Hans Meiser: Ausgelöscht! Der Untergang der Deutschen in Südosteuropa, Tübingen: Hohenrain 2015. 368 S., 22.80 €
Die nationale Katastrophe Deutschlands von 1945 liegt in diesem Jahr 70 Jahre zurück. Von Politik, Medien und Forschung heute als »Befreiung« verklärt, versinken in der kollektiven Erinnerung mehr und mehr die apokalyptischen Ausmaße der deutschen Niederlage, die mit den Stichworten Vertreibung, Entrechtung, Ausplünderung, Mord und Verlust der nationalen Souveränität nur abstrakt zusammengefaßt werden können.
Daher ist es verdienstvoll, wenn sich – wenn auch nur sehr wenige – Studien mit den konkreten Umständen der »Befreiung« befassen, wie es der kürzlich verstorbene Historiker Hans Meiser in dem hier anzuzeigenden Buch getan hat. Allein die Tatsache, daß bis 1945 auch außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches Deutsche gelebt haben, kann nicht mehr als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Meiser beginnt seine Darstellung mit der Schilderung der politischen Vorgeschichte der Vertreibung, deren Anfänge für ihn in dem »Unbehagen« der europäischen Mächte mit dem seit der Reichseinigung 1871 erstarkenden Deutschland liegen.
Er skizziert in der Folge die Seßhaftwerdung deutscher Siedler in den ehemals von Türken beherrschten Gebieten des Habsburgerreiches seit dem Ende des 16. Jahrhunderts. Mit der Zerschlagung Österreich-Ungarns 1918 und der Etablierung neuer Staaten in Südosteuropa änderte sich in deren privatem Umfeld vorerst nichts, jedoch wurden aus Angehörigen der früher staatstragenden Ethnie über Nacht nationale Minderheiten.
In der Endphase des Zweiten Weltkrieges mit dem Vordringen der Roten Armee und dem Sieg der Tito-Partisanen in Jugoslawien begannen Vertreibung und Massenmord an den deutschen Volksgruppen. Der Autor beschreibt zunächst die Lage im kommunistischen Jugoslawien, arbeitet die Ursachen für »Genozid und Vertreibung« heraus, schildert einzelne Massaker im Banat, in der Batschka, in Slowenien. Die Deutschen wurden in schnell improvisierten Lagern zusammengetrieben, wo sie systematisch gequält und dem Hungertod preisgegeben wurden.
Einzelne Lager, wie etwa Molidorf im Banat, charakterisiert Meiser als »Vernichtungslager«, in dem man – nach Aussonderung Arbeitsunfähiger – die restlichen Häftlinge durch Mißhandlungen, Epidemien und unmenschliche Arbeitsbedingungen getötet hat. Zum Ende seines Buches geht der Verfasser auf die deutschen Volksgruppen in Ungarn und Rumänien ein, die zwar auch vertrieben und zur Zwangsarbeit deportiert, jedoch nicht systematisch gequält und ermordet wurden.
Ungarn und Rumänien haben sich nach Aufnahme in die EU zu ihren Verbrechen an den Deutschen bekannt, die Betroffenen um Verzeihung gebeten und Wiedergutmachung angeboten. Meiser schließt seine Schilderung mit dem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dieter Blumenwitz, der die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien von 1944 bis 1948 als Völkermord charakterisiert. Das Werk bietet einen umfassenden Überblick über die Vorgeschichte und den Verlauf der Vertreibung auf dem Balkan. Verdienstvoll ist Meisers Hinweis darauf, daß nicht Hitler den Krieg nach Jugoslawien getragen hat, sondern der britische Premier Winston Churchill.
Zwar hat der Autor das Donauschwäbische Archiv ausgewertet, jedoch fehlen im Literaturverzeichnis die Werke von Florian Rulitz, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring, Franz W. Seidlers Deutsche Opfer sowie die 1954 bis 1961 unter Theodor Schieders Leitung herausgegebene achtbändige Dokumentation zur Vertreibung.
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