Die »Lebensferne der gegenwärtigen Altertumswissenschaft« hat auch Nebel gleischon empfunden, aber auch dessen Aneignung ist heute kaum mehr vermittelbar. Die »Hinwendung zur Antike« ist, so Stahl, »nicht nur eine neue Vergewisserung in der Tradition, sondern auch das Bedürfnis nach Orientierung stiftender Geschichte für die Gegenwart «. Ein hoher Anspruch. Kann Stahl ihn erfüllen? Das Buch enthält neben zwölf Kapiteln einen Prolog, der Winckelmanns Entdeckung der Griechen, und einen Epilog, der Schinkels kongeniale Fortführung behandelt. In den Kapiteln selbst geht es um die Bereiche, die wir mit der Antike teilen und in denen uns die Antike bis heute das Maß vorgibt: Geschichte, Stadt, Staat, Gesellschaft, Wohnung, Körper.
Dabei kann Stahl seinen Anspruch einlösen, etwa wenn er am Beispiel des patronalen Ideals der Römer ein gesellschaftliches Prinzip der Antike schildert und damit die hohle Rede von antiker Unfreiheit wegwischt: »Wir dürfen mit Demut beobachten, daß Ungezählte im Lauf der Jahrhunderte der Verantwortung, in der ihr Leben sie gestellt hatte, gerecht geworden sind. Jeder einzelne von ihnen hat dazu beigetragen, daß auch die anderen, die ihm anvertraut waren, ihr Dasein in dieser Welt sinnvoll und erfüllt empfanden.« Das hatte zwar irgendwann ein Ende, aber Stahl betont, daß Ungleichheit nicht aus der Welt zu schaffen ist und jemand die notwendige Ordnung stiften muß, auch heute.
Wir dürfen uns nicht von einem »neudemokratischen Dummstolz« (Hermann Lübbe) verleiten lassen, abschätzig darauf herabzublicken, weil wir uns so die Zukunft verbauen. Stahls Buch ist ein Plädoyer für ein »Leben, aus dem, was immer gilt« (Albrecht Erich Günther) und damit eine für unsere Gegenwart gar nicht hoch genug einzuschätzende Tat.
(Michael Stahl: Botschaften des Schönen. Kulturgeschichte der Antike Stuttgart: Klett-Cotta 2008. 304 S., 29.90 €)