jagt sicherlich den meisten meiner Leser dieser Tage einen eiskalten Schauer über den Rücken:
Parallel zum symbolisch aufgeladenen, aber inhaltlich seit Jahren entschiedenen Streit um die „Ehe für alle“ und die konfettibespritzte Parlamentskapitulation rollt seit einigen Wochen die Repressionsmaschine der Bundesrepublik an. Nachdem die ersten Testläufe erfolgreich waren, folgten Hausdurchsuchungen für Facebookbeiträge und erste Verhaftungen.
Die vergangene Woche bescherte uns nun das langersehnte “Netzwerkdurchsetzungsgesetz”; Ende Juni war bereits beschlossen worden, daß Zeugen in Zukunft zur Aussage gezwungen werden können. Parallel dazu sehen sich immer mehr dissidente Nutzer in den einschlägigen Netzwerken mit einer Profilsperre konfrontiert.
Daß die Daumenschrauben enger angezogen werden, zeigt auch der Entwurf zum Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein: Dort ist die Identitäre Bewegung den künftig Regierenden offensichtlich ein Dorn im Auge, weshalb man das Ausmaß der Rechtsstaatlichkeit um ein paar Gänge hochzuschalten gedenkt.
In welche Richtung die Reise geht, ist klar: Auf den radikalen Gedankenspielwiesen, die innerhalb der letzten Jahre rechts wie links aus dem Boden schossen, durften sich unorthodoxe Denker lange Zeit fast ungestört austoben; nun ist die Zeit gekommen, den entstandenen Wildwuchs einzuzäunen, zurechtzuschneiden und in eine ungefährliche Schrebergartenlandschaft zu verwandeln, in der diejenigen weiter ihre Scholle beackern dürfen, die sich an die Regeln der Dorfgemeinschaft halten.
Um solcherlei Einhegung zu entgehen, nutzen Aktivisten und Publizisten schon lange allerlei Verschlüsselungstechnik – von Threema über Telegram bis hin zu PGP-Kommunikation. Der offensichtliche Vorteil dieser Nachrichtensysteme ist zugleich die größte Schwäche: Die Nachrichten sind nur dem Absender, dem Empfänger und dem jeweils zuständigen VS-Beamten zugänglich. (Idealerweise letzterem natürlich nicht, aber man kann nicht vorsichtig genug sein.)
Eine Flächenwirkung kann so nicht erzielt werden: Wer einen großen und inklusiven Personenkreis erreichen will, muß wieder auf das Social-media-Kartell zurückgreifen.
Für frischen Wind sorgt allerdings seit einiger Zeit Andrew Torba, der Gründer der alternativen Kommunikationsplattform gab.ai. Als dieser von den jüngsten juristischen Entwicklungen in der Bundesrepublik hörte, wandte er sich spontan in einem Livestream an die Netzgemeinde. Die hörenswerten Ausführungen (mal abgesehen von dem typisch amerikanischen Verfassungspatriotismus) können hier auf Englisch vernommen werden:
A message to Germany about “hate speech” https://t.co/UHemHwra3k
— Gab (@getongab) 30. Juni 2017
Wer bei seinem digitalen Waldgang weiter ungestört seine Schneise schlagen möchte, der kann sich bei Gab anmelden, einige bekannte Dissidenten sind schon im Boot. Allerdings sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Gab wird die Ozeanriesen Twitter und Facebook keinesfalls ablösen. Es kann allerdings bei richtiger Anwendung ein Enterhaken sein, um die feindlichen Schiffe zu entern – Ahoi und fette Beute!
PS: Für alle blutrünstigen Stammkunden habe ich auch diese Woche wieder ein kleines Schmankerl des Netzwerktagebuchhooliganismus ausgegraben. Teufelskerle, diese Typen: Fuck you, I‘m Millwall II.
Ein gebürtiger Hesse
"In Stahlgetwittern" - schon die Überschrift dieses erneut wertvollen Sonntagsartikels beinhaltet just den rechten Widerstandsesprit. So spricht das das jugendhafte abenteuerliche Herz, das in der IB schlägt. Man darf dafür dankbar sein und sich eine Bluttransfusion wünschen.