+ “Bild und Text” wirft einen kritischen Blick auf die pittoreske schwarze Subkultur, beispielhaft dargestellt anhand des Rappers Kendrick Lamar und seinem Lied “DNA”. Es sind Blut- und noch ganz andere Linien, die hier zusammenlaufen und ein Bild der Zukunft zeichnen, das… nun ja… schwarz ist.
+ Martin Sellner beleuchtet in seinem Autorenporträt den US-Politologen Gene Sharp und dessen Konzept der “gewaltlosen Aktion” zur politischen Machterlangung. Diese theoretische Grundlage weltweiter Regime-change-Aktivisten war bereits auf der Winterakademie des Instituts für Staatspolitik zur Frage der Gewalt ein Thema und verdient weiteres Durchdenken – insbesondere, als von Sharp bislang nur Von der Diktatur zur Demokratie in deutscher Übersetzung vorliegt.
+ Die Überlegungen Martin Lichtmesz’ zum »demobilisierenden Mythos« befassen sich mit den Geschichtsbildern von Charles Peguy, René Guénon und Julius Evola. Wenn man von einem zyklischen Geschichtsverlauf ausgeht, in dem sich die Weltzeitalter von Werden, Sein und Vergehen unabänderlich wiederholen: Wo ist dann noch Raum für eigene Aktivität, und wie entgeht man der fatalistischen Mutlosigkeit?
+ Götz Kubitschek zeichnet sieben kleine Bilder eines Übermorgen, das irgendwo zwischen Bescheidenheit und Ehrgeiz, Privatsphäre und allumfassender digitaler Überwachung, Mut und Willfährigkeit, Bundeswehr und Kräutergarten angesiedelt ist. Wohin die Reise geht? Darüber philosophiert derjenige allzu leicht, dessen Weg nicht holprig ist – für alle anderen heißt es, in der Lage zu leben und zwischen technologischen wie menschlichen Einsen und Nullen die eigene Stellung zu halten.
+ Der Jobbik-Vorsitzende Gábor Vona, von dem bereits in Sezession 71 eine politische Typologie zu lesen war, hat diesmal eine grundlegende Skizze des »modernen Konservativismus« in einer postmodernen Welt beigesteuert. Die Unzeitgemäßheit der alten politischen Trennlinien des 19. Jahrhunderts tritt heute offen zutage, und so ist eine Neuorientierung gefragt: entlang lebensgesetzlicher Wahrheiten, die die Politik der Zukunft in eine Front mit Kultur und Natur rücken. Am Ende steht das, was Vona die »sakralökologische Ordnung« nennt – oder es steht nichts mehr.
+ Eine »Kritik der wissenschaftlichen Prinzipien« übt Felix Menzel. Dabei geht es um utopische Machbarkeitsphantasien auf der einen, unreflektierte Zukunftsangst auf der anderen Seite und den zu findenden Mittelweg zwischen Skylla und Charybdis hindurch, ohne sich in furchtsamer Lethargie oder blindem Eifer zu verlieren.
+ Meine Wenigkeit befaßt sich im Bildinnenteil mit dem bereits eingeschlagenen Weg des Trans- und Posthumanismus, hin zum technologischen “neuen Menschen” – oder vielleicht ganz weg vom Menschen? Klassische menschliche Ängste eines Ausgeliefertseins an die übermächtigen Maschinen sind dabei ebenso Thema wie die fröhliche Beihilfe der Konsumenten zu ihrer eigenen Totalüberwachung, die doch das Leben viel leichter und schöner zu machen verspricht.
+ Die Rolle der Unternehmen und ihre Pläne für die Zukunft stehen im Mittelpunkt von Benedikt Kaisers Analyse zum »Geist der Technik und die Macht der Daten«. Und hierbei geht es nicht nur um die allfällige Angst vor digitaler Ausspähung und dem völligen Verlust der Privatheit: Durch die zu erwartenden, rasanten technischen Veränderungen der unmittelbaren Zukunft wird sich auch die soziale Frage in einer neuen Radikalität stellen, gegen die frühere Verteilungskämpfe verblassen werden. Es gilt, darauf vorbereitet zu sein – Kaiser liefert die Grundlagen.
+ Das marktwirtschaftliche Schlagwort der Disruption ist schon einige Jahre lang auch in Deutschland angekommen, aber über die berufliche Sphäre hinaus wenig bekannt. Michael Wiesberg schafft nun Abhilfe: Seine Ausführungen zum Thema und zu dessen Implikationen für den Markttrend hin zu ununterbrochener Innovation, die zu kurz gekommene Unternehmen förmlich zerreißen kann, zeichnen ein Bild von Lobbygruppen und technologischer Weltrevolution, das heute bereits zu einem guten Teil Realität ist.
+ Dem überkommenen konservativen Zukunftsvorbehalt tritt auch Wiggo Mann in seinem Plädoyer für eine Zukunftsvision von rechts entgegen. Da trotzige Verweigerung oder das Drängen auf eine behutsamere Fortmodernisierung die technologische Revolution beim besten Willen nicht aufhalten wird, ist es hohe Zeit, endlich ein tragfähiges, konservatives politisches Bild möglicher zukünftiger Veränderungen vorzulegen. Dazu dient eine kurze Rückbesinnung auf die bisherigen drei Industriellen Revolutionen – und eine Vorausschau darauf, wie Nationalstaat und kleine zwischenstaatliche Zweckbündnisse im zukünftigen Spiel globaler (digitaler) Gewalten dastehen werden.
+ Lutz Meyer hat sich intensiv mit dem Buch Gegen Demokratie des amerikanischen Philosophen Jason Brennan befaßt und zeichnet dessen finsteren Lösungsvorschlag für das “Problem” des weltweit im Aufwind befindlichen “Populismus” nach, nämlich die Beschränkung des politischen Mitbestimmungsrechts auf eine Kaste der Zuverlässigen: eine klassische Epistokratie.
+ Aktuellen Fragestellungen zu den Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Politik hat sich Institutsleiter Erik Lehnert gewidmet. Seine Betrachtungen erstrecken sich über sieben akademische Fachbereiche und machen eines klar: Das seit Jahrzehnten gepflegte Modell der Gefälligkeitswissenschaften ist zukünftig keinesfalls mehr tragfähig. Auch hier müssen Alternativen her!
+ Das Gespenst einer allmählichen Ausschleichung des Bargeldverkehrs in Deutschland und Europa geht bereits seit mehreren Jahren um. Andreas Lichert beleuchtet die “Affäre” fachkundig und gelassen – hat wirklich »niemand die Absicht, das Bargeld abzuschaffen«?
+ Johannes Konstantin Poensgen berührt in seinem Gedankenspiel ein heikles Thema: Im Zuge immer höher entwickelter Biotechnologie bei gleichzeitiger völliger Vernachlässigung der Biopolitik stellt sich die Frage nach möglichen eugenischen Initiativen irgendwo zwischen Präimplantationsdiagnostik und allgemeiner Konsummentalität unvermittelt aufs Neue. Was das heißen kann, vor allem in einem Staat, der sich auf die Rolle eines bloßen Marktregulators zurückzieht, das skizziert Poensgen in »Die Privatisierung der Eugenik«.
+ Zwei Autoren heben jeweils einen literarischen Themenkomplex besonders hervor: Felix Dirsch befaßt sich mit dem Desaster im Innern der Zuwanderungsmaschine – Die Getriebenen, Brennpunkt Traiskirchen und Die neue Völkerwanderung nach Europa liefern dazu jeweils bemerkenswerte Gedanken und Einblicke. Jörg Seidel indes hat das angebliche “Gegengift” zu Houellebecqs Unterwerfung eingehend gelesen, nämlich Kompass von Mathias Énard (dessen Zone ja seinerzeit ein Wahnsinnsbuch gewesen war). In der Synthese ergibt sich ein bemerkenswerter Blick auf Europa und seinen Taumel in die Arme des Islams.
+ Abschließend besprochen werden u.a. Chris Kraus’ Das kalte Blut, die private Kampfzone Alles Lüge von Joachim Lottmann sowie die kuriose Mao-Biographie Es wird Kampf geben aus der Feder Helwig Schmidt-Glintzers – die man hier auf der Sachbuchempfehlungsliste von NDR und Süddeutscher neben dem kaplaken-Band Finis Germania bewundern kann!
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Platon
Über die Nominierung von Sieferles Buch:
https://m.taz.de/!5416892;m/