Liberale Islamkritik, hart und zart

pdf der Druckfassung aus Sezession 45 / Dezember 2011

45von Manfred Kleine-Hartlage

Wurde Islamkritik lange Zeit von der veröffentlichten Meinung als »rassistisch und fremdenfeindlich« verbellt, so erreicht sie allmählich die meinungsbildenden Zentren der Gesellschaft. Allzu deutlich sind die Probleme, die der Import einer derart fremdartigen Kultur aufwirft, zu fadenscheinig die Phrasen, wonach der Islam zu Deutschland gehöre und seine Präsenz uns bereichere, als daß die seriösen Zeitgenossen, die es selbst unter Journalisten und Islamwissenschaftlern gibt, sich damit identifizieren könnten.

Wer frei­lich wei­ter­hin zur ehr­ba­ren Gesell­schaft gehö­ren möch­te, soll­te sich tun­lichst nicht dem Ver­dacht aus­set­zen, gegen Mas­sen­ein­wan­de­rung schlecht­hin zu sein. Kri­tik an der qua­li­ta­ti­ven Isla­mi­sie­rung, also der zuneh­men­den Bedeu­tung isla­mi­scher Nor­men und Wer­te: das geht, sofern man deut­lich macht, daß man sie ihrer Illi­be­ra­li­tät wegen ablehnt. Kri­tik an der demo­gra­phi­schen Isla­mi­sie­rung dage­gen ist nach wie vor ein Karrierekiller.

Dabei sind die Bei­trä­ge der libe­ra­len Islam­kri­tik durch­aus beach­tens­wert, wenn sie so fun­diert sind wie Joa­chim Wag­ners Rich­ter ohne Gesetz. Isla­mi­sche Par­al­lel­jus­tiz gefähr­det unse­ren Rechts­staat (Econ Ver­lag, Ber­lin 2011). Wag­ner befaßt sich mit einem bis­lang unter­be­lich­te­ten Aspekt der Isla­mi­sie­rung: Zwar ist bekannt, daß die Scha­ria längst Teil unse­res Rechts­le­bens ist – wenn etwa deut­sche Gerich­te aus­län­di­sches Pri­vat­recht anwen­den müssen.

Weni­ger bekannt ist, daß auch die Straf­rechts­pfle­ge zuneh­men­der Kon­kur­renz durch isla­mi­sche »Frie­dens­rich­ter« aus­ge­setzt ist, die bei inner­mus­li­mi­schen Kon­flik­ten häu­fig den Straf­an­spruch des Staa­tes zunich­te machen. Bei die­ser infor­mel­len Par­al­lel­jus­tiz geht es weni­ger um Unrechts­be­wäl­ti­gung im Sin­ne unse­res Straf­rechts als um Kon­flikt­be­wäl­ti­gung: Der Frie­dens­rich­ter soll ver­hin­dern, daß Strei­tig­kei­ten zwi­schen Ange­hö­ri­gen ver­schie­de­ner Fami­li­en oder Clans zu blu­ti­gen Feh­den eska­lie­ren. In ori­en­ta­li­schen Gesell­schaf­ten zwei­fel­los eine segens­rei­che Ein­rich­tung, die aber zum Pro­blem wird, wenn man sie nach Euro­pa verpflanzt.

Die von ihm ver­mit­tel­ten Kuh­hän­del zwi­schen Tätern und Opfern bedeu­ten meist, daß die Opfer ihre Aus­sa­gen zurück­zie­hen. Die hohe Anzahl von Frei­sprü­chen bei Straf­ta­ten inner­halb mus­li­mi­scher Milieus zeugt vom Vor­marsch sol­cher Pri­vat­jus­tiz und ist ein Para­de­bei­spiel für die Art, wie mus­li­mi­sche Gesell­schaf­ten es schaf­fen, sich dem Gel­tungs­an­spruch nicht­is­la­mi­scher Nor­men selbst dann zu ent­zie­hen, wenn die­se sich auf die Auto­ri­tät des Staa­tes stützen.

Wäh­rend Wag­ner einen bedeu­ten­den Teil­aspekt kom­pe­tent behan­delt, ver­folgt die Islam­wis­sen­schaft­le­rin Rita Breu­er mit Wird Deutsch­land isla­misch? Mis­si­on, Kon­ver­si­on, Reli­gi­ons­frei­heit (Ver­lag Hans Schi­ler, Berlin/Tübingen 2011) ein weit­aus ehr­gei­zi­ge­res Erkennt­nis­ziel – und schei­tert an ihren Tabus. Dabei beschreibt sie durch­aus kri­tisch den Islam und die aus ihm resul­tie­ren­de Ver­här­tung und Abkap­se­lung mus­li­mi­scher Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten. Obwohl man bei seriö­ser Wür­di­gung ihrer Argu­men­te kaum umhin­kommt, die Visi­on eines libe­ra­len Euro-Islam und eine Inte­gra­ti­on, die die­sen Namen ver­dient, für libe­ra­les Wunsch­den­ken zu hal­ten, setzt Breu­er ihre Hoff­nung genau dar­auf. Sie hofft, mit ande­ren Wor­ten, auf ein Wunder.

Man könn­te eine sol­che Hal­tung lie­bens­wert fin­den, wenn sie nicht mit der hys­te­ri­schen Dif­fa­mie­rung jener ein­her­gin­ge, die an ein sol­ches Wun­der nicht zu glau­ben ver­mö­gen; wenn ihrer Hoff­nung nicht der unre­flek­tier­te Glau­be an das libe­ra­le Gesell­schafts­mo­dell zugrun­de läge, des­sen Schwä­chen durch die Isla­mi­sie­rung offen­ge­legt, aber kei­nes­wegs ver­ur­sacht wor­den sind; und wenn sie nicht die für ihr The­ma ent­schei­den­de Fra­ge nach der demo­gra­phi­schen Isla­mi­sie­rung mit gera­de­zu auf­rei­zend ober­fläch­li­cher Schön­fär­be­rei über­gin­ge. Aus der Feder einer Autorin, die es bes­ser wis­sen könn­te, wenn sie es bes­ser wis­sen woll­te, ein ärger­li­ches Buch, das frei­lich – gera­de weil es nicht völ­lig unkri­tisch ist – die Tabus des ver­öf­fent­lich­ten Dis­kur­ses um so grel­ler her­vor­tre­ten läßt und damit zeigt, wie weit die deut­sche Gesell­schaft davon ent­fernt ist, sich ihrer wirk­li­chen Lage zu stellen.

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