Leben mit Hitler

pdf der Druckfassung aus Sezession 36 / Juni 2010

Die Feststellung, daß »irgendwas mit Hitler« sich immer gut verkauft, sagt freilich nichts über die Qualität von Heike Görtemakers Eva-Braun-Biographie aus. Auch Erfahrungsberichte chronisch Kranker haben Konjunktur – solche Werke titeln »Leben mit Brustkrebs «, »mit Diabetes« etc., und mancher mag es originell finden, daß nun ein Lebenspartner, mithin ein Mensch, unter solcher Kategorie rubriziert wird.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Die ers­te Auf­la­ge Leben mit Hit­ler war sogleich ver­grif­fen, kein Vier­tel­jahr spä­ter wird nun die fünf­te Auf­la­ge gehan­delt. Und dies, ohne daß hier den weni­gen Details, die seit Jahr­zehn­ten über die Mün­che­ner Klein­bür­ger-Toch­ter Eva Braun bekannt sind, auch nur ein Puz­zle­teil­chen hin­zu­ge­fügt wür­de! Daß den­noch knapp 300 Sei­ten Bio­gra­phi­sches zu Eva Braun zusam­men­ge­tra­gen wer­den konn­ten (70 Sei­ten sind Fuß­no­ten und Per­so­nen­re­gis­ter) liegt dar­an, daß sich die Autorin stark auf den enge­ren Kreis um Hit­ler ein­läßt. So schil­dert sie aus­führ­lich Leben und Wir­kung pro­mi­nen­ter Natio­nal­so­zia­lis­ten, um dann mit leicht vari­ie­ren­den Über­lei­tun­gen (»Doch wie ver­hielt es sich mit dem Ver­hält­nis Mar­tin Bor­manns zu Eva Braun?«) die spär­li­chen Zeug­nis­se zusam­men­zu­fü­gen, die Aus­kunft über die »heim­li­che Gelieb­te« Hit­lers geben. Neben den Erin­ne­run­gen Albert Speers greift Gör­tema­ker vor allem auf die Recher­chen des omi­nö­sen Jour­na­lis­ten Nerin E. Gun (nur zufäl­lig ein Ana­gramm von Erin­ne­rung?) zurück, der in den Sech­zi­gern Brauns Eltern inter­view­te. Hit­ler begeg­ne­te Eva Braun – deren Eltern 1908 hei­ra­te­ten, sich schei­den ließen,1922 erneut den Ehe­bund schlos­sen und zwei wei­te­re Töch­ter hat­ten – erst­ma­lig 1929, da arbei­te­te die 17jährige im »NSDAPP­ho­to­haus « des Hit­ler-Pho­to­gra­phen Hein­rich Hoff­mann. Nach dem Sui­zid von Hit­lers gelieb­ter Cou­si­ne Geli Rau­bal »inten­si­vier­te« sich der Kon­takt. Gör­tema­kers Quel­len legen nahe, daß zwei Selbst­mord­ver­su­che Brauns Hit­ler erst­mals 1932 dazu brach­ten, sich ver­stärkt um die jun­ge Frau zu küm­mern. Nach­dem Ange­la Rau­bal, die Mut­ter von Geli, 1935 im Zwist den Berg­hof auf dem Ober­salz­berg ver­las­sen hat­te, nahm Braun die Rol­le als Haus­her­rin ein – sicht­bar aller­dings nur für einen engen Kreis von Ver­trau­ten. Als im ame­ri­ka­ni­schen Time-Maga­zin 1939 ein Hin­weis auf Brauns Exis­tenz an Hit­lers Sei­te ver­öf­fent­licht wur­de, ent­ging dies der deut­schen Öffent­lich­keit. Hit­ler befürch­te­te, Star­qua­li­tä­ten ein­zu­bü­ßen, falls er sich zu einer Frau beken­ne. Das Schlim­me an der Ehe sei, daß sie »Rechts­an­sprü­che « schaf­fe: »Da ist es schon viel rich­ti­ger, eine Gelieb­te zu haben. Die Last fällt weg, und alles bleibt ein Geschenk.« Gör­tema­ker unter­nimmt eini­ge halb­her­zi­ge Bemü­hun­gen, Hit­lers Gefähr­tin von der Rol­le als pas­si­ves Räd­chen im NS-Getrie­be weg zu einer selbst­be­wuß­ten Frau zu defi­nie­ren. (Was auch mal von Sei­ten Ali­ce Schwar­zers Emma unter­nom­men wur­de, die Braun, ver­mut­lich als Scherz, mit erfun­de­nen Tage­buch­auf­zeich­nun­gen als unbe­hol­fe­ne Wider­ständ­le­rin zeich­ne­te.) Gut: Braun hat­te mit Haus­halts­din­gen und Kin­dern wenig am Hut, sie pho­to­gra­phier­te und film­te zeit­le­bens, ver­dien­te damit auch Geld. Hit­lers Leib­arzt Karl Brandt beschrieb sie als eher »schroff und streng« statt femi­nin; eitel war sie gleich­wohl: Die Pho­tos im Buch zei­gen sie mit unter­schied­li­chen Haar­far­ben, zudem soll sie sich mehr­mals täg­lich umge­zo­gen haben. Das kur­sie­ren­de Gerücht über Hit­lers »eigent­li­che« Homo­se­xua­li­tät spart Gör­tema­ker – wie es scheint: zu recht – aus. Daß er Eva Braun, die am 30. April 1945 mit ihm in den Tod ging, tat­säch­lich geliebt haben dürf­te, soll anschei­nend den »ver­stö­rend ande­ren Blick« auf Hit­ler aus­ma­chen, den die­se in der Tat sorg­fäl­tig zusam­men­fas­sen­de Bio­gra­phie ver­mit­teln will.

(Hei­ke B. Gör­tema­ker: Eva Braun. Leben mit Hit­ler, Mün­chen: C.H. Beck 2010. 366 S., zahlr. Abb., 24.95 €)

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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