Streitschrift für den Haß

Statt dessen solle man ruhigbleiben und einfach so weiterleben wie bisher. Freilich sei auch passive Traurigkeit erlaubt, aber Wut oder Haß – nein, das ginge doch gar nicht, schon gar nicht in einem aktiven Sinne.

Statt des­sen sol­le man ruhig­blei­ben und ein­fach so wei­ter­le­ben wie bis­her. Frei­lich sei auch pas­si­ve Trau­rig­keit erlaubt, aber Wut oder Haß – nein, das gin­ge doch gar nicht, schon gar nicht in einem akti­ven Sinne.

 

Die­ses haar­sträu­ben­de Gere­de ist lei­der nicht nur auf die vor Empa­thie nur so strot­zen­de Lügen­pres­se beschränkt. Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter Hei­ko Maas geht sogar noch einen „muti­gen“ Schritt wei­ter. Er will aktiv etwas gegen Haß tun. Also nicht etwas für die Empa­thie (denn das wür­de ja einen ehr­li­chen Dia­log zwi­schen ihm und sei­ner Gegen­sei­te erfor­dern), son­dern gegen Haß. Also qua­si aus Anti­pa­thie gegen die Antipathie.

 

Defi­niert man Empa­thie als Gegen­stück zur Anti­pa­thie, so bleibt der wer­te Herr Maas auf der ach so ver­ach­te­ten Sei­te der Ver­äch­ter. Weiß die­ser Mann eigent­lich, wovon er redet? Wenn man den Film Die ner­vö­se Repu­blik ein­mal anschaut, so ist rela­tiv schnell erkenn­bar, daß der Innen­mi­nis­ter der BRD Empa­thie ledig­lich groß­schreibt, da es sich um ein Sub­stan­tiv han­delt. Ihn inter­es­siert der Bür­ger nicht, das gibt er offen zu, beson­ders wenn die­ser nicht geneigt ist, sei­ne Inter­es­sen zu untermauern.

 

Oder tut er ledig­lich das, was ein Poli­ti­ker eben so tut, wenn er ein­mal an der Macht ist? Er ver­sucht sei­ne Macht zu erhal­ten. Und wenn dafür so etwas zutiefst Mensch­li­ches wie das Gefühl Haß unter­drückt wer­den soll, dann ist er eben auch dazu bereit, ganz egal, ob er sich dafür zum Don Qui­chot­te macht oder nicht.

 

Nach dem Anschlag von Man­ches­ter schrieb Brendan O’Neill einen aus mei­ner Sicht kor­rek­ten Arti­kel. Er erkann­te die Inten­ti­on unse­rer Poli­ti­ker völ­lig zutref­fend: Haß soll in ein Gefühl von Hilf­lo­sig­keit und Ohn­macht kana­li­siert wer­den. Dabei ist vor allem eine Betrof­fen­heits­kul­tur von­nö­ten, die am Ende nur ein Ziel kennt: Die Wut auf das eige­ne Selbst zu len­ken, die Ohn­macht als selbst­ver­schul­det zu erle­ben, zu ver­stär­ken und damit soge­nann­ten „Sym­ptom­streß“ zu erzeu­gen. Man wird sprich­wört­lich zum Kanin­chen vor der Schlange.

 

Gera­de im Hin­blick auf den Ver­such, Haß als etwas Patho­lo­gi­sches in der Gesell­schaft zu ver­an­kern, las­sen sich inter­es­san­te Wider­sprü­che erken­nen. Die Sys­tem­me­di­en ver­su­chen, übri­gens nicht nur in Deutsch­land, Haß als etwas Patho­lo­gi­sches zu defi­nie­ren. Der Trä­ger soll dabei als mög­lichst psy­chisch krank beschrie­ben wer­den, den man von daher für nicht ganz voll neh­men soll­te. Das wie­der­um fußt auf der von Angst gepräg­ten Milch­mäd­chen­rech­nung, daß, wenn Empa­thie gut ist, Haß (logi­scher­wei­se!) schlecht sein müsse.

 

Daß Haß auch etwas Gutes oder Nütz­li­ches haben kann, wird dabei aus­ge­blen­det, schließ­lich gilt es, ein dicho­to­mes Welt­bild eines Viert­kläß­lers zu ret­ten. Die­ses frei­lich infan­til wir­ken­de Welt­bild hin­ter­läßt bei Rech­ten dann oft den Ein­druck von Dumm­heit. Beson­ders dann, wenn der Umgang mit Rech­ten nun alles ande­re als empa­thisch ist und zeit­gleich Mit­ge­fühl auf eine ganz bestimm­te Grup­pe redu­ziert wird, obwohl man sich angeb­lich ganz frei von Ras­sis­mus bzw. Chau­vi­nis­mus wähnt. Spä­tes­tens hier wird die Pro­jek­ti­on erkenn­bar, die Lin­ke bekämpft uner­wünsch­te Eigen­schaf­ten ihres Selbst.

 

Die­se Infan­ti­li­sie­rung spricht mei­ner Mei­nung nach aber auch von einer all­ge­mei­nen unrei­fen bzw. schlicht­weg feh­len­den Sicht­wei­se auf die Funk­ti­on unse­rer Emo­tio­nen. Vie­ler­orts besteht eine Grund­an­nah­me, das Posi­ti­ve zu wol­len und das Unan­ge­neh­me eben nicht. Das ist frei­lich ver­ständ­lich (wer reißt sich schon um einen Zahn­arzt­be­such?), aber den­noch unreif (mit­tel- und lang­fris­tig sind Zahn­arzt­be­su­che eben not­wen­di­ge Maß­nah­men zur Erhal­tung der Gesund­heit). Letzt­lich spie­gelt sich das dann in der nicht­exis­ten­ten Debat­ten­kul­tur wider. Uner­wünsch­te, weil unan­ge­neh­me Mei­nun­gen sol­len ver­schwin­den. Oder anders gesagt: Die Schmer­zen in den Zäh­nen sind böse, aber das hat auf gar kei­nen Fall etwas mit dem eige­nen Ver­hal­ten zu tun.

 

Die­se Infan­ti­li­sie­rung der Gesell­schaft wird medi­al bewußt vor­an­ge­trie­ben, indem kla­res Den­ken durch emo­tio­na­le Agi­ta­ti­on ersetzt wird. Die­ses neu­ro­ti­sche Man­tra kann (lei­der) nur durch per­sön­li­ches, schmerz­haf­tes Ler­nen kor­ri­giert wer­den, wenn über­haupt. Logi­sche Argu­men­ta­tio­nen fin­den auf der in die­ser Situa­ti­on fal­schen Ebe­ne statt, der kogni­ti­ven. Man kann aber etwas Emo­tio­na­les nicht mit etwas Logi­schem beant­wor­ten. Das wäre wie eine Fra­ge auf ita­lie­nisch, der auf chi­ne­sisch geant­wor­tet wür­de. Unverständnis.

 

Auf die­se Wei­se bleibt das Man­tra ver­füh­re­risch: Es bie­tet den bil­li­gen Rausch, die Illu­si­on, das Gute ohne jeg­li­che Anstren­gung haben zu kön­nen, indem man das „Böse“ ein­fach weg­lie­ße. Lei­der ist die Welt aber nicht so einfach.

 

Nun haben Maas und Kon­sor­ten aller­dings eine Sache nicht bedacht, die ich als Psy­cho­the­ra­peut immer wie­der gelernt habe: Die See­le ist, weiß Gott, nicht doof. Drückt man Haß weg, so kommt er eben an einer ande­ren Stel­le wie­der auf. Er sucht sich sei­nen Weg, kana­li­siert sich mit den schil­lernds­ten Facet­ten, und das muß er auch. Er läßt sich nicht bequat­schen, auch nicht mit den per­fi­des­ten Methoden.

 

Haß zeigt letzt­lich nur ein klar arti­ku­lier­tes „NEIN“, wel­ches sich auch gern mal als Abscheu oder Wut, als Zorn oder als Ver­ach­tung erkennt­lich zeigt, aller­dings in der Regel mit­nich­ten vom Gegen­über ver­stan­den wer­den will. All die ver­schie­de­nen Facet­ten kön­nen ver­ein­facht unter dem Begriff der Anti­pa­thie gesam­melt wer­den. Anti­pa­thie hat jedoch eine wich­ti­ge Funk­ti­on in unse­rer Psy­che und ver­dient es in keins­ter Wei­se, so stief­müt­ter­lich behan­delt zu werden:

  1. Wut akti­viert. Sie treibt den Puls hoch, zeigt, daß etwas nicht stimmt, macht die Atmung fla­cher und engt den Fokus ein. Wir wer­den auf Kampf ein­ge­stellt. Wir wer­den dar­auf ein­ge­stellt, für uns selbst ein­zu­tre­ten, für das Eige­ne. Ohne die­sen Impuls gäbe es weder Mensch noch Tier. So basal ist Haß, und kein evo­lu­tio­nä­rer Pro­zeß wäre ohne Anti­pa­thie denk­bar. Doch das soll jetzt krank­haft sein?
  2. Anti­pa­thie macht Pro­ble­me dau­er­haft erkenn­bar und lie­fert uns eine Art Ver­än­de­rungs­en­er­gie und Ori­en­tie­rung. Die Künst­le­rin Rebec­ca Horn erkann­te das schon völ­lig rich­tig: „Hate can be a useful source.“ Wir sind also gezwun­gen, uns mit unse­ren Wer­ten aus­ein­an­der zu set­zen.
    Tun wir dies nicht, stellt sich auf die Dau­er der Haß gegen die eige­ne Per­son. Man ver­ach­tet sich selbst ob sei­ner eige­nen Mut­lo­sig­keit. Ein neu­ro­ti­scher Kreis­lauf der Ohn­macht kann hier begin­nen (was durch geziel­te Mani­pu­la­tio­nen durch die Sys­tem­pres­se for­ciert wird, indem der Trä­ger des Has­ses als das Pro­blem defi­niert wird).
    Erst durch einen akti­ven Pro­zeß der Dif­fe­ren­zie­rung und Aus­ein­an­der­set­zung mit eige­nen und frem­den Vor­stel­lun­gen kön­nen wir uns als Selbst begrei­fen. Kein Ich ohne Anti­pa­thie, kein Selbst ohne Tren­nung vom Frem­den. Das ist für vie­le nicht beson­ders attrak­tiv, aber in etwa mit einem Zahn­arzt­be­such ver­gleich­bar. Der ist auch nicht son­der­lich sexy, aber mit­tel- und lang­fris­tig die bes­se­re Ent­schei­dung. Hier macht sich eine Infan­ti­li­sie­rung der Gesell­schaft bemerk­bar, wo vie­le glau­ben, sie könn­ten in Ewig­keit ihrer unau­then­ti­schen Har­mo­nie­bla­se frönen.
  3. Zorn bringt den Thy­mos zurück. Er zwingt dem durch­schnitt­li­chen Mit­tel­eu­ro­pä­er, der bereits beim Über­que­ren roter Fuß­gän­ger­am­peln die intra­psy­chi­schen Alarm­glo­cken hört, neue, gesün­de­re Ver­hal­tens­wei­sen auf. Unsin­ni­ge Regeln müs­sen über­dacht, in Fra­ge gestellt und ggf. auch über Bord gewor­fen wer­den. Das gilt in beson­de­rem Maße, wenn die Regeln die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung aktiv benach­tei­li­gen oder die­se zum Mit­wir­ken an ihrem eige­nen Unter­gang ver­pflich­ten sol­len. Das stump­fe Akzep­tie­ren und Anwen­den bestehen­der Regeln funk­tio­niert nicht mehr. Haß for­dert die Erneue­rung bzw. die Ver­än­de­rung und kann auch schon mal den gesun­den Men­schen­ver­stand akti­vie­ren, vor­aus­ge­setzt, man läßt nicht ein­fach nur den Emo­tio­nen ihren Lauf, son­dern nimmt sie als Anlaß zur Selbstreflexion.

Das führt zur ent­schei­den­den Fra­ge, was man mit sei­ner Wut macht. Das hängt natür­lich vor allem davon ab, was man glaubt, wofür die Anti­pa­thie denn nun gut sein könn­te. Hier gehen die Geschmä­cker schnell weit auseinander. 

Bei­spiel: Nicht jedem fällt es gleich leicht, der Kriegs­er­klä­rung der Fuss­ball­fans von Dyna­mo Dres­den an den vor Kor­rup­ti­on nur so strot­zen­den DFB etwas Leben­di­ges, Krea­ti­ves oder Eini­gen­des abzu­rin­gen. Den­noch haben die Elb­flo­renz­ler wohl offen­sicht­lich mehr Thy­mos, als es dem Kon­sens lieb ist, ja viel­leicht bangt sogar man­cher, daß die Hoo­li­gan­sze­ne einen Ein­fluß auf gesell­schaft­li­che Pro­zes­se haben könn­te, etwa wie in Ägypten.

 

(Noch) hat nicht jeder den Mut für patrio­ti­schen Akti­vis­mus, der hilf­reich wäre. Schnell ent­ste­hen hier unpro­duk­ti­ve Dis­kus­sio­nen oder gar Vor­wür­fe über das „rich­ti­ge“ Maß der Din­ge. Wich­tig ist hier erst ein­mal, daß die Wut über die aktu­el­len Zustän­de in Akti­vi­tät über­geht, sei sie auch noch so klein und sym­bo­lisch. Ob Sie dabei Ihrem Schwa­ger bei einer Fami­li­en­fei­er wider­spre­chen, auch wenn es Ihre Frau nicht so ger­ne hat, oder Sie Ihr lau­tes Nein ein­brin­gen wie beim „Eklat beim evan­ge­li­schen Kir­chen­tag“, ist erst ein­mal sekundär.

 

Wich­tig ist erst ein­mal die Erfah­rung, daß es geht. Danach kann mehr Mut wach­sen. Der Über­tritt von gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen ist dabei weder zwangs­läu­fig sinn­voll noch unbe­dingt nötig, es ist nur der will­kom­me­ne Anlaß, den berech­tig­ten Wider­stand in sei­ner Akti­vi­tät zu dis­kre­di­tie­ren. Um so bes­ser! Das spornt die Krea­ti­vi­tät und die Cle­ver­ness in der Bemü­hung um Ange­mes­sen­heit an.

 

Fazit: Stel­len Sie sich Haß oder Anti­pa­thie eher als psy­chi­sches Ben­zin vor. Natür­lich könn­ten Sie – im über­tra­ge­nen Sinn – damit irgend etwas anzün­den. Das kann, muß aber nicht unbe­dingt beson­ders sinn­voll sein. Sie kön­nen aber auch Ihren Motor damit betan­ken und kraft­voll eine wich­ti­ge Rei­se machen – vor­aus­ge­setzt, Sie behal­ten Ihren Kopf und wis­sen, wohin Sie wollen.

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Kommentare (35)

Der_Jürgen

16. Juni 2017 14:43

Ein interessanter Beitrag, mit einer heiklen These. Ich persönlich bin der Ansicht, dass das, was manche als "Hass" bezeichnen, in unserem Lager meist nur hilflose Wut ist. So richtig hassen können wohl die wenigsten von uns. Das können andere sehr viel besser, besonders jene, die am lautesten von "Toleranz" und "Diversity" schwatzen. Dazu gehören nicht zuletzt die Angehörigen der Piratenpartei, von denen einer sich kürzlich vor Freude in die Hosen machte, nachdem ein Verbrecher eine deutsche Polizistin in den Kopf geschossen hatte:

https://michael-mannheimer.net/2017/06/14/piraten-politiker-thomas-goede-jubelt-in-twittermeldung-ueber-schuesse-auf-muenchner-polizistin/

Wenn man dann das Programm dieser merkwürdigen Partei liest, stösst man rasch auf einen Artikel, in dem gefordert wird, alle "130.000 tschetschenischen Homosexuellen" (was bedeuten würde, dass in Tschetschenien jede(r) zehnte, einschliesslich Neugeborener und hundertjähriger Urgrossmütter, homosexuell ist; diese Kerle projizieren ihre eigene Abartigkeit auf andere) nach Deutschland einzuladen, denn diese 130.000 liessen sich ohne weiteres aufnehmen. 

Wenn man dergleichen liest, ist es in der Tat schwer, keinen Hass zu empfinden. Zumal nicht die geringsten mildernden Umstände für solche Schreibtischtäter ersichtlich sind. 

Hass kann natürlich den Anstoss zu fruchtbarem Schaffen geben. Als Dante ihm missliebige Päpste wegen "Simonie" (Verkaufs geistlicher Ämter) in den dritten Übelgraben des achten Höllenkreises verbannte, tat er dies zweifellos aus Hass. Ein solches Ausmass an Hass könnte ich niemals empfinden. Nicht einmal auf die Merkel oder auf Piratenpolitiker. Solcher Hass würde, um den verstorbenen Kinoregisseur Fassbinder zu paraphrasieren, meine Seele "aufessen", und das mag ich nicht zulassen.

Sagan

16. Juni 2017 15:08

Der dritte Absatz vermittelt den sicherlich irreführenden Eindruck, der Verfasser hielte Herrn Maas für den Innenminister dieses Landes. Vielleicht möchte man das verändern? 

Langsax

16. Juni 2017 16:50

"Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem bösen entgegenstellen, wenn ihr der Zorn dienstbar zur Hand geht" (Papst Gregor - 6. Jahrhundert).

Wir sollten nicht hassen, wir sollten zornig sein und unserer Obrigkeit den Zorn überall entgegen schleudern. Wir müssen sie zermürben...

Paracelsus

16. Juni 2017 19:15

Überzeugende Argumentation!

Thomas S.

16. Juni 2017 20:25

In der abendländischen Tradition gibt es durchaus die Vorstellung eines guten Zornes. Im christlichen Denken etwa gibt es das Konzept des gerechten Zorns, welches das antike Konzept des Thymos aufgenommen und weiterentwickelt hat. Das aktivierende Element, was den Einsatz gegen Unrecht angeht, wird in diesem christlichen Konzept durchaus anerkannt und bejaht:

https://projektsanktmichael.org/glaube/gerechter-zorn/

Die Besonderheit ist dabei, dass es sich hier um einen disziplinierten Zorn handelt, dessen Konsequenzen sich nicht im bloßen Artikulieren von Wut oder ungeleitetem Aktionismus erschöpfen, sondern der auf Wirkung abzielt.

Albrecht Goerke

16. Juni 2017 20:42

Sehr gute psychologische Betrachtung zu einem wichtigen Gefühl. Haß kann genauso wenig wie Liebe oder andere Gefühle ge- oder verboten werden.

Maiordomus

16. Juni 2017 23:57

Trotzdem er eingangs im Zusammenhang mit Maas richtig sieht, dass es darum ging, aufkommenden Hass in Richtung und Ohnmacht zu kanalisieren, halte ich diese Studie phänomenologisch, logisch und analytisch, einschiesslich der historisch-kritischen ethischen Tiefenanalyse für derart ungeügend, methodisch himmelschreiend, ohne begriffliche Disziplin, dass auch der Autor nicht weiss, wovon er spricht, und das immerhin genannte Thymotische im Zusammenhang mit Zorn und Tapferkeit, die Frage nach dem gerechten Zorn, mit Hass verwechselt, zu welchem Thema es übrigens phänomenologisch orientierte Standardwerke gibt. Ich bedaure, dass wir gast gleichzeitig über das enorm hohe Niveau des verleumdeten Rolf Peter Sieferle diskutieren und SiN trotzdem jetzt ein solches Geschreibsel bringt auf einem intellektuellen Niveau, das es nachgerade und indirekt klar macht, dass man, wenn man gegenüber Sieferle oder auch Kubitschek mit dem Benzin von Antipathie und Hass verblendet schreibt, man eben im Sinne der Husserlschen Phänomenologie aber auch der elementaren nicht beherrschten Logik erkenntnisunfähig bleibt. Ich habe mein für die Publikation an dieser Stelle offenbar nicht genehmes Urteil über den obigen Essay ausführlich begründet  auf der Basis der Nikomachischen Ethik des Aristoteles und schliesse nicht aus, die Begründung nun halt mal anderswo zu publizieren. Wo man solche Denkfehler durchlässt, manövriert sich die Rechte in die Sackgasse und man müsste über die gelegentlich beklagte ungenügende Beachtung direkt dankbar sein. Natürlich sieht jedoch Leser @Goerke richtig, dass Hass so wenig wie andere Gefühl ge- oder verboten werden kann, das muss man so weit jedem auch jedem terroristisch vergifteten Geist zugestehen. Wenn schon die Liebe blind macht, so macht der Hass u.a. nach Thomas von Aquin und Edmund Husserl klar erkenntnisunfähig und auf Dauer objektiv dumm, wiewohl nicht ungefährlich, siehe die Warnungen vor Einwanderung usw. von muslimischen Terroristen.  

Wolfsjagd

17. Juni 2017 01:30

Sehr geehrter Herr Ludwig!

Mit Verlaub: Ich halte es für eine Grundlage sowohl des Anstands als auch der geistigen Gesundheit, die Dinge auseinanderzuhalten.

Was ein Soze Maas macht, machen lässt, zu meinen scheint oder nicht bedacht haben soll, ob Sie oder Ihre Klienten „empathisch“ genug sind, wessen Spiel Hools aus Dresden spielen und ob die Leser bspw. hier mit ihrem „Hass“ tun, das sind, verdammt noch einmal, verschiedene Dinge.

Maas will m.E. zum einen die Zensur privatisieren (was er als Soze auch bitter nötig hat, schon um all die trällernden Rotkäppchen, die die Bildungspolitik seiner Partei zu verantworten hat, irgendwie beruflich unter die Haube zu bringen).

Zum anderen scheint es in der immer dümmer werdenden Linken die Vorstellung zu geben, man könnte das in Deutschland immer noch vorhandene breite Interesse an Politik und vor allem an deren Folgen für die Betroffenen ‑ vulgo „die wachsende Wut“, die sich dann auch in vulgärer Art Bahn bricht ‑ mithilfe und zum Vorteil von nunmehr digitalen Umerziehungs-e.V.s ältlicher Pippi Langstrumpfs in ein Sozial- und Wohlfühlfeminat mit abgekauten Fingernägeln umerziehen, wenn man den „Menschen im Lande“ nur Angst vor ihrem eigenen „Haß“ machen und wieder dürstend nach Gerechtigkeit Güte Empathie Martin Schulz etc. erziehen würde.

Das Problem heißt hier aber m.E. nicht Haß, sondern das Konzept heißt Schuld. Und es ist nichts, was uns, abgesehen von den politischen Folgen, angehen muss, von diesem Maas'schen Dreck muss sich hier keiner gemeint fühlen, und Maas hat hier auch nichts falsch verstanden. Der Mann ist Werkzeug.

Will sagen: Über Gefühle diskutiere ich nicht. Und mit Sozen schon gar nicht.

O.k., eine halbe Oktave tiefer:

Darüber, wie aus Zorn etwas widerstehendes aufgebaut werden kann, über die (bisherige oder ewige) Eigenschaft dieses Systems, nichts autonom Aufgebautes, keine Nischen und Alternativen zu dulden, sondern alles zum (korrumpierten) Erfolg zu zwingen, darüber muss gesprochen werden.

Auch über den Zusammenhang zwischen (selbstverdummenden) Hass (nicht Wut, das ist nicht das Gleiche) und Isolation und die Bestrafung durch Verbannung, wie sie für dieses gesellschaftliche System immer umfassender wird.

Franz Bettinger

17. Juni 2017 01:32

Es gibt ein Recht auf Hass! Nur nicht (mehr) in dem Kindergarten, der Deutschland geworden ist. 

Gefühle wie Hass sind nicht Ursachen, sondern Ergebnisse von etwas. Sie sind retrograd kaum modulierbar. Es sollte keine Rolle spielen, ob ich jemanden ohrfeige, weil ich ihn hasse oder, im Gegenteil, liebe. Die Ohrfeige ist eine Körperverletzung und somit unter Umständen strafbar, basta. Es sollte keine Rolle spielen, ob ich aus Geiz Steuern hinterziehe, oder weil ich den Staat für einen Räuberstaat halte, oder weil ich die Bundeskanzlerin hasse. Tut es aber. Und zwar seit dem 14. April 2012.

Damals beschloss die Merkel-Regierung eine Gesetzesänderung, mit der (auf den ersten Blick nachvollziehbar) Menschen-verachtende oder Fremden-feindliche Beweggründe unter der irrwitzigen Bezeichnung Hass-Kriminalität strafverschärfend wirken sollen.

Das Strafrecht wurde zur Auslegungs-Sache. Der § 46 Abs. 2 StGB war die Einführung von Gesinnungs-Justiz. Es ist die alte Erzählung vom Guten und vom Bösen, oder: vom bösen und sehr bösen Täter. So lautet das Narrativ. Ja, das Wort Narrativ hat zuweilen durchaus etwas mit Narren zu tun.

Ein Verbot des Hasses, wenn ein solches denn durchsetzbar wäre, hätte keine guten Folgen. Alle Gefühle haben einen evolutionären Sinn: Ohne Vorsicht und Angst kein Überleben. Ohne Freude und Liebe keine sozialen Bindungen. Ohne Hunger, Durst und Neid keine Motivation. Ohne Lust kein Sex. Ohne Solidarität und ohne Loyalität keinen Familien- oder Volks-Zusammenhalt. Ohne Ekel Vergiftungen. Ohne Scham ständig schwanger. Ohne Wut und Zorn kein sich Wehren. Denkt es zu Ende!

Der_Jürgen

17. Juni 2017 01:42

@Maiordomus

Ihre Kritik ist masslos überzogen. Man merkt, dass sie von einem Menschen stammt, der unheimlich viel Verstand besitzt, dessen Gefühlsleben aber verkümmert ist.

"All brains, no heart", sagte einer meiner Bekannten weiland über den verstorbenen Dr. William Luther Pierce, einen Mann, der ideologisch ja wahrhaftig nicht auf Ihrer Wellenlinie lag, Ihnen in diesem Punkt jedoch glich. (Aus keiner Ihrer unzähligen Wortmeldungen, die ich, oft mit grossem Gewinn, las, schien je hervorzugehen, dass die ungeheuerliche Katastrophe, die das Abendland heimsucht, für Sie mehr ist als ein Objekt kühler Forschung.)

Dennoch, Sie haben in dem entscheidenden Punkt recht, dass der Autor den Unterschied zwischen Hass und gerechtem Zorn nicht erklärt. Daran habe ja auch ich in meinem ersten Kommentar verhaltene Kritik geübt.

Sie können sich auf ein ungleich grösseres theoretisches Rüstzeug stützen als ich, aber ich weiss z. B., was Thomas von Aquin über den gerechten Zorn schrieb (dank dem Link von Thomas S. konnte ich anno 1999 Gelesenes rasch wieder auffrischen). Ich finde bei Thomas von Aquin keinen Hinweis darauf, dass Hass unter irgendwelchen Umständen gerechtfertigt sein könnte. Aber wo liegt der Unterschied zwischen gerechtem Zorn und Hass? Wir spüren es alle, können es jedoch nur schwer definieren, und es gibt viele Grenzfälle. 

Darf eine Mutter einen Lustmörder, der ihr Kind misshandelt, vergewaltigt und erwügt hat, hassen? Ihr dies verbieten zu wollen, hiesse von ihr  Übermenschliches verlangen.

Dementsprechend kann man es freilich auch niemandem verdenken, wenn er Hass auf Politiker empfindet, die ihr eigenes Volk durch Vermischung mit Negern und Orientalen abschaffen wollen, oder auf "Medienschaffende" und "Intellektuelle", die diesem monströsesten Verbrechen der europäischen Geschichte Beifall spenden, oder auf Richter, die, um Schulkindern noch irgendwelche Nazi-Ungeheuer vorführen und sie dadurch traumatisieren zu können,  Neunzigjährige verurteilen, weil sie als Zwanzigjährige als Wachmänner in einem KL stationiert waren (dass sie dort irgendwelche Verbrechen begangen hätten, wird meist gar nicht behauptet; sie waren dort, und das reicht für vier oder fünf Jahre Gefängnis; wenn sie, wie Demjanjuk, während des Berufungsverfahrens in einem Altersheim sterben, ist das auch in Ordnung, denn der Prozess hat seine Funktion ja bereits erfüllt, und der Staat spart durch ihr Ableben Geld, das er dringend für "Schutzsuchende" benötigt.)

Der Lustmörder kann als Psychopath noch mildernde Umstände geltend machen, wie Fritz Lang in "Eine Stadt sucht einen Mörder", wo der Unhold vor dem Gericht der Ganoven geltend macht, eine Stimme befehle ihm:"Töte, töte." Aber Merkel oder Seehofer oder Gabriel oder Maas können nicht auf mildernde Umstände plädieren. Ihnen ruft keine für andere unhörbare Stimme zu: "Schaff dein Volk ab, schaff dein Volk ab", so wenig wie eine unhörbare Stimme dem Journalisten, der Sieferles Buch nicht gelesen hat, zuflüstert: "Giesse diesem Toten ein Fass Jauche ins Grab", oder wie eine unsichtbare Stimme dem Richter zuraunt: "Schicke diesen Neunzigjährigen hinter Gitter."

Die Politiker stehen sicher unter Druck ihrer Hintermänner, aber sie könnten nein sagen und mit fetten Pensionen in den Ruhestand abdampfen. Keiner würde ihnen ein Leid antun.Die Journalisten könnten über Sieferle einfach schweigen und die Hetze anderen überlassen. Wo also sehen Sie, Meister Maiordomus, die Grenze, die "gerechten Zorn" von verwerflichem Hass trennt? Wenn Sie schweigen, trifft Sie mein gerechter Zorn!

Die Frage geht natürlich auch an andere Foristen. Vielleicht löst sie eine interessante Debatte aus. Dann hätte der Artikel von Felix Ludwig, obwohl punktuell fragwürdig, seinen Zweck erfüllt.

Wolfsjagd

17. Juni 2017 01:53

Sehr geehrter Herr Ludwig!

Mit Verlaub: Ich halte es für eine Grundlage sowohl des Anstands als auch der geistigen Gesundheit, die Dinge auseinanderzuhalten.
Was ein Soze Maas macht, machen lässt, zu meinen scheint oder nicht bedacht haben soll, ob Sie oder Ihre Klienten „empathisch“ genug sind, wessen Spiel Hools aus Dresden spielen und ob die Leser bspw. hier mit ihrem „Hass“ tun, das sind, verdammt noch einmal, verschiedene Dinge.

Maas will m.E. zum einen die Zensur privatisieren (was er als Soze auch bitter nötig hat, schon um all die trällernden Rotkäppchen, die die Bildungspolitik seiner Partei zu verantworten hat, irgendwie beruflich unter die Haube zu bringen).
Zum anderen scheint es in der immer dümmer werdenden Linken die Vorstellung zu geben, man könnte das in Deutschland immer noch vorhandene breite Interesse an Politik und vor allem an deren Folgen für die Betroffenen ‑ vulgo „die wachsende Wut“, die sich dann auch in vulgärer Art Bahn bricht ‑ mithilfe und zum Vorteil von nunmehr digitalen Umerziehungs-e.V.s ältlicher Pippi Langstrumpfs in ein Sozial- und Wohlfühlfeminat mit abgekauten Fingernägeln umerziehen, wenn man den „Menschen im Lande“ nur Angst vor ihrem eigenen „Haß“ machen und wieder dürstend nach Gerechtigkeit Güte Empathie Martin Schulz etc. erziehen würde.
Das Problem heißt hier aber m.E. nicht Haß, sondern das Konzept heißt Schuld. Und es ist nichts, was uns, abgesehen von den politischen Folgen, angehen muss, von diesem Maas'schen Dreck muss sich hier keiner gemeint fühlen, und Maas hat hier auch nichts falsch verstanden. Der Mann ist Werkzeug.

Will sagen: Über Gefühle diskutiere ich nicht. Und mit Sozen schon gar nicht.

O.k., eine halbe Oktave tiefer:

Darüber, wie aus Zorn etwas widerstehendes aufgebaut werden kann, über die (bisherige oder ewige) Eigenschaft dieses Systems, nichts autonom Aufgebautes, keine Nischen und Alternativen zu dulden, sondern alles zum (korrumpierten) Erfolg zu zwingen, darüber muss gesprochen werden.
Auch über den Zusammenhang zwischen (selbstverdummenden) Hass (nicht Wut, das ist nicht das Gleiche) und Isolation und die Bestrafung durch Verbannung, wie sie für dieses gesellschaftliche System immer umfassender wird.

Monika L.

17. Juni 2017 11:06

Der Titel ist unglücklich gewählt. Der Beitrag differenziert nicht zwischen Haß, Zorn, Heiligem Zorn, Wut, Empörung etc. 

@Wolfsjagd

" Wie aus Zorn etwas widerstehendes aufgebaut werden kann...darüber muss gesprochen werden" 

Das ist richtig und Josef Pieper hat in seinem Buch VOM SINN DER TAPFERKEIT sehr klug darüber geschrieben. 

Etwa:

"Christus hat mit geschwungener Geißel die Händler aus dem Tempel gejagt; und als der Geduldigste vor dem Hohepriester von einem Knecht ins Gesicht geschlagen wurde, da hat er ihm nicht die andere Wange hingehalten,msondern er hat entgegnet:" Habe ich unrecht geredet, so beweise mir das Unrecht; habe ich aber recht geredet, warum schlägst du mich?"(Joh.18,23). Thomas von Aquin hat in seinem Kommentar zum Johannes-Evangelium auf den scheinbaren Widerspruch hingewiesen zwischen dieser Szene...und der Weisung der Bergpredigt:" Ich sage euch, widersteht dem Bösen nicht; wenn einer dich auf die rechte Wange schlägt, so biete ihm die andere dar" ( Matth.5,39) .  Eine " passivistische" Auslegung kann tatsächlich diesen " Widerspruch" nicht lösen. Thomas erklärt, übrigens in Übereinstimmung mit Augustinus:" Die heilige Schrift ist von dem her zu verstehen, was Christus selbst und die Heiligen praktisch verwirklicht haben. Christus aber hat jenem nicht die andere Wange hingehalten; ebensowenig Paulus. Also versteht eine wörtliche Auslegung die Weisung der Bergpredigt falsch.Diese meint vielmehr die seelische Bereitschaft, ohne verwirrende Bitterkeit gegen den Angreifer Ähnliches und Schweres zu ertragen, wenn es notwendig ist. "

In diesem Büchlein ist viel Erhellendes zur Kraft des Widerständigen geschrieben.

Franz Bettinger

17. Juni 2017 12:43

@Der_Jürgen

Verehrter Jürgen, Sie liefern die (notwendige?) Erklärung und Unterscheidung zwischen Zorn und Hass, die Sie anmahnen, selbst:

"Darf eine Mutter einen Lustmörder, der ihr Kind misshandelt, vergewaltigt und erwügt, hassen? Ihr dieses verbieten zu wollen, hieße von ihr Übermenschliches verlangen."

Der Hass fragt nicht nach Rechtfertigung. Er entsteht, ist dann da, und basta. Mögen ihn Psychologen und Richter sezieren und sich an ihrem Erfundenen ! ergötzen, dem Hassenden ist das egal. Er ist sich seiner Selbst sicher. Er braucht kein Abnicken seines Impulses durch die Ratio. Er spürt, was zu tun war oder noch zu tun ist. Der Evolution sei Dank!

Die weiteren Beispiele für gerechtfertigten Hass, die Sie anführen, sind alle erhellend. Wer Michael Kohlhas gelesen hat, weiß, wie Hass entsteht und warum es des Hasses manchmal bedarf. Irgendwann sagt man sich: "Genug ist genug!"

Im übrigen ist gegen den Hass vorgehen zu wollen ungefähr so effektiv wie gegen das Klima zu kämpfen. Eine ganze Armada von Don Quichotes aber stürmen gegen solche Windmühlen an.

Wer die Zahl hassender Menschen in unserem Land vermindern will, muss die Ursachen für deren Hass erkennen und beseitigen. Nichts anderes wäre zu tun, als Fairness walten zu lassen.

 

Utz

17. Juni 2017 12:47

In diesem Büchlein ist viel Erhellendes zur Kraft des Widerständigen geschrieben.

Ja, das ist es, was wir brauchen: Widerständigkeit. Dann müssen wir nämlich nicht über Haß, Zorn, Wut usw. reden. Die öffentliche Meinung, die veröffentlichte Meinung derer, die die Deutungshoheit in unserem Land hat, hat längst eine rote Linie gezogen und von ihrer Definitionsgewalt Gebrauch gemacht und gesagt: da fängt der Haß an, und dort hört er auf. Wir können versuchen den Diskurs aufzubrechen (schönes Beispiel von Jesus, wie er die Händler aus dem Tempel wirft), aber unsere Siegchancen sind hier sehr gering. Eher wird die Gegenseite sagen: Da hatte Jesus einen Moment der Schwäche, der Sinn seiner Worte besagt, man solle endlos gütig sein (und das Nachdenken über die Folgen anderen überlassen).

Wolfsjagd schrieb:

...darüber muss gesprochen werden.

Auch über den Zusammenhang zwischen (selbstverdummenden) Hass (nicht Wut, das ist nicht das Gleiche) und Isolation und die Bestrafung durch Verbannung, wie sie für dieses gesellschaftliche System immer umfassender wird.

Wenn die Angst vor der Isolation groß genug ist, laufen die Rationalisierungsmechanismen auf Hochtouren und die Kaninchen huschen zurück in den Bau ("Hilfe das ist fremdenfeindlich, ich will doch kein schlechter Mensch sein, ich will doch nicht ausgeschlossen sein, was werden die anderen von mir denken?"). Dann werden beliebige Bemerkungen zu Haß. Wenn wir dann kommen und sagen "aber Haß (Zorn, heiliger Zorn, Wut...) kann doch auch wichtig und richtig sein", dann sind bei unseren Zuhörern die Unterscheidungsmechanismen längst abgeschaltet. Dann ist es unwichtig, um was genau es hier geht, weil unsere Kaninchenzuhörer längst im Panikmodus sind ("Hilfe, Haß, wo ist das rettende Ufer, ich muß wieder zurück zur Herde").

Was wir brauchen ist Widerständigkeit. Meines Erachtens gedeiht so etwas eher in einer autoritären Staatsform als in einer Demokratie. Deshalb ist der Osten Deutschlands auch widerständiger. Wie Noam Chomsky in seinem "Manufacturing Consent" ausführte, bringen autoritäre Regime die Bevölkerung mit Gewalt auf Linie und dazu, daß sie das TUN, was das Regime will (denken können sie nach wie vor, was sie wollen), während Demokratien früher ansetzen und schon die Gedanken manipulieren müssen. 

Leider haben wir da ziemlich starke Gegner vor uns.

Herr K.

17. Juni 2017 13:12

Die Unterscheidung von berechtigtem Zorn und blindem Hass halte ich für durchaus berechtigt-aber dennoch willkürlich und daher undurchführbar, zumal es eine "neutrale" Position nie geben kann. Sicherlich ließen sich jetzt logische, rechtliche, religiöse etc. Maßstäbe anlegen. Das verstehe ich. Die Frage ist nun, welche Maßstäbe gelten sollen, schon sind wir wieder in der Willkürlichkeit angekommen, selbst wenn wir "unsere" annehmen. Schließlich beweist die Auseinandersetzung in diesem Forum ja exakt dieses Ringen um die Frage, welches "Maas" denn nun (nicht) gelten soll.

Von daher plädiere ich mehr für die grundsätzliche Verstehbarkeit von Motivationen, schließlich kann sich daraus ja auch eine Berechenbarkeit des Gegners herausschälen.

Es geht mir  um das Gewinnen, nicht um das Recht-haben. 

Cairdis

17. Juni 2017 13:59

Einer der besten Beiträge bislang auf dieser Seite. Doch kommt man dabei in Bereiche, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen können. Wie viele bleiben übrig, wenn es um darum geht in jenes grelle Licht zu sehen, und sich zugleich nicht vor der Dunkelheit zur fürchten? Charles Darwin sagte, es ist, als gestehe man einen Mord, und wäre mit seinen Erkenntnissen vielleicht nie an die Öffentlichkeit getreten, hätte der unabhängig von ihm arbeitende Alfred Russel Wallace nicht gedroht ihn zum zweiten im Ziel zu machen.

Jede Gefahr verliert von ihrer Bedrohlichkeit, wenn ihre Ursachen bekannt werden, schrieb Konrad Lorenz; im Beitrag geht es darum, wozu das Böse (die Aggression) gut ist, wozu es sie in der Natur überhaupt gibt. Und ganz richtig, man entkommt ihr nicht, so wenig wie Hunger, Furcht oder Sexualität. „Die Seele ist, weiß Gott, nicht doof. Drückt man Haß weg, so kommt er eben an einer anderen Stelle wieder auf. Er sucht sich seinen Weg, kanalisiert sich mit den schillerndsten Facetten, und das muß er auch. Er läßt sich nicht bequatschen, auch nicht mit den perfidesten Methoden.“ Das ist in einer verständlichen und zugleich geradezu poetischen Sprache gesetzt. Es nennt die Weise, wie ein notwendiger und lebenserhaltender Antrieb sich gegen das Eigene richten und zum Todestrieb werden kann. Man ist gegenwärtig so moralinverseucht, so moralverkorkst und todestriebbefallen, daß die Kunde vom Leben, die Biologie, als Biologismus - also auf deutsch Lebismus - bekämpft wird. Die aktuellen Kritiken auf Rolf Peter Sieferles Buch erfolgen nach diesem Muster, wobei sie Mühe haben eine unfreiwillige Ironie zu verbergen. Der Ton geht etwa so: Ist dies ein gutes Buch, verehrte Leserinnen und Leser? Nein, das ist ein böses Buch! Ein böses, böses Buch!

In der Natur gelten Wachstum und Eigeninteresse, was Kooperation oder Symbiose sehr wohl einschließt. Bei der Forderungen, die Moral so kurz wie möglich zu fassen, käme nicht jener Imperativ heraus, immer vollkommen gut zu sein, sondern womöglich: Paß auf dich und die deinen auf, und bedenke, wie man in den Wald hinein ruft, so hallt es zurück! Herr Sieferle hat in das beschriebene Licht geblickt ohne zu blinzeln.

Um das Essay noch an einer anderen Stelle zu bekräftigen, es geht um die angesprochene Einfachheit. Manche kennen das KISS-Prinzip aus dem englischen Sprachraum: Keep it simple, stupid! Doch vollendet hat es Albert Einstein ausgedrückt: So einfach wie möglich, aber nicht einfacher!

Karl

17. Juni 2017 17:15

@ Maiordomus

Kategorienfehler. Der Text von Herrn Ludwig ist keine „Studie“ mit „phänomenologisch, logisch und analytisch, einschliesslich … historisch-kritisch ethischer Tiefenanalyse“ der Begriffe Wut/Hass/Zorn. Und haben Sie solch ein name dropping wirklich nötig: „phänomenologisch orientierte Standardwerke“, „Husserlsche Phänomenologie“, „Nikomachischen Ethik des Aristoteles“. Wen soll das beeindrucken? Den Denkfehler begehen Sie. Einen Text, der Mut machen soll, derartig höhnisch abzuqualifizieren, z.B. mit den Worten: „Wo man solche Denkfehler durchlässt, manövriert sich die Rechte in die Sackgasse und man müsste über die gelegentlich beklagte ungenügende Beachtung direkt dankbar sein.“ fördert nicht den Widerstand, sondern untergräbt ihn. Vielleicht sollten Sie sich Ihre eigenen Worte zu Herzen nehmen: „…so macht der Hass u.a. nach Thomas von Aquin und Edmund Husserl klar erkenntnisunfähig und auf Dauer objektiv dumm.“ Wie sieht es denn mit Ihrem Hass aus?

Karl

17. Juni 2017 18:56

 

@ Maiordomus

Kategorienfehler. (...)

Kositza: Lieber Karl, warum denselben Kommentar x-mal? Wird alles nur 1 x freigeschaltet!

 

Maiordomus

17. Juni 2017 19:29

@Karl. Ich habe den Text des langen analysiert, was wegen der zugegebenermassen noch vernichtenderen Kritik zur Schonung des Gastes nicht  hier im Blog wiedergegeben wurde;  werde aus methodischen Gründen diese oben tatsächlich nicht illustrierten Hinweise noch als Beispiel wohl mal publizieren, sicher nicht in einem "Feindorgan". Ich habe noch nie Hass auf schwache Logiker und Phänomenologen empfunden, die dann als meine Schüler gelegentlich tatsächlich das Studium der Psychologie gewählt haben, was ich jetzt natürlich nicht als Verallgemeinerung gemeint haben möchte. Wenn meine Tochter einen unhaltbaren Quatsch schreibt, wiewohl eine prima Studentin, sage ich es ihr auch. Und wenn wir den Widerstand mit Denkfehlern fördern wollen, und etwas mehr denkerische Disziplin, was nicht Unfehlbarkeit bedeutet, den Widerstand untergräbt, dann bin ich im Zweifelsfall eher für das Untergraben des Widerstandes. Ignazio Silone, der sich als linker Kritiker des Antifaschismus schon um 1935 den strukturelle selben Vorwurf anhören musste, den Sie mir machen, antwortete, entweder in seinem Text "Brot und Wein" oder dann in seinem "Brief nach Moskau": "Die entmutigendste Wahrheit ist immer noch weniger entmutigend als die ermutigendste Lüge." Es dürfte vollkommen klar sein, dass dieser Text, in dem nicht mal elementare Definitionsregeln eingehalten wird, höheren Anprüchen an eine ethische Untersuchung nicht genügt und zumal den Ansprüchen an die eidetische Reduktion nicht genügt. Punkt 3 gemäss Bochenski, Die zeitgenössichen Denkmethoden: Die subjektiven Faktoren Sympathie oder Antipathie müssen für eine Untersuchung, die phänomenlogischen Ansprüchen genügt, eliminiert werden, sonst ist die Untersuchung nicht wissenschaftlich. Beispiel Homosexualität: Jede Art Homophobie einerseits und Solidarität mit den Homosexuellen andererseits behindern eine sachliche Behandlung des Themas. Und klar, muss man die Standardwerke über den Hass und das Böse kennen, will man eine "Streitschrift für den Hass" verfassen. Dieser Autor oben ist aber über dieses Thema, das scheint mir offenkundig, nicht 10% so eingearbeitet wie es zum Beispiel Sieferle war für das Thema Bevölkerungsdynamiken, Migration und dergleichen. In diese Richtung stellen sich die Ansprüche. Natürlich können wir immer noch Fehler machen, auch wenn wir sauber argumentieren. Dieser Aufsatz ist nun mal nicht auf der Höhe, was in jedem Theorieorgan mal vorkommen kann. Ich schliesse ziemlich aus, dass der Essay in dieser Form in das gedruckte Heft von "Sezession" reinkommt, da müsste ich mich schon arg täuschen, habe das neueste Heft nun endlich erhalten. 

Der_Jürgen

17. Juni 2017 20:37

Vielen Dank den Foristen, die versucht haben, auf meine Frage zu antworten.

@Maiordomus

Anstatt abermals auf Felix Ludwig (desen Text anerkanntermassen methodologisch angreifbar ist) herumzuhacken und nun auch noch Silone und Bochenski für Ihren Feldzug zu rekrutieren, hätten Sie gut daran getan, meiner klar formulierten Bitte um eine saubere Definition des Unterschieds zwischen "gerechtem Zorn" und "Hass" nachzukommen. Das ist keine Provokation. Ich kann die Definition selber nicht liefern und brauche deshalb Hilfe von gebildeteren Foristen, die ich allerdings bitte, nicht bloss Denker A und Denker B zu zitieren, sondern den Unterschied anhand konkreter Beispiele zu erklären.

Kalinka

17. Juni 2017 21:36

In diesem Zusammenhang empfehle ich dem interessierten Leser "Die Biologie des menschlichen Verhaltens" von Irenäus Eibl-Eibesfeldt.

Maiordomus

17. Juni 2017 22:07

Der Begriff des gerechten Zorns, die thymotische Fähigkeit, ist bei Unfähigkeit dazu sogar noch bei Thomas von Aquin eine moralische Schwäche. Wenn Sie sich also nie entrüsten, sind Sie nicht voll moralfähig, wiewohl es stets gilt, den Zorn durch die vierte Kardinaltugend, das Mass, zu bändigen. Der Zorn gehört insgesamt in die Theorie der Tapferkeit, deren Zubehör er sein kann, so weit bei der Tapferkeit statt der Leidensfähigkeit des Märtyrers die Aktivität einer "Wuth auf das Böse" (Hegel) gemeint ist, wobei nach Hegels Warnung die "Wuth auf das Böse" in kritisierbaren Terrorismus ausarten kann, was mit dem "gerechten Zorn" nicht zu verwechseln ist. Das wohl berühmteste neutestamentliche Beispiel des gerechten Zorns ist wohl der Zorn Jesu über die Händler am und im Tempel, wobei bei Jesu Handlung allenfalls ein paar gefangene Tauben freigekommen sind, die vom gerechten Zorn ausgelöste Aktivität war keineswegs das Wüten eines Elefanten im Porzellanladen. Zu den bedeutendsten Werken der Ethik, die je in Deutschland erschienen sind, gehört meines Erachtens die Studie von Josef Pieper "Vom Sinn der Tapferkeit" (1937) , eine Rechtfertigung der Tapferkeit, die sich nun aber auch klar gegen den reinen Heroismus abgrenzte, also gegen den Satz von Ernst Jünger "Mehr noch als dass der Kampf durch seine Sache geheiligt wird, wird eine Sache durch Kampf geheiligt", diesen Selbstzweck gibt es gemäss Tapferkeit nach Aristoteles' Nikomaschischer Ethik nicht. Vielmehr gilt: "Das Lob der Tapferkeit hängt von der Gerechtigkeit ab." In der Tapferkeit ist aber aktiv und passiv ein Thymos-Element vorhanden, notabene ein Wert, der zum Beispiel auch bei Peter Slotderdijk positiv ins Feld geführt wird. Ein schönes Beispiel nicht gewalttätigen gerechten Zorns ist meines Erachtens Luthers saftige Polemik gegen die zeitgenössischen Bibelübersetzer, die keine Ahnung haben, wie der gemeine Mann auf der Strasse und die Kinder auf den Gassen sprechen. 

Das Thymos-Element des gerechten Zorns ist aber gerade nicht Hass, es hat biblisch einiges mit dem Strafzorn des liebenden Vaters gemeinsam, wobei im Alten Testament wie auch in der Geheimen Offenbarung des Johannes hier aber gottespathologisch übermarcht wird, das wäre mit der proportionalen, dem Logos, dem Satz, der sich bei Prüfung aller Gesichtspunkte als der beste erweist, entsprechenden Zürnfähigkeit, dem Thymos, nicht angemessen. Zorn ohne Begrenzungsfähigkeit kann kein gerechter Zorn sein, artet in Totschlag und Vernichtsungszorn aus, in das schlechthin Böse der Macht, welches notabene Jacob Burckhardt wie wenige analysiert hat. Wie gesagt, benötigt die unentbehrliche Abgrenzung des gerechten Zorns gegen den zum Beispiel gruppen- und personenbezogenen Hass methodische ethische Schulung zumal mit Überblick auf die Vorleistungen der Antike, die auf diesem Gebiet nicht klein sind und hinter die man nicht zurückfallen sollte, was man der Teufelstheologie des Mittelalters durchaus vorwerfen kann. Ideologien des Rassenhasses und des Klassenhasses sind indem sind natürlich gewaltige zivilisatorische Rückentwicklungen, Entmenschlichungen, insofern die menschliche Praxis ein "Sein gemäss der Vernunft" zu sein hätte, wobei mit der Vernunft neben dem Subjektiven auch die Perspektive einer objektivierbaren Ordnung nicht ausgeschlossen werden sollte.

Um Opposition zu leisten muss man keine methodischen und phänomenologischen Kenntnisse haben, so etwas haben auch Marx und Engels mit Recht nicht verlangt. Aber ohne Schulung in dialektischem Denken war nun mal strategische und programmatische Arbeit nicht möglich, selbst wenn ich persönlich die These, der Sprössling sei die Negation des Samens und das Ei die Negation des Huhnes für eine Absurdität halte, wie generell leider den sog. Wissenschaftlichen Sozialismus. Was ehrenwerte Widerstandsarbeit betrifft, so ist klar, dass es auch theoretisch weniger geschulte  Saalordner und Plakataufhänger geben muss, wozu sich keiner zu schade sein muss. Für Progammarbeit, insbesondere für eine Theorie zur Rehabilitierung des Hasses, brauchte es aber eine enorme methodische Schulung, so wie man schon im Spätmittelalter ohne langjähriges Studium kein Experte für Hexenprozesse sein konnte. Dabei gehe ich trotzdem davon aus, dass eine Partei oder Bewegung, die den Hass auf ihre Fahne schreibt, früher oder später dem politischen Höllensturz nicht entgehen wird.

Bei Sezession, ich meine zumal das gedruckte Heft, das ich von mal zu mal mit Gewinn lese, steht die Ausbildung der Saalordner und Plakataufhänger nicht im Vordergrund. Es geht um politische oder - wie es gesagt wird - metapolitische Orientierung.

 

 

Heinrich Brück

17. Juni 2017 22:46

Gerechter Zorn ist zeitlich begrenzt, möchte eine Ungerechtigkeit beseitigen, der Mensch verliert kurzfristig seine Sanftmut und handelt im Affekt. Haß ist das Gegenteil von Liebe, Antipathie in Vollendung, kann langfristig empathielos morden und verändert wohl auch die eigene Person in negativer Weise. Ist natürlich keine saubere Definition. Das 20. Jahrhundert hat die Sprache ohnehin umgekrempelt. In welcher Situation der Gegenwart befindet sich Deutschland - sprachlich?

Maas möchte den Haß nicht beseitigen. Er möchte wiedergewählt werden. Die Identitären hassen nicht. Gleichzeitig werden sie Maas nicht wählen.

Karl

18. Juni 2017 01:57

 @ Der _Jürgen:

Aus medizinischer Sicht: Emotionen entstehen im limbischen System, einem evolutionär sehr alten Bereich unseres Gehirns. Speziell in einer Teilstruktur dieses Systems, der Amygdala, werden Emotionen verarbeitet.  Die Großhirnrinde hemmt die Aktivität dieses Systems, außer in Notsituationen: Dann entstehen Gefühle wie Angst oder Zorn. Vermittelt über die konsekutiv freigesetzten Stresshormone empfinden wir einen beschleunigten Herzschlag, flachere Atmung, Schweißabsonderung, Muskelanspannung, Mimik und Gestik verändert sich, die Energiebereitstellung wird hochgefahren, kognitive Funktionen sind getrübt (weshalb forensische Gutachten diesen Zustand mit eingeschränkter Schuldfähigkeit in Verbindung bringen). Zorn dient der Beseitigung von Hindernissen, reduziert Ängstlichkeit und führt nicht nur zu negativen  Ergebnissen, auch wenn er in der abendländischen/religiösen Tradition negativ konnotiert ist. Unterdrückter Zorn kann autoaggressives und depressives Verhalten zur Folge haben, kann also pathogen wirken. Doch stellt Zorn Energie bereit, „die die Welt verändern kann“ (Gandhi). Zorn und in seiner gesteigerten Form, Wut, sind akute emotionale Reaktionen auf empfundenes Unrecht und „verfliegen“ als solche relativ rascher. Hass dagegen hat tiefere Ursachen (z.B. Kränkungen) und ist weniger ein akuter Zustand denn eine überdauernde „Haltung“/Eigenschaft (z.B. Testosteronkonzentration?), gräbt sich in die Person ein (z.B. Misshandlungen) und wird als Symptom von Persönlichkeitsstörungen (Borderline, schizoid, antisozial) angesehen. Soweit in kurzen Worten aus einer erdverbundenen Perspektive zu diesen Begriffen.

Der_Jürgen

18. Juni 2017 02:27

@Maiordomuus  @Heinrich Brück

Besten Dank für Ihre Antworten. Sie schreiben Dinge, die ich fühlte, aber vielleicht nicht so klar hätte ausdrücken können. Man gestatte mir ein paar zwangsläufig subjektive Bemerkungen zum Thema.

Wenn Maiordomus den Klassen-und Rassenhass verurteilt, rennt er natürlich offene Türen ein. Ein aufgeklärter Nationalist/Patriot/Identitärer (ich akzeptiere für mich alle drei Begriffe; Nationalismus grenze ich klar vom verwerflichen Chauvinismus ab) hasst Schwarze und Muslime nicht. Er anerkennt noch so gerne, dass der individuelle Neger oder Araber ein liebenswerter, gesetzestreuer und intelligenter Mensch sein kann.  Er will Angehörige dieser Ethnien bzw. der islamischen Religion aber nicht in grosser Zahl in Europa. (Die Gründe hierfür sind zu bekannt, um einer Wiederholung zu bedürfen.) Er wünscht, dass sie in ihren eigenen Ländern und Kulturkreisen glücklich leben und ist durchaus für sinnvolle Entwicklungshilfe (die allerdings nicht via die dortigen Regierungen erfolgen darf, da sonst praktisch alles Geld in den Taschen der kleptokratischen Elite endet).

Dies kann wohl fast jeder unterschreiben, der hier mitliest. Nun aber zur Problematik der von Maiordomus gelieferten Definition von "Hass" als "Zorn ohne Begrenzungsfähigkeit" oder "Vernichtungszorn". Ich würde die Forderung der Mutter, deren Kind geschändet und ermordet wurde, nach der Hinrichtung des Schuldigen verstehen und unterstützen, auch wenn der Mörder dadurch im buchstäblichen Sinne des Wortes "vernichtet" wird. Ebenso fiele es mir,  falls die Verantwortlichen für die Umvolkung von einem Revolutionstribunal zum Tode verurteilt würden, nicht im Traume ein, für ihre Begnadigung einzutreten. Diese Haltung fällt für mich noch in die Kategorie des "gerechten Zorns". Würde ein Mörder oder ein Volksverräter aber auf grausame Weise hingerichtet, so wäre das Mass für mich überschritten. Einen auch noch so Schuldigen zu rädern oder zu vierteilen, wie es im Mittelalter oft üblich war, wäre ein Ausdruck von zerstörerischem Hass. Hier haben wir also meiner Ansicht nach eine ziemlich deutliche Grenze zwischen den beiden Begriffen vor uns.

Dies bringt uns gleich zu einer für Christen unangenehmen Frage, nämlich der nach dem von Maiordomus erwähnten "Strafzorn des liebenden Vaters". Gut, die vom Jahwe des Alten Testamentes befohlenen schauerlichen Mordorgien, denen ganze Völker zum Opfer fielen (siehe z. B. 4. Mose 31) können hier unberücksichtigt bleiben, weil Jahwe kein "liebender Vater" ist. Aber wie steht es mit dem Dogma von der ewigen Verdammnis, das ja offiziell bei Katholiken und Protestanten noch gilt, auch wenn es, ausser von den katholischen Traditionalisten  sowie von radikalen protestantischen Gruppen vor allem in den USA, kaum noch in einer Predigt erwähnt wird? (Die Anglikaner haben die Hölle bekanntlich offiziell abgeschafft.) Kann ein "liebender Gott" Menschen für zeitliche Verfehlungen ewig strafen? Schwerlich. Die Höllenlehre ist das extremste Beispiel von Hass, das man sich vorstellen kann; eine solche Strafe hätte ja, im Gegensatz zum Fegefeuer, keinen reinigenden Effekt und würde nur der Befriedigung der Rachsucht eines unfassbar grausamen Gottes dienen. 

Es wäre schön, wenn auch die Katholische Kirche dieses Bleigewicht abwerfen würde. Dies ist natürlich schwierig; erstens weil es im Neuen Testament etliche Stellen über eine ewige Hölle gibt (allerdings auch solche, die dagegen sprechen), und zweitens, weil die Katholische Kirche dann einräumen müsste, dass sich ihre Kirchenväter, nicht zuletzt Augustin, und der grosse Thomas von Aquin in einem zentralen Punkt geirrt hätten. Dann käme zwangsläufig gleich die Frage auf, in welchen anderen Punkten diese Autoritäten sich denn auch noch geirrt hätten, und das ganze Gebäude geriete rasch ins Wanken. Rehabilitiert würden hingegen frühchristliche Denker wie Origines oder Arius, die den Höllenglauben verwarfen und teils, wie Origines, sogar die Reinkarnationslehre vertraten. 

Um einen Brückenschlag zur Lage der Gegenswart zu vollziehen: Für die Holocaust-Ideologen befindet sich das deutsche Volk in einem Zustand der Verdammnis. "Versöhnung ist ein absolut sinnloser Begriff. Die Erben des judenmordenden Staates haben gar keine andere Wahl, als die Verantwortung zu übernehmen. Für viele Generationen. Für immer", meint z. B. Herr Michael Friedmann. Und Herr Elie Wiesel schrieb 1968 in "Legends of our Time" (man beachte die unfreiwillige Ironie des Titels; vom selben Autor stammt auch der umwerfende Satz "Manche Dinge sind wahr, aber nie geschehen. Andere Dinge sind nie geschehen, aber wahr"),  jeder Jude müsse in seinem Herzen einen gesunden, kraftvollen Hass auf alles Deutsche empfinden; alles andere wäre Verrat an den jüdischen Toten. (Den Friedensnobelpreis bekam dieser Herr dann u. a. auf Antrag von 86 Bundestagsabgeordneten, die argumentierten, Wiesels Auszeichnung würde "zur Versöhnung beitragen".)

Solche Leute sind die wahren Hasser, nicht irgendwelche einfachen Deutschen, die ihrer begreiflichen Empörung über das, was in ihrem Land geschieht, nicht so elegant Ausdruck verleihen können wie feine Rechtsintellektuelle und darum in ihren Facebook-Kommentaren verbale Entgleisungen begehen. Gerade diese schlimmsten aller Hasser spielen sich aber als Lehrmeister der "Toleranz" auf.

Der_Jürgen

18. Juni 2017 02:37

@Karl

Danke, sehr wertvolle Information.

Maiordomus

18. Juni 2017 11:03

@-derjürgen. Gemäss Dante gibt es in der Hölle eine Inschrift "Auch mich schuf die ewige Liebe." Nietzsche widersprach dem, in dem er Dante korrigierte: "Auch mich schuf der ewige Hass." Er zitierte dafür als Beleg den wohl verfänglichsten Satz von Thomas von Aquin aus der "Summe wider die Heiden." Er lautet: "Die Seligen werden im Himmelreich die Qualen der Verdammten schauen, damit ihnen dort ihre Seligkeit noch besser gefällt." Videbunt beati in regno caelesti poena damnatorum, ut illis (...) beatitudo magis complaceat, habe das Lateinische aus dem Gedächnis zitiert, ev. ungenau. Wie unsinnig der Hass ist, lässt sich auch aus seiner Grundierung, dem Ressentiment, ablesen, vgl. Scheler, Das Ressentiment als Grundlage der Moralen, über Scheler hat Karol Woityla seine Habilitationsschrift geschrieben. Aber klar, Ihre Einwände _derjürgen, gegen die Ewigkeit der Hölle verdienen erörtert zu werden, will man der Theologie des Hasses begegnen. 

 

Der in Luzern verstorbene Theologe Hans Urs von Balthasar, kurz vor seinem Hinschied 1988 noch als Kardinal geehrt, mit dem ich mich noch austauschte, schloss nicht aus, dass es die "Hölle" gebe, diese jedoch im Grenzfall "leer" seie. Bei der Hölle als Strafort handelt es sich ohnehin, wie Sie wohl richtig sehen, um ein Hassprodukt, wobei jedoch die Hölle hier sich bei tieferer Analyse als falsch analysiert herausstellt: Die wahre Hölle ist diejenige, in die das Subjekt sich selber stellt, mithin übrigens durchaus als Hassender. Dass es in der jüdischen und deutschen Geistesgeschichte von Hassenden wimmelt, ist schlicht eine Banalität, natürlich auch bei den Holocaustjägern, wobei ich hier jedoch die wirklich gut informierten, etwa Gabriel Bach, einen der besten Eichmann-Kenner, als hassfrei kennengelernt habe. Hasser kann man natürlich auch für die Forschung und Wissenschaft nicht gebrauchen, das ist eine Banalität. In meinen Forschungen über die Todesstrafe, halte im Oktobert in Luzern eine Vorlesung darüber, sind mir auf eine beeindruckende Weise nicht wenige Mütter untergekommen, die für den Mörder ihres Kindes die Begnadigung bejaht hätten. Es gab auch schon vergewaltigte Frauen, welche die unfreiwillig gezeugte Frucht aus Überzeugung ausgetragen haben. Hass ist überhaupt nicht obligatorisch. Dabei würde ich jedoch, bei Kuscheljustiz, Selbstjustiz nicht in jedem Fall mit Hass verwechseln. Auch Schiller betreibt für Wilhelm Tell, den er im langen Monolog an der hohlen Gasse sgar aus der Rolle der wenigredenden Täters herausfallen lässt, um klar zu machen, dass auch Tell kein Hassender war. Doch kann einem die "Milch der frommen Denkungsart" auch mal vergällt werden. Es gibt historische Situationen, wo es im Widerstand keinen Pardon geben kann. Selber gehe ich davon aus, habe dafür auch klare Indizien, dass die Männer des 20. Juli, über die wir auch schon kontrovers diskutiert haben, weder gegen Hitler persönlich noch gegen Nationalsozialisten, zu denen sie zum Teil gehörten, Hass empfanden. Sonst hätten sich einzelne nicht noch mit Beichtvätern beraten, ob eine solche Tat zu verantworten sei. Freisler, nachweisbar aber ein echter Hassrichter, hat deswegen bekanntlich in mindestens einem Fall einen Beichtvater verhaften lassen. "Mein Kampf", bei dessen Lektüre ich auf keinerlei Bevormundung angewiesen bin, halte ich nicht deswegen für ein schlechtes Buch, weil es der nicht unbegabte Hitler geschrieben hat, sondern weil dort in einigen Partien echter Hass vorkommt und sich das Buch bei entsprechender phänomenologicher ethischer Analyse auch nicht gerade als brauchbarer Prototyp für Vaterlandsliebe entpuppt. Noch interessant für die Geschichte des Hasses wären Analysen aus der Zeit der französischen Revolution. Auch ist es offensichtlich, dass Platen und Heine einander hassten, wobei letzterer dies als Homosexuellenbeschimpfung ausgelebt hat, der andere als Antisemit. Niemand behauptet, Heine hätte Platen verstanden oder Platen Heine. So geht es einem halt, wenn man sich vom Hass leiten lässt, bei Künstlern nicht selten Konkurrenzneid. Über den Hass hat sich unter christlichen Theologen Augustinus bereits nicht unkundig ausgelassen, u.a. mit der Spezialform Neid. Er glaubte nicht an das liebe unschuldige Kind: "Gelb vor Neid blickt der Säugling auf seinen Milchbruder." Ein Standardwerk ist in diesem Zusammenhang die grandiose Analyse des rechtskonservativen Soziologen Helmut Schoeck, "Der Neid - Eine Theorie der Gesellschaft", las ich schon 1966. Ähnlich geduldig bis ungeduldig wie hier auf dieser Seite musste ich Linken schon oft erklären, dass Neid keine die Ernkenntnis fördernde Eigenschaft ist und für vernünftige politische Arbeit nicht wünschbar. Meine linken Bekannten verteidigten den Neid mit ähnlichen Gründen wie der Verfasser des Essays hier, worüber wir uns streiten, hoffentlich auf dem Weg zur Klärung.

Monika L.

18. Juni 2017 11:39

Wir sollen nicht für den Haß streiten, sondern für das Gute. Das setzt Klugheit voraus. Was die ungenügend zornige Gefühlslage nach einem Terrorangriff betrifft, zitiere ich nochmals Josef Pieper aus dem Buch VOM SINN DER TAPFERKEIT:

"Der aufklärerische Liberalismus stellt sich blind für das Böse in der Welt: sowohl für die dämonische Macht des adversarius diabolus, des bösen Feindes schlechthin, wie für die geheimnisvolle Macht menschlicher Verblendung und Willensverkehrtheit; schlimmstenfalls dünkt ihn die Macht des Bösen nicht so im Ernst gefährlich, daß man nicht mit ihr verhandeln und sich auseinandersetzen könnte. Aus dem liberalistischen Weltbild ist das unheimliche, erbarmungslose und unerbittliche NEIN, für den Christen eine selbstverständliche Realität, ausgelöscht. Das ethische Leben des Menschen wird zu einer risikolosen und unheroischen Harmlosigkeit verfälscht; der Weg zur Vollendung erscheint als pflanzenhafte Entfaltung und Entwicklung, der das Gute kampflos gelingt." 

An diese Stelle in Piepers Buch muß ich immer wieder denken, wenn nach "schlimmen" Ereignissen relativiert wird. Nein, wir müssen nicht lernen, mit dem Terror umzugehen ! Und  nein, Terrorangriffe gehören nicht zum Leben einer Großstadt. Das ist im ethischen Sinne gemeint. Über die biologische und therapeutische Sicht von starken Gefühlen ( Liebe/ Haß) hinaus ist der philosophische und theologische Hintergrund zu sehen. Jesus lehnt Haß ab, zeigt aber starke Gefühle im Kampf für das Gute. Haß will das Böse. Die Terroristen wollen das Böse, deshalb hassen sie. Natürlich haben konkrete, einzelne Menschen ein moralisches Empfinden für das Gute und Böse. Das ist im Einzelfall nicht abhängig von einer Religion. Aber der Islam unterscheidet sich im Hinblick auf Haß und Gewalt grundlegend vom Christentum. Der Haß ist dieser "Religion" immanent. Das erklärt die zögerliche Teilnahme einiger Moslems an der Antiterror-Demo in Köln. 

P.S. @Pirmin Meier

Redet Ihre Tochter noch mit Ihnen ? Wenn Sie sie genauso examinieren wie die armen Autoren und Foristen ? 

Der_Jürgen

18. Juni 2017 13:57

 @Maiordomus

Ausser in einem oder zwei Details, die hier nicht näher erwähnt seien, kann ich Ihren Darlegungen zustimmen. Nietzsche hat Dante übrigens in der "Genealogie der Moral" ungenau zitiert. Neben dem Zitat von Thomas von Aquin, das Sie in Erinnerung rufen, könnte man natürlich Tertullian als Beispiel eines christlichen Hassers anführen, wie es Nietzsche in erwähnter Schrift genüsslich tut (wobei er sich nicht die Mühe nimmt, den lateinischen Text zu übersetzen; heute, wo Lateinkundige zur gefährdeten Spezies geworden sind, ginge das nicht mehr).

@Monika L.

Ja, der Hass ist dem Koran immanent. Davon kann sich jeder leicht überzeugen, der ihn liest. Wenn man sich vor Augen hält, dass dieses in jeder Hinsicht düstere Buch die geistige Grundlage von mittlerweile wohl über einer Milliarde Menschen ist, kann man sich vorstellen, was für ein immenses Gefährdungspotential sich da zusammenbraut. Natürlich gibt es Muslime, die nicht nach den Vorschriften des Koran leben; es sei an die Toleranz der syrischen Regierung gegenüber den Christen erinnert. In letzter Konsequenz muss man sagen, dass ein Muslim, der den Christen achtet und ihm mit Freundlichkeit begegnet, ein schlechter Muslim ist, weil er das Gebot seiner Religion, den Christen entweder zu bekehren oder zu bekämpfen, missachtet. Ähnliches lässt sich auch von den Anhängern einer anderen nahöstlichen Religion sagen.

So, nun habe ich auf diesem Strang genug geschrieben. Den Hausherren danke ich für die (annähernd ungekürzte) Veröffentlichung meiner Kommentare. Das Thema hat mich eben sehr interessiert.

Karl

18. Juni 2017 14:17

@ Maiordomus

Vielen Dank für Ihr Eingehen auf meine Einwände. Nach wie vor jedoch bezweifele ich, dass Sie in Ihrer Argumentation dem Text gerecht werden.

  1. Die positiven Reaktionen eines Gutteils der Mitforisten belegen ja zunächst, dass seine Botschaft einem Bedürfnis entspricht, dem bisher zu wenig entsprochen wurde. Ihr Argument: „Und wenn wir den Widerstand mit Denkfehlern fördern wollen, und etwas mehr denkerische Disziplin, was nicht Unfehlbarkeit bedeutet, den Widerstand untergräbt, dann bin ich im Zweifelsfall eher für das Untergraben des Widerstandes.“ mit dem damit verbundenen Zitat von Silone: "Die entmutigendste Wahrheit ist immer noch weniger entmutigend als die ermutigendste Lüge." halte ich für sehr problematisch. Den Begriff „Wahrheit“ hat Der_Jürgen in diesem Diskussionsstrang schön illustriert mit dem Zitat von Wiesel: "Manche Dinge sind wahr, aber nie geschehen. Andere Dinge sind nie geschehen, aber wahr". Also wovon lassen wir uns ent- bzw. ermutigen? Von Wahrheiten? Weshalb kommt die Botschaft trotz „Denkfehlern“ bei den Mitforisten an? Darf ein Text, der nicht der reinen Lehre entspricht, überhaupt auf positive Resonanz treffen? Was ist falsch: der Text oder die reine Lehre? Wenn ein Dogma mit der Wirklichkeit kollidiert ist es Zeit entweder das Dogma oder die Wirklichkeit zu verändern. Wofür entscheiden Sie sich? Wolkenkuckucksheime sind doch eigentlich eher das Metier der Linken.  
  2. Damit sind wir aber bei dem eigentlichen Problem: Die Linke hat ja leider keine Schwierigkeiten, Anhänger zu finden, obwohl ihre utopistischen Konstruktionen regelmäßig scheitern und einer Prüfung nicht standhalten. Also können offenbar theoretisch ganz unsolide Machwerke metapolitisch bedeutende Wirkungen haben, obwohl sie den „…Ansprüchen an eine ethische Untersuchung … und zumal den Ansprüchen an die eidetische Reduktion nicht genügen.“. Die Texte holen die Rezipienten offenbar dort ab, wo sie stehen. Der Zug rast nicht an ihnen vorbei, oder kommt gar nicht erst an oder fährt meilenweit an ihnen vorbei, sondern hält genau dort wo sie stehen. Dann können sie einsteigen, werden aufgesammelt und der Zug wird immer voller, während die theoretisch besseren leer bleiben. Gerade wenn es um „metapolitische Orientierung“ geht, müssen auch „Saalordner und Plakataufhänger“ ausgebildet werden und nicht nur Zugführer, deren Zug niemals ankommt.
  3. Natürlich stimme ich Ihnen zu, dass für theoretische „Programmarbeit“ die Begriffe stimmen müssen und Standardwerke bekannt sein müssen. Da kann ich Ihnen nicht das Wasser reichen und habe Hochachtung vor Ihrer Belesenheit. Solch ein Forum aber wäre unklug aufgestellt, wenn es die metapolitische Arbeit auf Theoriebildung eingrenzen würde und hohe Hürden aufbaut, statt auch tagespolitisch und allgemeinverständlich für die Sache zu werben. Ihre Gleichsetzung der „methodischen Ausbildung, die benötigt werde, um hier mitzureden, mit derjenigen „im Spätmittelalter“, wo man „ohne langjähriges Studium kein Experte für Hexenprozesse sein konnte“ amüsiert mich und kann nicht Ihr Ernst sein. Oder?

Maiordomus

18. Juni 2017 15:19

@ Monika. Piepers Kritik am "aufklärerischen Liberalismus", die er schon vor 1933 artikulierte, ist ein Mangel an thymotischer Kraft, also das, was mutmasslich im Aufsatz von Felix Ludwig in Verzerrung der Verhältnisse und Proportionen zur Apologie des Hasses verkehrt wird, auch aus Mangel an definitorischer Technik. Ich habe vor 30 Jahren im Unterricht Rhetorik/Logik/Dialektik eine dümmlich-chauvinistische vaterländische Übungsansprache eines Schülers, heute brillanter Jurist, vernichtend kritisiert. Zwei Jahre später gestand er mir ein, dass es die Ansprache seines Vaters war. Voriges Jahr reihte er sich ein in die Sponsorenliste einer von mir in mehrjähriger Arbeit verfassten Schulgeschichte ein. Meiner Tochter musste klar gemacht werden, dass im Bereich der Kriminologie Professorenzitate, selbst vom eigenen Lehrer, welche polizeilicher Erfahrung widersprechen, im Zweifelsfall falsch sind und dass man sich mit Selbstwidersprüchen und fragwürdigen Induktionsbeweisen aus Statistiken blamieren kann. Selber habe ich mich etwas weiter oben in diesem Blog auch blamiert, indem ich Thomas von Aquin lateinisch mit einem Akkusativfehler zititerte, es muss natürlich heissen: Videbunt beati in regno caelesti  p o e n a s  damnatorum, Es werden die Seligen im Himmelreiche die Qualen der Verdammten schauen...  Ich erwähne dies, weil Münkler sich in eine seinerseits blamable Situation betreffend das Latein von Sieferle reinmanövrierte.

Eine bildungspolitische Katastrophe ist die immer flächendeckendere Preisgabe des Lateins an unseren Gymnasien und höheren Schulen, wiewohl Latein genau das wäre, was man mit Rumgoogeln und auf diese Weise angeblichem Recherchieren nicht lernen könnte. Die alten Sprachen, warum nicht Koran-Arabisch und Altkirchenslawisch, auch Hebräisch? - sind möglicherweise das in der Schule, was vergleichsweise am wenigsten veraltet und als langfristiger Schulsack gelten kann, wenn es gut und nicht einfach pedantisch wie früher vermittelt wird.

Meine erste Begegnung mit meinem späteren Doktorvater bestand aus vernichtender Kritik desselben an einer Arbeit von mir über "Glaubenswelt und Schulderfahrung Gretchens in Goethes Faust", welche von ihrem anfängerhaften Niveau her mit Recht als ein philologischen Ansprüchen nicht genügendes gymnasiales Schüleraufsätzlein eingeschätzt wurde. Man schreibt aber in jedem Lebensalter gelegentlich schlechte und unausgegorene Texte.

Als das mir bekannte wissenschaftlich für mich fruchtbarstes Buch aus der DDR schätze ich das grosse Lexikon "Logik" ein, unter dieses Niveau sollte man tatsächlich nicht sinken. Wenn ich warne davor, hinter Aristoteles, hinter Kant oder meinetwegen hinter Sieferle nicht zurückzufallen, meine ich jeweils das methodische Niveau, nicht zeitbedingte Irrtümer wie die Einschätzung der Sklaverei (Aristoteles), der Onanie (Kant) oder unangemessener Vergleiche Christentum/Judentum bei Sieferle, wiewohl er die Instrumentalisierung von Auschwitz zur Verhinderung einer vernünftigen Migrationspolitik richtig sieht. Bekanntlich hält Auschwitz die massgebenden israelischen Politiker vor nichts ab, was sie als Abwehrhandlung im Interesse ihres Landes und dessen Leitkultur für richtig einschätzen. Dasselbe gilt für die derzeitige polnische Ministerpräsidentin.

Nur Ali Qalandar

19. Juni 2017 10:21

"Ja, der Hass ist dem Koran immanent. Davon kann sich jeder leicht überzeugen, der ihn liest."

Sehen Sie, ich lese den Hl. Koran täglich, und finde dort keinen Hass. Im Gegenteil. Was es im Islam gibt, läßt sich diesbezüglich am besten mit den Worten " In Gott lieben , in Gott hassen " beschreiben ( oder auch für Gott ):

Eine Regung, die eben nicht dem leidenschaftlichen Wesen entspringen darf, sondern - überpersonal - der Gottesliebe. Das entspricht auch dem gerechten oder auch heiligen Zorn im Christentum und anderen Religionen. Bedeutsam ist, daß auch der heilige Zorn nur wahrhaft ist, wenn er eben der Gottesliebe entspringt, und er wird in dem Maße sündhaft und ungerecht, wo er zu einem leidenschaftsgetriebenen einsichtslosen Hassen wird.

Nebenbei ist das Beherrschen des Zorns, selbst des gerechten, eine der islamischen Haupttugenden, und der Prophet und die Imame besaßen sie in Vollkommenheit.

"In letzter Konsequenz muss man sagen, dass ein Muslim, der den Christen achtet und ihm mit Freundlichkeit begegnet, ein schlechter Muslim ist, weil er das Gebot seiner Religion, den Christen entweder zu bekehren oder zu bekämpfen, missachtet."

Und das ist nun aber wirklich so falsch, daß ich mich wundere, daß eine solche Fehleinschätzung von solch gebildeten Leuten hier vorgetragen wird. Ein Muslim hat allen mit Freundlichkeit zu begegnen, und Christen schon mal sowieso. Ein generelles Gebot, Christen zu bekämpfen oder zu bekehren, gibt es nicht.

Sowohl in Iraq als auch in Syrien und Libanon stellen die schiitischen Truppen die Schutzmacht der Christen dar, und sie dürfen mir glauben, diese Leute lesen den Koran und suchen nach seinen Vorschriften zu leben.

Daß die Herzen und der Verstand der Salafis/Wahhabis so fehlgeleitet sind, ist auf ihr ungenügendes Verständnis der Religion zurückzuführen. So sieht das von unserer Seite aus, und es ist immer wieder aufs neue betrüblich, wenn man auch von intelligenten Rechten Dinge liest wie " Die Salafisten sind ja eigentlich die "guten" und richtigen Muslime . "

Es ist allerdings auch richtig, daß es  erschreckend ist, was eine solche Fehlleitung dann dem Koran zu entnehmen können glaubt. Das ist ein bisweilen durchaus  verstörendes Rätsel des Korans. Hier erweist sich umso mehr, daß für das korrekte Verständnis dieses Buches die Führung durch die von Gott dazu bestimmen Ausleger, die Imame aus der Familie des Propheten, unerläßlich ist. Es braucht genau genommen innere und äußere Führung, im Inneren durch einen gereinigten Herzintellekt ( laut den Imamen ist derHerz- Intellekt die Achse des Glaubens, die conditio-sine-qua-non ), im Äußeren durch die überlieferten Worte des Gesandten und der Imame und weiterhin durch Anleitung eines erprobten Gläubigen von im Idealfall umfassenden äußeren und inneren Wissen.

Bei denen, die dem Koran Hass entnehmen, fehlt in der Regel beides. Und nur mit diesem "Islam" hat die Welt derzeit ein Problem. Das Problem im Islam ist indes, und ich bin der erste, das hervorzuheben, daß zuviele Muslime sich derzeit auf diesem Irrweg befinden.

Dem Islam ist eine kämpferische Religion, geoffenbart zu einem großen Teil in eine Atmosphäre des Kampfes hinein, von daher stellt sich die in allen Religionen wichtige Frage nach dem gerechten Zorn, dem gerechten Kampf und gegebenfalls dann auch dem gerechten Krieg in deutlicherer Dringlichkeit als in anderen Religionen. Daran krankt die innerislamische Debatte oft. Es ist halt wirklich nicht genug zu sagen " Islam ist Friede " und dann zu meinen, damit sei das Thema erledigt. Die Lösung kann nur in einer Wiederbelebung islamischer Spiritualität liegen, dem Hinwenden der kriegerischen Energie zum Jihad al akbar ( dem lt. Proheten größeren/größten Jihad ), dem inneren, geistigen Kampf, gegen die niedere Triebseele ( welcher im übrigen jener rein leidenschaftliche Hass entspringt, der vom gerechten Zorn unterschieden wird ), und mehr noch der Kampf Erkenntnisvermögen vs. Unwissenheit. Letzterer ist das eigentliche Schlachtfeld.

Der Koran selbst, der Prophet und die Imame haben immer wieder klar gemacht: Islam ohne Erkenntnisvermögen/Intellekt ist ohne Wert und sogar gefährlich. Das gilt es zu beachten, wenn man den Koran aufschlägt.

Der_Jürgen

19. Juni 2017 15:47

@Nur Ali Qalandar

Ich wollte mir hier ja nicht mehr zu Worte melden, aber Sie zwingen mich leider dazu.

"Ein Muslim hat allen mit Freundlichkeit zu begegnen, und Christen sowieso", schreiben Sie.

Werter Nur Ali Qalandar, im Zeitalter des Internets, wo jeder den Koran mit ein paar Mausklicks auf seinen Bildschirm zauben kann, ist es wirklich töricht, Behauptungen aufzustellen, die dermassen leicht widerlegbar sind. Sie sind auf diesem Blog nicht unter die Höhlenbewohner geraten.

"Oh die ihr glaubt! Nehmet nicht die Juden und die Christen zu Freunden. Sie sind Freunde gegeneinander. Und wer von euch sie zu Freunden macht, der gehört fürwahr zu ihnen." (Sure 5.51.)

Ferner schreiben Sie: "Ich lese den Hl. Koran täglich und finde keinen Hass."

Dann lesen Sie doch auch mal die malerischen Höllenbeschreibungen; hier ein Beispiel von sehr vielen:

"Oh ihr Irregegangenen und Leugner. Essen sollt ihr vom Baume Zaqqum, und damit die Bäuche füllen und darauf von siedendem Wasser trinken, wie die durstigen Kamele trinken. Ds wird ihre Bewirtung sein am Tag des Gerichts."

Wenn das "kein Hass" ist, was ist dann Hass?

Sie werden einwenden, dass  auch im Neuen Testament von der Hölle die Rede ist (wenn auch nicht mit dermassen sadistischen Details wie im Koran). Aber diesen finsteren Stellen - die übrigens nach Ansicht einiger Forscher nachträglich eingefügt wurden; ob das stimmt, weiss ich nicht - steht eine Vielzahl grossartiger und wunderbarer entgegen. Übrigens auch im Alten Testament. Das Buch Genesis und das Buch Hiob beispielsweise gehören zum Gewaltigsten, was je geschrieben wurde. Im Koran findet man nichts auch nur im entferntesten Vergleichbares. Er ist ein durch und durch düsteres Buch, genau wie der Talmud.

Dass es sehr edle Muslime gibt, würde ich niemals bestreiten; ich habe selber welche kennengelernt. Dass die Schiiten und die Alawiten aufgeklärter sind als die Sunniten, weiss ich ebenfalls. Nicht unbekannt ist mir schliesslich, dass die Christen unter Saddam im Irak und unter den Assads in Syrien geschützt waren und in hohe Positonen aufrücken konnten; unter Saddam war ein Christ Aussenminister. Aber das waren bzw. sind laizistische Regierungen. Und Muslime, die Christen oder anderen "Ungläubigen" Gutes tun, tun dies nicht WEGEN des Koran, sondern TROTZ des Koran mit seiner eben zitierten Sure. 5.51.

Nur Ali Qalandar

19. Juni 2017 19:05

@Jürgen

"Ich wollte mir hier ja nicht mehr zu Worte melden, aber Sie zwingen mich leider dazu." - Das tut mir leid.

"Oh die ihr glaubt! Nehmet nicht die Juden und die Christen zu Freunden. Sie sind Freunde gegeneinander. Und wer von euch sie zu Freunden macht, der gehört fürwahr zu ihnen." (Sure 5.51.)

Sehen Sie, da geht es schon los. Das hier mit " Freund " übersetzte Wort "Waliy" hat viele Bedeutungen. "Schutzherr" oder Anführer ist die bessere Übersetzung für diesen Vers. Ein gutes Beispiel, warum Sie eben nicht einfach - auch im Zeitalter des Internets - hergehen sollten, und irgendwelche Verse aus einer Koranübersetzung reißen, um sie dann nach eigenem Gutdünken auszulegen. Neben der Übersetzung braucht es eine Einordnung im Kontext, hinsichtlich Offenbarungsanlaß und -zusammenhang, die Erläuterungen des Propheten und der Imame und der Leute von Wissen. Das ist essentiell.

"Und Muslime, die Christen oder anderen "Ungläubigen" Gutes tun, tun dies nicht WEGEN des Koran, sondern TROTZ des Koran mit seiner eben zitierten Sure. 5.51." - Das ist schlicht nicht wahr. Amüsant allerdings, daß Sie so hartnäckig Muslimen Motive unterstellen wollen, die diese für sich ganz anders sehen. Ist es nicht das, was den Rechten und Konservativen hierzulande ständig widerfährt, und wogegen Sie sich ja auch zu Recht wehren ? Das ergibt doch keinen Sinn, so kommt man einfach nicht weiter, wenn alle den jeweils anderen ständig irgendwelche Motive unterzujubeln versuchen.

" Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift, außer auf beste Art und Weise."(29/46) 

"Oh ihr Irregegangenen und Leugner. Essen sollt ihr vom Baume Zaqqum, und damit die Bäuche füllen und darauf von siedendem Wasser trinken, wie die durstigen Kamele trinken. Ds wird ihre Bewirtung sein am Tag des Gerichts."

Lese ich tatsächlich täglich, Surah al-Waqiah, eine der schönsten. Das ist ein Vers, der die Schrecken des Höllenfeuers ausmalt, und ja, sehr poetisch. Er entspringt dem Göttlichen Zorn, der per definitionem gerecht ist, da ist absolut nichts von Hass, wir bewegen uns hier in ganz anderen Kategorien. Der Koran ist, ganz klipp und klar, kein einfaches Buch, ein Buch, das verstanden werden muß, und wenn man ihn liest, von vorherein mit der Absicht, den Verstand/Intellectus nicht zu gebrauchen, geht man in die Irre.

"Das Buch Genesis und das Buch Hiob beispielsweise gehören zum Gewaltigsten, was je geschrieben wurde." Jawohl. "Im Koran findet man nichts auch nur im entferntesten Vergleichbares." O doch. Die Sprachwucht, die Poesie und Schönheit der Bilder, übrigens auch der Höllenschilderungen, sind unübertrefflich, und entspringen ganz offensichtlich derselben Quelle wie Genesis und Hiob. "Er ist ein durch und durch düsteres Buch, genau wie der Talmud." Nein, ein Buch voller Licht.

Nun, so unterschiedlich kann man das sehen, das werden wir hier nicht ändern können, aber methodische Redlichkeit gegenüber dem Koran und auch den Muslimen, die sich auf ihn berufen, kann man schon erwarten. Nochmals, einfach Verse aus dem Kontext zu reißen, falsch zu übersetzen und die eigene Empfindung zur Kategorie der Auslegung zu erheben, ist keine akzeptable Methode, sich dem Koran ( oder irgendeinem heiligen Buch ) zu nähern.

Maiordomus

19. Juni 2017 19:55

@Karl. Möchte Ihnen meine Anerkennung für Ihr vertiefteres Nachdenken aussprechen. Es bleibt aber beim Unterschied zwischen strategischer Arbeit, wo sich Denkfehler verhängnisvoll auszuwirken pflegen, nebenbei gesagt auch bei den Linken, und praktischer Arbeit, wobei natürlich die Praktiker ihrerseits eine möglichst gute Orientierung haben sollten. Ich warne davor, die Hexenrichter des Mittelalters zu unterschätzen, wiewohl ihre strenge Logik, die man ihnen oft nicht absprechen kann, auf falschen Voraussetzungen beruhte. Ich fürchte, dass das argumentatorische Niveau gescheiter und gut ausgebildeter Leute in der schon mehrfach genannten Causa Sieferle im Ernst oft nicht höher ist als bei den Hexenspezialisten, die wirklich eine lange Ausbildung benötigten. Gerne hoffe ich, dass die Folgen nicht mehr so schlimm seien wie damals oder zur Zeit der stalinistischen Schauprozesse, obwohl selbst dies auf Dauer nicht garantiert werden kann. Bei Sieferle schliesse ich Verzweiflung aufgrund fundamentaler Verkennung als Todesursache nicht aus, hoffe aber, mich in dieser Einschätzung zu täuschen.

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