Als ersten Höhepunkt seiner demographischen Forschungen konnte Heinsohn zusammen mit zwei Bremer Kollegen Ende der siebziger Jahre eine Allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit präsentieren. Darin entfaltet er seine vielleicht bekannteste These, daß die ungeheure europäische Bevölkerungsexplosion der Neuzeit letzten Endes nur durch die systematische Bekämpfung des aus der Antike überlieferten reichen Wissens über Geburtenkontrolle (Verhütung, Abtreibung, Infantizid) möglich war, welches vor allem von Hebammen, Kräuterweibern und „weisen Frauen” weitergegeben wurde, die deshalb im Zuge der großen europäischen Hexenverfolgungen dezimiert worden seien. Das auslösende Moment dieser Verfolgungen sieht er in den großen Pestepidemien, die den feudalen Landwirtschaftsbetrieben die Arbeitskräfte entzogen. Vereinzelt sind Hinrichtungen von Geburtenkontrollhelferinnen durch verzweifelte Feudalherren bereits vor der entscheidenden Hexenbulle des Papstes Innozenz VIII. belegt, durch welche die katholische Kirche als damals größter europäischer Grundbesitzer der demographischen Katastrophe Herr zu werden versucht habe. In diesen bevölkerungspolitischen Zusammenhang werden auch verschiedene weitere kirchliche und staatliche Bemühungen gestellt, die Vermehrung der Bevölkerung gegen deren eigenes ökonomisches Interessenkalkül durchzusetzen und das „traditionelle elterliche Verantwortungsgefühl” auszuschalten. Dazu rechnen die Autoren insbesondere die strenge Sexual- und Ehemoral, die darauf gerichtet gewesen sei, alle Formen von Sexualität zu ächten, die nicht auf Vermehrung innerhalb einer Ehe gerichtet waren.
Auf dem Hintergrund dieser Erklärung der europäischen Bevölkerungsexplosion aus den Faktoren von abruptem Bevölkerungsverlust durch Pest, reaktiver Hexenverfolgung und forcierter Sexual- und Ehemoral entwickelte Heinsohn zuletzt die These vom Zusammenhang zwischen überzähligen Söhnen und Weltmacht.
Er betrachtet die Eroberung fast der gesamten Erdoberfläche durch die Europäer sowie den Aufstieg und Niedergang der einzelnen europäischen Hegemonialmächte (in der Reihenfolge Portugal, Spanien, Niederlande,
England, USA) im Lichte ihrer jeweiligen demographischen Situation. Die Bevölkerungsexplosion in der außereuropäischen Welt wird hier aus der Übernahme des ursprünglich europäischen Modells durch die Eroberten erklärt, das nun in Form von „farbigen” youth bulges zur Bedrohung der westlichen Welt werde.
Ein zweites großes Interessengebiet Heinsohns betrifft die vergleichende Völkermord-Forschung. Auch aus dieser Richtung dürfte er auf die Beschäftigung mit den überzähligen Söhnen, die in Kriegen, Bürgerkriegen – und eben Völkermorden – verheizt werden, verfallen sein. Als Sprecher des seit 1999 bestehenden Raphael-Lemkin-Instituts für Xenophobie- und Genozidforschung hat er sich vor allem mit der Herausgabe des Lexikons der Völkermorde große Verdienste erworben. Heinsohn war einer der wenigen Linken, die schon sehr früh darauf hingewiesen haben, daß die Massenmorde Stalins oder Maos diejenigen Hitlers in der Opferzahl bei weitem übertreffen. Allerdings glaubt er, daß sich der Holocaust an den Juden von allen anderen Völkermorden unterscheidet. In seinem Buch Warum Auschwitz? bietet Heinsohn einen sehr instruktiven Überblick über die wichtigsten gängigen Theorien zum Völkermord an den Juden und setzt sich dabei auch intensiv mit den verschiedenen theoretischen Annäherungen Ernst Noltes auseinander. Letztlich verwirft er diese alle zugunsten seiner These, daß Hitler – ganz ohne persönlichen Judenhaß – in den Juden die physischen Träger einer spezifischen Ethik der „Lebensheiligkeit” beseitigen wollte, in der unter anderem schon Ludendorff ein entscheidendes militärstrategisches Hindernis erblickt habe. Es sei Hitler um die Wiederherstellung des antiken Rechts auf rücksichtslose physische Vernichtung und Versklavung der Bevölkerung eines militärischen Gegners – symbolisiert im Totenkopf der SS – gegangen, welches von der jüdischen Ethik überwunden worden sei.
Um diesen Argumentationsstrang besser nachvollziehen zu können, muß man einen Blick auf das dritte große Forschungsgebiet Heinsohns werfen: die Religionsgeschichte. Hier vertritt er die These, daß das religiöse Menschen- und Tieropfer als kollektivtherapeutische „Nachspielung” realer kosmischer Katastrophen der Bronzezeit entstanden sei.
Aus diesem blutigen Akt des Nachspielens seien dann auch das Priesterkönigtum, die Götterbilder in Menschen- und Tiergestalt sowie die Entstehung der professionellen Künste abzuleiten. Nach dem Abklingen der großen Naturkatastrophen (Kometen, Sintflut) sei das blutige Opfer dann aber zunehmend als problematisch empfunden worden und nach und nach durch mildere (symbolische) Formen ersetzt worden. Die apokalyptische Grundidee des Opfers sei aber bis heute beibehalten worden, so daß es auch im Zuge vergleichsweise kleiner (etwa wirtschaftlicher) Krisen jederzeit wieder aktiviert werden könne. Lediglich die antiken Juden hätten dem Opfergedanken an einem bestimmten Punkt der Geschichte eine Absage erteilt und durch eine rationalere Liebes- und Lebensethik ersetzt („Du sollst nicht töten”, Feindesliebe). Dafür würden sie bis heute von den anderen – weiter opfernden – Völkern gehaßt, ein Haß, den Heinsohn aus der psychologischen Situation des Opfernden erklärt, der sich von einem Nicht-Mitopfernden beobachtet und beschämt und damit um den psychologisch-aussöhnenden Gewinn des Opfers betrogen fühlt.
Neben diesen Forschungen hat Heinsohn eine beachtliche Leidenschaft für chronologiekritische Fragestellungen entwickelt. In der letzten Ausgabe der ausschließlich auf archäologische Befunde gestützten Untersuchung Wie alt ist das Menschengeschlecht? schätzt er das Gesamtalter des Jetztmenschen auf weniger als 6.500 Jahre, eventuell lediglich 4.000 Jahre. Zahlreiche weitere Titel befassen sich mit chronologischen Revisionen in der Antike (ca. 500 Jahre Abzug von der offiziellen Chronologie) und des Mittelalters (ca. 300 Jahre Abzug). Diese Forschungen rufen beim unvoreingenommenen Betrachter vielleicht zunächst die größten Reserven hervor. Dennoch muß auch hier betont werden, daß Heinsohns Argumentation immer auf umfassender Kenntnis der einschlägigen Forschungsliteratur aufbaut und deren Schwachpunkte erbarmungslos ausleuchtet.
Ein fünftes Interessengebiet Heinsohns, der neben Soziologie auch in Wirtschaftswissenschaften promoviert ist, betrifft die Wirtschaftstheorie und ‑geschichte. In diesem Feld wendet er sich vehement gegen die vorherrschende (von allen Wirtschaftsnobelpreisträgern und allen gängigen ökonomischen Theorien geteilte) Auffassung von der Entstehung des Geldes und der Wirtschaft aus dem Tausch. In einem beeindruckenden Versuch zur historischen Rekonstruktion der Geldentstehung gelangt er zu der Auffassung, daß sie sich letztlich den gleichen bronzezeitlichen Großkatastrophen verdankt, wie das religiöse Opfer.
Nach einer gewaltigen Erschütterung der alten stammesgesellschaftlichen und feudalen Ordnungen durch Naturkatastrophen hätten sich erstmalig in der Geschichte die „Heroen” der Antike zu einer Assoziation von prinzipiell gleichen, patriarchalischen Privateigentümern in der Polis zusammengeschlossen. Durch das verpfändbare Privateigentum sei das Geld als Schuldschein in die Welt gekommen und ebenso der Zins, als Risikoabsicherung des Schuldners und nicht primär als sein Profitinteresse. Im Bemühen um die Tilgung der Zinslast wird dann der Motor der Produktion und des wirtschaftlichen Fortschritts erblickt. Das System des „Kapitalismus” mit seinen extremen Ungleichheiten sei demnach ursprünglich als System der Gleichheit angelegt gewesen, bei dem sich aber schnell herausstellte, daß die Privateigentümer eben unterschiedlich erfolgreich mit ihrem Pfund wucherten. Auf der Basis dieser Herleitung ist inzwischen eine eigenständige wirtschaftstheoretische Schule entstanden, die sogenannte Eigentumsökonomik.
Seine Kenntnis und ausdrückliche Kenntnisnahme der „sozialistisch” motivierten Massenmorde und seine auf anthropologischem Realismus aufgebaute Wirtschafts- und Religionstheorie brachten Gunnar Heinsohn schon früh auf Distanz zu seinem „grünen” akademischen Umfeld. In einem bemerkenswerten Essay aus den frühen achtziger Jahren macht er sich auf subtil-ätzende Weise über „die vielen hundert Millionen, die sich Sozialisten und Kommunisten nennen” lustig.
Er stellt klar, daß die Mehrheit der revolutionären Maulhelden die „entfremdeten” Arbeits- und Lebensbedingungen des modernen Großstadtlebens eigentlich ganz gut finden und keineswegs daran interessiert sind, in einer total unentfremdeten sozialistischen Gemeinschaft zu leben. Eine solche Gemeinschaft erblickt Heinsohn, der von 1976 bis 1978 in Israel gelebt hat, vor allem in den „freien Produzentenassoziationen”, wie sie in den Kibbutzim gestaltet sind. Die Opfer, die der Einzelne dort gegenüber dem modernen Stadtleben zu bringen hat – vor allem im Bereich der freien Gestaltung der Sexualität, der Leistungsbereitschaft und der unbeobachteten Privatsphäre, werden nicht beschönigt.
So resümiert er denn auch freimütig: „Für die meisten von uns bedeutet ‚Sozialismus‘ das Recht, den Kapitalismus zu analysieren, abscheulich finden und reformieren zu dürfen – kurz: Liberalismus.”