Gestern hat der Bundestag einen “verstärkten Schutz” von (mutmaßlich!) behinderten Ungeborenen beschlossen: sozusagen die (winzige) Schnittmenge aus beiden Kreisen.
Demnach ist die Frauenärztin nun verpflichtet, Frauen, denen die Diagnose eröffnet wurde, vermutlich ein „schwerbehindertes” Kind (wozu auch, wenn nicht vor allem, leichtere Behinderungen wie Trisomie 21 gezählt werden) auf die Möglichkeit einer sogenannten psychosozialen Beratung hinzuweisen.
Naja. Es geht hier um etwa 250 Spätabtreibungen jährlich. Wenn durch das neue Gesetz ein paar dieser Kinder überleben dürfen, ist das freilich schön. Die 100- bis 200.000 anderen (womöglich größtenteils kerngesunden) Abgetriebenen erfahren durch das Gesetz keinen weiteren Schutz. Sie standen gar nicht zur Debatte. Der Unterschied zwischen einem in der 10. und in der 22. Schwangerschaftswoche getötetem Fetus oder Embryo ist aber ein rein theoretischer und emotionaler. Bilder von winzigkleinen Babyleichen bewegen das Gemüt stärker als ein (noch) wenig definierter Zellhaufen. Um gezeugtes Leben handelt es sich gleichermaßen.
Die linksäußere SPD-Frau Andrea Nahles, die jüngst in einem Interview ihre christlichen (katholischen!) Wurzeln als Urgrund ihrer politischen Tätigkeit offenlegte (und gleich noch ihr Lieblingskirchenlied dazu), benannte den Unterschied ganz pragmatisch: Während bei den „normalen” Abtreibungen schlicht das unhinterfragbare Recht der Frau auf Selbstbestimmung in kraft gesetzt würde, gehe es bei Späteingriffen um „Wunschschwangerschaften”. Der Wunsch werde Gesetz! Geholfen werden soll demnach in jedem Fall der Frau (den Eltern nicht unbedingt; der Mann hat in diesen Fragen kein Vetorecht, und weil in Fragen der Kostenübernahme nur das Einkommen der Frau – unüberprüft – in Frage steht, zahlen die Kassen auch über 90% der sogenannten Eingriffe) nicht dem verteidigungsunfähigen Klienten: dem Ungeborenen, ob „geplant” oder nicht.
Gut. Der Mensch ist ein Tier, und nahezu alle Tiere, auch die ganz süßen Hätschelwesen, pflegen die barbarische Sitte, die eigene Brut dann krepieren zu lassen oder zu töten, wo die eigene Substanz als bedroht empfunden wird. Wenn man demnach die „psychosoziale” Gesundheit der Frau in den Mittelpunkt stellen will, dann sollte man die Auswirkung von Abtreibungen für eben diese Frauen nicht verschweigen.
Martina Zippe hat jüngst in einem hochverdienten Artikel in der Jungen Freiheit etliche (trotz ihrer wissenschaftlichen Fundiertheit kaum bekannte) Studien vorgestellt, die die psychischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs für die Frau untersuchten. Es sind erschreckende Zahlen über die Häufung von Suiziden und Suizidversuchen, von traumatischen Depressionen ganz zu schweigen. Es gibt – allen Worthülsen zum Trotze – viele Frauen, die durch einen solchen Eingriff am eigenen Leib unberührt bleiben. Wer ein gewisses Maß an Sensibilität aufweist, reagiert nach Vollstreckung erschüttert. Auch ein solches Trauma kann eine Behinderung sein, die das Weiterleben erschwert. Dies aber ist, wie das ganze Abtreibungsgeschäft jenseits der Behindertenlobby, ein Tabuthema.