Vor der Messe: Tellkamp, Grünbein und die Anarchie

Kann man gleichzeitig den Riß quer durch die Gesellschaft vertiefen wollen und die Anarchie ablehnen? Aber ja!

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Als Durs Grün­bein am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag im Dresd­ner Kul­tur­pa­last auf dem Podi­um mit dem zur Deut­lich­keit auf­ge­leg­ten Uwe Tell­kamp anein­an­der­ge­riet (eine je län­ger je mehr kon­ster­niert-über­for­der­te Mode­ra­to­rin müh­te sich um ein biß­chen Unernst), schäl­te sich eine Grund­fra­ge her­aus: Ist, was den Kon­sens (Kon­sens?) der “Gesell­schaft” (wes­sen Gesell­schaft?) stört, aus­schließ­lich destruk­tiv oder gehört die­ses tie­fe Schnei­den zur Heil­kunst dazu und mag der­zeit ange­mes­sen sein?

Man kann sich die Dis­kus­si­on (Dis­kus­si­on?) zwi­schen den bei­den renom­mier­ten und nun in den Stru­del der poli­ti­schen Ver­wer­fun­gen getauch­ten Autoren hier in vol­ler Län­ge anschau­en, und Grün­beins Stil ist am bes­ten damit beschrie­ben, daß er das alles irgend­wie “span­nend” fin­det, wäh­rend Tell­kamp ein­fach mal alle Fra­gen auf den Tisch packte.

So geriet ja gleich sein Ein­gangs­state­ment: Er reih­te Vor­fall an Vor­fall, Unge­heu­er­lich­keit neben Nach­läs­sig­keit, lin­ke Arro­ganz neben nicht­lin­ke Erschüt­te­rung – ein Mosa­ik der ver­gan­ge­nen zwei­ein­halb Jah­re in Deutsch­land. Weil Tell­kamp das alles nun nicht in eine durch­ge­ar­bei­te­te Form pack­te, son­dern wie eine Mate­ri­al­samm­lung (eine vor­läu­fi­ge) auf dem Tisch aus­brei­te­te, lag es als Fra­ge da: Was machen wir damit?

Ich kam ziem­lich am Ende zu Wort, als Fra­gen aus dem Publi­kum her­aus erwünscht waren, und weil es auf dem Podi­um andert­halb Stun­den lang um den Riß gegan­gen war, der sich zwei­fels­oh­ne quer durch die “Gesell­schaft” zieht, for­mu­lier­te ich eine Über­zeu­gung als Fra­ge: ob die Her­ren nicht auch der Mei­nung sei­en, daß die­ser Riß noch ver­tieft wer­den müs­se, weil nur mit­tels die­ser Ver­tie­fung alles Unge­frag­te und Unaus­ge­spro­che­ne end­lich auf den Tisch käme, den Tell­kamp schon reich­lich voll­ge­packt hat­te, also die gro­ßen Fra­gen, nicht die juris­ti­schen und sta­tis­ti­schen Details.

Durs Grün­bein hör­te sich das an (es blieb ihm ja nichts ande­res übrig) und ant­wor­te­te sei­ner­seits mit einer Fra­ge: ob ich Lust an der Anar­chie, an die­sem wil­den, unschö­nen, zer­ris­se­nen Zustand hät­te – ihm käme es so vor, er höre da einen anar­chi­schen Ton (oder so ähnlich).

Ich konn­te nicht mehr dar­auf ant­wor­ten, die Bür­ger­fra­ge­stun­de war ja nicht als Dia­log ange­legt, aber jetzt, zwei Tage vor dem Beginn der Leip­zi­ger Buch­mes­se, ist ein Wort dazu ange­bracht, oder eine Fest­stel­lung zunächst: Durs Grün­bein kennt das Grund­prin­zip der Revol­te für den Staat, die Revol­te für die Ord­nung nicht. Man darf es ihm wohl nicht ver­den­ken: Woher soll­te er davon Kennt­nis­se haben? Hat er doch als sei­ner­zeit muti­ger Oppo­nent gegen den DDR-Staat die Wen­de vor allem als Befrei­ung her­bei­de­mons­triert und nicht als sichern­de Abgren­zung und not­wen­di­ge Teil-Illi­be­ra­li­tät (wie wir das heu­te for­dern müssen).

Ich war nun in mei­nem Leben bereits drei Mal jeweils für eine recht lan­ge und inten­si­ve Zeit in Län­dern, von denen das eine am Ran­de der Anar­chie stand (Kame­run), das zwei­te gera­de einen grau­en­haf­ten Bür­ger­krieg hin­ter sich gebracht hat­te und im Grun­de unre­gier­bar war (Bos­ni­en), und das drit­te auf den Dör­fern in man­chen auf­ge­las­se­nen und nun völ­lig anders besie­del­ten Land­stri­chen eine har­te All­tagsan­ar­chie kann­te (und kennt), eine gesetz­lo­ses, ekel­haf­tes Recht des Stär­ke­ren (Rumä­ni­en).

Kei­nen die­ser drei Zustän­de wün­sche ich mir auch nur eine hal­be Sekun­de lang für unser Land und unser Volk, und ich hät­te Herrn Grün­bein am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag in Dres­den recht knapp und schlicht ant­wor­ten wollen:

Wenn das Wort “Anar­chie” jen­seits ali­men­tier­ter Wohn­pro­jek­te von links noch irgend­ei­ne ernst­haf­te Beschrei­bungs­kraft haben soll, muß es auf den Zustand an den deut­schen Gren­zen seit August 2015 ange­wen­det wer­den. Dort herrsch­te Anar­chie, und sie herrscht bis heu­te, denn wir haben trotz eines nicht abrei­sen­den Stro­mes ille­ga­ler Ein­wan­de­rer noch immer kei­ne Grenz­kon­trol­len. Wir haben kei­nen Über­blick mehr dar­über, wer sich in unse­rem Land auf­hält, wer über wie­vie­le Iden­ti­tä­ten ver­fügt und wer unse­ren Staat und unse­re Soli­da­ri­tät auf kri­mi­nel­le Art und Wei­se aus­nutzt (und dadurch zugleich immer verhöhnt).

Wir haben kei­ne Vor­stel­lung davon, wer die­sen gesetz­lo­sen Zustand been­den könn­te, wir schüt­teln über die neue CSU-Begeis­te­rung für den här­tes­ten Abschie­be-Horst aller Zei­ten den Kopf, weil wir auch mit ihm bloß einen Bruch­teil von der Anzahl abschie­ben wer­den, die täg­lich dazu­stößt: Denn wir haben immer noch kei­ne geschlos­se­ne Gren­ze, und solan­ge das so ist und solan­ge die Ver­ant­wort­li­chen eine Gren­ze für einen Ana­chro­nis­mus und ihre Wie­der­errich­tung für ein Ding der Unmög­lich­keit (für etwas zutiefst Unmo­der­nes, für eine Repres­sa­lie) hal­ten, herrscht Anar­chie, punktum.

Wenn Anar­chie herrscht, wo es eine Rechts­ord­nung gibt, die man pro­blem­los umset­zen könn­te, muß man als Ver­tei­di­ger der Ord­nung und als Geg­ner der Will­kür jeden Kon­sens stö­ren, der sich in der Poli­tik oder auf einem Podi­um breit­zu­ma­chen anschickt. Man muß den Riß begrü­ßen wie der Geo­lo­ge einen Auf­schluß am Gestein:

Es muß sicht­bar wer­den, was sich da abge­la­gert hat in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten, sedi­men­tiert aus Uto­pie, Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit, Ver­ken­nung des Men­schen, Expe­ri­men­tier­wut und Ver­ach­tung des Eigenen.

Jeman­den, der das Min­dest­maß an Staat­lich­keit noch ver­tei­di­gen will, nach sei­ner Lust an der Anar­chie zu fra­gen, bedeu­tet, das Anar­chis­ti­sche im Regie­rungs­han­deln nicht wahr­ge­nom­men zu haben. Ord­nung, Recht und Sicher­heit wer­den nicht mehr von oben her gewähr­leis­tet, son­dern wie­der­um von jener Schicht irgend­wo in der Mit­te die­ser “Gesell­schaft”, die sowie­so alles stemmt und leis­tet. Deren drän­gen­den Wunsch nach Infra­ge­stel­lung der Ver­ant­wort­li­chen ist das Gegen­teil von “Lust auf Anar­chie”. Deren drän­gen­der Wunsch ist viel­mehr eine trag­fä­hi­ge und ver­läß­li­che Ant­wort auf exis­ten­ti­el­le Fra­gen – und kein wei­te­res Hin­hal­ten mit geschmei­di­gen Sprüchen.

 

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (22)

RMH

13. März 2018 12:09

Vergleichbar, aber harmloser formuliert als "dramatischer Riss", könnte man in Anlehnung an ein Kapitel in Nietzsches "Also sprach Zarathustra" auch von den Tugendlehrern des Schlafes und den Aufgeweckten sprechen. Im Kapitel 13 des Werkes "Also sprach Zarathustra", "Von den Lehrstühlen der Tugend" finden sich folgende Weisheiten des "Tugendlehrers":

"Friede mit Gott und dem Nachbar: so will es der gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des Nachts um.
Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich dafür, dass die Macht gerne auf krummen Beinen wandelt?
Der soll mir immer der beste Hirt heißen, der sein Schaf auf die grünste Aue führt: so verträgt es sich mit dem gutem Schlafe.
Viel Ehren will ich nicht, noch große Schätze: das entzündet die Milz. Aber schlecht schläft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen Schatz.
Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine böse: doch muss sie gehn und kommen zur rechten Zeit. So verträgt es sich mit gutem Schlafe.
Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf. Selig sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt."

Mir kommt es so vor, als ob der Herr Grünbein ist ein solcher Tugendlehrer sein könnte und der Herr Tellkamp eben kein Schläfer ...
Unsere herrschenden Diskursführer sind wahrlich die "letzten Menschen" Zarathustras.

https://gutenberg.spiegel.de/buch/also-sprach-zarathustra-ein-buch-fur-alle-und-keinen-3248/6

L.Wauer

13. März 2018 14:51

Sehr geehrter Herr Kubitschek, es war sehr gut, dass Sie in der Diskussion das Wort ergriffen haben. Allerdings fand ich die Wortwahl, den „Riss in der Gesellschaft noch zu vertiefen“ nicht sehr glücklich. Durs Grünbein konnte daraufhin entgegnen, Sie wollten die Anarchie. Diese Steilvorlage ihm zu geben wäre nicht nötig gewesen. Ich fasse ihren Satz so auf, dass unserer Gesellschaft den Pluralismus pflegen sollte und nicht versuchen sollte, die unterschiedlichen Meinungen und Interessen zuzukleistern. Ich bin allerdings kein guter Rhetoriker, und was Ihre Formulierung zu stark war, ist meine zu schwach. Aber Ihnen, wenn Sie die Replik von Durs Grünbein im Voraus geahnt hätten, wäre sicherlich das genau Richtige eingefallen.
Aber damit auch die anderen Redner etwas Fett wegbekommen.
Uwe Tellkamp:
Über die „Achtung vor der anderen Meinung“, wie sie von ihm gefordert wird, hat sich schon Albert Schweitzer lustig gemacht – aber wer liest den heute noch. Eine fremde Meinung muss man überhaupt nicht respektieren, wohl aber sollte man Achtung und Respekt der Person nicht versagen, die die andere Meinung vertritt. Das ist ein kleiner Unterschied, und wahrscheinlich hat Uwe Tellkamp das auch so gemeint. Wenn er nicht gerade Schriftsteller wäre, würde ich sagen, er hat es sprachlich nicht besser rübergebracht hat. So aber fällt mir nichts ein.
Durs Grünbein:
Als ausgesprochen dämlich fand ich seine Replik auf die Bemerkung Uwe Tellkamps, daß mit den 30 MRD, die jetzt jährlich für Flüchtlinge ausgegeben werden, sämtliche Rentenprobleme gelöst werden könnten. Man kann ja da durchaus anderer Meinung sein, ob man das so machen sollte. Aber einfach zu sagen, das Argument wäre gegenstandlos, da die Gelder für Flüchtlinge und für Rentner zu verschiedenen Ressorts gehören – dazu fällt mir auch nichts mehr ein.

Immer noch S.J.

13. März 2018 16:17

Die Überzeugung in Form einer Frage an Tellkamp und Grünbein, „ob die Herren nicht auch der Meinung seien, daß dieser Riß noch vertieft werden müsse, weil nur mittels dieser Vertiefung alles Ungefragte und Unausgesprochene endlich auf den Tisch käme“, kann natürlich nur bei einer absurd anmutenden Verdrehung ihres eigentlichen Sinns als Ausdruck einer anarchischen Sehnsucht verstanden werden. Als ob sich ein vernünftiger Mensch in der Anarchie wohlfühlen könnte! Das ist das Übel der Zeit: Abkehr von der Einsicht, dass eine Gesellschaft sich eine Ordnung auferlegt hat, um die Wohlfahrt des Staates zu sichern. Diese Ordnung ist daher durchzusetzen. Das ist ein alter staatstheoretischer Grundsatz. Deswegen ist die Migrationskrise mit den Begleiterscheinungen wie der Abschaffung des Grenzschutzes auch unbedingt eine Krise, weil wir nicht nur ansehen müssen, dass die Regierung die bestehende Ordnung nicht durchsetzen kann oder will, sondern – noch schlimmer - erleben, dass viele das auch nicht weiter schlimm finden. Das erfüllt alle Kriterien des Krisenbegriffs von Ortega y Gasset (dem System der Überzeugungen einer vorangehenden Generation folgt ein Zustand, in dem diese Überzeugungen keine Gültigkeit mehr haben; der Mensch ist auf einmal „ohne Welt“). Natürlich wünsche auch ich dem deutschen Volk Stabilität und Frieden. Das geht aber nicht im Zustand der Selbstaufgabe bzw. der Preisgabe der grundlegenden Ordnung, die allzu viele gutheißen. Was bedeutet also der oft zitierte Riss durch die Gesellschaft? Sich von ihr abzuwenden und regelmäßig, wenn schlechte Nachrichten in den Medien vermeldet werden, dabei zu ertappen, dieser Regierung und ihren Mehrheitsbeschaffern die schlechten Nachrichten zu gönnen, solange die Bereitschaft zum Erhalt der Ordnung nicht wieder kompromisslos ist. Leider.

nom de guerre

13. März 2018 16:20

Die Forderung, dass der Riss durch unsere Gesellschaft noch tiefer werden soll, finde ich etwas problematisch, da der Zusammenhalt in Deutschland ohnehin schon eher gering ausgeprägt ist, insofern sehe ich an dieser Stelle die Gefahr eines endgültigen Auseinanderbrechens. Andererseits bin ich jedoch auch der Meinung, dass die Probleme, die sich bei uns seit langem, nicht erst seit 2015, entwickeln, offen angesprochen werden müssen, da sie anders nicht gelöst werden können, daher handelt es sich vielleicht auch nur um einen semantischen Unterschied zu Ihrem "Riss".

Was die Diskussion angeht: Grünbein argumentiert m.E. zumindest unterschwellig wie jemand, der davon ausgeht, dass ihn die Probleme unseres Landes im Zweifel nicht betreffen, da er immer die Möglichkeit haben wird, irgendwoanders hinzugehen. Wenn ihn Zeit-Online, natürlich im positiven Sinne, als Weltbürger bezeichnet, trifft es das vermutlich ganz gut. Dazu passt auch sein nach meinem Eindruck spielerischer Umgang mit dem Begriff Anarchie, denn dass niemand, der noch einigermaßen bei Trost ist, "Lust an der Anarchie" verspüren kann, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.

Tellkamp hat mich dagegen sehr beeindruckt. Dass jemand, der gesellschaftlich so positioniert ist, diese Dinge so offen und sachlich benennt, war das letzte, was ich erwartet hätte.

clivestaples

13. März 2018 16:40

zur Ergänzung : Kamerun, Bosnien und das dritte Land? etwa Deuschland? Die Angabe fehlt.

antwort kubitschek:
Rumänien.

H. M. Richter

13. März 2018 20:37

"Tellkamp hat mich dagegen sehr beeindruckt. Dass jemand, der gesellschaftlich so positioniert ist, diese Dinge so offen und sachlich benennt, war das letzte, was ich erwartet hätte." [nom de guerre]
______________________________________________

Dann kennen Sie die Sachsen nicht.
____________________________________

Ansonsten: Ja, die offenen Grenzen führten und führen zu einer 'Anarchie von oben'.

Was bleibt, ist die "Herrschaft des Unrechts".
______________________________________________

PS.:
Via regia und via imperii kreuzen sich bekanntlich in Leipzig, - gute, erfolgreiche Buchmesse dort dem Verlag, seinen Mitarbeitern und Lesern !

Thomas Martini

13. März 2018 21:43

"Die Forderung, dass der Riss durch unsere Gesellschaft noch tiefer werden soll, finde ich etwas problematisch, da der Zusammenhalt in Deutschland ohnehin schon eher gering ausgeprägt ist, insofern sehe ich an dieser Stelle die Gefahr eines endgültigen Auseinanderbrechens."

An dieser Stelle lauert keine "Gefahr", sondern die letzte Chance, die Angelegenheiten des deutschen Volkes zu seinen Gunsten neu zu ordnen!

Heinrich Loewe

13. März 2018 23:49

Der Grünbein ist ein derart aalglatter, arroganter Spinner. Jetzt hat er in der Süddeutschen uns Ossis gedisst, wir wären in die "Sozialsysteme des Westens" eingewandert. Ich würde sofort 20% meines Einkommens hergeben, wenn wir hier a) innere Sicherheit und b) ethnische Homogenität wie früher hätten. Also Mauer hoch, drei Meter mindestens.
Suhrkamp, meint er, hätte leider das "Vorurteil von der Gesinnungsdiktatur" bestätigt. Nicht Vorurteil, es IST Gesinnungsdiktatur.
Ich hätte ihm gesagt, wenn er Fragen hat, kann er gerne mich am Messestand besuchen, heute stelle ICH die Fragen.
Die Frage, ob wir hier die Anarchen im Lande sind, ist an Frechheit wirklich kaum zu überbieten.
Hochverehrter Herr Kubitschek, es ist überhaupt Zeit Ihnen mal zu danken und die Ehre zu erweisen, was Sie und die Familie in existenzieller Weise auf sich nehmen für uns alle, indem Sie Gesicht und Haltung zeigen!

Der Feinsinnige

13. März 2018 23:55

Ich teile die Überzeugung, daß die Vertiefung des Risses heilsam sein kann und wird, merke jedoch folgendes an:
Der Riß durch die Gesellschaft ist meines Erachtens längst vorhanden. Er ist teilweise bereits derart aufgebrochen, daß er offensichtlich ist, weite Teile des Risses liegen noch quasi unter der Oberfläche und werden zwangsläufig offenbar werden (müssen). Wenn von Seiten des derzeitigen Establishments immer wieder vor einer „Spaltung“ der Gesellschaft gewarnt wird, ist das lediglich der verzweifelte Versuch, die Auseinandersetzung abzuwürgen und zu verhindern, daß sich die Zustände grundlegend ändern.

Bezüglich des (leider viel zu kurzen) Zwiegespräches zwischen Durs Grünbein und Götz Kubitschek in Dresden drängt sich mir eine Überlegung auf:
Grünbein hat in seiner Frage an Götz Kubitschek nicht von „Anarchist“ oder „Anarchie“ gesprochen, sondern von „Anarch“ („Halten Sie sich als Verleger für einen Anarchen?“, in der Gesamtaufzeichnung der Veranstaltung ab 1.45.35). Eigentlich schätze ich Grünbein als so belesen ein, daß er diesen Begriff bewußt gewählt haben dürfte. Die Frage an Götz Kubitschek, ob er ein „Anarch“ sei, könnte daher sogar positiv ausgelegt werden, auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, daß sie positiv gemeint war. Trotzdem: Wollte Grünbein tatsächlich gar nicht auf die Anarchie hinaus? Oder wollte er im Gegenteil die negative Assoziation (Anarchist) absichtlich hervorrufen, ohne es tatsächlich gesagt zu haben? Oder hat er doch nur „Anarch“ mit „Anarchist“ gleichgesetzt oder verwechselt?

Cacatum non est pictum

14. März 2018 01:03

@nom de guerre

"Die Forderung, dass der Riss durch unsere Gesellschaft noch tiefer werden soll, finde ich etwas problematisch, da der Zusammenhalt in Deutschland ohnehin schon eher gering ausgeprägt ist, insofern sehe ich an dieser Stelle die Gefahr eines endgültigen Auseinanderbrechens."

Die entscheidende Frage ist: Läßt sich dieser zweifellos ganz, ganz tiefe Riß überhaupt noch kitten? Oder müssen wir nicht inzwischen hoffen, daß er zu einem epochalen Bruch führt, der dann eine Neuzusammenfügung der Einzelteile ermöglicht? Fest steht, daß es so wie jetzt nicht mehr weitergehen kann.

RMH

14. März 2018 07:42

Ich möchte noch anmerken, dass der "Riss" meiner Meinung nach gar nicht einmal zu erst durch die Fakten (Öffnung der Grenzen, Flutung mit Menschen, Asylbewerberlager etc.) entstanden ist, sondern dass daraus sofort eine Gesinnungsfrage mit immanenter Strafandrohung inszeniert wurde. Über die Sachthemen wurde von Anfang an - wenn überhaupt, da ja bekanntermaßen "alternativlos" - nur mit moralischen Konnotationen oder Gretchenfragen gesprochen, verbunden mit Druck und Strafandrohung gegenüber dem "Abweichler". Angefangen von dem schlechten Theaterstück der Willkommensjubler, die ja auch mehr oder weniger "organisiert" angerückt sind, über das seitdem permanente Abfragen von Gretchenfragen, dem Gesinnungstremolo in allen Lagen etc. Mit den Immigranten lauerte mit einem Schlag dann überall auf einmal wieder der böse Nazi, der böse Deutsche, der "fruchtbare Schoß", der bekämpft werden muss und die ohnehin schon seit Jahren vorangekommene Verzerrung der Maßstäbe hin nach links wurden nun über die gesamte Bevölkerung übergestülpt und entsprechende Fronten wurden sehr weit vorangetrieben. Urplötzlich wurde "Gesinnung" bis in die Familien hinein "abgeprüft" und es war noch nicht einmal mehr so ohne weiteres möglich, sich auf eine vermeintlich "unverdächtige", neutrale Position zurück zuziehen, denn auch das sich nicht zur Willkommenskultur ausdrücklich bekennen, ein Schweigen, ein sich neutral verhalten wollen, wurde als "rassistisch" oder zumindest "verdächtig" interpretiert. Es zeigten sich und zeigen sich mithin totalitäre Züge, wenn derartiger Gesinnungsterror selbst Familien in Streit und Spaltung bringen konnte - also an den Orten, die sich in früheren Jahrzehnten einstmals als halbwegs ideologiefest und abgeschottet zeigen konnten. Das ist DER RISS und wenn man einmal genauer ihn sich ansieht, dann sind meines Erachtens die Immigranten noch nicht einmal die Ursache sondern vielmehr nur der Anlass für unser Gesinnungs- und Tugendwächter gewesen, gleich zum großen Präventivkrieg gegen alle, trotz 68 noch nicht ausgerotteten Meinungen, Ansichten, Kulturen zu starten. Mittlerweile muss man konstatieren, dass selbst wenn 500tsd Einwanderer binnen einer Woche abgeschoben würden und die Grenzen dicht gemacht würden, sich nichts am Fortgang des totalitären Putsches gegen Recht, Ordnung und Freiheit und für ein Hineinpressen des Einzelnen in die Rolle eines gesinnungsoptimierten Arbeiters, Steuerzahlers und Konsumenten ändern würde.

Es geht mithin nicht mehr nur um Immigration und "großen Austausch", es geht um elementare Freiheit in unserem Land und es findet nicht mehr nur ein vor sich hin köchelnder Kulturkampf statt, nein, es ist ein deutlich erkennbarer Kulturkrieg, der an allen Fronten (Arbeit, Recht, Vereine, Schulen, Unis, Familien, Kirchen etc.) von den Kulturmarxisten hart und entschieden geführt wird. Und machen wir uns nichts vor: Dieser Krieg wird nicht mit einem Befriedungsziel geführt, er wird total geführt - irgendwelche Rückzugsinseln wird es nicht geben und diese werden, wenn sie nicht gerade in Form eines einzelnen Hauses in der Mitte von Nirgendwo sind, auch nicht mehr geduldet. Die komplette Neuerziehung zum neuen. letzten Menschen wird vorangetrieben - ob mit oder ohne Einwanderer ist hierbei dem System egal, denn auch der Einwanderer hat sich ja in diese, den Einheimischen zuerst zugedachten Rolle, früher oder später einzuordnen und auch er bekommt - Sozialtransfers hin oder her - diesen bereits jetzt zu spüren.

Der Begriff "Riss" ist mithin auch so zu verstehen, dass damit dann nicht zwei Hälften fortan eben getrennt leben, er ist so zu verstehen, dass Teile der Gesellschaft abgerissen werden, damit sie sich entweder selber wieder unter Selbstverleugnung annähen oder aber verenden. Der Traum von einer "Sezession", eines "etiam omnes etc." als Flucht- und Rückzugsort, wird nicht von Dauer sein, denn das Totale duldet nur zur Feindaufklärung die Abspaltung.

W. Wagner

14. März 2018 07:45

Nur kurz: Lieber ein Riss durch diese Gesellschaft, als ein Riss zwischen mir/uns und unserer deutschen/europäischen Geschichte, Kultur, Kunst, Philosophie, ... Ja, der Riss in der Gesellschaft muss vertieft werden, und ich hoffe, dass viele auf die Seite unseres geistig-kulturellen Reichtums wechseln und die Seite der Gleichschaltung verlassen, ecc., ecc.
Dank an Götz Kubitschek für seinen Auftritt und diese Nachbemerkung.

AlbertZ

14. März 2018 07:53

Durs Grünbein hörte sich das an (es blieb ihm ja nichts anderes übrig) und ...

Durs Grünbein hörte sich das an und überlegte, wie er seine Unterstellungen anbringt. Er entschied sich für den Begriff "Riß in der Gesellschaft". Zuerst simulierte er seine Kompetenz ("lese viele dieser Titel"), dann flocht er einige negative Begriffe ein ("Zurüstung zum Bürgerkrieg" und "klammheimliche Lust"),
um schlußendlich ein "Programm" zu unterstellen, "am Riß zu arbeiten".
Nach der Antwort von Kubitschek folgte eine zweite 'Frage' nach demselben Schema und parallelem Inhalt: Zuerst die Kompetenzsimulation ("intelektuelle Sphäre" und "alle Diskurse präsent"),
dann negative Begriffe ("Kampfschriften aufbereiten" und "Lust an der Verstörung" sowie "glühende Augen"), um dann einen Zwang zu einem "Riß in der Gesellschaft" zu unterstellen.

Die Antwort von Kubitschek wird nach dem mit Vehemenz vorgetragenen Satz "Die Anarchie ist die Katastrophe für ein Volk" von einem Störer mit den Worten "So ein Quatsch" und folgendem Lärm abgewürgt. Die Strategie von Durs Grünbein ist '(argumentum) ad hominem' gerichtet. Zuerst wird der Person die Nähe zur Gewalt unterstellt ("Kampfschriften aufbereiten"), dann ein negatives Gefühl ("Lust an der Verstörung") angedichtet,
um zum Schluß noch physiologische/esoterische Zustände zu erkennen ("glühende Augen").

Die Antwort von Kubitschek ist eine hervorragende Darstellung seiner Grundüberzeugung am Beispiel des Begriffes "Anarchie" gepaart mit aktuellen Geschehnissen und Erfahrungen.

Sowohl im Kulturpalast als auch auf SiN ist sie genaugenommen keine Antwort auf die Frage von Durs Grünbein. Das ist jedoch unwichtig; dessen Frage ist rhetorisch und nur das Vehikel für seine Unterstellungen. Unter anderen Umständen wird er andere Vehikel benutzen.

Mauerbluemchen

14. März 2018 08:38

Zum Thema des zu vertiefenden Risses in der Gesellschaft fällt dem Alteuropäer jemand ein, der einmal - sinngemäß - davon gesprochen hat, daß er gekommen sei, um zu scheiden und zu spalten und eben nicht um alles zusammenzukleistern.

Wer also wie Herr Kubitschek ähnliches anstrebt, steht in damit in einer guten Tradition.

Ein gebuertiger Hesse

14. März 2018 10:10

"Jemanden, der das Mindestmaß an Staatlichkeit noch verteidigen will, nach seiner Lust an der Anarchie zu fragen, bedeutet, das Anarchistische im Regierungshandeln nicht wahrgenommen zu haben."

Diese Wahrnehmung käme einem inneren Erdrutsch gleich. Das wittern noch zu viele, nicht nur rhetorische Hütchenspieler wie Grünbein, und ziehen die Zugbrücken hoch, damit die Wahrnehmung nicht eindringen kann. Diese innere Verbarrikardieung ist vielleicht das größte Hindernis, das eine neurechte Aufklärung überhaupt zu überwinden hat. Erneut ist es die Frage, ob es nicht riesiger kollektiver Krisen und Nöte bedarf, um einer solchen Wahrnehmung Einlaß zu verschaffen, und die metapolitische Therapie ERST DANN die noch Unerreichten erreichen kann.

Der Gehenkte

14. März 2018 10:29

Diese Antwort an Durs Grünbein ist wichtig und notwendig und glasklar. Was mich an Kubitscheks Texten immer wieder begeistert, ist die Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit. Er ist ein - Anarch.

Tatsächlich muß man Grünbeins Frage als eine nach dem Anarchen und nicht Anarchisten verstehen. Er fragt also nach Jünger, für den der Anarch jemand ist, der "entschlossen Widerstand" zu leisten bereit ist und das auch im Alleingang, "in sich selbst konsolidiert", also auch als Waldgänger.

https://www.youtube.com/watch?v=r4ehYLCl7DM

Durch seine weiteren Ausführungen zeigt Grünberg allerdings, daß er das Konzept des Anarchen nicht verstanden hat und ihn tatsächlich "anarchistisch" versteht, als "klammheimliche Lust an diesem Riß zu arbeiten", letztlich sogar als ein Triebphänomen. Das war einer seiner schwächsten Momente.

Wenn man den ganzen Disput betrachtet, so sticht zuerst Tellkamps Mut heraus. Das darf aber nicht dazu führen, die Schwächen seiner Argumentation zu übersehen.

Offensichtlich gehört T zu jenen Autoren, die das Wort in der Schrift viel besser beherrschen als im Gesprochenen. Seine Herleitungen und logischen Sprünge sind oft fraglich und die Sache mit den 95% ist natürlich Quatsch - er meint die Asylquote und bringt das durcheinander.

Umgekehrt ist Grünbeins Appell an die Differenzierung bedeutsam. Es muß jedermann Anliegen sein, die Dinge trennen zu können, umso mehr, wenn man der Überzeugung ist, auf der richtigen Seite zu stehen und die besseren Argumente zu haben - dann muß man sie auch besser vortragen. Nur so kann der Disput auf der Sachebene bleiben und nicht dauernd auf die Argumentationslogik und Rhetorik umgeleitet werden. Daß Grünbein nun Pegida-Sprech vorwerfen kann, liegt an der Argumentationsstruktur und nicht an den Argumenten.

Dennoch, das Gespräch ist eine Zäsur und zwar aus einem Grund: Mit Tellkamp hat sich ein namhafter Autor existentiell eingebracht, sein künstlerisches Leben in die Waagschale geworfen und das ist ein Weckerlebnis ersten Ranges.

Nath

14. März 2018 14:33

Was den von Grünbein in Bezug auf Kubitschek fragemäßig eingebrachten Begriff des "Anarchen" anbetrifft, so muss jener nicht unbedingt mit dem des "Anarchisten" identifiziert werden. Es sollte in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden, dass auch Ernst Jünger sich als Anarchen bezeichnete, und indem Grünbein Kubitschek mit diesem Ausdruck konfrontierte, wäre es immerhin möglich, dass er von ihm wissen wollte, inwieweit er sich der jüngerschen Tradition verpflichtet fühle. (Nebenbei bemerkt, auch Gauland bezeichnete in einem Interview die AfD als einen "gärigen anarchischen Haufen", welcher er (halbironisch) die Ehre habe vorstehen zu dürfen.)
Zurück also zur Frage der begrifflichen Distinktion anarchisch/anarchistisch: Es kommt m. E. darauf an, wie man hier übersetzt, also entweder im Sinne von "gesetzlos", wie es zumeist die Rechte tut, oder "herrschaftslos", wie es seit bakuninschen Zeiten von links her zu geschehen pflegt. Jünger ist sicherlich das Paradebeispiel für einen Individualisten, welcher sich ganz bewusst "neben alle Stühle setzte" - zu radikal für alle Rück-wärtigen (Konservative), zu misstrauisch gegenüber aller Emanzipationsgläubigkeit, aber auch gegenüber jeglicher von oben her verordneten "Volksgemeinschaft"(Faschismus, Nationalsozialismus). Er nahm Nietzsches Kritik der "Herdenmoral" ernster, als es bei den meisten Rechten der Fall war und hatte zweifellos den Großen Einzelnen im Blick, wenn es um die Gefahr geht, die für diesen von allen Massenideologien ausgeht. Einer der zentralen positiv besetzten Begriffe im jüngerschen Denken ist das "Ungesonderte", eine Art Transzendenz-Chiffre, die sich allen Zu-Ordnungen entzieht.

Ein weiteres Beispiel für Jüngers anarchischen Lebensentwurf: Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass er sein Leben lang mit Drogen, vor allem bewusstseinsverändernden Drogen experimentierte - bis ins hohe Alter. Seinen "Sitzungen" mit Albert Hofmann, dem Erfinder des LSD, widmet er in einem seiner späten Bücher sogar ein Kapitel ("Psychonauten"). Bezeichnend ist auch ein angeregter Briefwechsel zwischen ihm, dem vermeintlichen alten Erzreaktionär und einem jungen Vertreter der damailgen psychedelischen Underground-Szene. Offenbar gab es bei dieser "Querfront" beiderseits keinerlei Berührungsängste, soweit es um besagte Thematik ging.
Zweifelllos werden viele Rechte diesen "anarchischen" Aspekt bei Jünger ablehnen (ebenso wie dies auf der "Gegenseite" geschah. In einem Interview von 1968 missbilligte Dutschke, sofern es SDS-Mitglieder betraf, ausdrücklich die Einnahme von Psychedelica).
Dennoch lautet das Fazit: Man kommt an der Tatsache nicht vorbei, dass bei einem der bedeutendsten Vertreter der "Rechten Avantgarde" des 20-Jahrhunderts ein dezidiert anarchischer Zug zu konstatieren ist. Das entsprechende Substantiv wurde von ihm als Ehrentitel, nicht als Schimpfwort aufgefasst. Die Frage ist, ob man dies als "persönliche Verirrung" auffasst oder sich dadurch veranlasst sieht, die eigene Stellung zu diesem Begriff neu zu überdenken.

Scholasticulus Paracelsi

14. März 2018 21:32

Dass Kubitschek mit der erwünschten Vertiefung des Risses nicht eine Freude an Spaltung und Streit allgemein ausdrückt, sondern eine Verdeutlichung vorhandener Verschiedenheit meint, ist deutlich. Mit Tellkamp und RMH möchte ich aber betonen, dass der empfundene Riß weniger durch die Tatsache der verschiedenen Ansichten / Meinungen entsteht, sondern durch das Moralisieren. Tellkamp hat ja sehr klar vom Egoismus gesprochen, um den es bei dem Streit um die Zuwanderung geht. Auf beiden Seiten: um wen soll man sich zuerst kümmern, die Fremden, die Oma? Aber das Moralisieren: weil Du anderer Meinung bist, bist Du ein schlechter Mensch... Das ist das, was von nichtlinken Menschen regelmäßig erlebt wird, sei es im Bekanntenkreis nach einem AfD-Outing, sei es bei der Lektüre der freien Presse. Beispielsweise gibt es in letzterer keine AfD-Berichterstattung, welche sich des moralischen Verurteilens enthält. Gegenbeispiele? Wüßte ich gern.
Ein Aspekt scheint mir aber doch noch wichtig: der Hass, der allseits beklagt wird und den man selbst meist nur auf der Gegenseite des politischen Spektrums erkennt (das berühmte Splitter-im-Auge-des Anderen.... -Thema), ist aber doch Ausdruck der Verbundenheit, des Zueinandergehörens. Wir ärgern uns über das Andersdenken der Grünbeins oder der Tellkamps, und in dem Ärger sollten wir die Botschaft des Zusammengehörens nicht verpassen. - Warum ärgert man sich viel weniger über das Anderssein des Japaners, des Indianers, ja auch des Muslim... ? Warum greift da die Faszination des Fremden, der Reiz des Ungewohnten? Warum kann man solche Anderen leichter anders sein lassen, aber den "eigenen Leuten", den Tellkamps und Grünbeins pinkelt man ans Bein (in der Dresdner Diskussion seitens einiger Publikumsbeiträge, ich meine hier natürlich nicht GK) ?
Irgendwo ist es auch bedauerlich, dass das Gespräch so in die Polarisierung ging; aber das drückt eben den Stand der Gesprächsfähigkeit aus; Knackpunkt bleibt das Moralisieren, Verurteilen der Position des Anderen; wenn das überwunden würde, könnte man mit Goethe vielleicht wieder einmal sagen:
»Was ist herrlicher als Gold?« fragte der König. »Das Licht«, antwortete die Schlange. »Was ist erquicklicher als Licht?« fragte jener. »Das Gespräch«, antwortete diese. (Das Märchen)

Cacatum non est pictum

14. März 2018 23:16

@Scholasticulus Paracelsi

Sie hätten sich auch Nathan der Weise nennen können. Vorgestern ist in Flensburg das nächste deutsche Mädchen von einem Afghanen weggemessert worden. Um wen man sich zuerst kümmern sollte, fragen Sie? Ums eigene Volk! Was gibt es da zu diskutieren? Wer das anders sieht, hat den Schuß nicht gehört und muß sich den Vorwurf gefallen lassen, sein Volk zu hassen. Unter den jetzigen Umständen gibt es keine Annäherung mehr zwischen den beiden Seiten jenseits des Risses. Entweder die Gegenseite gibt ihre Positionen auf und besinnt sich, oder es kommt zum ganz großen Knall. Einen Kompromiß wird es nicht geben, denn: "In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod."

Das Moralisieren auf der Gegenseite ist eine knallharte machiavellistische Strategie und mitnichten ein Ausdruck von Zusammengehörigkeit. Wie kommen Sie auf dieses schmale Brett? Es ist Spaltung par excellence! Und was bitte soll ein Dialog hervorbringen, der möglichst wenig polarisiert? Intellektuelles Geschwafel um seiner selbst willen? Ich habe im Fahrwasser der sogenannten Flüchtlingskrise langjährige Freundschaften zerbrechen sehen. Das ist der Stand der Dinge. Meinen Sie allen Ernstes, so etwas sei durch ein wenig gegenseitige Seelenstreichelei aus der Welt zu schaffen - durch eine Diskussion, bei der man dem anderen sowenig wie möglich weh tut?

H. M. Richter

15. März 2018 12:50

"Keinen dieser drei Zustände [Bürgerkrieg u.a.; HMR] wünsche ich mir auch nur eine halbe Sekunde lang für unser Land und unser Volk". [G. K., s.o.]
_______________________________________________

Andere allerdings schon, wie eine Nachricht vom heutigen Tage offenbart:

"Polizeibeamte haben am Dienstag wegen des Verdachts einer schweren Sprengstoff-Straftat vier Häuser in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel durchsucht. Sowohl Sprengstoff als auch Chemikalien wurden dabei von der Saalfelder Kriminalpolizei sichergestellt. 20 Kilogramm verschiedener Substanzen, die zur Sprengstoffherstellung tauglich sind, wurden gefunden: Unter anderem Buttersäure, Magnesium- und Schwefelpulver sowie Calciumcarbid. Zudem seien diverse Utensilien sichergestellt worden, mit denen aus den verschiedenen Stoffen Sprengstoff hergestellt werden könnte. Neben einer Schreckschusswaffe sowie Cannabis stießen die Ermittler bei der Durchsuchung auch auf eine Aufzuchtanlage für Cannabis.

Zwei 31 und 25 Jahre alten Tatverdächtigen wird vorgeworfen, ein Explosions- oder Strahlungsverbrechen vorbereitet zu haben.

Einer der beiden Tatverdächtigen ist führendes Mitglied im sogenannten „Bündnis Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (Zumsaru).

Am 13. Dezember 2016 wurde er stellvertretend für Zumsaru in Erfurt von der damaligen Bildungsministerin mit einem Anerkennungspreis beim Thüringer Demokratiepreis geehrt."

Siehe:
https://saalejournal.de/sprengstofflager-ausgehoben/

Scholasticulus Paracelsi

17. März 2018 09:57

@ Cacatum non est pictum
sowie eigenes Weiterdenken:
Sie haben mich wahrscheinlich doch mißverstanden; ich habe keinem Einheitsbrei a la Nathan der Weise das Wort geredet, so nach dem Motto: Kinder vertragt euch, ihr kriegt alle einen Lutscher...
Sondern ich beschrieb eine Tatsache, die leider oft nicht im Bewußtsein ist: indem ich mich über Sie ärgerge, Ihre Meinung doof finde usw. bezeuge ich immanent, dass ich Sie für Meinesgleichen halte. Und in dem, dass mich die Meinung eines mir ganz fremden Menschen kalt lässt, nicht ärgert, bezeuge ich das Nichtzusammengehören.
Die Sache ist besonders für die Linke unangenehm, denn sie leugnen (gedankliche Ebene) das volksmässige Zusammengehören, behaupten, Weltbürger zu sein und jeden Menschen gleich welcher Nation, Hautfarbe usw. usf. zu achten. Aber indem sie die Fremden gut finden, die Eigenen aber bekämpfen (z.B. das bekannte Motto "Kein Platz für.... " ) bezeugen sie auf der Handlungsebene und der Gefühlsebene, dass sie sich zugehörig fühlen. Sie wollen die, die sie zu sich gehörig fühlen, die Deutschen mit anderer Gesinnung, anderen Werten, ausscheiden, ausschließen, bekämpfen.
Habe ich mich verständlich gemacht?

Zu meiner Aussage, das Moralisieren müsse aufhören, denke ich inzwischen: ja, das wäre schön. Aber es IST eben nicht ohne Moral, wie man sich verhält, wie man etwas bedenkt und bewertet. Und es GIBT moralisch anrüchiges Reden und Verhalten. Man kann, beispielsweise, schwerlich sagen: Grünbein, Du hast zwar die Ergebnisse der Studie der Böckler-Stiftung, derzufolge es eine tendenziöse Medienberichterstattung zur Flüchtlingspolitik gab, beiseite gewischt und Deinen persönlichen Eindruck, eine solche Berichterstattung gebe es nicht, als wahr deklariert. Du verläßt also das Gebiet der Erkenntnis, weil persönliche Lieblingsmeinungen auszutauschen war eigentlich nicht der Sinn eines solchen öffentlichen Gesprächs. Aber ich finde das schon in Ordnung. -
Für mich drücken solche Worte das Desinteresse an Grünbein aus, ("lass ihn doch reden, der kapierts eh nicht").
Dass ich mich über solche Ignoranz ärgere, offenbart, dass ich mich mit einem Grünbein eben doch nah fühle.

Eine andere Ebene ist, dass das Moralisieren von linker Seite bzw. von der gemischten Seite der Bewußtseinsführungsindustrie ganz gezielt eingesetzt wird, um die Individualität der Menschen anzugreifen und sie in eine Gesellschaft der Ich-losen Gleichdenker zu überführen...

https://www.geolitico.de/2018/03/16/zersetzung-einer-gesellschaft/

Cacatum non est pictum

18. März 2018 12:02

@Scholasticulus Paracelsi

Ich hatte Sie schon richtig verstanden. Für mich ist eben der springende Punkt, daß es uns nicht hilft, wenn sich diese Leute uns zugehörig fühlen. Sie bekämpfen uns, und die Gegenstrategie heißt, diesen Kampf anzunehmen und zu gewinnen. Mit Kompromissen werden wir unsere Situation nicht verbessern. Sie sind taktisch auch schon deshalb unnötig, weil es immer mehr Überläufer gibt, die sich bei uns einreihen. Was diese Konfrontation anbelangt, arbeitet die Zeit also für uns. Generell bin ich übrigens gar nicht scharf auf diesen Bruderzwist. Viel lieber wäre es mir, wir wären uns in bestimmten Grundsatzfragen wie der Masseneinwanderung so einig wie etwa die Polen oder die Ungarn. Aber so ist es nun mal nicht, und dem müssen wir Rechnung tragen.