Münster anno 1534, ein Modell?

Vor bald 500 Jahren kam es im westfälischen Münster mit dem Wiedertäuferreich des Jan van Leyden zu einem legendären Ausbruch des Massenwahns mit Vorbildcharakter für spätere historische Ereignisse.

Lutz Meyer

Lutz Meyer kommt aus der linksanarchistischen Szene, seine Themen findet er auf der Straße.

Die ver­schie­de­nen und zeit­los gül­ti­gen Ent­wick­lungs­sta­di­en gesell­schaft­li­cher Wahn­vor­stel­lun­gen las­sen sich an den dama­li­gen Ereig­nis­sen modell­haft stu­die­ren. Auch star­ke Par­al­le­len zum Hier und Heu­te der Will­kom­mens­kul­tur sind nicht zu über­se­hen – dies nicht allein mit Blick auf die ein­zel­nen Ent­wick­lungs­sta­di­en des Wahns, son­dern auch mit Blick auf zugrun­de lie­gen­de christ­li­che Glaubensmotive.

Natür­lich ver­grö­bert ein Modell stets – es ver­ein­facht, läßt vie­le Details weg. Doch auch dar­in kann ein Nut­zen lie­gen. Wir unter­stel­len damit selbst­ver­ständ­lich nicht, daß das Wie­der­täu­fer­reich und das Reich der Will­kom­mens­kul­tur etwas Ähn­li­ches oder Ver­gleich­ba­res gewollt haben, aber wir behaup­ten, daß sie ihr Jewei­li­ges auf ähn­li­che und ver­gleich­ba­re Wei­se gewollt haben bzw. immer noch wol­len. Betrach­ten wir zunächst kurz die Ent­wick­lungs­sta­di­en, wie sie am Modell von 1534 ables­bar sind.

Ers­tes Sta­di­um: Neue Ideen über das Schick­sal und die Bestim­mung des Men­schen tau­chen auf und lösen Bei­fall und Begeis­te­rung aus; sie fin­den ers­te Anhän­ger in ton­an­ge­ben­den gesell­schaft­li­chen Schich­ten (beson­ders die Rol­le der Frau­en als Mul­ti­pli­ka­to­ren und sozia­le Kata­ly­sa­to­ren ver­dient beson­de­re Beach­tung), wer­den von die­sen zur staats­tra­gen­den Ideo­lo­gie pro­mo­viert. In die­ser Pha­se kann es noch Oppo­si­ti­on geben. Die Oppo­si­ti­on wird ent­we­der rein kon­ser­va­ti­ve Stand­punk­te ver­tre­ten und zum „Davor“ zurück­keh­ren wol­len oder – prin­zi­pi­ell auf­ge­schlos­sen für Neu­es – nicht den Wunsch nach Ver­än­de­rung gene­rell in Fra­ge stel­len, son­dern nur die kon­kre­ten Axio­me der neu­en Ideo­lo­gie anzwei­feln und durch ande­re erset­zen wol­len. Bei­de For­men der Geg­ner­schaft haben deut­li­che Schwä­chen. Der rein kon­ser­va­ti­ve Stand­punkt hat wenig vor­zu­wei­sen, was Bei­fall und Begeis­te­rung aus­lö­sen könn­te – er ver­tritt das über­stän­dig gewor­de­ne Alte, sieht es unkri­tisch und macht sich allein durch die­se feh­len­de Distanz unglaub­wür­dig. Der ratio­na­le Wider­spruch hin­ge­gen kommt mit sei­nen Zwei­feln an den Axio­men meist zu spät und rich­tet sich als Theo­rie­kri­tik über­dies vor allem an intel­lek­tu­el­le Krei­se – der Fun­ke springt nicht auf die­je­ni­gen über, die Bewe­gung aus­lö­sen und kon­trol­lie­ren. Über­dies fehlt es dem ratio­na­len Wider­spruch an ech­ter eige­ner Über­zeu­gungs­kraft. Gehen die neu­en Ideen mit reli­giö­sen oder qua­si-reli­giö­sen Schuld­mo­ti­ven und dar­aus resul­tie­rend einem Auf­ruf zur Buße ein­her, wird jede Art des Wider­spruchs vor allem von mora­li­scher Sei­te aus be- und ver­ur­teilt werden.

Zwei­tes Sta­di­um: Die neu­en Ideen erlan­gen den Sta­tus welt­erklä­ren­der Uni­ver­sa­li­en, wer sich nicht fügt, wird bedroht, aus der Gemein­schaft der Gläu­bi­gen aus­ge­schlos­sen und ver­folgt – ein tota­ler (und in der Fol­ge tota­li­tä­rer) Sieg des guten Gewis­sens und der herr­schen­den Moral. Der Unter­schied zwi­schen welt­li­cher und reli­giö­ser Ideo­lo­gie ver­schwin­det – auch eine im Kern welt­li­che Ideo­lo­gie trägt Züge von Heils­ver­spre­chen und End­zeit­er­war­tung, das gesell­schaft­li­che Kli­ma ist zuneh­mend durch Hys­te­rie gekenn­zeich­net. In die­ser Pha­se ist es für die neue Leh­re ent­schei­dend, Erfol­ge vor­wei­sen zu kön­nen – sei es, daß Vor­her­sa­gen ein­tre­ten und Ver­spre­chun­gen erfüllt wer­den, sei es, daß einem even­tu­ell von außen wach­sen­den Wider­stand frem­der Mäch­te Paro­li gebo­ten wird. Es wird Stär­ke demons­triert – nach innen wie nach außen. Der Erfolg wird zum Aus­weis der Zustim­mung höhe­rer Mäch­te bzw. der Bestä­ti­gung der Erfül­lung eines geschicht­li­chen Auftrags.

Drit­tes Sta­di­um: Die zur tota­len Herr­schaft gelang­ten Ideen radi­ka­li­sie­ren sich not­wen­di­ger­wei­se, wenn – was frü­her oder spä­ter zwangs­läu­fig ein­tre­ten wird – Pro­gno­sen sich nicht bewahr­hei­ten und Ver­spre­chun­gen im wei­te­ren Ver­lauf gebro­chen wer­den, die Gläu­bi­gen zu mur­ren begin­nen und even­tu­ell zusätz­lich ein star­ker Druck von außen die Bin­nen­ver­hält­nis­se erschwert (im Wie­der­täu­fer­reich waren dies Hun­gers­nö­te infol­ge der anhal­ten­den Bela­ge­rung). Es kommt zu Exzes­sen (im Wie­der­täu­fer­reich: Viel­wei­be­rei, orgi­as­ti­sche Aus­schrei­tun­gen, Ver­bot von Pri­vat­ei­gen­tum, weit­ge­hen­de Ver­wahr­lo­sung, will­kür­li­che öffent­li­che Hinrichtungen).

End­sta­di­um: Der Zusam­men­bruch ent­we­der durch äuße­ren Druck oder durch wach­sen­de inne­re Unzu­frie­den­heit ist nicht zu ver­hin­dern. Manch einer aus dem erwei­ter­ten Füh­rungs­zir­kel über­legt bereits, ob und wie die eige­ne Haut zu ret­ten sein wird. Der inne­re Kern wird den Macht­an­spruch nun noch radi­ka­ler auf­recht­zu­er­hal­ten bemüht sein. Das dem Zusam­men­bruch fol­gen­de Straf­ge­richt trifft einer­seits auf Reue, Verweif­lung und Bit­te um Gna­de, ande­rer­seits auf Ver­stockt­heit und unbe­irr­tes Fest­hal­ten an der Ideologie.

Das heu­ti­ge Reich der Will­kom­mens­kul­tur dürf­te sich in der voll­ent­wi­ckel­ten ers­ten Pha­se befin­den – das zwei­te Sta­di­um ist man­cher­orts bereits betre­ten, das drit­te als Ahnung prä­sent. Selbst­ver­ständ­lich las­sen sich die Ver­hält­nis­se im Müns­te­ra­ner Wie­der­täu­fer­reich nicht ohne wei­te­res auf die Will­kom­mens­kul­tur unse­rer Tage über­tra­gen (selbst einer zwie­lich­ti­gen Gestalt wie dem Täu­fer­kö­nig Jan van Ley­den kann man im Ver­gleich zum poli­ti­schen Per­so­nal unse­rer Tage eine gewis­se tra­gi­sche Grö­ße nicht abspre­chen), doch sowohl im Müns­te­ra­ner Wie­der­täu­fer­reich als auch im Reich Will­kom­mens­kul­tur fin­det eine teils expli­zi­te, teils eher ver­deck­te Inan­spruch­nah­me christ­li­cher Leh­ren statt. Das eine Motiv ist der Schuld-Buße-Kom­plex, das ande­re die heils­ge­schicht­li­che Dimen­si­on. Es geht hier übri­gens nicht dar­um, das Chris­ten­tum auf bil­li­ge Wei­se zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen – es geht ein­zig und allein dar­um, den Blick für die Miß­brauchs­an­fäl­lig­keit des christ­li­chen Glau­bens zu schär­fen – Figu­ren wie der fleisch­ge­wor­de­ne Kar­di­nal­feh­ler Woel­ki sind nicht von unge­fähr einer christ­li­chen Kir­che zuge­hö­rig. Wel­che Schlüs­se aus der Miß­brauchs­an­fäl­lig­keit zu zie­hen sind, blie­be einer geson­der­ten Erör­te­rung vorbehalten.

Die gesam­te Will­kom­mens­kul­tur ist nicht denk­bar ohne einen tief­ver­wur­zel­ten, auf christ­li­che Glau­bens­mo­ti­ve zurück­ge­hen­den Schuld­kom­plex. Ohne den Rück­griff auf die­ses letzt­lich christ­li­che Fun­da­ment hät­te die kon­zep­tio­nell ansons­ten wesent­lich durch die intel­lek­tu­el­len Dürf­tig­kei­ten der Frank­fur­ter Schu­le gestal­te­te Re-Edu­ca­ti­on der Nach­kriegs­zeit nie­mals die­se ver­hee­ren­den Fol­gen auf den Geis­tes­zu­stand meh­re­rer Gene­ra­tio­nen haben kön­nen. Da ist Tie­fer­wir­ken­des und seit lan­ger Zeit Anhal­ten­des im Gan­ge. Die Grund­la­ge ist das Schul­dig­sein schlecht­hin, die Re-Edu­ca­ti­on sprach dem Deut­schen ledig­lich ein beson­de­res Maß der Schuld zu. Das lau­te „Tuet Buße!“ war auch in den Stra­ßen Müns­ters zur Zeit der Wie­der­täu­fer all­ge­gen­wär­tig. Buße getan wer­den soll­te ange­sichts des unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Tag des Jüngs­ten Gerichts. An das Jüngs­te Gericht glaubt wahr­schein­lich kei­ner der heu­ti­gen Eife­rer und Gei­fe­rer oder Sach­wal­ter der Will­kom­mens­kul­tur ernst­haft. An den rein insti­tu­tio­nel­len Akt der Buße dafür um so mehr. Weil der Mensch – im Beson­de­ren der Mensch der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on und unter denen wie­der­um ganz beson­ders der deut­sche – von Grund auf ver­dor­ben ist, kann die Buße gar nicht weit genug gehen. Schul­dig gemacht, ver­sün­digt hat man sich heu­te nicht am bibli­schen Gott, son­dern an den Men­schen Afri­kas und Asi­ens. Die wer­den nun in ihrer Gesamt­heit zu gott­ähn­li­chen Wesen erho­ben – das Köl­ner Flücht­lings­boot wird zur Reli­quie, zum anbe­tungs­wür­di­gen Gegen­stand: hei­li­ger Gral, Holz­kreuz, Dor­nen­kro­ne, Lei­chen­tuch und hei­li­ge Lan­ze in einem. Die Buße geht dabei wie wei­land im Wie­der­täu­fer­reich auch im Reich der Will­kom­mens­kul­tur bis über die Gren­zen der Selbst­auf­ga­be hin­aus. Man gei­ßelt sich bis aufs Blut, bie­tet das Eige­ne dar, die kom­plet­te Selbst­ent­äu­ße­rung und Selbst­ver­leug­nung ist das Gebot der Stun­de. Die Teil­nah­me an den Glau­bens­ri­tua­len ist kei­ne Ange­le­gen­heit indi­vi­du­el­len Ermes­sens, son­dern eine Fra­ge von Gut und Böse. In Glau­bens­din­gen ist nun ein­mal das Bestre­ben, das Böse mit Stumpf und Stiel aus­zu­rot­ten, mehr als nur latent vor­han­den. Daher auch der gut­mensch­li­che Fana­tis­mus, die­ser sich über­schla­gen­de Glau­bens­ei­fer mit Schaum vor dem Mund – zu kei­ner Sekun­de zwei­felt er dar­an, dem Guten zu dienen.

Weil es im Reich der Will­kom­mens­kul­tur um Gut und Böse, um Heil und Ver­damm­nis geht, ist es auch nicht falsch, ihm eine heils­ge­schicht­li­che Inten­ti­on zu unter­stel­len. Die säku­la­ri­sier­te Ana­lo­gie zum Reich Got­tes ist die “Eine Welt”, in der Hun­gers­nö­te, Krie­ge und Res­sour­cen­knapp­hei­ten für alle Ewig­keit aus­ge­schal­tet sind. Auch hier geht es um einen mora­lisch unter­füt­ter­ten Abso­lut­heits­an­spruch im Name des Guten – jeder, der sich ihm ent­ge­gen­stellt, stellt sich auf die Sei­te des Bösen. Des­we­gen ist es auch so gut wie unmög­lich, einen kon­struk­ti­ven und ratio­na­len Dia­log zu füh­ren – der Dis­kurs ist mehr noch als zu frü­he­ren Zeit die theo­lo­gi­sche Dis­pu­ta­ti­on ein Herr­schafts­in­stru­ment und kei­nes­falls ergebnisoffen.

Die span­nen­de Fra­ge ist nun, ob das Müns­te­ra­ner Modell des Wie­der­täu­fer­reichs auch Pro­gno­sen hin­sicht­lich der wei­te­ren Ent­wick­lung im Reich der Will­kom­mens­kul­tur zuläßt. Wenn wir uns der­zeit tat­säch­lich erst im ers­ten Sta­di­um der Wahn­ent­wick­lung befin­den soll­ten, stün­de die eigent­li­che Stei­ge­rung des Schre­ckens mit all ihren Exzes­sen noch bevor – die viel­fäl­ti­gen Anzei­chen für einen Stim­mungs­um­schwung (Wahl­pro­gno­sen, zag­haf­te Ansät­ze zu einer offe­ne­ren Dis­kus­si­on in diver­sen Medi­en, noch zag­haf­te­re Bekun­dun­gen der offi­zi­el­len Poli­tik, auf die Gegen­sei­te zuge­hen zu wol­len) wären dann ledig­lich ein Zwi­schen­spiel à la “Pra­ger Früh­ling” im Gar­ten­zwerg­for­mat und nicht mehr als eine opti­sche Täu­schung. Bei einer Prä­zi­sie­rung der Pro­gno­se wäre auch auf die Fra­ge ein­zu­ge­hen, inwie­weit äuße­re Mäch­te bei der künf­ti­gen Ent­wick­lung eine Rol­le spie­len könnten.

Das Müns­te­ra­ner Wie­der­täu­fer­reich jeden­falls ende­te bekann­ter­ma­ßen in einem Blut­bad und einer anschlie­ßen­den Restau­ra­ti­on. Nach­dem die bischöf­li­chen Trup­pen durch Ver­rat in die Stadt gelangt waren, fie­len sie über die durch Mona­te des Hun­gers weit­ge­hend aus­ge­zehr­ten Wie­der­täu­fer her. Ledig­lich die Füh­rung, unter ihnen der Täu­fer­kö­nig Jan van Ley­den (auch als Johann Bockel­son bekannt), wur­de nicht an Ort und Stel­le getö­tet. Man mach­te ihnen, nach­dem man sie eine Wei­le wie eine sata­nis­ti­sche Freak­show durchs Land gekarrt hat­te, den Pro­zeß. Nach der Hin­rich­tung wur­den die sterb­li­chen Über­res­te in eiser­nen Käfi­gen in luf­ti­ger Höhe über Müns­ters Pracht­stra­ße am Kirch­turm von St. Lam­ber­ti auf­ge­hängt – spä­te­ren Gene­ra­tio­nen zur ste­ten Mahnung.

Wer sich selbst ein Urteil hin­sicht­lich des Modell­cha­rak­ters und mög­li­cher Pro­gno­sen bil­den möch­te: Ein pas­sa­ble und kurz­wei­li­ge Schil­de­rung der Ereig­nis­se in Müns­ter bie­tet Bockel­son. Geschich­te eines Mas­sen­wahns.

Lutz Meyer

Lutz Meyer kommt aus der linksanarchistischen Szene, seine Themen findet er auf der Straße.

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Kommentare (61)

Tommelsdorf

3. Juni 2016 13:32

Die Münsteraner Ereignisse waren religiöse Ereignisse. Es hat keinen Zweck, Religiosität, egal ob stark oder schwach, mit Wahn gleichzusetzen. Zumal im Artikel eine Gleichsetzung von religiösem "Wahn" und politischem "Wahn" stattfindet, doch weder das eine noch das andere ist definierbar.
Auch die Grenzziehung, wo Religion oder Politik aufhört und Wahn (oder gar gesellschaftlicher "Wahn", politischer "Wahn") anfängt, ist unmöglich, weil nicht definierbar; es gibt dafür kein System zum messen und kann es wegen der subjektiven Natur dieser Dinge auch nicht geben, und ganz bestimmt nicht als Ferndiagnose über 5 Jahrhunderte hinweg. Womit wir bei der Zeitbehaftung all dieser Bewertungen sind, was heute als wahnsinnig oder religiös gilt, war es vor 500 Jahren nicht und umgekehrt usw. Also, diese Sorte Parallelen Früher-Heute sind unhistorisch, führen zu nichts. Man kann die Vergangenheit nur aus der Vergangenheit heraus halbwegs angemessen beurteilen. Und die Wiedertäuferbewegung beruht auf persönlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen, die nach so langer Zeit für einen modernen Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind, da ändert auch die schönste moderne Literatur darüber nichts. Denn alles, was wir an Primärquelle darüber wissen, stammt aus dürren Buchstaben und ein paar Holzstichen - das ist doch kein Spiegelbild des damaligen Lebens. Wir wissen zwar, was damals passierte, aber nicht, warum es passierte. Wir wissen auch nicht, warum es anderswo nicht passierte usw. Die sehr schwer begreifbare und ziemlich singuläre Wiedertäuferbewegung daher in ein enges Verhältnis zur "Willkommenskultur" zu setzen, oder als "Vorbildcharakter für spätere historische Ereignisse" zu sehen, ist haltlose Spekulation, wirklich ganz unbeweisbar; auch geschichtliche Thesen müssen bewiesen werden, wie soll das hier gehen? Indem abenteuerliche Parallelen zwischen damals und heute gezogen werden, angereichert mit Wahrsagerei? Wir haben keinen blassen Schimmer, was in ein paar Jahren sein wird, auch die Wiedertäufer können es uns nicht sagen - falls es versucht wird, ist das genau die Sorte wahrsagende Journalistik, über die sich nicht nur hier gern lustig gemacht wird. Und wenn ich mir schließlich noch ansehe, das seit etlichen Jahren die Begriffe Wahnsinnig, Verrückt usw. durch ganz wahllosen Gebrauch recht substanzlos geworden sind, ja dann fällt es umso leichter, auf diese Begriffe zu verzichten. Zumal der wahre Geisteskranke rein zufällig immer der politische Gegner ist, das war ja schon früher schon so und hat auch das gleiche wie heute bedeutet, nämlich Armut an Argumenten. Ja, wenn es bloß so einfach wäre mit den Geisteskranken. Aber die wirklich gefährlichen politischen Schurken sind nicht die Verrückten, sondern die Gesunden. War schon immer so.

Daswarja Allesganzanders

3. Juni 2016 14:08

Sehr geehrter Herr Meyer,

dieser Artikel war neben der Abhandlung "Gut und Böse","Gut und Schlecht" von Friedrich Nietzsche und Thorsten Hinz' "Gutmenschen / Ideologie der Unschöpferischen" das Beste, das ich überhaupt jemals gelesen habe.

Vielen Dank.

Carsten

3. Juni 2016 14:36

Hallo Herr Meyer,

das hat H. Heine schon gemacht (Wintermärchen, Caput IV):

"Die Heil'gen Drei Kön'ge aus Morgenland,
Sie können woanders logieren.

Folgt meinem Rat und steckt sie hinein
In jene drei Körbe von Eisen,
Die hoch zu Münster hängen am Turm,
Der Sankt Lamberti geheißen.

Der Schneiderkönig saß darin
Mit seinen beiden Räten,
Wir aber benutzen die Körbe jetzt
Für andre Majestäten."

Werner Holzheu

3. Juni 2016 14:40

Sehr geehrter Herr Meyer,

ein hervorragender Text. Willkommenswahn und Multikulti als christliche Heil- und Erlösungsideologie. In Deutschland wie in Schweden - wo der Protestantismus Staatsreligion war. Das konservative Lager sollte mehr Nietzsche lesen.

Danke.

Winston Smith 78699

3. Juni 2016 14:53

Dies ist jetzt nicht als Erwiderung zu Meyers großartigem Artikel gemeint, sondern als zugespitzte Erweiterung. (Es geht mir darum, dass auch hier unten bei uns möglichst viel interessantes Zeug steht, so dass Leute positiv überrascht sind und wiederkommen. Bitte nicht ärgern und schimpfen, dann lieber einfach nicht lesen.)

Zu der Frage, ob wir uns am Ende von Phase 1 befinden, oder überhaupt, in welcher Phase wir uns befinden: Vielleicht in jeder der drei zugleich? Im WP-Artikel zur Gruppendynamik werden verschiedene Modelle vorgestellt, die dem von Reck-Malleczewen freundlich konkurrieren könnten. Zu Tuckman steht dann:

Die Reihenfolge suggeriert einen linearen Prozess, der es nicht ist: Gruppen entwickeln sich zyklisch, sie können Phasen „überspringen“ oder „zurückfallen“ und im Laufe ihrer Existenz mehrere „Kreise“ durchlaufen – insbesondere, wenn Gruppenmitglieder ausscheiden oder neu hinzukommen.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppendynamik#Phasen

Hierzu assoziiere ich eine Kritik an simplifizierenden Darstellungen der Musikgeschichte. Besonders vor der Zeit der standardisierten Notation und vor allem vor dem Massendruck - aber in Form von lokalen Traditionen in der Folklore auch seitdem noch - ist es eine völlig falsche Annahme, dass sich mit einer (als "Umbruch" formulierten) historischen Neuerung sogleich überall das Paradigma ändert, etwa wie man sich es bei den Wechseln Barock-Klassik-Romantik so denkt. Vielmehr wird mancherorts ein "ganz Altes" weitergepflegt, während zumeist bereits eine ganz andere Musik gemacht wird, von der sich wiederum eine oder mehrere lokale Avantgardeszenen schon wieder weit entfernt haben. Zur Blütezeit der Notre-Dame-Schule um +-1200 stelle ich mir das besonders krass vor.

Warum diese "Asynchronizität" annehmen? Weil die Gruppe hier viel größer und klomplexer ist als die Wiedertäufergemeinde. Gerade weil ein Modell simplifiziert, ist seine Anwendung nützlich, birgt aber somit die Gefahr, dass man von ihm aus dann zu einseitige Prognosen erstellt und damit in Fallen läuft oder berechenbar wird. Was daraus machen? Vielleicht in der chaotischen Lage mit Amorphität und Schwarmintelligenz überleben, wie Michael Winkler es anhand von Sun Tzu erklärt (man könnte auch Michael Endes Ygramul nehmen, falls jemand das Viech kennen sollte).

Weiterführende Hinweise (nicht ärgern, lieber einfach nicht lesen): Bei der Suche nach "Asynchronizität" fiel mir zwar ein Klonovsky auf den Bildschirm, aber nicht genau das, was ich suchte. Was aber wäre stattdessen der richtige Suchbegriff? Interessante Ansätze fand ich bei "Paradigmenwechsel" / "Paradigm Shift" (Kuhn), "Systemic Bias" / "Institutional Bias" und besonders bei "Denkkollektiv" / "Thought Collective" (Ludwik Fleck, hier ein lesenwerter Artikel: https://plato.stanford.edu/entries/fleck ).

Bevor man verzweifelt, weil wieder im Großen und Ganzen nichts weiterzugehen scheint, kann man auch mal über "seltsame Attraktoren" oder chaotische Systeme nachdenken, den Rössler-Attraktor oder die Katastrophentheorie (René Thom): es kann sein, dass sich lange nichts tut, aber dann auf einmal umso mehr. Stuart Kaufmann hat mit der "Edge of Chaos"-Theorie auch über soziale Systeme eine interessante Diskussion aufgemacht: https://en.wikipedia.org/wiki/Edge_of_chaos
(Bitte dort den PDF-Link zur Kenntnis nehmen, da kommen eine Literaturliste und was zu emergenten bzw. supervenienten Eigenschaften eines Systems in diesem Zusammenhang - und im neuen Heft soll ja auch was über Luhmann stehen.)
Nicht zu vergessen die Thematik der Massenhysterie. Hier ein passender Auszug aus aus einem Buch von Bartholomew and Hassall, auch wieder mit Phasen.

Hartwig aus LG8

3. Juni 2016 14:57

Ganz unabhängig von @Tommelsdorfs Kritik und deren Richtig-oder Falschheit steht die von @Meyer gestellte Frage im Raum: In welchem Stadium befinden wir uns? Wie wird es weitergehen? Haben wir die Talsohle durchschritten? Oder stehen wir vor einem Sturz, der tief oder gar vernichtend sein wird? Oder steht der Feind kurz vor seinem Zusammenbruch?
Die Zukunft aus Gegenwart und Vergangenheit herzuleiten und vorhersagen zu wollen ist ein Wesenszug des Denkens. Oft genug schlägt das fehl.
Ob Münster 1534 zum Modell taugt, weiss ich nicht und ist mir egal.
Es geht um die Fähigkeit, weit genug zurücktreten zu können, um ein möglichst großes Bild zu sehen; das (neudeutsche) Big Picture betrachten zu können.
@Meyer hat keine Antworten, sondern stellt Fragen. Das zieht sich wie ein Faden durch seine Beiträge. Aber er stellt keine schlechten Fragen.

Und die Begrifflichkeit des Wahns trifft es doch wirklich gut, wenn ich auf einen Teil meiner Landsleute schaue. In erster Linie, der Wahn, sich selbst zu opfern.

ene

3. Juni 2016 15:21

Man kann die Vergangenheit nur aus der Vergangenheit heraus halbwegs angemessen beurteilen.

Tommelsdorf, ja so ist es. Egal, worum es geht. Danke für diesen differenzierten Kommentar!
Diejenigen, die überzeugt sind, "der Protestantismus" sei nun endlich als der "Hauptschuldige" dingfest gemacht, haben sicher auch eine Antwort auf die Frage, warum sich gerade das katholische Frankreich schon viel länger "islamisiert", wie der aus Algerien stammende Schridftsteller B. Salal zu seinem Entsetzen bemerkt:

https://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=56729

Simplicius

3. Juni 2016 15:41

@ Tommelsdorf
Also Ihr Kommentar, noch dazu der erste unter dem interessanten Gedankenspiel von Lutz Meyer, ist so weit daneben, dass man sich fragt, ob man überhaupt noch einen Widerspruch setzen soll.

Freilich, jeder (historische) Vergleich hinkt. Doch kann man selbstverständlich (mit gutem Recht auf Erkenntnis und unterhaltsame Veranschaulichung) den „religiösen“ mit dem „politischem“ W a h n vergleichen. Wo soll denn im Ergebnis schon der Unterschied sein? Wahn, egal welcher Couleur, der zum Massenwahn wird und in einer Gemeinschaft/Gesellschaft die Herrschaft erringt, wird realitätsblind und wütet in aller Regel als rücksichtslose Tyrannei gegen Andersdenkende.

Hatte in diesen Tagen zufällig in „Der Antichrist“ von Friedrich Nietzsche geblättert; passt gut zur Beschreibung der psychisch-moralischen Verfasstheit unserer christlich grundierten „Welcome-Jubler“, die sich gerne einer „zweckdienlichen Verlogenheit“ bedienen (Neu- bzw. Pegida-Deutsch: Lügenpresse).

„Wenn man heilige Aufgaben hat, zum Beispiel die Menschen zu bessern, zu retten, zu erlösen … so steht man mit einer solchen Mission bereits außerhalb aller bloß verständesmäßigen Wertungen - s e l b s t schon geheiligt durch eine solche Aufgabe, selbst schon der Typus der höheren Ordnung!“ (Friedrich Nietzsche)

Stefan Jahr

3. Juni 2016 15:43

Ein ganz hervorragender Artikel, Herr Meyer!
Lassen Sie mich noch ergänzend anmerken, dass die Transformation religiöser Heilserwartung des Christentums in die säkularen Heilserwartungen der politischen Religionen der Gegenwart massgeblich verstärkt wurde durch die drei-Reiche-Lehre des kalabrischen Zisterziensers Joachim von Fiore im 11. Jh., welcher lehrte, im Gegensatz zu gängigen christlichen Auffassung, dass nach der Weltzeit Christi, dem Reich der institutionalisierten Kirche, ein Reich des Hl. Geistes anbrechen würde, in dem, im Gegensatz zum Zeitalter der Kirche, das Heil erst vollendet sei. Bis Lessings "Fragmenten zur Erziehung des Menschengeschlechts" kann man zurück verfolgen, wie dieses joachitische Gedankengut bewusst - unbewusst die weltlichen Heilserwartungen beeinflusst hat. Erhellen des findet man dazu bei Karl Loewith "Weltgeschichte und Heilsgeschehen", der diese Thematik eingehend untersucht hat.

Gustav Grambauer

3. Juni 2016 15:50

Tommelsdorf und viele andere werden da nicht mitgehen, aber die Geschichte läßt sich symptomatologisch im Sinne des Goethe-Worts "Alles Vergängliche ... " interpretieren. Die Jahre um 1500 erscheinen dabei nur als eine kleine projektive Resonanz der Rasereien je zu den Jahrtausend-Wenden in der damaligen Jahrtausend-Mitte (was aber überhaupt nicht im Widerspruch zur Beobachtung etwa der vier Stadien steht, ganz im Gegenteil):

"In dem Zehnersystem wirken nun sehr stark die ahrimanischen Impulse. Es läßt hervortreten die Tatsache, daß bei jedem Jahrtausend, also im Jahre 1000, 2000 und so weiter, ein besonders starker Angriff Luzifers und Ahrimans vereint stattfindet. In den anderen Jahrhunderten halten sie sich mehr das Gleichgewicht. In dem Jahrhundert aber, wo man schrieb 9 .., also auch in unserem Jahrhundert 19 .., wenn es gegen das neue Jahrtausend geht, vereinigen sie sich und wirken zusammen auf die Menschen ein. Diese Tatsache lebt noch in dem Volksglauben, daß während tausend Jahren Luzifer und Ahriman an der Kette liegen und daß sie dann für kurze Zeit losgelassen werden.

In den vorchristlichen Jahrtausenden 1000, 2000, 3000 vor Christus war es so, daß ... ein besonders starker Einfluß der guten, fortschreitenden Mächte stattfand, der diese vereinigte luziferisch-ahrimanische Wirkung im Zaume hielt und ein besonders Gutes daraus entstehen ließ. So sehen wir, wie im Jahre 3000 vor Christus die Pyramiden gebaut wurden. Im Jahre 2000 war es das Zeitalter Abrahams und alles, was daraus entstand; zugleich ein Höhepunkt der babylonischen Kultur. Im Jahre 1000 vor Christus war das Zeitalter Davids. Der Bau des salomonischen Tempels wurde vorbereitet. Im Jahre Null erschien der Christus.

...

Aber die Entwickelung geht in Pendelschlägen: im Jahre 1000 erwartete man das Ende der Welt, im Jahre 2000 erwartet man genau das Gegenteil, im Jahre 3000 wird man wiederum das Ende der Welt erwarten, aber die Welt wird dann so geworden sein, daß ganze Völkerschaften dieses Ende der Welt herbeisehnen werden. Man kann es ohne Sentimentalität sagen: die europäische Menschheit geht furchtbaren Zeiten entgegen.

...

Menschen werden sich Christen nennen, die von dem wahren Christentum keine Spur mehr in sich haben werden; und sie werden wüten gegen diejenigen, die sich nicht nur allein halten an das, was der Christus einmal nach der Überlieferung der Evangelien gesagt hat, sondern für welche gilt das Wort: "Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Erdenzeiten", die sich richten werden nach dem lebendigen, fortwirkenden Christus-Impuls. Gegen diese wird man wüten. Verwirrung und Verwüstung wird herrschen, wenn das Jahr 2000 herannaht."

- Rudolf Steiner, 1924, https://fvn-archiv.net/PDF/GA/GA286.pdf#page=129&view=Fit

- G. G.

Siddharta

3. Juni 2016 16:06

Ich bin mir nicht sicher, ob eine Politische Religion auf fruchtbareren Boden fällt, wenn sie mit dem Christentum in Verbindung steht. Das Messianische des Führers im Nationalsozialismus oder die Auserwähltheit der Arbeiterklasse im Kommunismus war anderer Natur.

Enrico Stiller

3. Juni 2016 18:48

Hat die Webseite heute einen "Wurm"? Ich versuch's nochmal:
Tommelsdorf hat natürlich unrecht. Wenn man die Vergangenheit nur aus der Vergangenheit beurteilen könnte, könnte man gar nichts mehr beurteilen und vergleichen. Zu vergleichende Vorgänge sind zeitlich, örtlich, und den Umständen nach verschieden. Es gibt eine Vielzahl von Kategorien, die sie unterschiedlich machen - logisch, sonst wären sie nicht verschieden. Die unterschiedliche Zeit als Kategorie zu privilegieren, um die Unmöglichkeit eines Vergleichs oder einer Beurteilung zu postulieren, ergibt keinerlei Sinn.
Sonst wären nur absolut zeitgleich passierende Dinge beurteilbar. Vielleicht meint Tommelsdorf, Vorgänge in derselben Epoche könne man noch beurteilen. Aber wie - um seinen anderen Einwand zu gebrauchen - will man "dieselbe Epoche" definieren? Das alles führt logisch zu nichts.
- Zum Artikel: Ich finde ihn grandios. Ich bin nur etwas neidisch, dass mir dieser Vergleich zu Münster nicht eingefallen ist. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir uns wirklich noch in einer relativ frühen Phase des politreligiösen Wahns befinden.
Ibn Khaldoun beschreibt in seiner 'Muqaddimah' den bevorstehenden Verfall eines Regimes: Der Herrscher schottet sich von "seinen Stammesgenossen", hält sie mit allen Mitteln von der Macht fern und verteilt höchste Ehren und Gunst an Angehörige fremder Stämme. So "lernen seine Stammesgenossen, ihn zu hassen".
Ähnlichkeiten mit unserem Regime liegen auf der Hand. -
Alfred Kroeber stellt in seiner 'Anthropology...' die Aufgabe des Tabu-Systems im vor-amerikanischen Hawaii im Jahre 1819 dar, vor Eintreffen der ersten Missionare. Er sieht die Gründe dafür zumindest in Teilen in einer "cultural fatigue", einem absoluten Überdruss am Druck, den die zahlreichen komplizierten Tabus im täglichen Leben ausübten.
Wenn man die Foren selbst mancher eher linken Presseorgane durchsieht, bekommt man den Eindruck, dass sehr vielen Menschen die Tabus unserer 'political correctness' - um es ganz sozialphilosophisch auszudrücken: einfach ganz unsäglich auf den Senkel gehen. -
Fazit: Das Ende ist nahe.

Gustav Grambauer

3. Juni 2016 19:20

Es gibt ja den UdSSR-Witz: Ein Assistent an einem Geschichts-Institut in späteren Zeiten gräbt ein von Breshnew unterschriebenes Dokument aus, und alle fragen sich: "Wer war nur dieser Breshnew?". Es werden Konzile angesetzt, es werden Archive durchkämmt, es finden Kolloquien mit den hochkarätigsten Experten zu der Frage statt. Die Frage kann nicht geklärt werden, nur soviel steht fest: Breshnew muß ein Apparatschik in der Solschenizyn-Ära gewesen sein.

Je mehr ich den Beitrag von Lutz Meyer auf mich wirken lasse, desto mehr gibt er mir Sicherheit in der Vorahnung, daß Merkel in die Geschichte viel weniger als "Bundeskanzlerin" oder als "Landesmutter" denn als Symbolfigur einer riesigen Sektierer-Bewegung eingehen wird. (Sicher wird man noch einen treffenden Namen finden, "Willkommensclowns", selbst "Sozialromantiker" griffe viel zu kurz.) Obwohl sie hegemonial gesehen im Vergleich etwa mit Soros oder dessen Hintermännern nur eine winzige Marionette ist, wird die Imagination womöglich sogar stärker sein als jene der ebenso als Wahn-Sekten gelten werdenden 68er- oder DDR-Bürgerbewegung, die man ggf. nur unter "Vorstufen" verbuchen wird, und wobei ja die heutigen Selbsthasser noch ganz am Beginne ihres Geißler-Werks stehen (vor allem da das kultische Element noch nicht durchkomponiert ist). Als Referenz finde ich die Flagellanten übrigens noch viel interessanter als die Wiedertäufer. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß diese Traditionen von selbsternannten "Endaufgeklärten" (Klonovsky, köstlich) völlig unreflektiert wieder aufgenommen werden, die sonst jeden Pups "reflektieren", sich aber nicht einmal ihre Karikaturhaftigkeit vor Heidegger mit dessen (geistig gesunder da urbildhafter) "Kehre" ins Bewußtsein zu heben vermögen.

Die Eröffnung des Gotthard-Tunnels hat, von der Öffentlichkeit - die das genaue Gegenteil glaubt - unbemerkt, vorgestern die vollausgereifte "gesellschaftliche" Stufe wahnhafter Verirrung und zivilisatorischen Niedergangs offenbart:

https://www.youtube.com/watch?v=Br6_hIguCY0
https://www.youtube.com/watch?v=Sny1XUXnh0Y

Hingegen ist es sehr symbolträchtig, daß der "Asylsuchende" in Arnsdorf aus der Psychiatrie kam - allerdings wiederum von Männern festgesetzt wurde, die ("ich bin so erzogen worden ...") den geistigen Virus nicht an sich heranlassen werden.

- G. G.

Thomas Schramm

3. Juni 2016 20:05

Wann ist Religion und Politik ein Wahn?

Wenn sie sich immer weiter von der Wirklicht, anders gesagt von den wirkenden und prinzipiell erkennbaren Gesetzen der Schöpfung (nicht im Sinne der Offenbarungsreligionen) entfernen.

Der säkularisierte Wahn ist der Materialismus.

Wahrscheinlich waren die ursprünglichen Natur-Religionen näher an der Wahrheit dran, als wir mit unserem vollkommen übertriebenen Intellektualismus.

In welchem Stadium befinden wir uns? So wie es uns Goethe in seinem Faust schon prophezeite, immer noch beschleunigend, mit immer mehr abnehmender Vernunft auf die Katastrophe zurasend.
Es ist noch keine Konfliktlösung eingetreten.

Nordlaender

3. Juni 2016 20:38

@ Siddharta

"Ich bin mir nicht sicher, ob eine Politische Religion auf fruchtbareren Boden fällt, wenn sie mit dem Christentum in Verbindung steht. Das Messianische des Führers im Nationalsozialismus oder die Auserwähltheit der Arbeiterklasse im Kommunismus war anderer Natur."

Im Christentum gibt es die endzeitgläubige Fraktion, George Bush und Ronald Reagan sind Vertreter dieser. Endzeitgläubigkeit ist eigentlich nicht weiter schlimm, solange der Endzeitgläubige keine Aktionen tätigt, um seinen Armageddonerwartungen ein wenig nachzuhelfen, damit er noch zu seinen Lebzeiten mit dabei sein kann. Godwin und sein Gesetz mal überspringend: Der Rabbinerenkel und Autor des Kommunistischen Manifestes hat das Endzeitversprechen des Alten Testamentes säkularisiert.

Karl Blomquist

3. Juni 2016 20:43

Merkel und die Pründenpfaffen für die Islamisierung des Abendlandes

sind doch nur Befehlsempfänger der USA.
Wenn man etwas mit dieser Republik von Münster vergleichen will, dann das Imperium des Chaos selbst.
Welches aber gegen China Gott sei Dank keine Chance hat.

Karl Blomquist

3. Juni 2016 20:59

Korrektur:
Pfründenpfaffen für die Islamisierung des Abendlandes -
PFÜRIDA

Nordlaender

3. Juni 2016 21:12

@ Simplicius

"Freilich, jeder (historische) Vergleich hinkt."

Ein Vergleich ist ein Verfahren, um den Unterschied zwischen zwei Phänomenen zu erarbeiten. Entgegen der untilgbaren Annahme von Millionen und Abermillionen ist ein Vergleich keine Gleichsetzung. Was ich niemals verstanden habe, ist der Unterschied zwischen einem nichthinkenden und einem hinkenden Vergleich. Meine vorläufige Arbeitshypothese: Ein hinkender Vergleich ist ein solcher, der nicht hilfreich ist, kontraproduktiv, mir gerade nicht in den Kram paßt.

"Doch kann man selbstverständlich (mit gutem Recht auf Erkenntnis und unterhaltsame Veranschaulichung) den „religiösen“ mit dem „politischem“ W a h n vergleichen. Wo soll denn im Ergebnis schon der Unterschied sein?"

Womöglich gar keiner, weil gewisse politische Weltanschauungen nur die Kinder von religiösen Anschauungen sind, oder auch umgekehrt: Das Alte Testament mit seinem Welteroberungspostulat ist überaus politisch.
Das Neue Testament kann so interpretiert werden, daß der Weltverzicht von enormer politischer Bedeutung ist.

"Wahn, egal welcher Couleur, der zum Massenwahn wird und in einer Gemeinschaft/Gesellschaft die Herrschaft erringt, wird realitätsblind und wütet in aller Regel als rücksichtslose Tyrannei gegen Andersdenkende."

Die Realität ist das, was die jeweils Herrschenden als Realität festlegen.
Eine solche gesetzte Realität, als Kür des Willens der Machthaber, hat natürlich einen Einfluß auf die Wirklichkeit, also das, was auf die jeweiligen Organismen subjektiv wirkt.

Wären wir an der Macht, dann diskriminierten wir womöglich die Träger solcher Meinungen wie z.B. der christdemokratischen, daß unser deutsches Volk durch "Zukunftsdeutsche" (Martin Gillo) austgetauscht werden soll, erzeugten eine andere Realität.

"Hatte in diesen Tagen zufällig in „Der Antichrist“ von Friedrich Nietzsche geblättert; passt gut zur Beschreibung der psychisch-moralischen Verfasstheit unserer christlich grundierten „Welcome-Jubler“, die sich gerne einer „zweckdienlichen Verlogenheit“ bedienen (Neu- bzw. Pegida-Deutsch: Lügenpresse)."

Für mich ist es der Oberbegriff Humanismus 2016 (Menschismus), die Anbetung des Gottes Mensch. Da tut sich nicht viel zwischen dem amtschristlichen Humanismus und dem säkularen.
Max Stirner, von dem ich annehme, daß Nietzsche ihn heimlich gelesen hat: "Unsere Atheisten sind fromme Leute." (Der Einzige und sein Eigentum). Wobei ich sagen muß, daß die Satansmesse mit dem Heiligen Boot im Kölner Dom mich besonders tief hat erschauern lassen, da können die säkularen Humanisten doch nicht ganz mithalten.

„Wenn man heilige Aufgaben hat, zum Beispiel die Menschen zu bessern, zu retten, zu erlösen … so steht man mit einer solchen Mission bereits außerhalb aller bloß verständesmäßigen Wertungen – s e l b s t schon geheiligt durch eine solche Aufgabe, selbst schon der Typus der höheren Ordnung!“ (Friedrich Nietzsche)

Wer alle Menschen erlösen will, der darf sich Rüpeleien gegenüber seinem Nächsten, dem einzelnen mißliebigen Kontrahenten oder Nachbarn durchaus erlauben.

Der Humanist als Fürsprecher von nun bereits über sieben Milliarden Exemplaren der Art homo sapiens hält ein überaus hohes Amt inne. Mit dem gleichen Sinn für Gerechtigkeit blickt er von seinem extramundanen Standpunkt mit großer Liebe auf alle seine Menschen auf diesem Erdenball herab.

Carl Schmitt: "Wer Menschheit sagt, der ...."

Tommelsdorf

3. Juni 2016 21:29

@Enrico Stiller:Wenn man die Vergangenheit nur aus der Vergangenheit beurteilen könnte, könnte man gar nichts mehr beurteilen und vergleichen.
"Aus der Vergangenheit heraus beurteilen" bedeutet natürlich nicht, dass man eine Zeitmaschine benötigt, sondern (muss man das wirklich verdeutlichen?): Erst gute Kenntnis der Vergangenheit bzw. einer Epoche erwerben, dann darüber werten, als wäre man ein damaliger Zeitgenosse gewesen; denn sonst tut man der Vergangenheit Unrecht. Es liegt in der Natur der Sache, das dies nie völlig gelingen kann, je weiter weg die Vergangenheit, desto vorsichtiger sollte daher das Urteil sein. Also: Erst Kenntnisse erwerben, dann werten. Bedeutet: Aus der Vergangenheit heraus. Diese Kenntnisse zu erwerben kostet natürlich mehr Zeit und Gehirnschmalz als das Verfassen eines Internetkommentars.
Niemand hier kann politischen Wahn oder gesellschaftlichen Wahn definieren, geschweige denn überzeugend definieren. Dazu müsste man nämlich erst mal definieren, was politische und gesellschaftliche Gesundheit ist. Diese Weisheiten sind aber dem ZDF-Heute-Journal vorbehalten, wir können da nicht mithalten. Und zu versuchen, die Gegenwart mit historischen Bewertungen zu erfassen, wie dies im Artikel erfolgt, war schon immer zum Scheitern verurteilt. Da müssen immer erst ein paar Jahrzehnte vergehen, bevor eine halbwegs angemessene historische Bewertung stattfinden kann. Manchmal dauert es auch noch länger, ich erinnere z. B. an die Ursachenforschung zum 1. Weltkrieg, da hat es bekanntlich nach dem 2. Weltkrieg einen fast kompletten Schwenk der deutschen Historiker gegeben, plötzlich war die Reichsregierung Hauptverursacher des Kriegsausbruchs. Dann mussten erstmal etliche Jahrzehnte vergehen, bevor angloamerikanische Historiker auf den Plan traten und sagten, das wäre Kappes, so einfach wäre das nicht usw. Soll heißen: Politische Ereignisse wie z. B. das aktuelle unkontrollierte Hineinpumpen von Moslems nach Deutschland sollten politisch bewertet werden, nicht historisch. Denn für Letzteres ist es viel zu früh.

Davon abgesehen (das ist jetzt aber vom Artikel abgeschweift): Es scheint offenbar zu stimmen, das die Rate des Hineinpumpens durch Kritik erhöht wird. Denn seit ungefähr 6-7 Jahren nimmt ja die Kritik am Massenzuzug von Moslems immer weiter zu, Sarrazin usw., mittlerweile hat sich diesbezüglich auch eine Partei positioniert, die für BRD-Verhältnisse einmalige Wahlerfolge einstreicht. Und was geschieht: Die Rate des Hineinpumpens von Moslems wird erhöht. Diesen Vorgang konnte man auch in England und bis vor kurzem auch in Schweden erleben, wo Politiker auch ganz offen gesagt haben: Je mehr ihr das kritisiert, desto mehr pumpen wir hinein. Und an diesem Punkt sind wir offenbar hierzulande. Denn die geplante Visafreiheit für Türken wäre ja nichts weiter, als das Hineinpumpen noch weiter beschleunigen. Ich bin daher gespannt, ob die Visafreiheit wirklich kommt.

Melmoth

3. Juni 2016 21:50

Ehe es im Gedächtnisloch verschwindet:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-fluthilfe-fonds-soll-asylbewerbern-helfen-a-1005240.html

Am christlichen Schuldkult muss es gar nicht einmal liegen, bzw dieser nicht zwangsläufig aus dem Christentum stammen.
Wahrscheinlich ist ein (mehr oder weniger) großes Bewusstsein von Unzulänglichkeit, der eigenen wie der menschlichen allgemein, für eine organisierte Gesellschaft sogar notwendig. Anders könnte die dafür nötige Selbstbescheidung und Unterordnung unter Hierarchien, Gesetzen und Moral wohl gar nicht erbracht werden.

Ich sehe das Problem eher darin, dass das Christentum nie eine vernünftige Einstellung zur Kernaufgabe einer Gemeinschaft, nämlich der Abwehr äußerer und innerer Feinde, entwickelte.
Weil es nicht musste! Es entstand in der Pax Romana, als die damalige Welt ebenso befriedet war, wie das heutige NATO-Europa.
5-600 Jahre lange brauchten sich Christen keine Sorge um die Verteidigung ihrer Zivilisation zu machen.
Selbst als Rom & Byzanz von Germanen und Arabern überrannt wurden, fanden sie ihre Nische: als Kollaborateure der Eroberer. Ägypten und damit der nahe Osten fiel durch die (nicht bloß passive) Hilfe der Kopten; Chlodwig entdeckte seine christlichen Neigungen, als er seine Herrschaft konsolidieren und legitimieren musste.
Wenigstens in Europa lief die Show dann noch einmal 1000 Jahre.
Wohl deshalb, weil sich die adelige Kriegerkaste jahrhundertelang ihre eigene Kultur bewahrte, militant und halb heidnisch. Es gibt die Theorie, wonach der Adel erst im 11-13. Jahrhundert überhaupt erst verlässlich "christlich" wurde. Kreuzfahrer und Minnesänger als Gegenmodell zum Raubritter.

Einer der verblüffenden Aspekte gerade an der Reformationszeit ist ihr ständiger Rückgriff auf die heidnische Antike - trotz aller christlichen Frömmelei und gerade im Bereich Krieg & Politik. Man lese nur Machiavelli, Grimmelshausen, Shakespeare oder die französischen Klassiker. Mars, Jupiter, Minerva, Cäsar, Moses werden in Literatur und Plastik dieser Zeit mit einer Häufigkeit bearbeitet, die zu einem Polytheismus passt. Aber nicht ins Zeitalter der christlichen Glaubenskriege, würde man meinen.

Im 19-20. Jahrhundert wurde dieser zwittrige abendländische "Militarismus" schließlich demontiert. Was übrig blieb, christlich oder nicht, hat kein Gegenstück hervorgebracht und gibt sich nun ganz seinen sklavenmoraligen Impulsen hin.

Thomas Wawerka

3. Juni 2016 22:00

Wie viele Beiträge von Ihnen auf jeden Fall anregend. Ich überlege, ob sich eine Art anthropologische Konstante dahinter verbergen könnte - etwas, das ganz unabhängig von religiöser oder politischer Ideologie im Menschsein verankert ist.
Ich überlege, ob es ähnliche Beispiele gibt - die Jakobiner fallen mir ein.

Waldgänger aus Schwaben

3. Juni 2016 22:48

"Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas seltenes - aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel."
Nietzsche

Warum der Autor gerade das Wiedertäuferreich des Jan van Leyden als Beispiel für diesen Irrsinn wählt ist mir nicht ersichtlich.

Dürftige und einseitige Quellenlage - die Sieger schrieben die Geschichte. Dieser Irrsinn war wohl auch ganz anders. Ein kurzzeitiger Mikrokosmos innerhalb einer belagerten Stadt.

Es geht ihm wohl darum dem Christentum mal wieder eins mitzugeben.

Das Phasenmodell trägt wenig zu Erhellung der gegenwärtigen Situation bei.
Es erklärt nicht die komplexe und dynamische Lage im Widerstand gegen den Irrsinn. Ein Widerstand, der nicht ganz grundlos auf Erfolg hoffen kann.
Schriebe ich einen Roman, der in der Gegenwart handelt, spielte er in unserem Milieu. Hier finden sich komplexe Charaktere, die sich entwickeln. Auf der Gegenseite sehe ich nur einfach strukturierte Sprechautomaten. Die komplexe Lage und Dynamik innerhalb des Widerstands wird durch das Phasenmodell nicht erklärt

Das Phasenmodell trägt nichts bei zur Analyse des Interaktion unseres Vaterlandes wo der Irrsinn am stärksten tobt, zu andere EU-Staaten, zur Türkei, zu Russland, zu den USA. Wie nützen diese den Irrsinn aus, wie wirken die Interessen der anderen Staaten auf uns ein?

Das Phasenmodell erklärt nicht, warum gerade in den ent-christlichten Staaten der Irrsinn am stärksten tobt und warum die Staaten des ehemaligen Ostblocks ihm widerstehen.

bussard

3. Juni 2016 22:51

Und was zeigt diese bizarre Inszenierung ?

A winged baby, semi-naked dancers and a man with a bird's nest on his head: How Switzerland decided to mark opening of world's longest rail tunnel

https://www.dailymail.co.uk/news/article-3620446/A-winged-baby-semi-naked-dancers-man-bird-s-nest-head-Switzerland-decided-mark-opening-world-s-longest-rail-tunnel.html

Winston Smith 78699

3. Juni 2016 23:05

@ Tommelsdorf schreibt:

beruht auf persönlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen, die nach so langer Zeit für einen modernen Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind, da ändert auch die schönste moderne Literatur darüber nichts. Denn alles, was wir an Primärquelle darüber wissen, stammt aus dürren Buchstaben und ein paar Holzstichen – das ist doch kein Spiegelbild des damaligen Lebens. Wir wissen zwar, was damals passierte, aber nicht, warum es passierte. Wir wissen auch nicht, warum es anderswo nicht passierte usw.

Hier die Holzstiche zu ersetzen durch Schwarzweißfotos und ein paar Filmaufnahmen ... ist es das, worauf man kommen soll?

enickmar

3. Juni 2016 23:12

@Tommelsdorf

Natürlich muß man historische Ereignissen aus Ihrer Zeit heraus verstehen und vor allem entsprechend bewerten.
Soweit ich verstanden habe geht es darum in Meyers Artikel aber eigentlich gerade nicht. Sondern vielmehr darum, die bloßen soziologischen Mechanismen solcher Phänomene zu verstehen. Vielleicht sogar gerade mit einer wertenden Interpretation aus heutiger Perspektive. Einfach weil es hierbei weniger darum geht der Vergangenheit gerecht zu werden, sondern mehr darum, aus der Vergangenheit Erkenntnisse für die Gegenwart auch aus der Perspektive der Gegenwart zu gewinnen.

Konservativer

3. Juni 2016 23:27

Ein interessanter und bedenkenswerter Beitrag von Lutz Meyer.
Ich halte es mit Franz Altheim:

Wieder hört man einen Einwand. Er besagt, Geschichte wiederhole sich nie ganz.
Es liegt mir fern, diese Binsenweisheit zu bestreiten. Wenn man das principium individuationis schon dem pflanzlichen Blatt zuerkennt, wieviel mehr derart komplizierten Gebilden wie geschichtlichen Ereignissen. Aber in den beiden abschließenden Wörtern „nie ganz“ liegt bereits die Einschränkung. Geschehnisse können sich wiederholen, nur nicht ganz wiederholen. Mit dieser wechselseitigen Einschränkung ist das Entscheidende ausgesprochen. Es gibt in dem Komplex einer geschichtlichen Erscheinung Bestandteile, die sich wiederholen und solche, die es nicht tun. Nach beiden Bestandteilen darf der Historiker fragen — und er tut es ständig in seiner Forschung. Beide sind bedeutsam, wenn auch meist nach verschiedener Richtung.

(Franz Altheim, Niedergang der alten Welt, Band 1, S.223)

der demograph

3. Juni 2016 23:47

Luhmann hat geschrieben die Grenzen der Kommunikation seien die Grenzen unserer Welt. Heute ist nunmal beinahe jeder über das Internet miteinander verbunden. Der Massenwahn den wir heute beobachten wirkt tatsächlich weltweit, und er kann gar nicht anders. Wäre das etwa nur ein deutsches Phänomen könnte es gar nicht so stark werden, weil es ständig von außen irritiert würde. Ich habe den Eindruck zumindest in der ganzen westlichen Welt, aber eigentlich sogar auch im rest der Welt, wird der gleiche Konflikt ausgetragen, und es bilden sich dann lokale Ausprägungen aus, Gruppen die die Rollen übernehmen.
Gerade in den letzten Tagen ist etwa die Gewalt gegen Trump Unterstützer bei Wahlkampf Veranstaltungen eskaliert. Mexiko-Flagge schwenkende Männer, pöbeln und prügeln enthemmt auf Leute mit Trump T-Shirt oder amerikanischer Flagge ein. In bekannter Weise schreiben Medien wie die NYT natürlich von "Zusammenstößen".
Der globale antirassistische Massenwahn stellt in ständigem Wechsel verschiedene lokale Geschichten in der Vordergrund - Ferguson, Idomeni, Syrien, Provinz Xinjiang etc. etc.
Das ist glaube ich schon ein Unterschied zu dem historischen Fall in Münster, die Wiedertäufer glaubten wohl auch theoretisch das Schicksal der gesamten Menschheit zu erfüllen, aber praktisch wussten sie schon dass eine Welt außerhalb gab.

Anja

3. Juni 2016 23:51

"Es scheint offenbar zu stimmen, das die Rate des Hineinpumpens durch Kritik erhöht wird. Denn seit ungefähr 6-7 Jahren nimmt ja die Kritik am Massenzuzug von Moslems immer weiter zu, Sarrazin usw., mittlerweile hat sich diesbezüglich auch eine Partei positioniert, die für BRD-Verhältnisse einmalige Wahlerfolge einstreicht. Und was geschieht: Die Rate des Hineinpumpens von Moslems wird erhöht."

Vorher hatte man unser Land noch mehr oder weniger still und allmählich verfremden wollen, weil sich die diktatorischen Verhältnisse noch nicht stark genug entwickelt hatten. Seit Sommer letzten Jahres wird Merkel frech und frecher und scherrt sich weder um Volkes Willen noch den ihrer Partei. Sie ist sozusagen enthemmt und verstellt sich nicht mehr. Ein bestimmtes Moment wird dies endgültig ausgelöst haben. Vermutlich will sie 2017 nicht mehr Kanzlerin werden, weil sie weiß, daß sie es ohnehin nicht mehr wird.
Vor ihrem Ausscheiden will sie noch das Fluten dieses Landes mit Fremden und TTIP möglichst weit treiben und festschreiben. Ihr Vater - "der rote Kasner" - war ein verlogener Kirchenpolitiker in der DDR und sie hat seine Schule verinnerlicht. Insofern ist sie doppelt indoktriniert worden - von der sozialistischen Bildungseinrichtung und ihren Eltern. Sie wird als "Erichs Rache" in die Geschichte eingehen...und so unehrenhaft enden wie er - hoffentlich!

Simplicius

4. Juni 2016 00:31

@ Nordländer

„Ein Vergleich ist ein Verfahren, um den Unterschied zwischen zwei Phänomenen zu erarbeiten.“

Dem kann ich nur zustimmen. ...Aber auch um Gemeinsamkeiten zu erkennen. Und wenn ich ein bisschen pathetisch und pauschal werden darf (es ist ja schon kurz nach Mitternacht): Verachtet mir die Vergleiche nicht! Der Vergleich ist der Anfang jeder Wissenschaft.

Zum gängigen Begriff des „hinkenden“ Vergleiches würde ich sagen: Es gibt nur hinkende Vergleiche, also solche, die niemals völlig synchron und symmetrisch laufen können, sondern stets mehr oder weniger bucklig, humpelnd und verkrüppelt daherkommen.

@ Enrico Stiller
hat dazu ja schon das Ursächliche gesagt:

„Zu vergleichende Vorgänge sind zeitlich, örtlich, und den Umständen nach verschieden. Es gibt eine Vielzahl von Kategorien, die sie unterschiedlich machen.“

@ Lutz Meyer
hat übrigens das Vorwort zu „Bockelson. Geschichte eines Massenwahns“ geschrieben. Er weiß daher logischer Weise schon genau, wovon er schreibt, wenn er die damalige Münsterer Massenpsychose von 1534/35, von der sehr viel überliefert zu sein scheint, mit dem vergleicht, was er aktuell an Bedrohung in der Bunzelrepublik (finde ich witzig!) heraufziehen sieht. (Ich muss gestehen, ich hatte das Buch bis vor drei Stunden ungeöffnet in durchsichtiger Folie im Bücherschrank stehen, habe jetzt aber mit großem Interesse ein knappes Drittel gelesen.)

Noch eine letzte Bemerkung zum "Vergleich" bzw. zum Modellcharakter des Wiedertäuferreichs:

Bei der Lektüre dieses hemmungslosen Auslebens eines religiösen Fanatismus in Münster, und wie er schließlich von einer Allianz von Gegnern aus dem Heiligen Römischen Reich ausgehungert und vollständig zusammengehauen wurde, ist mir recht eindrücklich das künftige Schicksal des IS, des Islamischen Staates, in den Sinn gekommen. „Juni 1535: Alle Wiedertäufer mit Ausnahme der Frauen werden niedergemetzelt. Der Bischof zieht in die Stadt ein.“

Rabenfeder

4. Juni 2016 05:06

@ ene

Sie schreiben:

„Diejenigen, die überzeugt sind, „der Protestantismus“ sei nun endlich als der „Hauptschuldige“ dingfest gemacht, haben sicher auch eine Antwort auf die Frage, warum sich gerade das katholische Frankreich schon viel länger „islamisiert“(...)“

Na, ja, nehmen wir einmal an, der Protestantismus sei zunächst in erster Linie ein Aufbegehren des mehr oder weniger romanisierten aber doch aus tiefer Seele freiheitsliebenden Nordens gegen das römische Joch gewesen. Dieser Befreiungskampf wurde nicht mehr gegen waffenstarrende Legionen gefochten, sondern folgerichtig auf geistigem Felde gegen die zeitgemäßeren und subtileren Heerscharen Roms, gegen Missionare und Priester.

Nehmen wir weiter an, der römische Wille zur Macht habe es durch die Jahrhunderte verstanden, das dem eigenen Wesen im Grunde fremde Christentum mit seinen jüdischen, griechisch-asiatischen und gnostischen Wurzeln bzw. Einflüssen in grandioser Manier mit Beharrlichkeit und Weitblick in das Eigene einzuspinnen, den Fremdkörper sozusagen wie eine Muschel mit Perlmutt zu einem erträglichen Kunstwerk umzugestalten; aus (nicht-römischem und potentiell gefährlichem und das Eigene zersetzendem) Schmutz Schmuck zu formen, einen einzigartigen und begehrenswerten Schatz für die Künstler und Freunde der Schönheit!

Und nun kommen die Widerständler während der Reformation daher und steigen, auf der Suche nach geistigen Waffen gegen Rom, in die geheimen Kammern und Höhlen der Juden und der spätantiken Magier hinab und tragen emsig das im Schatten Verborgene ans Licht des Tages. Sie hämmern und nagen und tragen so Bruchstück für Bruchstück eben jenen Perlenputz ab, an dem die siegreiche römische Kirche Jupiters, außerhalb der kein Heil sein darf, so intensiv gewoben und gesponnen hat und legen schließlich bei ihrer die Perle zerstörenden Suche nach Wahrheit und Reinheit den alten Fremdkörper frei.
Was im Unterholz römischer Pracht nie aufhörte zu wuchern, befreiten die Freiheitswilligen und pflanzten es in den guten Ackerboden, auf Frucht hoffend, gezielt ein. Viele ahmten die Juden nach, sowohl in ihrer strengen alttestamentarischen Ausprägung als auch der spätantiken gnostischen Variante und/oder sie schworen auf Rosenkreuze und legten Smaragdtafeln voller geheimer Weisheit vor.

Anders ausgedrückt legten sie das hochpotente Gift frei, das wie beinahe alle Gifte in geringen, wohldosierten Mengen heilsam sein kann, in hoher Konzentration jedoch tödlich.

Einmal zur Hand, greifen die Menschen nach dem Gift und wahrlich nicht jeder erkennt, wann er (oder sie) genug hat und wann die Grenze erreicht ist, wo wohltuende Wirkung in toxisches Siechtum und/oder totalitäre Tyrannei der Droge umschlägt.

Die Wiedertäufer erscheinen so betrachtet einfach eine Befreiungsbewegung (unter vielen) gewesen zu sein, in der altes gnostisches und manichäisches Gedankengut (durch die Schlacke zum Licht!) auch äußerlich durch Frauentausch und orgiastische Exzesse hervorbricht, einen wilden Veitstanz aufführt und wieder verschwindet.

Aus römisch-katholischer Sicht haben sich in unserem vereinfachten historischen Sinnbild die Protestanten sicher (mit-)schuldig gemacht, aber mit der Schuld ist das ja so eine Sache...

Was nun der Fall des katholischen Frankreichs anbetrifft, so könnten wir fragen, wie katholisch dieses Frankreich nach Revolution und der weitgehenden Logen-Vorherrschaft zumindest unter den „Eliten“ eigentlich noch ist, dazu noch bedenkend, dass seit ihrer Emanzipation auch die üblichen Verdächtigen in Kultur, Medien und Finanz ein gewichtiges Wörtchen mitsprechen dürften.
Da ist man (der moderne Gnostiker) dann unter sich, wie? *hust*

Was halten wir vom politischen Frankreich, nicht dem französischen Volk, wenn der verschlagen dreinblickende Präsident (so empfand ich den Gnom von Anfang an) so etwas verkündet:

https://www.youtube.com/watch?v=I8yaiN6ew_g

Wohlgemerkt, er spricht nicht von freier Wahl (dagegen könnte ich als letzter etwas haben), sondern von einer Verpflichtung. Vermischt euch, sonst...(drohend)

Betrachten wir die orientalische Menschenflutung dieser Tage und wir haben kaum noch offene Fragen zum Ablauf, oder?
(Über das Warum ließe sich allerdings noch trefflich streiten)

Der_Jürgen

4. Juni 2016 08:13

Lieber Lutz Meyer,

Ihre Texte sind immer lesenswert, aber diesmal haben Sie sich selbst übertroffen; das ist Ihr bisher glänzendster Beitrag auf diesem Blog. Ich habe ihn gleich an zahlreiche Freunde versandt.

Wie Sie selber festhalten, gibt es nie identische historische Situationen, sondern nur Parallelen. Die Parallelen zwischen dem Wiiedertäufer-Wahn und der Refugees-Welcome-Besoffenheit springen sofort ins Auge. Von den Unterschieden seien hier die beiden wohl wichtigsten genannt:

Erstens sind die hysterischen Bejubler der deutschen Selbstverdrängung eine durch Gehirnwäsche manipulierte Herde, gelenkt von Strippenziehern, denen Sentimentalität fremd ist und denen nichts gleichgültiger sein dürfte als das Geschick der Migranten. Letztere sind für die Leute hinter den Kulissen - von denen wohl fast jeder Sezession-Leser weiss, wer sie sind - nur ein Instrument, ein Rammbock zur Zerstörung gewachsener Strukturen.

Zweitens hatte die Wiedertäufer-Episode in Münster zwar für die Betroffenen schmerzliche Folgen - besonders schmerzlich im wortwörtlichen Sinne waren sie bekanntlich für die Initiatoren der Geschehnisse; ein solch grausiges Schicksal wünscht man als kultivierter Mensch nicht einmal den Schuldigen für die heutige Katastrophe -, beeinflusste die deutsche Geschichte jedoch kaum nennenswert und hatte kaum Einfluss auf die deutsche Zukunft.

Die "Wiedertäufer" der Gegenwart und ihre Herren im Hintergrund haben hingegen gute Chancen, die deutsche Zukunft so unwiderruflich zu verändern, dass von einer deutschen Zuke Kunft schon bald nicht mehr die Rede sein kann. Es liegt an uns, ob wir dieser Vernichtungsorgie noch rechtzeitig einen Riegel vorschieben und die neuen Wiedertäufer aus dem Verkehr ziehen, wenn auch mit humaneren Mitteln als damals in Münster.

Enrico Stiller

4. Juni 2016 08:19

@Tommelsdorf. Sie widersprechen sich selbst. Sie schreiben, dass "immer erst ein paar Jahrzehnte vergehen" müssten, um "eine halbwegs angemesssene historische Bewertung der Gegenwart vornehmen zu können". Wenn ein paar Jahrzehnte vergangen sind, dann ist das zu Beurteilende natürlich in der Vergangenheit, die man nur "aus sich selbst heraus" beurteilen kann.
Ja, wie denn nun? Wenn Sie meinen, Vergangenheit könne man sehr wohl beurteilen, wenn man sich gründliche Kenntnisse davon angeeignet hat, dann könnten Sie argumentieren, im Artikel über Münster fehlen die. Wenn Sie meinen, gründliche Kenntnisse reichen, um einen Vorgang in der Zeit zu beurteilen, warum sollen dann ein paar Jahrzehnte vergehen, um die Gegenwart beurteilen zu können?
Im übrigen unterscheidet sich das Zeit-Kriterium in nichts vom Kriterium des Ortes: Wir müssten dieselben Probleme haben, Dinge zu beurteilen, die in fernen Umgebungen stattfinden.
Ihr Argument ist leider einfach durch und durch unlogisch. Sie haben sich da verrannt.

Nordlaender

4. Juni 2016 08:52

@ Simplicius

"Zum gängigen Begriff des „hinkenden“ Vergleiches würde ich sagen: Es gibt nur hinkende Vergleiche, also solche, die niemals völlig synchron und symmetrisch laufen können, sondern stets mehr oder weniger bucklig, humpelnd und verkrüppelt daherkommen."

Dann wäre ein hinkender Vergleich also so etwas wie ein Rundkreis oder nasses Wasser?

Die Bevölkerungsdichte der Bundesrepublik Deutschland beträgt 226,5 Einwohner pro Quadratkilometer, die von Polen 123,3. Ergebnis des (hinkenden?) Vergleiches: Deutschland unterscheidet sich von Polen dadurch, daß es wesentlich dichter besiedelt ist.

Winston Smith 78699

4. Juni 2016 09:41

@ Nordlaender
Samstag, 4. Juni 2016, 8:52 (URL) | Kurz-URL

Ihr Vergleich der Bevölkerungsdichten ist ein Vergleich von Zahlen, die wiederum Tatsachen repräsentieren, aber bereits gemessene bzw. gezählte und daher abstrakte und sogar in gezielt in ein Vergleichssystem hineinformulierte, nämlich die Zahlen. Um bei den runden Kreisen zu bleiben: sie können dann noch deren Radien und Mittelpunkte wunderba vergleichen, aber das war's, wegen der Abstraktion. Nur sind das keine realen Kreise sondern von einer unendlichen Menge an Merkmalen auf eine endliche verkürzte Repräsentanten von platonischen Ideen oder knstruktiven Regeln. In der noumenalen (An-Sich-) Realität gibt es keine Kreise (bzw. kann keine Sau das wissen) - haben Sie schon mal Zahlen herumlaufen sehen?
Um aber über Geschichte zu reden, über Gegenstände von unendlicher Komplexität im Gegensatz zu Zahlen oder Kreisen, stehen zwangsläufig nur hinkende Vergleiche zur Verfügung. Kerngedanke: unendlich (analog) - endlich (digital). Digital ist geil, damit kann man wahnsinnig viel und dies vor allem einfach und schnell anstellen. Die Welt aber ist analog, und daher sage ich, dass Simplicius recht hat.

Simplicius

4. Juni 2016 10:16

@ Nordländer
Ich muss jetzt leider gleich weg. Aber soviel zum "hinkenden" Vergleich, wie ich diesen Begriff verstehe.

Mit Ihrem Beispiel mit dem statistischen Zahlenvergleich (Bevölkerungsdichte) zwischen Polen und Deutschland im Hier und Jetzt haben Sie sogar einen Vergleich gebracht, der gerade nicht hinkt, weil die gewählten Kategorien Zeit (Gegenwart), Fläche (Quadratkilometer), Einwohner (Menschen) exakt die selben und damit die zugehörigen Zahlen sehr leicht objektiv vergleichbar sind. Saubere mathematische Vergleiche sind ja immer objektiv - und nicht-hinkend; sag ich jetzt mal.

Hinken würde Ihr Deutschland-Polen-Vergleich meiner Meinung nach, wenn man z.B. Zahlenstatistiken aus verschiedenen historischen Zeiten vergleichen würde, um daraus gleiche Wertungen und Schlüsse ziehen zu wollen. Oder wenn man auf der einen Seite "Äpfel" mit "Birnen" auf der anderen Seite vergleichen würde.

Nordlaender

4. Juni 2016 10:49

@ Simplicius
Samstag, 4. Juni 2016, 10:16 (URL) | Kurz-URL

"Hinken würde Ihr Deutschland-Polen-Vergleich meiner Meinung nach, wenn man z.B. Zahlenstatistiken aus verschiedenen historischen Zeiten vergleichen würde, um daraus gleiche Wertungen und Schlüsse ziehen zu wollen. Oder wenn man auf der einen Seite „Äpfel“ mit „Birnen“ auf der anderen Seite vergleichen würde."

Warum nicht verschiedene Zeiten? "Deutschland ist heute wesentlich dichter besiedelt als Polen im 19. Jahrhundert." Ein sinnvoller Schluß aus diesem Vergleich wäre, daß den Polen ein Bevölkerungswachstum zum damaligen Zeitpunkt nicht geschadet hätte, während ein Bevölkerungswachstum heuer in Deutschland gewisse Probleme nach sich ziehen könnte.
Aus einem Unterschied den gleichen Schluß zu ziehen ist absurd. Ich vergleiche zwei Waren. Eine ist wohlfeiler als die andere. Gleiche Wertung hieße, es ist egal, welche ich kaufe, kann auch das teure Produkt wählen. Dann kann ich mir den Preisvergleich ja gleich ersparen.

Äpfel und Birnen darf man grundsätzlich nicht vergleichen. Sonst käme jemand noch dahinter, daß der Apfel einen anderen Vitamingehalt hat als die Birne, daß diese Birne süßer schmeckt als jener Apfel, daß sich das Obstangebot im Kilopreis unterscheidet und manches mehr. Wenn ich mir im Lebensmittelmarkt die Äpfel betrachtet habe, gehe ich immer ganz schnell vom Obststand weg, um nicht Gefahr zulaufen, noch die Birnen zu untersuchen und dann doch den verbotenen Vergleich zu tätigen.

Nordlaender

4. Juni 2016 10:59

@ Simplicius

"Um aber über Geschichte zu reden, über Gegenstände von unendlicher Komplexität im Gegensatz zu Zahlen oder Kreisen, stehen zwangsläufig nur hinkende Vergleiche zur Verfügung. Kerngedanke: unendlich (analog) – endlich (digital). "

Wenn ich meinen analogen Nachbarn A mit meinem analogen Nachbarn B vergleiche, was ich als ein Subjekt subjektiv tue, steht mir ein gefühlt unendlicher Katalog von Vergleichskriterien zur Verfügung. Wenn ich nun sage, der A habe ein freundliches Wesen, der B jedoch nicht und mir erwidert wird: "Der Vergleich hinkt." finde ich das absurd.

Das sind die Leute, die Verkünden: "Wer A sagt, muß auch B sagen."
Wer also in den Süden gereist ist, dort aber einen lärmigen Ort findet, unter dem Baulärm leidet, muß dann schon drei Urlaubswochen dort verbleiben, alles andere wäre inkonsequent.

Johannisthaler

4. Juni 2016 11:34

Tommelsdorfs Anspruch an Definiertheit ist so streng, daß er kreatives Denken bremst.
Ich denke aber auch, daß Meyer zu weit geht. Er kann nach der Untersuchung des historischen Einzelfalls eine Phasenbeschreibung entwerfen. Aber ein Modell ist das noch nicht. Dafür müßten wiederkehrende Auffälligkeiten in mehreren Ereignissen zu verschiedenen Zeiten gefunden werden. Immerhin spricht er einleitend selbst von zeitlos gültigen Entwicklungsstadien!

Handelt es sich bei dem heutigen Exzess überhaupt um einen Wahn?
Vor 3 Wochen wendete sich die Kanzlerin wieder um 180° und sagte im Interview: "Wir müssen in Europa lernen, unsere Außengrenzen zu schützen und selbst zu entscheiden, wer zu uns kommen kann.".
Vom Wahn Befallene hätte das sofort auf die Palme bringen müssen. Auch Überzeugte müßten zumindest Widerspruch äußern, schon alleine um in der Öffentlichkeit konsequent zu erscheinen. Der Gegensatz zwischen dem Rabatz gegen die Einwanderungskritiker und der Stille gegen die höchste politische Entscheidungsinstanz ist erstaunlich.
Zweifellos ist das Verhalten der Willkommenskulturisten von Meinungsmanipulation und Konformitätsdruck beeinflußt, aber wir sind über die psychischen Vorgänge nicht im Klaren.

Winston Smith 78699

4. Juni 2016 11:58

@ Nordlaender
Samstag, 4. Juni 2016, 10:59 (URL) | Kurz-URL

Wenn ich nun sage, der A habe ein freundliches Wesen, der B jedoch nicht und mir erwidert wird: „Der Vergleich hinkt.“ finde ich das absurd.

Ich bin Winston, nicht Simplicius, aber egal. Wenn Sie das sagen, ist dies ein unendlich komplexes Urteil, ein etwa auch emotionales und vorurteilsbeladenes und so weiter, also ein subjektives (und dies in seiner vollsten Berechtigung!). Um zur Objektivität oder intersubjektiven Gültigkeit zu gelangen, müssen Sie noch irgendwas anstellen, etwa Ihre Frau oder Mann oder Kinder fragen, die auch im Haus wohnen und mitreden können, oder andere Nachbarn - und die Urteile abgleichen. Bereits hier wird sich verständigt, was denn überhaupt gemeint sein soll, und somit die diffuse, analoge, romantisch-poetische Unendlichkeit reduziert. Und dies wäre dann noch nicht einmal gemessen oder quantifiziert.

Insofern, und so verstehe ich Simplicius, muß man damit leben, dass alle historischen Vergleiche hinken. Das heißt aber auch, dass man MUSS ... und trotzdem weiter über Geschichte reden, alles andere wäre absurd. (Wäre die Geschichte digital beschreibbar, könnte es jeweils das eine und letztgültige Buch zu jeder Sache geben. Aber nein: die Historiker ziehen immer wieder "neue" und das ganze Geschehen uminterpretierende Fakten raus oder kehren andere Aspekte gewichtend hervor. Unendlichkeit!)

Ich vermute aber, worüber Sie und Simplicius sich in Wirklichkeit auseinandersetzen wollen, ist die Frage, ob und wie man aus Vergangenem Gesetzmäßigkeiten ableiten und anwenden kann - ohne welche die Geschichtswissenschaft ja müßiger Quark wäre. Das hat was mit dem Induktionsproblem und seinen Paradoxien (Hume - Goodman - Hempel) zu tun und natürlich auch mit den Bedingungen an ein solches Gesetz: wie genau muss (oder) die Ausgangslage beschrieben sein, damit man die Beschreibung zum Antecedens (Vordersatz "Wenn ... [dies und das vorliegt oder geschieht]") einer gesetzesmäßigen Wenn-Dann-Aussage werden kann?

Ostelbischer Junker

4. Juni 2016 13:30

Sehr denkenswerter Ansatz Herr Meyer. Ich muss aber sagen, dass mich die EU in den letzten Jahren an das Ende des Alten Reiches erinnert. Am 23. Juni geht das linke Rheinufer verlüstig (Brexit) Damit fällt natürlich ein wichtiger Nettozahler weg. Wahrscheinlich wird die Germania Sacra (keine Steuern an die EU ;) ) geopfert. Es dauert dann aber zum Glück nicht mehr lange.
Zu diesem Urteil kome ich va aus dem Gefühl der Mitmenschen im Sprechen über die EU. Sie wird ohne innere Regung der meisten einfach irgendwann weg sein.

Nordlaender

4. Juni 2016 13:52

@ Winston Smith 78699

"und somit die diffuse, analoge, romantisch-poetische Unendlichkeit reduziert. Und dies wäre dann noch nicht einmal gemessen oder quantifiziert."

Messen könnte man das. Einfach eine Menge Nachbarn abstimmen lassen, ob A wirklich freundlich ist. Man vermißt ja sogar ganze Völker, kommt zu dem Ergebnis, daß der nordeuropäische Typ mit hellerem Teint im Durchschnitt deutlich introvertierter ist als der geselligere schon etwas dunklere europäische Mittelmeeranrainer. Die ganze Völkerpsychologie "hinkt"? Was ist das für ein schräges Prädikat. Da jede erdenkbare Wahrnehmung eine Reduktion ist, auch die intersubjektiven Setzungen einer größeren Gruppe, als Kür des Willens dieser Gruppe, kann man jede Aussage abweisen als nicht objektiv, der Dekonstruktion sind keinerlei Grenzen gesetzt.

".... wie genau muss (oder) die Ausgangslage beschrieben sein, damit man die Beschreibung zum Antecedens (Vordersatz „Wenn … [dies und das vorliegt oder geschieht]“) einer gesetzesmäßigen Wenn-Dann-Aussage werden kann?"

Man kann absolut ALLES vergleichen. Z.B. die erlogene Geschichte über einen Wolf, der sich im Bäckerladen die Pfoten einweißen läßt, um ein paar Geißlein zu leimen und zu verfuttern mit einem Bericht über einen tatsächlichen Betrugsvorgang. Der Oberbegriff wäre hier "Bericht", nicht etwa "wahrer Bericht".

So habe ich den brillianten Aufsatz von Herrn Meyer gelesen: Wir wissen nicht, was an der Erzählung über das Wiedertäuferreich stimmt, wir können Vergleiche ziehen nach der Methode "Gegeben sei ein Wiedertäuferreich" mit der heutigen Willkommensreligion.

Westpreuße

4. Juni 2016 15:18

Herr Meyer,

wie so häufig interessante UND anregende Gedanken Ihrerseits zu einem Thema, einer gesellschaftlichen Problematik; aber ich hoffe doch sehr, daß Ihnen bewußt ist, daß Sie ein Gedankenspiel, meinetwegen auch ein ernsthaftes Gedankenexperiment, auf die Spitze treiben...

Sie vermischen, das ist kein Vorwurf, die damaligen Geschehnisse, soweit quellenmäßig überhaupt bekannt, und gehen mit den Instrumenten heutiger Erfassung von Wirklichkeit an dieses Geschehen heran...

Also: Ein Mensch der Moderne beurteilt Damaliges und versucht, einen roten Faden zu erkennen, ja sichtbar zu machen...
Ich denke, das kann nur schiefgehen. Begründung:
Schon Schopenhauer, mein Lieblingsphilosoph mit seiner wunderbar formulierten Lebens-Philosophie, die er selbst allerdings NICHT lebte, schrieb:
"Die Welt ist meine Vorstellung."
Das heißt: Interpretieren, in diesem Falle Sie, ansonsten "wir alle", nicht das interpretierte Ergebnis (siehe oben Ihr Beitrag) nicht erst in das zu Interpretierende hinein?

Weder in Ihrem Text noch in den immer interessanten Kommentaren hier wird die Frage nach dem "Menschenbild" gestellt.
Laut philosophischer Anthropologie haben wir alle in unserem Kopf, im Herzen, wer will..., ein Bild vom Menschen. Das "Menschenbild" umfaßt die Vorstellung, welche wir (bzw. eine Religionsgemeinschaft) denn vom Menschen haben...

Aus dem "MENSCHENBILD" ergibt sich ein "WELTBILD". Menschenbild und Weltbild bedingen sich gegenseitig. Sind unauflöslich miteinander verbunden, verwoben. Daraus entsteht dann eine Überzeugung, eine Lehre...: christlich, buddhistisch, islamisch usw.
Natürlich gibt es auch nichtreligiöse Menschen- und Weltbilder.
Jede Menge, z.B. naturwissenschaftliche, aber auch religiös aufgeladene: DIAMAT, Heilslehren aller Art, nationalsozialistisch, faschistisch usw.

Merkwürdigerweise hinterfragen wir fast nie unser eigenes (!)
Menschen- und Weltbild. Es ist ja so selbstverständlich...
Noch einmal Schopenhauer:
"Die Welt ist meine Vorstellung."
Die Welt ist MEINE Vorstellung...

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Lamberti_(M%C3%BCnster)#/media/File:Muenster_Lamberti_Koerbe_6428.jpg
Körbe am Turm von St. Lamberti (in Münster)

Interessant (aber nicht wissenschaftlich) ist für mich die Frage, wie denn heutzutage die "Körbe des Ausgesondertseins" (siehe Bild St. Lamberti) aussehen.
Wer hat sie geschmiedet, wie kommt man da rein, was geschieht vorher, welche "diktatorisch-pädagogische Erziehung" bestimmt das eigentlich...WER hat HEUTE die Schlüssel für die Körbe...Und warum...Die Frage nach den Mechanismen...Ganz wichtig: Gibt es einen Weg der Befreiung? Wie sähe der aus...

Herr Meyer, insgesamt alles sehr anregend. Danke! Sie behandeln ja "den linken Flügel der Reformation", so der Täufer-Forscher Heinold Fast u.a.

Herr Meyer, jetzt mal ein "linkes" Angebot an Sie. Stellen Sie sich doch bitte einmal folgendes vor: Sie säßen JETZT an einem weiß gescheuerten massiven Tisch. Ihnen gegenüber säße, nur mal so spontan ausgewählt,
entweder...
Martin Luther, Georg von Frundsberg, Philipp Melanchthon, Friedrich III. von Sachsen (der Weise), Thomas Müntzer oder Bernd Knipperdolling; der landete auch im Käfig...

...und Sie müßten/würden mit einem der Protagonisten reden, sprechen, diskutieren. Jeder, wohlgemerkt, mit seinem je eigenen Menschen- und Weltbild....: Ahnen Sie nicht auch etwas von der Absurdität einer solchen Begegnung, damalige Zustände zu verstehen? Man kann sich ihnen doch nur verstehend...annähern...!
Wer sind wir denn und wie kommen wir eigentlich darauf, immer letzt-gültige Antworten zu geben? Zumindest in einigen Kommentaren...
: Grüße aus Bromberg, Posen und Thorn an der Weichsel

Anmerkung Meyer Werter Westpreuße, zur Frage nach den Käfigen - es handelt sich übrigens entgegen einer weitverbreiteten Annahme tatsächlich um die (restaurierten) Originale, die noch heute da oben hängen - empfehle ich die interessante Studie von Karl-Heinz Kirchhoff: „Die Wiedertäuferkäfige in Münster“. Über den Rest muss ich nachdenken...

Westpreuße

4. Juni 2016 15:26

Nachtrag: So...jetzt...?!
Wenn es klappt: Schön...
Falls nicht: Verfluchte Technik...
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Lamberti_(M%C3%BCnster)#/media/File:Muenster_Lamberti_Koerbe_6428.jpg

Nordlaender

4. Juni 2016 15:56

@ Westpreuße

"Merkwürdigerweise hinterfragen wir fast nie unser eigenes (!)
Menschen- und Weltbild. Es ist ja so selbstverständlich…"

Und warum macht IHR das nicht? Mein Weltbild ist biologistisch, nationalistisch, ethnopluralistisch, partikularistisch. Ich hinterfrage es immer wieder. Denn zum einen lockt die dionysische Religion, zum anderen ist der Radius einer jeden Idee begrenzt, absoluter Sozialismus oder absoluter Liberalismus führten z.B. direkt in die Hölle, während relativer Sozialismus und relativer Liberalismus diskussionswürdig sind.

"Wer sind wir denn und wie kommen wir eigentlich darauf, immer letzt-gültige Antworten zu geben?"

Vor letztgültigen Antworten solltet IHR Euch hüten. Wenn Sie hier das Stichwort "Annäherung" anführen, kann ich Ihnen nur zustimmen, da sind Sie auf dem richtigen Weg.

Zur Erkenntnistheorie möchte ich noch anmerken, daß keine Gemeinschaft ohne Setzungen als Kür des Willens auskommt, die nicht mehr hinterfragt werden. Sonst läßt sich jede beliebe Aussage dekonstruieren, sonst kann sicheres Terrain nie gewonnen werden, der geteilte Referenzrahmen fehlt.

Wie wäre es mit der Ausarbeitung eines antiglobalistischen Minimums?

Winston Smith 78699

4. Juni 2016 16:21

@ Nordlaender

Ich glaube, wir verstehen uns jetzt nicht so recht, weil meine Bemerkungen die Sache abgehoben theoretisch und politisch neutral angehen, während Sie das momentane Geschehen präsent haben und alles daran messen - was der derzeitigen Lage vielleicht angemessener ist.

Wenn eine diktierende Gruppe eine Art der Beschreibung oder Sichtweise diktiert und somit die Verfahren zur Gewinnung von Objektivität kapert und zur Etablierung von Unwahrheit mißbraucht, ist dies, wie dementsprechend bei der Demokratie ja auch, eine Schwachstelle oder Achillesferse. Aber haben Sie eine bessere Methode?

Nein, ich halte Wahrheit nicht für diskursrelativ, nicht dass Sie das meinen. Aber subjektive Urteile sind andererseits auch sehr anfällig und wandelbar, jedoch geht ohne solche auch erstmal gar nichts. Wenn Sie die anscheinende Freundlichkeit oder Unfreundlichkeit der Nachbarn messen wollen, tun Sie besser daran zu fragen "Ist A freundlicher als B?" - denn dann kann jeder Befragte sein subjektives Urteil über dieses Verhältnis 100% einbringen, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, WIE sehr (superfreundlich, geht so ...) - und Sie könnten einen Teil einer Skala erhalten. Mal mit Farben: Keiner Ihrer Nachbarn und auch Sie nicht können die Farben der Äpfel aus Ihrem genossenschaftlichen Garten absolut genau benennen oder gar auch noch so, dass die Benennung objektiv wäre. Aber Sie alle können die Äpfel anordnen nach "röter" oder "grüner", auch wenn Sie nicht wissen, was der andere eigentlich sieht, und diese Ordnungen werden im Wesentlichen übereinstimmen. (Dazu muß eine Sinneswahrnehmung noch nicht mal eine Reduktion sein - das habe ich übrigens nicht verstanden: Reduktion von was denn "hinter" der Wahrnehmung?)

Wenn man in Ihrer Nachbarschaft nun eine Sekte aufmacht, die die Wörter vertauscht oder gar den Leuten den Farbensinn weghext, zerstört dies natürlich das Ergebnis hier, aber nicht das allgemeine Prinzip, denn die Voraussetzung war nicht gegeben. Das mit der Völkerpsychologie ist hiervon aber für mich noch zu weit weg. Unterschiede können genausogut subjektive wie objektive Urteile sein. Sie sehen: gerade vor der De(kon)struktion durch die wahnhaften Kulturmarxisten versuche ich, vernünftige Einrichtungen zu retten. Weil jene mit den Werkzeugen Schindluder treiben und auch schlimme Dinge tun, brauchen wir uns doch nicht einreden, die Werkzeuge seien schlecht - das wollen die doch letztlich erreichen: die Auflösung nicht nur aller Werte (außer niederen), sondern auch die Abschaffung vernunft- und prinzipiengeleiteten Denkens und Entscheidens. (An den Flüchtlingen reiten sie gerade den kategorischen Imperativ und den Glauben kaputt.)

Aber vielleicht haben Sie ja auch recht.

Nordlaender

4. Juni 2016 17:57

@ Winston Smith 78699

"Wenn eine diktierende Gruppe eine Art der Beschreibung oder Sichtweise diktiert und somit die Verfahren zur Gewinnung von Objektivität kapert und zur Etablierung von Unwahrheit mißbraucht, ist dies, wie dementsprechend bei der Demokratie ja auch, eine Schwachstelle oder Achillesferse. Aber haben Sie eine bessere Methode?
Nein, ich halte Wahrheit nicht für diskursrelativ, nicht dass Sie das meinen. "

"Objektivität" kann ich nur dann anerkennen, wenn das Prädikat in salopper Umgangssprache verwendet wird. Streng besehen gibt es keine Objektivität. Niemand von uns kann einen extramundanen Standpunkt einnehmen, von diesem aus dann die ganze Welt erfassen, ohne reduzieren zu müssen. Man kommt maximal zu hoher intersubjektiver Übereinstimmung. Eine solche kann bei Naturvölkern z.B. in eihem gewissen Ahnenkult bestehen, bei uns vielleicht über die Bedeutung einer guten Infrastruktur (Verkehrsnetz).

Verifizieren bwz. falsifizieren kann ich etwas nur in Bezug auf ein zuvor gesetztes System. Kein Fischernetz irgendeines Systemes kann die ganze Welt einfangen. Was sollte DIE schlechthinnige Wahrheit sein?

Reduziert ist Wahrnehmung z.B. durch das subjektive Interesse. Der Schürzenjäger wird in der belebten Fußgängerzone völlig übersehen, daß dort ein Antiquariat ist. Der Schöngeistige bekommt nicht mit, wie viele Schnellfreßbuden es dort gibt. Reduziert ist die Wahrnehmung auch durch den endlichen Katalog der Begriffe. Wenn kein Begriff für etwas zuvor schon vorhanden ist, kann ich es auch nicht wahrnehmen. Weiterhin bin ich körperlich beschränkt, meine Ohren können nicht alle Frequenzen empfangen, meine Augen empfangen einen anderen Ausschnitt als die einer Fledermaus.

"Weil jene mit den Werkzeugen Schindluder treiben und auch schlimme Dinge tun, brauchen wir uns doch nicht einreden, die Werkzeuge seien schlecht – das wollen die doch letztlich erreichen: die Auflösung nicht nur aller Werte (außer niederen), sondern auch die Abschaffung vernunft- und prinzipiengeleiteten Denkens und Entscheidens."

Ich habe es so empfunden, daß das konstruktive Schaffen Herrn Meyers hier zu sehr hinterfragt und auseinandergebaut wurde. Ich vertrete die Meinung, daß die Werkzeuge des kulturmarxistischen Feindes, Konstruktion und Dekonstruktion, sehr genau studiert werden sollten, damit sie an Macht verlieren. Ich halte ansonsten vom Konstruktivismus sehr viel. Kriterium einer Konstruktion kann nicht die Wahrheit sein (was immer diese sein mag), sondern die Nützlichkeit. Die Lüge, daß alle vor Gericht gleich seien, der vorbestrafte Spitzbube und der unbescholtene Bürger, finde ich z.B. richtig, jedem sollte Gehör verschafft werden. Oder die Lüge der Höflichkeit, daß man dem ... Gesäßloch von Abteilungsleiter nicht aufrichtig die Pest an den Hals wünscht, sondern einen guten Tag.

Vernunft an sich ist auch nur ein Werkzeug. Ich kann als Pate einen Koksring sehr vernünftig, aber auch sehr unvernünftig organisieren. Für mich bedeutet ein Rechter zu sein, den Subjektivismus zu vertreten. Eine Gemeinschaft biologisch Nahestehender setzt ihre Prinzipien. Wenn es das Prinzip einer anderen Gemeinschaft, eines anderen Erdteiles ist, die Frauen zu verhängen, dann könnte mir das womöglich mißfallen, aber es ist deren Sache und geht mich nichts an.

Desprecio

4. Juni 2016 18:42

@ "Der Jürgen" / 04.Juni 2016, 08:13

"Es liegt an uns, ob wir dieser Vernichtungsorgie noch rechtzeitig einen
Riegel vorschieben und die neuen Wiedertäufer aus dem Verkehr ziehen, wenn auch mit humaneren Mitteln als damals in Münster."

Einspruch, Euer Ehren !

Sollten wir, ehrlich gesagt, wider Erwarten, die Möglichkeit erhalten, die
"neuen Wiedertäufer" in nicht allzu ferner Zeit aus dem "Verkehr ziehen
zu können", so sollte es uns hoffentlich nicht allzu schwer fallen, mit
dann neuem und legalem Hintergrund nicht ausschließlich humane Mittel
für diejenigen in Erwägung zu ziehen, die mit dem Ziel angetreten sind,
unser deutsches Volk dem Untergang zu weihen bzw. es zumindest
langfristig auszulöschen. Eine in irgendeinen Sinne christliche Gnade
diesen Verrätern und Verbrechern gegenüber würde dann wohl kaum
noch zu begründen oder gar wünschenswert sein.

Mein Pseudoname "Desprecio" steht für Verachtung all dessen, was unsere Regierung, die Medien, die Kirche und weitere ungenannte In-
stitutionen des Vernichtungskartells unseres Volkes und unserer Kultur
in der BRD mit uns seit Jahren planen und zum Teil schon verwirklicht
haben. Ich sehe nicht nur in der spanischen Sprache eine nahe Ver-
wandtschaft zwischen dem "Desprecio" (der "Verachtung") und der "Venganza" (der "Rache"). Es ist quasi ein Geschwisterpaar, das sich nach langer Trennung auf ein Wiedersehen freut.

Winston Smith 78699

4. Juni 2016 20:23

@ Nordlaender
Samstag, 4. Juni 2016, 17:57 (URL) | Kurz-URL

Ich vertrete die Meinung, daß die Werkzeuge des kulturmarxistischen Feindes, Konstruktion und Dekonstruktion, sehr genau studiert werden sollten, damit sie an Macht verlieren. Ich halte ansonsten vom Konstruktivismus sehr viel. Kriterium einer Konstruktion kann nicht die Wahrheit sein (was immer diese sein mag), sondern die Nützlichkeit. ... Vernunft an sich ist auch nur ein Werkzeug.

Gletkin: „Wahrheit ist, was der Menschheit nützt ; Lüge ist, was ihr schadet.“ (Koestler, Sonnenfinsternis, zitiert auch irgendwo von Sarrazin und von mir hier)

Ich stelle das nicht wertend nebeneinander, sondern interessiert. Nicht ausgeschlossen ist nämlich, dass es genau solche Leute irgendwann zum Überleben braucht, wenn andere zaudern. Sind Sie fit, kann man Sie fürs Grobe aktivieren? Lief nicht gestern so ein Terminator-Film in Dr. Axel Stolls Lieblingsmaschine? Zentral war die Frage: dürfen die Menschen, um die Menschheit zu retten, selbst so werden wie die Roboter (... wie die Wiedertäufer, die Fanatiker)? Immer wieder diese Frage, als wollten sie alle Welt kampfunfähig machen. In der Psychopathenliteratur - mir geht es jetzt nur um das Argument - heißt es dagegen manchmal: es gibt Situationen, in denen es solche braucht und man sich der Gegenwart eines solchen glücklich schätzen kann (solange man auf seiner Seite ist). Nicht aufregen, den Unterschied sehe ich: Gletkin sagt "Menschheit" und lügt wohl. In der Hobbes-Diskussion kommt manchmal die Meinung, dass der erste Nichtangriffspakt gegen das gegenseitige Totschlagen (und seine Derivate dann auch) authentisch nur in der Sippe oder Dorfgemeinschaft funktioniert, wo man sich kennt. Vielleicht darüber hinaus noch unter Ähnlichen (auch nur phänotypisch - wenn man sonst keinen Anhaltspunkt hat), falls eine unklare, allgemeine Bedrohung herrscht. Aber darüber hinaus kaum und schon gar nicht für die "Menschheit". (Übrigens widert es mich wirklich immer mehr an, dass junge Menschen heutzutage wirklich in jeder Werbung als Kosmpoliten mit der Heimat allein im Mobiltelefon angesprochen werden.) Würden Sie da zustimmen?

Andreas Walter

4. Juni 2016 22:34

Jaja, Herr Meyer, daher passen auch Sie bloss auf was Sie da schreiben, Sie unverbesserlicher Renegat:

"Ihre Leichen wurden in eigentlich für den Gefangenentransport bestimmten eisernen Körben am Turm der Lambertikirche aufgehängt zur Schau gestellt,

[und, Achtung, jetzt kommt's:]

„daß sie allen unruhigen Geistern [:)] zur Warnung und zum Schrecken dienten, dass sie nicht etwas Ähnliches in Zukunft versuchten oder wagten“.[7]"

Hört hört!

Doch ist das auch alles wahr? Wer hat es geschrieben, wann, wo und von wem wurde das publiziert? Denn auch die Inquisition beziehungsweise Teile davon sind womöglich frei erfunden oder zumindest masslose Übertreibung. Meist behauptet von Gegnern der katholischen Kirche. Doch auch andere Ereignisse und mittlerweile als Schwindel enttarnte Propagandaverbrechen der jüngsten Vergangenheit wie Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen oder die Brutkastenlüge lassen mich mittlerweile gar nichts mehr glauben, was mit extremen Gräueltaten und/oder massenhaftem Horror zu tun hat. Nicht, bevor ich nicht alle Fakten auf dem Tisch habe, und die sich möglichst nicht widersprechen oder womöglich unlogisch sind, oder gar technisch unmöglich.

Letzte Woche habe ich für mich nämlich darum auch wieder etwas beinahe unglaubliches entdeckt, was mich jetzt auch an diese Geschichte erinnert hat:

https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Joseph_Frank

Der Disput dabei bewegt sich ja immer zwischen berechtigtem Widerstand gegen eine nicht mehr tragbare, nicht mehr zu ertragende, korrupte Herrschaft, Regierung und dem immer gleichen Gegenargument selbiger, man wolle sich ja nur selbst der Herrschaft bemächtigen, des reinen Eigennutzes wegen.

Das Problem bleibt daher immer das Gleiche, weil auch ehrliche Aufklärung jederzeit von einem unehrlichen aber machtvollerem Despot als Propaganda abgetan und diffamiert werden kann, und Argumente bekanntlich nicht zählen, sondern hauptsächlich Emotionen. Man daher egal ob als Aufklärer oder lediglich neuer Despot immer an niedere Instinkte appellieren muss, selbst wenn das gar nicht der eigene Stiel ist, einem das falsch und verlogen, weil übertrieben erscheint.

Das aber wiederum ruft dann Leute wie den Sheriff von Nottingham oder Herrn Maaßen vom Verfassungsschutz auf die Bühne, wie jüngst angekündigt betreffend der Identitären. Wäre es daher nicht sinnvoll gleich mit ihm direkt zu verhandeln, welche Formen des Widerstands gegen die Staatsgewalt wie auch des zivilen Ungehorsams zulässig sind? Optional auch um Handlungsempfehlungen bitten nur für den Fall, dass "seine" "eigene" Organisation Teil des besagten Apparats der Unterdrückung und Desinformation, Gegenpropaganda ist? Oder es in Zukunft einmal werden könnte, wenn sich das Volk in grossen Teilen partout nicht mehr an seine Handlungsempfehlungen halten möchte? Dient also auch er dem Volk, oder einer Idee, einem Stück Papier, erzwungen mit Gewalt, oder mündigen Menschen?

Angriff ist daher die beste Verteidigung. Wir haben doch auch früher schon riesige Säbelzahntiger, baumhohe Bären, blutrünstige Hyänen und lebensgefährliche Löwen gemeinsam aus finstersten Höhlen getrieben, nur um eisige Winter und fürchterliche Schneestürme zu überleben - und auch das geschafft, denn sonst wären wir heute nicht hier. Ausserdem ist das Bundesamt für Verfassungsschutz eine nationale, und keine internationale Organisation, und auch keine der Vereinten Nationen oder der EU. Dem deutschen Volke sollst du daher dienen, und nicht dem Mammon, Gefahr von ihm abwenden, und nicht in Gefahr bringen. Auch nicht in Zukünftige. Wie schützen die sich eigentlich selbst gegen Infiltration durch Doppelagenten anderer Nationen oder Institutionen? Vielleicht bekomme auch ich ja jede Woche einen geheimen Bericht aus diesem Haus. Ein nobles Hotel in Dresden soll verwanzt worden sein. Modernste Technik aus China, habe ich gehört. Nur Gerüchte?

Na klar, nur ein Gerücht. Vielleicht fliegt der ganze Laden aber auch in die Luft. Schade nur um das schöne Gebäude und um die unschuldigen Angestellten. Die Aktion heisst übrigens Rache für Dresden. Aber ich mache ja nur Spass, denn es gibt gar keinen Nationalen Untergrund, wie es auch nie einen Nationalsozialistischen Untergrund gab. Wenn also trotzdem etwas passiert, ein kleines Scheinbömbchen, dann ist das auch nur Propaganda, von wem auch immer. Ein mächtiges Werkzeug daher für den, dem die Lüge nicht zuwider ist um seine Ziele zu erreichen oder Macht zu erhalten. Ich müsste das erstmal üben, fühle mich seltsam, unwohl dabei.

Doch ein Gebot ist ja kein Verbot. Denn dann würde es ja heissen, du darfst nicht lügen, du darfst nicht falsches Zeugnis wider deinen Nächsten ablegen.

"Nach jüdischem Recht dürfen in Lebensgefahr bis auf drei (Mord, Götzendienst, Unzucht) sämtliche Gebote der Tora gebrochen werden."

Wer ist zudem "mein Nächster"? Der mir am nahe-sten ist (körperlich), oder der mir am ähnlichsten ist (körperlich, geistig, oder sogar beides)

https://www.duden.de/rechtschreibung/naechste

Oder zeitlich betrachtet mein Nächster, also mein Sohn, meine Tochter?

Oder bin ich mir am nächsten. Soll ich mich selbst nicht belügen, mir selbst etwas vormachen, oder falsche Behauptungen über mich ablegen, Unwahrheiten über mich erzählen?

Oder durch und durch und in allem wahrhaftig sein, wahrhaftig Sein? Ich bin. Sein dürfen. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig.

Meine Religion, Herr Maaßen, beinhaltet das 8. Gebot.

Was natürlich damit auch mein Zeugnis, meine Überzeugung über den Holocaust betrifft.

Sie kennen Paragraph 3 des Grundgesetz?

Irgendjemand, der ihn nicht kennt?

Diese Nation, viele in der Welt, diese Regierung, unsere Jurisprudenz und auch Sie zwingen mich dazu, meine Religion zu verleugnen. Zu Gunsten einer anderen Nation, einem anderen Volk, einer anderen Religion, oder einfach nur anderen Menschen, die das so wollen. Falls die nichts mit dem Judentum zu tun haben.

Welches Gesetz ist höherrangig, falls wir überhaupt in einem Rechtsstaat leben?

Paragraph 130 StGB, oder Paragraph 3 des Grundgesetz?

Wovor fürchten sich also so viele, auch Christen, und warum? Jesus zumindest soll gesagt haben, oder war es sogar Gott: Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch.

Andreas Walter

4. Juni 2016 23:45

Warum sollte denn eine Gruppe oder Gesellschaft oder sogar eine ganze Nation nicht die gleichen Kriterien bei der Partnerwahl an den Tag legen, wie sie auch Frau und Mann täglich bei der Partnerwahl unübersehbar anlegen.

Weil sie so gnadenlos und herrlich brutal ist? Daumen hoch, Daumen runter.

Gottlob aber senden gesunde Frauen kleine Signale aus, die man als Mann kennen sollte. Wehe aber dem, der sie nicht sieht oder richtig zu deuten vermag.

Multikulti schafft auch dadurch daher nur zusätzliche Probleme, die man sich auch sparen könnte bei einer nachhaltigen Familienpolitik. Die in Luxemburg übrigens jahrelang funktioniert hat. Die Datingkultur in den VSA ist übrigens auch eine Folge von Multikulti, wurde mir gerade eben bewusst. Künstliche Spielregeln auch im Umgang der Geschlechter welche die babylonische auch Körpersprachverwirrung überwinden helfen sollen.

Derzeit erarbeiten darum auch in Deutschland Soziologen und Pädagogen kleine Bedienungsanleitungen für deutsche Frauen.

Ob es die aber auch für muslimische Frauen gibt, davon habe ich bisher noch nichts gehört.

Der Verrat an Deutschland, der Missbrauch an den heterosexuellen, weissen deutschen Männer geht tiefer und ist allumfassender, als es die meisten überhaupt zu sehen vermögen.

Nordlaender

5. Juni 2016 09:28

@ Winston Smith 78699

"Aber darüber hinaus kaum und schon gar nicht für die „Menschheit“. (Übrigens widert es mich wirklich immer mehr an, dass junge Menschen heutzutage wirklich in jeder Werbung als Kosmpoliten mit der Heimat allein im Mobiltelefon angesprochen werden.) Würden Sie da zustimmen?"

Klar, ich stimme zu. Die modernen Wählsprechapparate, die jetzt schon ohne Schnur funktionieren, wären nochmal ein Extrathema. Da passieren schräge Dinge, wenn heute die Zeitspanne zwischen einer Äußerung und der Antwort auf diese dermaßen kurz ist. Gehe davon aus, daß das die Rezeptionsfähigkeit enorm beschädigen kann, für alles, das nicht binnen weniger Minuten durchdrungen werden kann. Es wird dann mehr in Richtung Narzißmus gehen, vielleicht auch Infantilismus, alles zu wollen und zwar spätestens sofort.

Die Menschheit ist keine Gruppe im Sinne der Soziologie. Wenn wir uns in kleineren Gemeinschaften zusammentun, ist das meißte natürlich erst einmal Erbschaft, wir zehren von alten Sitten und Bräuchen, jede Menge Mimikry kommt hinzu, wir passen uns unbewußt an unser Umfeld an. Der Gesellschaftsvertrag ist in größerem Maße nur ein Gedankenspiel, hat so niemals stattgefunden.

Wie weit können wir Erzählungen über Vergangenes trauen? Die Blumenkinderbewegung in Kalifornien ist erst fünfzig Jahre her, man vergleiche mal die Mythen über diese in den Wahrheitsmedien mit folgender Recherche. Kam der ganze Segen womöglich nur von oben?

Seltsames geschieht in Laurel Canyon - Die dunkle Seite der Hippie-Bewegung

https://www.youtube.com/watch?v=GPr5T7iONWU

deutscheridentitärer

5. Juni 2016 11:09

Der erste Artikel von Ihnen, Herr Meyer, den ich als richtig gut empfand.

Die Kritik, dass der von ihnen vorgenommene Vergleich mangelhaft sei, kann ich nicht teilen, ohne mich in die grundsätzliche Diskussion hier einzuschalten.

Sie wollen einen Punkt vermitteln und tun dies über eine Parallelerzählung - das ist berechtigt, ganz gleich inwiefern diese Erzählung nun ihre historisch "korrekte" Entsprechung hat.

Ich möchte zwei Punkte ergänzen, die ich, auf gewissermaßen profanerer Ebene als der eines religiös fundierten Weltempfindens ausgemacht habe:

1. Der westliche Mensch hat sich zu Tode (d.h.: Erschöpfung, besser noch Lustlosigkeit) gesiegt, und zwar in jeder Hinsicht.

Jahrtausendelang war der Mensch damit beschäftigt seine prekäre Existenz im Angesichts einer übermachtigen Natur aufrechzuerhalten.

Alle Ressourcen, jeder Fortschritt musste der Umwelt unter größten Mühen abgerungen werden.

Das Ganze vor dem Hintergrund, dass man in ständigen Wettbewerb mit anderen menschlichen Gruppen stand, und ein Zurückfallen in den eigenen Bemühungen Ressourcen zu erarbeiten, nicht nur Mangel, sondern auch Schwäche und ihre Folgen zeitigte.

Alle menschlichen Kulturschöpfungen sind vor dem Hintergrund dieses darwinistischen Lebenskampfes entstanden.

Vor 2-300 Jahren aber setzte der westliche Mensch zu seinem bekannten Siegeszug nicht nur über alle anderen Völker der Erde, sondern auch zum totalen und umfassenden Sieg über die Natur an, die nun nach Belieben maniulierbar erscheint.

Wäre die Weltgeschichte ein Computerspiel, so gäbe es nach diesem Sieg keine weiteren Herausforderungen mehr, Haupt- und Nebenmissionen alle erfüllt, alle Goodies eingesammelt.

Wiederspielwert nach diesem Stadium gleich null.

Sicher, die Natur lässt sich nicht auf Dauer hintergehen, und am fernen Horizont formieren sich die geschlagenen Völker wieder neu und erneuern ihren Eroberungsanspruch.

Aber das alles ja nicht aus eigener Kraft, sondern unter den gütig-wissenden, es gleichgültig-hinnehmenden Westlern.

Denn warum sollte man diesen Kampf, in dem die Vorväter sich bewiesen, noch einmal führen?

Geknackte Rekorde sind uninteressant.

2. Der moderne, westliche Mensch befindet sich faktisch in einem unglaublich großen, moralischem Gefälle gegenüber den Menschen der dritten Welt, aus Perspektive der vorherrschenden Moral jedenfalls, die aber keineswegs unverständlich ist.

Der heutige Mensch ist der existenziellen Grundlage des Lebens, wie oben ausgeführt, maximal entfremdet, er steht keiner Gefahr mehr gegenüber, es ist die komplette Umkehrung dessen, was jahrtausendelang die menschliche Existenz bedingt hat und es auch heute noch außerhalb der westlichen Inseln tut.

Dazu kommt, dass der heutige junge Mensch ja in der Tat nichts für diesen Luxus und Überfluss kann, im Gegenteil, er ist wahrscheinlich der MEnsch, der in am wenigsten verdient, er ist das Paradebeispiel des nutzlosen Erben generationenlanger Vorarbeit.

Gegenüber den Arabern bspw., so untermenschlich uns gerade diese Rasse auch scheinen mag, ist das schlechte Gewissen geradezu unvermeidbar; diesen Menschen gegenüber, ihrem Leid und ihrer Not, das man allen Beteuerungen zum Trotz ja nur dumpf fassen kann, fühlt man sich grundsätzlich ins Unrecht gesetzt.

Soweit meine Überlegungen zur Vorherrschaft des Ethnomasochismus.

Desprecio

5. Juni 2016 14:42

@ "deutscheridentitärer" / 09.06.2016, 11:09 Uhr

Glauben Sie oder sind Sie sogar davon überzeugt, daß man in diesem
Forum unseren Feinden, die schon vor Jahren angetreten sind, uns, ihre
eigenen Landsleute, physisch und kulkturell auszulöschen, noch solche
Steilvorlagen liefern sollte, wobei ich nicht einmal unterstellen möchte,
daß Sie dies beabsichtigt haben könnten.

deutscheridentitärer

5. Juni 2016 15:53

Glauben Sie oder sind Sie sogar davon überzeugt, daß man in diesem
Forum unseren Feinden, die schon vor Jahren angetreten sind, uns, ihre
eigenen Landsleute, physisch und kulkturell auszulöschen, noch solche
Steilvorlagen liefern sollte, wobei ich nicht einmal unterstellen möchte,
daß Sie dies beabsichtigt haben könnten.

Wie meinen Sie das?

Es ist in meinen Augen hilfreich, zu verstehen, woher das gestörte Verhältnis unserer Landsleute zu ihrer ethnischen Identität herrührt.

Dass ich mich mit dieser Sichtweise nicht gemein mache, versteht sich ja von selbst.

Waldgänger

5. Juni 2016 17:13

Herr Meyer,
haben Sie Dank für diesen lohnenden Text!

Es ist gut und der Sache angemessen, dass Sie den quasireligiösen Charakter der "Willkommenskultur" und der linksdurchwirkten Gutmenschen-Ideologie so deutlich betonen!

Obwohl die eingangs stehende Kritik von @ Triommelsdorf durchaus eine Reihe von interessanten Gedanken enthält, scheint Trommelsdorf eben diesen Umstand (quasireligiöser Charakter der heutigen Ideologie) nicht ausreichend erkannt zu haben.

Andreas Walter

5. Juni 2016 19:04

"Wiederspielwert nach diesem Stadium gleich null."?

Gar nicht! Die Weltherrschaft haben wir noch nie errungen. :D

Wird uns doch immer unterstellt, dass das unser Ansinnen sei.

Hahahahaha, wenn das mal keine Projektion ist (psychologischer Fachbegriff).

Nordlaender

5. Juni 2016 20:41

@ deutscheridentitärer

"Gegenüber den Arabern bspw., so untermenschlich uns gerade diese Rasse auch scheinen mag, ist das schlechte Gewissen geradezu unvermeidbar; diesen Menschen gegenüber, ihrem Leid und ihrer Not, das man allen Beteuerungen zum Trotz ja nur dumpf fassen kann, fühlt man sich grundsätzlich ins Unrecht gesetzt."

Diese Perspektive funktioniert nur genau dann, wenn man sich den Universalismus hat andrehen lassen. Das ist ein langer Weg gewesen von der Präferenz der eigenen Stammesgenossen bis zum "Liebe deinen Fernsten wie dich selbst". Das Weglügen der Evolution kommt noch hinzu, warum sollte sich alle Völker auf die gleiche Stufe weiterentwickeln?

"Denn warum sollte man diesen Kampf, in dem die Vorväter sich bewiesen, noch einmal führen?
Geknackte Rekorde sind uninteressant."

In meiner Ahnenreihe kenne ich niemanden, der mit Blutdiamanten Dreck am Stecken hatte oder den Burenkrieg angezettelt hat. Der Araber war auch schon einmal weiter, besaß die besten Schiffe der Welt, hat hier bis im hohen Norden, sogar an der Küste Island, Europäer geraubt, um sie der Sklaverei zuzuführen. Das ist doch aber kein Grund, sich nach diesem Rekord einfach zur Ruhe zu setzen.

Rabenfeder

6. Juni 2016 04:25

@ Siddharta

Sie schreiben:

„Ich bin mir nicht sicher, ob eine Politische Religion auf fruchtbareren Boden fällt, wenn sie mit dem Christentum in Verbindung steht. Das Messianische des Führers im Nationalsozialismus oder die Auserwähltheit der Arbeiterklasse im Kommunismus war anderer Natur.“

Nehmen wir einmal an, der Nationalsozialismus sei auch so eine Befreiungsbewegung gewesen, durchaus vergleichbar mit den Wiedertäufern.

( Diesen Vergleich zieht, zumindest nach der Beschreibung

https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/nordost/7214/bockelson.-geschichte-eines-massenwahns

wohl auch der Autor Reck-Malleczewen in seinem Buch. Aus dem Umstand des Veröffentlichungsverbotes 1938 kann man folgern, dass ein solcher Vergleich sich auch anderen unangenehm aufdrängte...)

Während man sich in Münster während der tollen Tage gegen die Herrschaft des römischen Geistes auflehnte, lehnten die Veitstänzer der schlimmen zwölf Jahre sich gegen einen anderen Geist auf, dessen eigener Herrschaftsanspruch immer deutlicher zutage getreten war.
Diesen neuen, alten Geist hatte das nordische Widerstandsgemüth neben anderen Geistern mit und seit der Reformation aus der Flasche gelassen. Die protestierenden Widerständler standen nun wie junge und kräftige, aber wenig erfahrene Zauberlehrlinge den beschworenen Kräften reichlich naiv und einigermaßen hilflos gegenüber.
Im Kampf gegen Rom erschien zunächst vieles tauglich und so manches neugewonnene Bild erschien wahrhaftiger zu sein als die katholische Lüge, von der nicht zuletzt die Schrift- und Sprachgelehrten den letzten Schleier eines heiligen Geheimnisses gerissen hatten, während die ehemals verbotenen Gifte und das geheime Wissen dahinter noch viele an- und erregende Geheimnisse versprachen.

Als mit der Judenemanzipation auch im protestantisch-preussischen Machtgebiet ein neuer und in der Mehrheit durchaus gruppenstrategisch (einer hilft dem anderen) auftretender Mitspieler auftrat, der in dieser Überlebensstrategie auch weit geübter und erfolgreicher war als die eher individualistisch empfindenden Restdeutschen, ein Mitkonkurrent, der das eigene geistige Erwachen, kaum da und gerade erst erblüht (die stolze Zeit des deutschen Geistes) auch schon wieder in einer neuen Fremdbestimmung zu ersticken drohte, da wuchs im Unterholz der offiziösen staatlichen Garantie und Förderung eine neue Freiheitsbewegung heran, die sich den Kampf gegen den drohenden neuen Unterdrücker, den ehemaligen Lehrmeister und Verbündeten gegen Rom, auf die Fahnen heftete.

(Ein sehr lesenswerter, dreiteiliger Artikel zum Thema Deutsche und Juden erschien auch in deutscher Übersetzung auf Kevin MacDonalds Webseite „Occidental Observer“

https://www.theoccidentalobserver.net/2016/03/eine-rezension-von-warum-die-deutschen-warum-die-juden-teil-1/

Darin wird u.a. die Frage aufgeworfen, ob es wirklich nur die krankhafte deutsche psychologische Volks-Verfassung war, irrational und pöbelhaft zerfressen von Hass und Neid auf das Bessere, die schließlich im Nationalsozialismus ihre hässliche Fratze offen zeigte, wie es uns unermüdlich aus den Propagandamedien (im Artikel aus Götz Alys Buch) entgegen schrillt, oder ob die Geschichte doch ganz anders war, (vielleicht einem zunehmend aggressiver werdenden Immunabwehrsystem vergleichbar?) zumindest aber weit ausbalancierter.

MacDonalds Buch „The Culture of Critique: An Evolutionary Analysis of Jewish Involvement in Twentieth-Century Intellectual and Political Movements“ dürfte eh' vielen hier ein Begriff sein)

So betrachtet wäre Hitler also in eine Reihe zu stellen mit anderen Manifestationen des nordischen Freiheitsdranges, wie Arminius, Luther oder Müntzer und, ja, auch Bockelson, mit dem Unterschied, dass der primäre Feind nicht (mehr) Rom hieß.
Roms kunstvoll geformte Perle war da bereits tot und zerbrochen und der römische Wille zur Macht stellte keine ernsthafte Bedrohung mehr da – man konkordierte mit den Trümmern der einzigen prächtigen Kathedrale des römischen Geistes...

Die Waffen der neuen Wiedertäufer und Lichtanbeter waren jüdisch und/oder magisch (man könnte auch sagen gegen-jüdisch und gegen-magisch); so wollte man schnellstmöglich – Dringlichkeit war im Angesicht der Bedrohung geboten- die Gruppenstrategie des zum Feinde gewordenen nicht nur imitieren, sondern übertreffen und eine Wirklichkeit noch zu Lebzeiten des gegen-jüdischen Messias schaffen, eine wirkliche Herrschaft des Eigenen, zu der der Feind mindestens Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende Anlauf brauchte.

Das Ergebnis war der tausendjährige Veitstanz, der nach zwölf Jahren vorüber war.

Es ist allerdings denkbar, dass in kommenden Zeiten im Unterholz der neuen Ordnung
Adolf Hitler Zvi, der vermeintlich gescheiterte und wahnsinnige Messias, im Lichte eines neuen Tages gerade durch sein Hinabsteigen in die Schlacke, durch die erlösende und nur scheinbar widersinnige Tat, zunächst einer geheimen und langfristig denkenden Bruderschaft und dann auch anderen Brüdern und Schwestern (im Blute und/oder im Geiste) den Weg ins Licht wies – der gnostische Hitler sozusagen.
(...den konnte ich mir beim schlechtesten Willen nicht verkneifen)

Gibt es eigentlich irgendwo eine Bockelson-Sekte?

Ein sicherlich auch tendenziöser -wie nicht anders zu erwarten- und dem tiefer in die Materie eingedrungenen Kenner vermutlich kaum neues bietender Film über die mythologischen Hintergründe des Nationalsozialismus (Schwarze Sonne) findet sich hier:

https://www.youtube.com/watch?v=63oF5I3zZ-k

Ich mag ihn recht gern wegen seiner Unaufgeregtheit (heute undenkbar) und seinem mir durchaus ehrlich erscheinenden Bemühen, ein wenig Licht ins Dunkel zu werfen und das verschüttete mythologische Eigene wieder zu (er-)spüren.

Rabenfeder

6. Juni 2016 04:29

"einst prächtigen Kathedrale" muss es natürlich lauten

ene

6. Juni 2016 13:35

@ Rabenfeder

Danke für Ihre so ausführlichen Einlassungen!

Mir ging's einfach nur darum: erstens, ich habe selbst (in kleinem Umfeld, versteht sich) Verhaltensweisen beobachtet, von denen ich zum mindesten sagen kann: da hat die emotionale Aufwallung die ruhige Erwägung komplett auf der Strecke gelassen. - Dies zu verstehen, ist mir durchaus ein Anliegen.
Vergleiche wie der hier angeführte mit den Ereignissen des Jahres 1534 können mir da "modellhaft" kaum helfen - schon deshalb, weil da meine erste Erwiderung wäre: warum gerade nun dieses Ereignis und kein anderes? "Andere" gibt es ja genug: Savonarola in Florenz usw.
Ich kann dann nur zu dem Schluß kommen: ja, es gibt kollektive Aufwallungen, diese verteilen sich über einen längeren Zeitraum und sind mehr oder weniger gut dokumentiert.
Das hilft mir in bezug auf den September letzten Jahres nicht viel weiter. Diese Ereignisse - mit allen involvierten zeitgenössischen Akteuren - unter dem Mikroskop zu betrachten, würde ein für mich interessanteres Bild ergeben.

Und noch etwas auf die Schnelle gesagt: Ich kann diese Protestantismus-Schelte oder Schelte des Christentum generell nicht ganz verstehen. Solche fragwürdigen Figuren wie Bedford-Strohm et al. ist ja nur das, war wir gerade vor Augen haben. Unsere Identität jedoch - von der ja mit gutem Grunde immer mehr die Rede ist - wie wollen wir denn uns selbst verstehen und vertreten, wenn nicht als Menschen, die eben einem protestantisch oder auch katholisch geprägten Kulturraum entstammen? Selbst Atheisten und Blasphemiker sind ja doch erkennbar katholisch (oder ev.) geprägt. Wer das sehr tief verstanden hat, war der hier auch zitierte Nietzsche, der sich ja nicht nur in einer so schrillen Schrift wie dem Antichrist dazu geäußert hat. Nietzsche ist immer polyperspektivisch. Im übrigen hat er sich für "Jünger" herzlich bedankt: "Folgt mir nicht nach!"
Frage: Was bleibt dann von uns übrig, wenn wir 2000 Jahre kulturelle Prägung weil wir uns über "Pfaffen" ärgern, in die Tonne treten wollen?

Rabenfeder

7. Juni 2016 04:58

@ ene

Generell gesagt, wer will es den Leuten (also uns) verdenken, dass sie (wir) zur Zeit etwas oder auch noch etwas mehr emotional aufgewallt sind?
Wir haben allen Grund so richtig und nachhaltig wütend zu sein. Wer diese Wuth nicht mehr in sich fühlt, der muss sich fragen, ob er ein Heiliger ist, oder wenigstens ein Erleuchteter, der aus den Kreisen dieser Welt entrückt ist, oder ob er sich bereits unterworfen hat oder gar, ihm selbst womöglich unbemerkt, verstorben ist - ein lebender Toter.

(Einmarsch der Zombies im Tunnel:
https://www.youtube.com/watch?v=RnhOO4-KqWY )

Wir sollten unseren berechtigten Groll hegen und pflegen, auf dass er zu gegebener Zeit Früchte trage, wenn möglich ohne sich zum ausweglosen Sklaven des Zorns zu machen.

Sie schreiben:
„Vergleiche wie der hier angeführte mit den Ereignissen des Jahres 1534 können mir da „modellhaft“ kaum helfen – schon deshalb, weil da meine erste Erwiderung wäre: warum gerade nun dieses Ereignis und kein anderes?“

Vielleicht schlicht deshalb, weil Lutz Meyer sich intensiver mit den Wiedertäufern als z.B. mit Savonarola beschäftigt hat? ;)
Vermutlich aber auch, weil die Wiedertäufer Landsleute waren und das Fegefeuer der Eitelkeiten jenseits der Alpen für einen Augenblick aufloderte.

„Das hilft mir in bezug auf den September letzten Jahres nicht viel weiter. Diese Ereignisse – mit allen involvierten zeitgenössischen Akteuren – unter dem Mikroskop zu betrachten, würde ein für mich interessanteres Bild ergeben.“

Für mich auch.
In Anbetracht dessen, dass mir ein solches Mikroskop zur Zeit nicht zur Hand ist, muss ich mich mit allgemeineren Eindrücken begnügen.
So habe ich beim Blick auf Angela Merkel zum Beispiel immer jene mausgrauen Sekretärinnen aus der BRD der 60er und 70er Jahre vor Augen, die durch die Romeo-Methode der Stasi gefügig gemacht wurden. Eine Kombination aus Lustversprechen (in A.Merkels Fall Macht), Schmeichelei (Du bist soo wichtig), Drohung (, sonst...) und Erpressung (was dann alles ans Tageslicht kommt...) vor dem Hintergrund einer spirituellen Leere dürfte genügt haben, um die institutionelle Komplizenschaft jedes deutschen Kanzlers seit dem Kriege mit dem Besatzer in diesem besonderen Fall auch für gut sichtbaren Hochverrat am eigenen Volk zu nutzen.

Der entscheidende Unterschied zwischen den Wiedertäufern und dem heutigen Willkommenswahn erscheint mir zu sein, dass der heutige Wahn von oben gesteuert ist und mitnichten aus dem Volk kommt.
Lassen wir für einen Moment außer Acht, ob es auch bei Savonarola oder Bockelson und all den anderen Veitstänzern Hintermänner gegeben haben mag; heute können wir uns jedenfalls der Hinterkräfte gewiss sein.

Das einzig Echte an den Willkommentänzern, Flagelanten und Gegen-Rechts-Empörten dürfte sein, dass sich hier tatsächlich eine Art Befreiungsbewegung zeigt, die letztmögliche nämlich:
Man will von sich selbst befreit sein, man sehnt sich nach Erlösung durch Auflösung.
Dieser Todesdrang, der sich zwangsläufig -unter anderem- in tatsächlich oder vermeintlich Schuldbeladenen und Besiegten finden muss, wurde und wird von der feindlichen Propaganda weidlich ausgenützt und ins Groteske vervielfacht. .

In solchen Zeiten kann degeneriertes Christentum durchaus schädlich werden, nämlich dann,

„ wenn ein Volk zu Grunde geht; wenn es den Glauben an Zukunft, seine Hoffnung auf Freiheit endgültig schwinden fühlt; wenn ihm die Unterwerfung als erste Nützlichkeit, die Tugenden der Unterworfenen als Erhaltungsbedingungen in's Bewußtsein treten, dann muß sich auch sein Gott verändern. Er wird jetzt Duckmäuser, furchtsam, bescheiden, räth zum »Frieden der Seele«, zum Nicht-mehr-hassen, zur Nachsicht, zur »Liebe« selbst gegen Freund und Feind. Er moralisirt beständig, er kriecht in die Höhle jeder Privattugend, wird Gott für Jedermann, wird Privatmann, wird Kosmopolit ...“

Also sprach der Antichrist. ;)

Sie kritisieren:

„Ich kann diese Protestantismus-Schelte oder Schelte des Christentum generell nicht ganz verstehen. (...)
-wie wollen wir denn uns selbst verstehen und vertreten, wenn nicht als Menschen, die eben einem protestantisch oder auch katholisch geprägten Kulturraum entstammen?“

und fragen:

„Was bleibt dann von uns übrig, wenn wir 2000 Jahre kulturelle Prägung weil wir uns über „Pfaffen“ ärgern, in die Tonne treten wollen?“

Ich hielte es ebenso für einen Unsinn ersten Ranges, die eigene christliche Geschichte „in die Tonne treten“ zu wollen.
Aus diesem Grund machen wir uns doch alle hier (und anderswo) Gedanken darüber, was eigentlich passiert ist, oder nicht?
Martin Lichtmeß z.B. schreibt ein Buch darüber und fragt, ob nur ein Gott uns retten kann.

Vielleicht wird uns allen, und damit wären wir wieder bei Nietzsche, erst nach und nach bewusst, was der Verlust eines Gottes eigentlich bedeutet?
Haben wir etwas Wertvolles aus urtümlichem Freiheitsdrang zerschlagen und dies ohne adäquaten Ersatz?
Sind wir nach 2000 Jahren Monotheismus einfach eingerostet?
„Zwei Jahrtausende beinahe und nicht ein einziger neuer Gott!“
Oder haben wir zwar genügend (rein quantitativ) Götter, jedoch werden diese immer erbärmlicher und mickriger und überhaupt allzu diesseitig?

Umgekehrt gefragt, sollten wir bei 2000 Jahren christlicher Tradition stehenbleiben?
Immerhin ist dies eine für uns Erdlinge bereits beinahe unvorstellbar lange und, wie sie richtig bemerken, sehr prägende Zeit.

Sind viele der Urbilder und Urkräfte, die sich auch ins christliche Gewand kleideten, aber nicht bedeutend älter?
Müssen diese uralten Wesenheiten nicht immer wieder neu benannt werden?
(„Mondenkind“ kommt Michael-Ende Freunden vielleicht in den Sinn)

Was den Protestantismus im „engeren“ Sinne anbetrifft, so habe ich den Eindruck, dass er seine eigene Auflösung bereits in sich trägt.

Er zersplittert sich da in Tausende Teilchen und Sekten und wird so relativ gefahrlos für Herrscher aller Art, wird vielerorts unterwürfige Staatskirche und verliert sich dort, wo er sich zunehmend säkularisiert, im spirituellen Nichts.
Oder er neigt (vermutlich ohne es zu ahnen) zum älteren Glauben hin, wie Heine glaubte:

„Es ist für den beschaulichen Denker ein wunderbares Schauspiel, wenn er die Länder betrachtet, wo die Bibel schon seit der Reformation ihren bildenden Einfluß ausgeübt auf die Bewohner, und ihnen in Sitte, Denkungsart und Gemütlichkeit jenen Stempel des palästinischen Lebens aufgeprägt hat, das in dem Alten wie in dem Neuen Testamente sich bekundet. Im Norden von Europa und Amerika, namentlich in den skandinavischen und anglosächsischen, überhaupt in germanischen und einigermaßen auch in keltischen Landen, hat sich das Palästinatum so geltend gemacht, daß man sich dort unter Juden versetzt zu sehen glaubt. Z. B. die protestantischen Schotten, sind sie nicht Hebräer, deren Namen überall biblisch, deren Cant sogar etwas jerusalemitisch-pharisäisch klingt, und deren Religion nur ein Judentum ist, welches Schweinefleisch frißt? So ist es auch mit manchen Provinzen Norddeutschlands und mit Dänemark; ich will gar nicht reden von den meisten neuen Gemeinden der Vereinigten Staaten, wo man das alttestamentarische Leben pedantisch nachäfft. Letzteres erscheint hier wie daguerreotypiert, die Konturen sind ängstlich richtig, doch alles ist grau in grau, und es fehlt der sonnige Farbenschmelz des Gelobten Landes. Aber die Karikatur wird einst schwinden, das Echte, Unvergängliche und Wahre, nämlich die Sittlichkeit des alten Judentums, wird in jenen Ländern ebenso gotterfreulich blühen, wie einst am Jordan und auf den Höhen des Libanons. Man hat keine Palme und Kamele nötig, um gut zu sein, und Gutsein ist besser denn Schönheit.“

Wie katholisch ist eigentlich die heutige katholische Kirche?

Ich bitte übrigens für meine nächtlichen Redeschwälle um Nachsicht. Die Nacht ist lang und ich habe Zeit... räusper

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