Besonderes Augenmerk legt dessen Betreiber, der 1966 geborene Sozialwissenschaftler Manfred Kleine-Hartlage, auf islamund liberalismuskritische Beiträge. Dieses doppelte Augenmerk hebt den Autor weit über das kurzsichtige Gepolter von »Islamkritikern« à la Politically Incorrect hinaus: Denn wer vor einer expandierenden islamischen Welt warnen will, darf von der strukturellen, systemimmanenten Schwäche des zurückweichenden liberalen Westens nicht schweigen.
Ihren besonderen Schliff erhalten Kleine-Hartlages Analysen durch den Umstand, daß der Verfasser ein bekehrter Linksliberaler ist, der die entsprechenden frommen Denkungsarten bis in ihre feinsten Winkelzüge hinein kennt, und in der Lage ist, sich wasserdicht gegen vorauszusehende Einwände abzusichern. Kleine-Hartlage legt nun in seinem Buch Das Dschihad-System (Wie der Islam funktioniert, Gräfelfing: Resch 2010. 292 S., 19.90 €) nicht nur überzeugend dar, daß sich das Denken und die Mentalität der islamischen Welt von der des post-christlichen Westens fundamental unterscheiden, sondern er versucht auch zu skizzieren, warum letzterer nicht imstande ist, diese Unterschiede überhaupt wahrzunehmen und richtig einzuordnen. Denn es ist ironischerweise gerade die scheinbar für den Anderen »offene Gesellschaft«, die, befangen in ihrer Ich-Bezogenheit, unfähig ist, zu erkennen, daß dieser Andere tatsächlich anders ist, und womöglich die eigenen Prämissen in keiner Weise teilt. In dieser Perspektive ist der Liberalismus nichts anders als ein stark säkularisiertes und infantilisiertes Christentum, in dem eine altruisierende Ideologie vorherrscht, die grundlegende Politika wie Gruppenselbstbehauptung und ‑identität zum Tabu verschwefelt hat, womit man auch nicht mehr imstande ist, sich vorzustellen, daß man aus den Sicht seiner Feinde »unter Umständen wie eine fette Beute aussieht.«
Einer der fatalsten Fehlschlüsse ist dabei, anzunehmen, daß der Islam als Religion analog wie das Christentum funktioniere, das etwa die Trennung von weltlichem und geistlichem Bereich kennt. Der Islam ist nicht einfach eine Religion, die man via Konfession »hat«, sondern vor allem ein bis in die kleinsten Details des Alltags wirkendes »soziales System«. Die daraus erwachsenden sozialen und kulturellen Formen können zwar mannigfaltig sein, teilen jedoch allesamt das »Gedankensystem Islam« als eine Art gemeinsame geistige »DNA«. Daraus folgt, daß der Prozeß der »Islamisierung« und der schleichenden Landnahme keineswegs bloß die Sache von »Extremisten« oder »Islamisten« ist, sondern aus der sozialen Struktur islamischer Gesellschaften selbst erfolgt.
Kleine-Hartlage zeigt auch, wie abweichende theologische Auffassungen erhebliche Folgen haben können für die Entwicklung »kultureller Selbstverständlichkeiten«. Die Abwesenheit des christlichen Gedankens der Erbsünde und des Gebotes der ständigen Selbstprüfung etwa hat eine Mentalität im Islam gefördert, die zur krassen Selbstgerechtigkeit neigt und zur Selbstkritik weitgehend unfähig ist. Damit ist ein im Gegensatz zum christlichen oder post-christlichen Menschen »unterkomplexer« Typus entstanden, der sich heute als wesentlich durchsetzungsfähiger erweist. Kleine-Hartlages akribische Koran-Analyse weist zudem nach, daß der Islam die Anwendung und Androhung von Gewalt zum Zwecke seiner Ausbreitung durchaus doktrinär befürwortet, und daß sein Anspruch zwar universal ist, nicht jedoch seine Ethik, die nur innerhalb der Gruppe der Gläubigen verbindliche Gültigkeit hat. Im Vergleich zum Judentum und Christentum ist die Theologie des Islams simpel gestrickt und primitiv; sie hat in der Tat kaum eine Verbindung zu den Werten dessen, was man einst das »christliche Abendland« nannte. Hier wird ein völlig anderer Gott geglaubt und eine völlig andere Ethik gelehrt. Die Lektüre dieses augenöffnenden Buches sei daher auch jenen verblendeten Konservativen ans Herz gelegt, die immer noch glauben, der Islam wäre eine irgendwie »konservative« Macht, die den verlorengegangen Nomos des Christentums adäquat ersetzen oder gar in irgendeiner Weise fortführen könne.