Peter Trawny: Was ist deutsch? Adornos verratenes Vermächtnis, Berlin: Matthes & Seitz Berlin 2016. 107 S., 10 €
Zum Thema »deutsche Identität«gibt es derzeit vieles von vielen zu lesen, unter anderem auch von Berufsphilosophen wie Peter Trawny. Doch wer in dessen schmalem Bändchen Was ist deutsch? eine argumentative Erörterung dieses Themas erwartet, sieht sich rasch getäuscht, denn der Leser hat es auf gut 100 Seiten vornehmlich mit einer Collage intimer Stimmungen, subjektiver Befindlichkeiten und emotional getönter Tableaus zur Frage nach der deutschen Identität zu tun.
Mit ein bißchen Mühe aber sind dem lockeren Assoziationsgestöber Trawnys immerhin ein paar Gedanken zu entnehmen: Mit dem Untergang der Kritischen Theorie könne sich die von ihrem Propheten Adorno verordnete »offene Nichtidentität«heute unter Deutschen nicht mehr unumschränkt Geltung verschaffen. Dort, wo einst die alleinseligmachende offizielle Identität herrschte, klafft nun eine Lücke, in der sich ketzerische Stimmen wie beispielsweise die Thilo Sarrazins Gehör verschaffen. Für Trawny ein offenbar verstörender Zustand. Er verlegt sich daher in dieser Not aufs Predigen. In hochmoralisierendem Duktus werden mit Adorno und Habermas die Götter der alten Bundesrepublik ausgiebig beschworen, die vergangene Idylle der Frankfurter Schule blumig ausgemalt und dem Ganzen noch viel vom persönlichen Erleben des Autors untergehoben. Wie sich die Errichtung eines Tabus (positive deutsche Identität) in einer aufgeklärten Gesellschaft überhaupt begründen ließe, kann bei diesem Ansatz freilich nicht plausibel erklärt werden.
Diesen Mangel an Argumentation macht Trawny mit Vorwürfen an die saumseligen Diskurshüter wett, welchen er den Verrat an der hehren Lehre der Nichtidentität anlastet. Statt dem Laienvolk dieses Konstrukt der Nachkriegszeit auch heute weiter
einzuimpfen, habe sich die von der öffentlichen Hand bestallte Geistlichkeit in ihren Elfenbeinturm zurückgezogen und das Identitätsfeld feige finsteren Mächten überlassen. Ob dieser religiöse Traktat die erhoffte erbauliche Wirkung ausübt und somit gelungen ist, vermag freilich nur ein Anhänger des Glaubens von der ewigen Schuld zu beurteilen. Nichtgläubige können höchstens den missionarischen Wert von Trawnys Ausführungen auf sich einschätzen, und dieser ist äußerst dürftig, da sein Was ist deutsch?eher magisch vormodernem Wähnen, nicht aber logisch rationalem Denken verpflichtet ist.
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