Die erste Auflage Leben mit Hitler war sogleich vergriffen, kein Vierteljahr später wird nun die fünfte Auflage gehandelt. Und dies, ohne daß hier den wenigen Details, die seit Jahrzehnten über die Münchener Kleinbürger-Tochter Eva Braun bekannt sind, auch nur ein Puzzleteilchen hinzugefügt würde! Daß dennoch knapp 300 Seiten Biographisches zu Eva Braun zusammengetragen werden konnten (70 Seiten sind Fußnoten und Personenregister) liegt daran, daß sich die Autorin stark auf den engeren Kreis um Hitler einläßt. So schildert sie ausführlich Leben und Wirkung prominenter Nationalsozialisten, um dann mit leicht variierenden Überleitungen (»Doch wie verhielt es sich mit dem Verhältnis Martin Bormanns zu Eva Braun?«) die spärlichen Zeugnisse zusammenzufügen, die Auskunft über die »heimliche Geliebte« Hitlers geben. Neben den Erinnerungen Albert Speers greift Görtemaker vor allem auf die Recherchen des ominösen Journalisten Nerin E. Gun (nur zufällig ein Anagramm von Erinnerung?) zurück, der in den Sechzigern Brauns Eltern interviewte. Hitler begegnete Eva Braun – deren Eltern 1908 heirateten, sich scheiden ließen,1922 erneut den Ehebund schlossen und zwei weitere Töchter hatten – erstmalig 1929, da arbeitete die 17jährige im »NSDAPPhotohaus « des Hitler-Photographen Heinrich Hoffmann. Nach dem Suizid von Hitlers geliebter Cousine Geli Raubal »intensivierte« sich der Kontakt. Görtemakers Quellen legen nahe, daß zwei Selbstmordversuche Brauns Hitler erstmals 1932 dazu brachten, sich verstärkt um die junge Frau zu kümmern. Nachdem Angela Raubal, die Mutter von Geli, 1935 im Zwist den Berghof auf dem Obersalzberg verlassen hatte, nahm Braun die Rolle als Hausherrin ein – sichtbar allerdings nur für einen engen Kreis von Vertrauten. Als im amerikanischen Time-Magazin 1939 ein Hinweis auf Brauns Existenz an Hitlers Seite veröffentlicht wurde, entging dies der deutschen Öffentlichkeit. Hitler befürchtete, Starqualitäten einzubüßen, falls er sich zu einer Frau bekenne. Das Schlimme an der Ehe sei, daß sie »Rechtsansprüche « schaffe: »Da ist es schon viel richtiger, eine Geliebte zu haben. Die Last fällt weg, und alles bleibt ein Geschenk.« Görtemaker unternimmt einige halbherzige Bemühungen, Hitlers Gefährtin von der Rolle als passives Rädchen im NS-Getriebe weg zu einer selbstbewußten Frau zu definieren. (Was auch mal von Seiten Alice Schwarzers Emma unternommen wurde, die Braun, vermutlich als Scherz, mit erfundenen Tagebuchaufzeichnungen als unbeholfene Widerständlerin zeichnete.) Gut: Braun hatte mit Haushaltsdingen und Kindern wenig am Hut, sie photographierte und filmte zeitlebens, verdiente damit auch Geld. Hitlers Leibarzt Karl Brandt beschrieb sie als eher »schroff und streng« statt feminin; eitel war sie gleichwohl: Die Photos im Buch zeigen sie mit unterschiedlichen Haarfarben, zudem soll sie sich mehrmals täglich umgezogen haben. Das kursierende Gerücht über Hitlers »eigentliche« Homosexualität spart Görtemaker – wie es scheint: zu recht – aus. Daß er Eva Braun, die am 30. April 1945 mit ihm in den Tod ging, tatsächlich geliebt haben dürfte, soll anscheinend den »verstörend anderen Blick« auf Hitler ausmachen, den diese in der Tat sorgfältig zusammenfassende Biographie vermitteln will.
(Heike B. Görtemaker: Eva Braun. Leben mit Hitler, München: C.H. Beck 2010. 366 S., zahlr. Abb., 24.95 €)