mehr, wie gele­gent­lich fälsch­lich behaup­tet wird, zu Füßen Hegels saß – der war schon 1831 ver­stor­ben –, wur­de Hegel für ihn jener Phi­lo­soph, dem er den größ­ten Respekt zollte.

Sein Ver­hält­nis zu Hegel beschreibt Marx am aus­führ­lichs­ten im Vor­wort zur zwei­ten Auf­la­ge von „Das Kapi­tal“. Dar­in spen­det er, bei aller Kri­tik, vor­ab hohes Lob: Er bekennt sich als „Schü­ler jenes gro­ßen Den­kers“, der die „all­ge­mei­nen Bewe­gungs­for­men zuerst in umfas­sen­der und bewuß­ter Wei­se dar­ge­stellt hat“. Frei­lich, man muß Hegels Dia­lek­tik „umstül­pen, um den ratio­nel­len Kern in der mys­ti­schen Hül­le zu ent­de­cken.“ Bei Hegel voll­zieht sich die Geschich­te in drei Pha­sen: Vor aller Zeit ist der Geist. Er schafft die mate­ri­el­le Welt, die jedoch dem Geist fremd gegen­über­steht. Der Geist als The­se und die Welt als Anti­the­se. In dem Maße, in dem sich das Mate­ri­el­le ver­geis­tigt: Mensch­wer­dung, Staa­ten­bil­dung, ins­be­son­de­re der preu­ßi­sche Staat als „Ver­wirk­li­chung der abso­lu­ten Idee“ – kommt es zur Syn­the­se. Unstrei­tig ist, daß sich Marx von Hegel, so wie er ihn ver­stand, nach­hal­tig beein­flus­sen ließ, daß Hegels Dia­lek­tik ursäch­lich ist für die Dia­lek­tik des Karl Marx und sei­ner Anhän­ger­schaft, wie dies bei­spiels­wei­se in Mar­xens apo­dik­ti­scher The­se zum Aus­druck kommt: „Der Kom­mu­nis­mus ist die Posi­ti­on als Nega­ti­on der Nega­ti­on, dar­um das wirk­li­che für die nächs­te geschicht­li­che Ent­wick­lung not­wen­di­ge Moment der mensch­li­chen Eman­zi­pa­ti­on und Wiedergewinnung.“
Im bibli­schen Bericht des Heils­pla­nes ist der Mensch ein Geschöpf Got­tes, des ewi­gen, all­mäch­ti­gen Geis­tes. Der Mensch ver­dankt ihm sein Dasein. In sei­ner All­macht läßt er den Men­schen teil­ha­ben an sei­nem unend­li­chen Leben. Im Marx­schen Mate­ria­lis­mus hin­ge­gen ist der Mensch sein eige­ner Schöp­fer, ein „Selbst­er­zeu­ger“.
Auch Hegel wur­de von Marx einer gründ­li­chen Meta­mor­pho­se unter­zo­gen, bevor er Ein­gang in die neue Leh­re fand: „Mei­ne dia­lek­ti­sche Metho­de ist der Grund­la­ge nach von der Hegel­schen nicht nur ver­schie­den, son­dern ihr direk­tes Gegen­teil. Für Hegel ist der Denk­pro­zeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selb­stän­di­ges Sub­jekt ver­wan­delt, der Demi­urg des Wirk­li­chen, das nur sei­ne äuße­re Erschei­nung bil­det. Bei mir ist umge­kehrt das Ideel­le nichts ande­res als das im Men­schen­kopf umge­setz­te und über­setz­te Materielle.“
Hegels Spra­che von „The­se“, „Anti­the­se“, „Syn­the­se“ – klingt ver­söhn­lich, Mar­xens Spra­che: Posi­ti­on, Nega­ti­on, Nega­ti­on der Nega­ti­on – klingt bru­tal und radi­kal. Hier Dia­log, dort Ver­nich­tungs­kampf; hier Aus­gleich, dort Sieg und Ver­nich­tung. Noch wich­ti­ger aber ist fol­gen­des: Hegel ver­trat die Ansicht, er und sei­ne Zeit­ge­nos­sen leb­ten schon in der Pha­se der Syn­the­se, Marx hin­ge­gen behaup­te­te, der Kapi­ta­lis­mus sei erst die zwei­te Pha­se, also die Pha­se der Nega­ti­on der Posi­ti­on. Nega­ti­on der Nega­ti­on sei die Paro­le der Gegen­wart, Kampf, End­sieg. Marx: „In ihrer mys­ti­fi­zier­ten Form ward die Dia­lek­tik deut­sche Mode, weil sie das Bestehen­de zu ver­klä­ren schien. In ihrer ratio­nel­len Gestalt ist sie dem Bür­ger­tum und sei­nen dok­tri­nä­ren Wort­füh­rern ein Ärger­nis und ein Greu­el, weil sie in dem posi­ti­ven Ver­ständ­nis des Bestehen­den zugleich auch das Ver­ständ­nis sei­ner Nega­ti­on, sei­nes not­wen­di­gen Unter­gangs ein­schließt …“ „Aber die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­on erzeugt mit der Not­wen­dig­keit eines Natur­pro­zes­ses ihre eig­ne Nega­ti­on. Es ist Nega­ti­on der Negation.“
Die Marx­schen Tra­ves­tien sei­nes Bil­dungs­gu­tes las­sen sich in zwei The­sen zusam­men­fas­sen: Der Mensch ist sein eige­ner Schöp­fer. Der Mensch hat „Gott“ gemacht. „Denn alles, was ent­steht, ist wert, daß es zugrun­de geht“.

Bei­de Ele­men­te waren in Mar­xens Sein und Den­ken signi­fi­kan­te Wirk­lich­keit, und zwar schon bevor er sich dem Sozia­lis­mus-Kom­mu­nis­mus ver­schrieb, also vor 1844. Vie­le Ele­men­te aus Mar­xens Leh­re wer­den aus cha­rak­ter­li­chen Dis­po­si­tio­nen von Marx plau­si­bel. Mit Blick auf die Jung­he­ge­lia­ner, ins­be­son­de­re Marx, spricht Hein­rich Hei­ne von „gott­lo­sen Selbst­göt­tern“: „Wie oft seit­dem den­ke ich an die Geschich­te die­ses baby­lo­ni­schen Königs, der sich selbst für den lie­ben Gott hielt, aber von der Höhe sei­nes Dün­kels erbärm­lich her­ab­stürz­te … In dem pracht­voll­gran­dio­sen Buch Dani­el steht die­se Legen­de, die ich nicht bloß dem guten Ruge, son­dern auch mei­nem noch viel ver­stock­te­ren Freund Marx.… die­se gott­lo­sen Selbst­göt­ter, zur erbau­li­chen Beher­zi­gung emp­feh­le.“ Pro­me­theus hat das Feu­er vom Him­mel auf die Erde geholt, Marx aber den Him­mel selbst. Er ist der fleisch­ge­wor­de­ne Pro­me­theus. Zeit­ge­nos­sen, so der oben zitier­te Hei­ne, und Bio­gra­phen kom­men zum glei­chen Ergeb­nis. Von den letz­te­ren sei­en drei kurz zitiert.
Der mar­xis­ti­sche Marx-Bio­graph Otto Rüh­le meint: „Der Drang zur Gott­ähn­lich­keit form­te den Lebens­plan [von Karl Marx] und zieht die Leit­li­nie sei­nes Schaf­fens und Wirkens.“
Fritz Rad­datz gibt die Selbst­ver­got­tung von Marx mit Wor­ten wie­der, die bei Mönchs­ge­mein­schaf­ten auf Gott gemünzt sind: „Auf­be­geh­ren und Recken des Rie­sen Mensch ad maio­rem glo­ri­am Mar­xi“. und schließ­lich Arnold Künz­li: „Man kann die Par­al­le­le Marx – Pro­me­theus bei­na­he bis ins Unend­li­che ziehen.“
Marx ist der Geist, der alles ver­neint, Him­mel und Erde: Sei­ne Reli­gi­ons­feind­schaft ist hin­läng­lich bekannt. Sein Aus­spruch: „Die Reli­gi­on … ist das Opi­um des Vol­kes“ ist gera­de­zu zu einer Rede­wen­dung gewor­den. Sei­ner eige­nen Ras­se stand der Jude Marx feind­se­lig gegen­über. Den phi­lo­so­phi­schen Zeit­geist hat er mit bei­ßen­dem Spott verfolgt.
Wie ein roter Faden durch­zie­hen das Marx­sche Werk Aus­sa­gen wie: „Rück­sichts­lo­se Kri­tik alles Bestehen­den“, „Krieg den deut­schen Zustän­den“, „Man muß jede Sphä­re der deut­schen Gesell­schaft als die par­tie hon­teu­se (den Schand­fleck) der deut­schen Gesell­schaft schildern …“
Noch­mals sei betont, daß alle die­se Äuße­run­gen aus der „vor­mar­xis­ti­schen“ Peri­ode stam­men; doch Gleich­ar­ti­ges fin­det sich selbst­ver­ständ­lich auch, ja erst recht später.
Der Vater, Hein­rich Marx, ist um Karl rüh­rend besorgt. Er setzt auf ihn gro­ße Hoff­nun­gen: „Mein Herz schwelgt zuwei­len in Gedan­ken an dich und dei­ne Zukunft. Und den­noch, zuwei­len kann ich mich trau­ri­ger, ahnen­der, furcht­erre­gen­der Ideen nicht ent­schla­gen, wenn sich wie ein Blitz der Gedan­ke ein­schleicht: Ob dein Herz dei­nem Kop­fe, dei­nen Anla­gen ent­spricht? – Ob es Raum hat für die irdi­schen, aber sanf­ten Gefüh­le, die in die­sem Jam­mer­ta­le den füh­len­den Men­schen so wesent­lich trost­reich sind?“
Der Vater beklagt die Zer­ris­sen­heit sei­nes Soh­nes, sei­ne frü­he Ent­frem­dung, sei­nen Ego­is­mus und sei­ne Nei­gung, ande­re auszubeuten:

„Ich hat­te meh­re­re Brie­fe geschrie­ben, die man­che Aus­kunft ver­lang­ten. Und statt alles des­sen ein frag­men­ta­risch abge­ris­se­ner, und was noch viel schlim­mer ist, ein zer­ris­se­ner Brief. – Offen­her­zig gespro­chen, mein lie­ber Karl, ich lie­be dies moder­ne Wort nicht, wor­in sich alle Schwäch­lin­ge hül­len, wenn sie mit der Welt hadern, daß sie nicht ohne alle Arbeit und Mühe wohl möblier­te Palas­te mit Mil­lio­nen und Equi­pa­gen besit­zen. Die­se Zer­ris­sen­heit ist mir ekel­haft, und von Dir erwar­te ich sie am aller­we­nigs­ten“ und „… ich leug­ne nicht, daß ich mir zuwei­len Vor­wür­fe mache, all­zu schwach Dir den Zügel gelas­sen zu haben. So sind wir jetzt im vier­ten Monat des Jus­tiz­jahrs, und schon hast Du 280 Taler gezo­gen. So viel hab‘ ich die­sen Win­ter noch nicht verdient.“
Sind die Vor­wür­fe des Vaters an den Sohn nicht die­sel­ben, die der Sohn gegen­über sei­ner Umwelt erhebt, Las­ter, die dem Kom­mu­nis­mus fremd sein sol­len: Kei­ne Zer­ris­sen­heit, da kei­ne Arbeits­tei­lung, kei­ne Ent­frem­dung, kei­ne Aus­beu­tung, kein Streit um das lie­be Geld. Indem Marx sei­ne Gebre­chen als die in der Klas­sen­ge­sell­schaft not­wen­di­gen Gebre­chen dia­gnos­ti­ziert, ent­las­tet er sich von mög­li­chen Gewis­sens­bis­sen, erteilt er sich selbst die Abso­lu­ti­on und lie­fert so das schöns­te Exem­pel für die Sozia­li­sie­rung von Privatneurosen.

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