Dushan Wegner: Talkingpoints oder die Sprache der Macht. Mit welchen Tricks Politiker die öffentliche Meinung steuern. Ein PR-Profi erklärt, was Politiker wirklich sagen, Frankfurt: Westend 2015. 240 S., 16.99 €
Man darf sagen, daß der Titel dieses Buches vielsagend ist. Zum einen: Klingt alles interessant – gerade in Zeiten, die mancher als politische »Einwickelung« begreift. Zum anderen: Das sind ja gleich vier Titel! Ging es nicht straffer? Ebendiese Eindrücke ziehen sich durch die Lektüre. Dushan Wegner, Jahrgang 1974, ist ein Innenseiter des Politikbetriebs, er ist dort beratend und als Texter tätig, ist also selbst gewissermaßen Ingenieur von »talkingpoints«, rhetorischen Tricks. Wegner schreibt schön locker, seine Standpunkte sind sympathisch (das ist natürlich subjektiv – Wegner ist jedenfalls alles andere als ein Linker), und viele der bewußt durch Politsprech ausgelösten Effekte bringt er klug auf den Punkt.
Das Buch ist nach solchen »Effekten« gegliedert, obgleich es sich recht eigentlich um keine Effekte, sondern um Mittel handelt: etwa »Echtheit«, »Vereinfachung«, »mit der Herde sprechen«, »Tabubruch«, »Der gerechte Zorn«. Wegner schildert anhand zahlreicher Fallbeispiele, wie beispielsweise Political correctness als psychologische Waffe eingesetzt wird; wie durch »framing«, also das sprachliche Schaffen eines Deutungsrahmens oder durch »reductio ad emotum« (heißt: unangenehme Sachfragen auf ein gefühlsbesetztes Nebengleis lenken) Meinungen gelenkt werden oder wie die Konstruktion von »Echtheit«, »Authentizität« gelingt. Wegner geht keineswegs ins Gericht mit dem Politpsychozirkus. Der Wähler lüge sich ja selbst an, wenn er behaupte, es ginge ihm um Sachfragen! Sachargumente seien stets instabil, die »innere Verdrahtung der Wählerseele« hingegen berechenbar.
Wegner nimmt zum Beispiel die Causa »Reem/Merkel« auseinander. Man erinnert sich, das war jene Schülerveranstaltung, in der das libanesische Flüchtlingsmädchen Reem in Tränen ausbrach und von Merkel sanft getätschelt wurde. Unter #merkelstreichelt brach ein Entrüstungsstürmchen gegen die hier als gönnerhaft und hochmütig empfundene Kanzlerin los. Wegner: »Natürlich hat die Geschichte ein gutes Ende! Durch ihr öffentliches Weinen wurde das hübsche, gut frisierte Mädchen zu einer relevanten Struktur für Millionen Deutsche. (…) Der Oberbürgermeister von Rostock beschließt, daß die Familie des Mädchens wohl doch nicht abgeschoben wird.« Dushan Wegner ist ein heller Kopf, allerdings kein besonders gut strukturierter. Seine teilweise messerscharfen Analysen erscheinen zu großen Teilen unsortiert und durcheinandergewürfelt, allzu wenig ist hier gebündelt und stringent eingeordnet. Alles, was selbst in diesen losen, bisweilen arg verplauderten Fundstückhaufen nicht paßt, wird als »Exkurs« ausgesondert – leider nicht all die Bibel-Analogien, die (fast immer unpassend) das ganze Buch durchziehen. Ein Schmökerwerk, nichts für eine konzentrierte Lektüre.
Dushan Wegners Talkingpoints oder die Sprache der Macht kann man hier bestellen.