Schönheit

pdf der Druckfassung aus Sezession 33 / Dezember 2009

Wer entsprechend eingelesen ist, den sollte der Titel an Gerhard Nebels Buch Das Ereignis des Schönen erinnern. Und richtig taucht dann Nebel an einigen Stellen des Buches auf: »Das Schöne ist der sich enthüllende Gott, der Künstler sein Priester.« Das Schöne existiert wirklich und ist nicht vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Aber man muß es sehen können.
Stahl geht es nicht um die distanzierte Darstellung eines Vergangenen, das uns nichts mehr angeht, sondern im Gegenteil um die Aneignung der Antike, die heute neu gewagt werden muß, weil unsere Beziehungen zur Antike in mehrfacher Hinsicht abgerissen sind.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Die »Lebens­fer­ne der gegen­wär­ti­gen Alter­tums­wis­sen­schaft« hat auch Nebel gleischon emp­fun­den, aber auch des­sen Aneig­nung ist heu­te kaum mehr ver­mit­tel­bar. Die »Hin­wen­dung zur Anti­ke« ist, so Stahl, »nicht nur eine neue Ver­ge­wis­se­rung in der Tra­di­ti­on, son­dern auch das Bedürf­nis nach Ori­en­tie­rung stif­ten­der Geschich­te für die Gegen­wart «. Ein hoher Anspruch. Kann Stahl ihn erfül­len? Das Buch ent­hält neben zwölf Kapi­teln einen Pro­log, der Win­ckel­manns Ent­de­ckung der Grie­chen, und einen Epi­log, der Schin­kels kon­ge­nia­le Fort­füh­rung behan­delt. In den Kapi­teln selbst geht es um die Berei­che, die wir mit der Anti­ke tei­len und in denen uns die Anti­ke bis heu­te das Maß vor­gibt: Geschich­te, Stadt, Staat, Gesell­schaft, Woh­nung, Körper.
Dabei kann Stahl sei­nen Anspruch ein­lö­sen, etwa wenn er am Bei­spiel des patro­na­len Ide­als der Römer ein gesell­schaft­li­ches Prin­zip der Anti­ke schil­dert und damit die hoh­le Rede von anti­ker Unfrei­heit weg­wischt: »Wir dür­fen mit Demut beob­ach­ten, daß Unge­zähl­te im Lauf der Jahr­hun­der­te der Ver­ant­wor­tung, in der ihr Leben sie gestellt hat­te, gerecht gewor­den sind. Jeder ein­zel­ne von ihnen hat dazu bei­getra­gen, daß auch die ande­ren, die ihm anver­traut waren, ihr Dasein in die­ser Welt sinn­voll und erfüllt emp­fan­den.« Das hat­te zwar irgend­wann ein Ende, aber Stahl betont, daß Ungleich­heit nicht aus der Welt zu schaf­fen ist und jemand die not­wen­di­ge Ord­nung stif­ten muß, auch heute.
Wir dür­fen uns nicht von einem »neu­de­mo­kra­ti­schen Dumm­stolz« (Her­mann Lüb­be) ver­lei­ten las­sen, abschät­zig dar­auf her­ab­zu­bli­cken, weil wir uns so die Zukunft ver­bau­en. Stahls Buch ist ein Plä­doy­er für ein »Leben, aus dem, was immer gilt« (Albrecht Erich Gün­ther) und damit eine für unse­re Gegen­wart gar nicht hoch genug ein­zu­schät­zen­de Tat.

(Micha­el Stahl: Bot­schaf­ten des Schö­nen. Kul­tur­ge­schich­te der Anti­ke Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2008. 304 S., 29.90 €)

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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