Und dann ist es einfach passiert. Jeder wußte, daß es irgendwann soweit sein wird, jetzt sind die Weimarer Verhältnisse, von denen man so lange schon mit vorgehaltener Hand tuschelte, da.
Letzte Woche noch schrieb ich großmäulig und siegessicher über den Jägermeister Gauland, heute muß ich die Scherben aufsammeln, die nach der gewalttätigen Eskalation am 6. Oktober zurückgeblieben sind.
Dabei hätte es so ein friedlicher Tag werden können: Unterstützt von einigen Aktivisten aus dem Rest der Bundesrepublik wollte der Hallenser Ableger der Identitären Bewegung am vergangenen Freitag einen Info-Stand am Rande der feierlichen Immatrikulationsfeier der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg abhalten.
Zeitgleich war ein Großbanner mit der Aufschrift “Wir bringen Farbe auf den Campus” an dem durch nächtliche Antifabesuche inzwischen ein wenig aufgehübschten Zentrum in der Adam-Kuckhoff-Straße gehißt worden, vom Dach knatterten am Morgen zwei Lambdafahnen in den Nachwehen von Xavier, die Nacht war kurz gewesen, die Stimmung aber war gut.
Schon beim Abmarsch vom Haus warfen die saalschlachtähnlichen Ereignisse der nächsten Stunden ihre dunklen Schatten voraus: Offensichtlich übernächtigt und umnachtet hatte sich eine kleine Gruppe tapferer Antifa-Kröten eingefunden, um uns bereits vor der Ankunft am Campus das Angebot eines morgendlichen Stelldicheins zu unterbreiten.
Da man sich aber auf der Gegenseite über die Intensität dieser Begegnung ein wenig uneins war, blieb – als die Herren und Damen Wachtmeister bereits dazwischentraten – nur ein Exemplar übrig, welches allerdings um so allergischer auf das Einschreiten der Ordnungsmacht reagierte und sich mit dem Gesicht alsbald erst auf der Windschutzscheibe eines parkenden VWs und anschließend im Rinnstein wiederfand.
Der weitere Weg zum Campus verlief gänzlich ereignislos, von der tobenden roten Meute, die uns gegenüber ihrerseits einen Stand eingerichtet hatte, trennte uns ein Streifen Bürgersteig von der Breite des Landwehrkanals, aber bisher war eigentlich auch nur nur der linke SDS da, der sonst Aktionen wie “Saufen gegen den Leistungsdruck” veranstaltet und dementsprechend auch diesmal um Punkt 9 das erste Pils köpfte, bevor er begann per Transparent zur “Weltrevolution” (Zitat, kein Witz) aufzurufen.
Nach und nach gesellten sich einige Kampfgenossen dazu, wir hatten inzwischen unseren Stand aufgebaut und brachten die ersten Flyer und Erstsemester-Beutel an den Mann. Das paßte der Gegenseite offenbar garnicht und so bildete sich am Campuseingang ein Korridor von Linken, die jeden, der es wagte auch nur ein Flugblatt von uns anzunehmen, umgehend einkesselten und die verwirrten Studenten solange bedrängten, bis sie um der lieben Ruhe Willen nachgaben und um einige Schrecksekunden reicher und einen (übrigens ungemein schicken) IB-Beutel ärmer weiter auf den Campus flüchteten.
Das so ergaunerte Material wurde mit dem feisten Lächeln eines Klassensprechers, der gerade ein Bienchen ins Muttiheft geklebt bekommen hatte, anschließend in einen hochwertigen Premium-Müllsack verfrachtet, den der StuRa eigens für teures Geld vom Geld der Studenten angeschafft hatte.
Dieser Müllsack sollte es sein, der dem Mythos vom gewaltfreien Aktivismus der Identitären Bewegung ein für alle Mal ein Ende bereiten sollte. Inzwischen hatte es schon erste Ausfallerscheinungen gegeben: In einer sportlichen Einlage bisher ungekannten Ausmaßes hatten die Mitglieder des SDS (dessen attraktivsten Vertreter Lukas Wanke man übrigens in diesem Video bewundern kann) mehreren Studenten hastig nachsetzen müssen, um sie von der Last unserer Taschen zu befreien, da diese es gewagt hatten, den sprichwörtlichen Cordon Sanitaire der antifaschistischen Schreihälse zu umgehen und sich unkontrolliert auf den Campus zu stehlen.
Zu diesem Zeitpunkt brannte in zwei verwegenen Hirnen bereits der Plan, der aus diesem windigen Freitag ein Schreckensfanal machen sollte: Möglicherweise nicht ganz unbemerkt von einem grinsenden Zivilpolizisten hatten sich zwei Aktivisten von unserem Stand davongestohlen und sich in einem weitläufigen Bogen zu einem Platz unweit der Antifa-Transparente und des besagten Müllbeutels begeben.
Lässig dahinstürmend (anders können wir uns nicht fortbewegen) näherten sie sich nun dem Objekt ihrer Begierde. Von linker Seite ahnte man nichts Böses, um so heimtückischer war, was in den folgenden Sekunden passierte: Mit einer brutalen Geste allerverrohtester Gewalt bückte sich einer der beiden nach dem wertvollen Plastiksack und riß ihn geradezu an sich.
Wie durch ein Wunder wurde keiner der Gegendemonstranten verletzt, die geschockt beobachten mußten, wie die Räuber nach diesem schweren Überfall gemäßigten Schrittes zu unserem Stand zurückstürmten und dort – unter dem Gejohle der blutgeilen Fratzen – das Diebesgut präsentierten.
Nachdem sich die ersten Opfer allmählich aus ihrer Schreckstarre gelöst hatten, taten sie das einzig Richtige: Ohnmächtig im Angesicht dieser erdrückenden Gewalt wandten sie sich an die ebenfalls geschockten Ordnungshüter und baten diese nachdrücklich, den entwendeten Wertgegenstand zurückzuholen. Die Schritte über den Bürgersteig in die Mitte unserer Mörderbande und die anschließenden Minuten waren wahrscheinlich die härtesten im Leben des diensthabenden Polizisten, der pflichtbewußt die Personalien der Übeltäter aufnahm.
Es ist reines Glück gewesen, daß an diesem Tag niemand gestorben ist: Valentin Hacken, der tapfere Sprecher des Bündnisses “Halle gegen Rechts”, schwebte nach der feigen Attacke am Rande eines Herzinfarktes, mehrere Mitglieder des StuRa mussten aufgrund akuter Unterhopfung in eine Kneipe eingeliefert werden und der Polizist, der das rechtmäßige Eigentum der Studentenschaft aus unseren Klauen befreite, wäre fast an seinem unterdrückten Lachen erstickt.
Wir werden uns nach dieser Aktion ordnen müssen, auf den Ersti-Partys am Abend jedenfalls war unser Infostand und der hinterhältige Angriff Thema Nr. 1. Bei der abendlichen Feier hingegen war die Stimmung gedämpft. Sicher: Wir haben an diesem Tag gezeigt, daß es selbstverständlich linke und rechte Gruppen an der Universität gibt.
Wir haben – das werden die Ultras und Hooligans unter meinen Lesern vielleicht am ehesten nachvollziehen können – dem Feind ein Schnippchen geschlagen, und wir haben an diesem Tag fünf neue Interessenten in unseren Reihen begrüßen dürfen. Aber zu welchem Preis?
Ernst-Fr. Siebert
"Papa reg Dich nicht auf. Denkst Du wir sind blöd und wissen nicht, was da läuft." sagte sinngemäß eine hallenser Stdentin zu ihrem Vater.