Unter Linken – ein Survival-Kit
von Herbert Waggerl
Freunde sind an mich herangetreten und haben mir vorgeschlagen, Erfahrungen aus einer lebensfeindlichen Umgebung mit euch zu teilen. Es war die Rede von einem großen Sturm, der über uns hinwegkommt und von einer schaurigen Küste, an der der Kamerad eines Tages die Augen aufschlagen muss: Wenn er in die Lage kommt, über Nacht dort sein Geld verdienen zu müssen, wo der Feind steht. Die traurigen Gedanken darüber, ob die Kameraden nicht eng genug zusammen gestanden sind, als es noch Zeit war, oder ob du selbst einen Schnitzer gemacht hast, den man dir nicht verzeiht, sie helfen dir nicht mehr weiter; du stehst allein und musst dich unter Linken ernähren.
1. Erste Hilfe. Du bist in einer feindlichen Umgebung, und wenn man dich erwischt, wird man dich ohne Gewissensbisse ins Elend stürzen. Sag nicht mehr, was du denkst, auch gegenüber alten Bekannten, halte das Maul, wo es geht. Schränke deine sozialen Kontakte ein, werde Stubenhocker und leg die Hoffnung auf ein Angestelltenverhältnis ab. Werde ein kleiner Selbständiger, kommuniziere anonym über das Internet und bilde dich mit betriebswirtschaftlicher Fachliteratur weiter. Lies keine fortschrittlichen Ratgeber; sie sind voller Bosheit und behindern dich dabei, eine neue Lebensgrundlage zu finden.
2. Linke Betriebswirtschaft. Menschen, die vom Staat abhängig sind und diese Abhängigkeit mit einer fortschrittlichen Gesinnung kaschieren, sind bösartige Geschäftspartner und schlechte Kunden; sie beuten sich auch gegenseitig rücksichtslos aus und vertrauen einander nicht. Rechne nicht damit, dass sie dich bezahlen; die meisten Linken brauchen die Polizei oder den Gerichtsvollzieher, um Geld herauszurücken, und man wird dich als unmoralischen Ausbeuter beschimpfen, wenn du dein Geld forderst. Zögere nicht, mit gerichtlichen Zahlungsbefehlen aufzuwarten. Die eine Hälfte deiner Kontakte arbeitet ohnehin nach dem Prinzip verbrannter Erde und du wirst sie nicht wiedersehen; die andere Hälfte wird dich respektieren, wenn du brutal vorgehst. Damit kannst du wirtschaften.
3. Gefährliche Bilder. Die Welt der Linken ist eine haarsträubend melodramatische Welt, durchzogen von nackt archaischem Gruppenverhalten und kitschigen, aber brutalen Vorstellungen vom sozialen Aufstieg. Die unscheinbare, wie Aschenputtel von der schwerreichen feministischen Chefin gedemütigte Praktikantin schielt nach dem Haus am See, sie will in Samt und Seide gehen und ist dazu bereit, alles zu tun, was man ihr sagt. Das funkelnde Weinglas auf der Terrasse einer toskanischen Villa, das Glück an der Seite eines älteren Mannes, umgekehrt die Herrschaft über das destruktive Finanzkapital sind die Lebensziele der Linken. Lies die Romane von Charles Dickens und das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern; so empfinden die Linken bei uns. Wende deine Augen aber bald von diesen Dingen ab und bleibe in deiner Internet-Zelle; man hat dort draußen nichts Gutes für dich aufbewahrt.
4. Was verkaufen? Damit du über die Runden kommst und dir und den deinen eine anständige Lebensgrundlage schaffen kannst, musst du den Linken etwas verkaufen, das sie brauchen. Die meisten Linken kommen mit ihrer eigenen Ideologie nicht zurecht, hier ist der Ansatzpunkt: Berate sie, schreibe ihnen ihre perversen Abhandlungen, die sie selber nicht zustande bringen und liefere ihnen ihr gottloses Gewäsch frei Haus. Du brauchst dazu nur ein wenig handwerkliches Geschick, und um das zu erwerben, musst zu zunächst enthemmt lügen; drück der kleinen Katze die Augen aus. Wenn sie dich nicht als Redenschreiber nehmen, dann unterrichte die linken Redenschreiber einfach im Redenschreiben; sie verzehren sich nach Führern, weil sie unfrei sind. Werde einfach Experte. Damit du dich nicht blamierst, musst du ein paar Seiten ihrer Standardwerke auswendig lernen, so lange, bis du so sprichst wie sie. Um zum Beispiel einen linken Politiker in den handwerklichen Grundlagen der Rede zu unterweisen, genügt es, sich am Vorabend der Beratung eine schmalzige Hitlerrede auf YouTube anzusehen. Überwinde deinen Ekel und tu es.
5. Das Gesicht des Feindes. Da du vom Feind lebst, musst du ihn kennen, brauchst ihn aber nicht kennen zu lernen. Er ist so, wie er seinen Rechtsradikalen darstellt: Die linke Integrationsbeauftragte ist – hinter vorgehaltener Hand – voller Rassenhass; der Gewerkschaftsfunktionär hat den ganzen Tag nichts besseres zu tun als Aktionen gegen israelische Kartoffeln zu planen; der sozialdemokratische Senator wechselt als Aufseher zu einer Leiharbeitsfirma; der staatliche Schwulenaktivist hasst seine Triebgenossen, wenn sie sich nicht seinen Vorstellungen unterordnen. Gehe davon aus, dass die Linken nach dem Führerprinzip arbeiten, dass sie mitten im einundzwanzigsten Jahrhundert Horden und Weibergrüppchen bilden, in denen der Höhlenmensch seine Fratze zeigt und der Knüppel regiert. Das alles hat aber nichts mit dir zu tun; lebe so, wie du es für richtig hältst. Überlasse die Kriecherei um Staatsgeld den Linken, sie können das, und profitiere davon.
6. Alleinstellungsmerkmale. Bei den Linken regiert das Effizienzprinzip, allerdings nur diejenige Seite davon, die mit dem Akt der Selektion verbunden ist. Alles, was mit Wirtschaftlichkeit oder kaufmännischer Ehre (sie nennen es Nachhaltigkeit) zu tun hat, verachten sie. Du brauchst also, um zu überleben, einen Selektionsvorteil, der den Linken einleuchtet. Um einen solchen Vorteil zu erlangen, musst du alles das, was du liebst, was du für gut und richtig findest und was den Menschen und dem Gemeinwesen nützt, durch ein intensives Hineinhorchen in dein gesundes Inneres identifizieren und danach in deinen Texten und in der Beratung mit allerschärfster Bösartigkeit und einem niedrigen Spott dagegen vorgehen.
7. Das gute Leben. Wenn du Glück hast, wirst du in deiner neuen Umgebung Geld verdienen und leben können. Wellen der Angst und des schlechten Gewissens werden deinen Körper heimsuchen: Betäube ihn mit Alkohol, sieh aber zu, dass du nicht über die Stränge schlägst. Meide Drogen, harte Getränke und Neuroleptika. Wenn du eine Familie hast, wird man dich dazu bringen wollen, sie zu zerstören; wenn ein Kind unterwegs ist, das nicht den Vorstellungen der Mehrheit entspricht, wird man dich dazu ermuntern, es abtreiben zu lassen. Das Böse muss durch dich hindurchgehen wie die Röntgenstrahlen von der Sonne, aber irgendwann ist es zu Ende, und man wird dir dabei helfen, von diesem unseligen Ort fortzukommen.
Weltversteher
Hm, doch ziemlich fiktiv. Und nicht gerade anleitend.
Der arme Kerl muß mal seinen ganzen angestauten Haß herauslassen, wie wenn er eine Eiterbeule ausdrückte. Kann man verstehen, wenn er in der geschilderten Lage sein sollte. Doch frage ich mich, wie es einen darein verschlägt? Andere schreiben unter echtem Namen rechte Texte und leben davon auch auskömmlich...
Für solcherlei Rat danke ich. Verschlägt es mich unverhofft in solche abgründigen Gefilde, so werden sie doch anders sein, als man sich hier mit wollüstigem Schauer ausmalen konnte. Aus der Hölle hat noch keiner berichtet.
Anm. M.L.: Leider nein, nichts darin ist "fiktiv".