Max Schwalb: Hans Pfitzner. Komponist zwischen Vision und Abgrund, Regensburg: Pustet 2016. 136 S., 12.95 €
Die Tatsache, daß bei Aufführungen der Werke Hans Pfitzners bisweilen von Bündnissen »gegen Rechts« und anderen für das Gute Engagierten hysterische Warnungen vor den Kompositionen dieses »Antisemiten und Reaktionärs« ausgesprochen werden, fordert das Interesse für Pfitzner geradezu heraus. In der Reihe Kleine Bayerische Biografien ist jetzt ein Bändchen erschienen, das die eigenartige, widersprüchliche Persönlichkeit und das weitgefächerte Werk des vielgeschmähten Komponisten beleuchtet und durchaus unterhaltsam und anschaulich zu einem Bild zusammenzufügen versucht.
Von Anfang an wird Pfitzner als ein Problem behandelt. Das mag einem auf die Nerven gehen, wenn man sich künstlerisch mit ihm auseinandersetzen will, allerdings ist dem Autor Max Schwalb diese Herangehensweise kaum vorzuwerfen. Schließlich wird Pfitzner von weiten Kreisen der musikalischen Öffentlichkeit tatsächlich als ein Problem empfunden, und die Art, in der Schwalb die Vorwürfe an den Komponisten aufgreift, ist im Großen und Ganzen ehrlich. Hans Pfitzner (1869–1949) hat sich in zahlreichen kulturpolitischen Denkschriften in der Zeit der Weimarer Republik und während des Dritten Reiches stark deutschnational und antisemitisch geäußert und sich zudem dem Nationalsozialismus gegenüber nicht ablehnend verhalten. Auch wenn er in den NS-Führungskreisen nicht besonders beliebt war, wurde ihm 1944 – neben Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler – ein Platz auf der »Liste der Gottbegnadeten« zugemessen.
Pfitzner hat in der Musikgeschichte – sofern sein Werk nicht aus politischen Gründen unter den Tisch gekehrt wird – eine eigentümliche Stellung. Sein Werk, das mit Liedern, Kantaten, Opern sowie Solokonzerten und Sinfonien eine große Gattungsvielfalt aufweist, schwebt seltsam haltlos zwischen Spätromantik und Moderne. Das Attribut des musikalischen Reaktionärs, das Pfitzner von seinen Gegnern gerne angehängt wird, wird ihm ebensowenig gerecht wie jenes des progressiven Schönberg-Wegbereiters, das einige seiner sehr modernen Werke nahelegen. Schwalb stellt die einzelnen Werke sehr differenziert dar, hebt an ihnen sowohl das Große, Meisterhafte wie auch das Unverständliche und mitunter »erschütternd Banale« heraus.
Wenn man nach der Lektüre des Buches von der Person Pfitzner nicht gerade eingenommen ist, so ist das sicher nur in geringem Maße der Beurteilung Max Schwalbs zuzuschreiben. Pfitzner war zeit seines Lebens ein unbelehrbarer Misanthrop, der sich ständig unterschätzt, beleidigt und mißverstanden fühlte und dessen politische Vorstellungen tatsächlich als einigermaßen weltfremd zu bezeichnen sind. Gegen Ende des Buches mangelt es der Darstellung aber doch ein wenig an Wärme, so daß der hilflos halsstarrige Einzelgänger Pfitzner im Gesamtbild schlechter wegkommt, als es ihm gebührte.
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