Zur Psyche der Anywheres

Gastbeitrag von Felix Ludwig -- Zuletzt hatte Alexander Gauland in seinem Schnellrodaer Vortrag (Video, Print) diese Begrifflichkeiten aufgegriffen:

„Any­whe­res“ und „Some­whe­res“ aus David Good­harts Buch The Road to Some­whe­re. Aber was läßt die Par­tei­en „Volk“ und „Nicht-Volk“ so eska­lie­ren, daß nicht ein­mal der (von rechts) ange­bo­te­ne Dia­log kon­struk­tiv erscheint?

Good­hart dif­fe­ren­ziert zunächst: Jeder Cos­mo­po­lit habe auch auf irgend­ei­ne Art eine Ver­wur­ze­lung, jeder Some­whe­re erkun­de auch die Welt, sei es vir­tu­ell oder im Easy­Jet-Flie­ger. Das Pro­blem sei die Mili­tanz, mit der ein Teil der Any­whe­res ihren Macht­an­spruch durch­zu­set­zen ver­su­chen. War­um und gegen Was sie aus ihrer Sicht kämp­fen, läßt sich aus deren Wer­te­vor­stel­lun­gen ableiten:

Der Indi­vi­dua­lis­mus als Grund­wert löst prin­zi­pi­ell von Zuge­hö­rig­keit ab, sei es Volk, Reli­gi­on, Ras­se, Geschlecht und Ord­nun­gen. Alles bewegt sich dann nur noch im (extre­men) Span­nungs­feld von Mensch und Mensch­heit. Gleich­heit wird dabei von Any­whe­res als Befrei­ung emp­fun­den, erlöst qua­si aus den Beschrän­kun­gen von „innen“ und „außen“.

Hier zeich­net sich ein emi­nen­ter para­dig­ma­ti­scher Unter­schied ab: Wird die Grup­pe, in der man lebt, als Bedro­hung oder eben als Gebor­gen­heit erlebt? Sind die Gren­zen um mich her­um eine Ver­tei­di­gung oder ein Gefäng­nis? Any­whe­res nei­gen zur Inter­pre­ta­ti­on einer „Bedro­hung durch Gren­zen“, genau, wie etwa auch Iden­ti­tät als bedroh­lich emp­fun­den wird – es sei denn, sie ist so durch­läs­sig, daß sie nichts mehr aus­sagt, wie etwa in der Flos­kel „Mensch“.

Dies hat mei­nes Erach­tens u.a. lebens­bio­gra­phi­sche Hin­ter­grün­de. Fami­lie in ihrer Gän­ze kann und wird von Kin­dern unbe­wußt ent­we­der als Gebor­gen­heit oder als Streß­fak­tor wahr­ge­nom­men. Hier ent­steht schon im frü­hen Kin­des­al­ter eine prä­gen­de Wahr­neh­mung, die natür­lich mehr ten­den­zi­el­ler denn abso­lu­ter Natur ist. Wer Gemein­schaft als Bedro­hung des Ichs wahr­ge­nom­men hat, der mei­det instink­tiv die Herd­plat­te der Ver­bun­den­heit. Dadurch fin­det eine „ver­schie­ben­de“ Pro­jek­ti­on von der Mikro- auf die Makro­ebe­ne statt.

Lebens­ge­schicht­li­che For­mun­gen gelan­gen in eine kol­lek­ti­ve Ideo­lo­gie und kris­tal­li­sie­ren sich danach in theo­re­ti­schen Kon­zep­tio­nen wie etwa Poly­amo­rie, Gen­de­ris­mus und One-World-Ideo­lo­gie als Sur­ro­ga­te für „Gemein­schaf­ten ohne Ver­bin­dung“. Die Psy­che kommt lan­ge vor der Ideologie!

Grund­sätz­lich gibt es einer­seits dabei den tief­sit­zen­den Erlö­sungs­glau­ben an eine (Wie­der-?) Erlan­gung eines har­mo­ni­schen, wert­neu­tra­len und öko­no­mi­schen Para­die­ses. Das erkennt man auch beim Kom­mu­nis­mus an der Erzähl­struk­tur. Nach der Errich­tung der Dik­ta­tur des Pro­le­ta­ri­ats hört die Erzäh­lung plötz­lich auf, man erwar­tet fast ein „Und wenn sie nicht gestor­ben sind…“.

Die­se Erlö­sungs­phan­ta­sie kris­tal­li­siert sich nun seit den 68ern auch im Öko­lo­gi­schen. Eine stil­le, star­ke Uto­pie von der Dua­li­tät Mensch-Natur, wor­aus beson­ders die grü­ne Ideo­lo­gie ihre Kohä­renz speist.

Um so leich­ter fällt es ande­rer­seits dem öko­no­mi­schen Libe­ra­lis­mus bzw. sei­nen Ver­tre­tern in der Poli­tik das Mär­chen von der künst­li­chen Intel­li­genz, dem bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men und dem glo­ba­len Anspruch auf glei­che Ver­sor­gung aller Men­schen und der Umwelt als rea­li­sier­ba­res Ziel zu ver­kau­fen. Das ist Grö­ßen­wahn auf höchs­tem Niveau.

Good­hart meint, das Pro­blem bestün­de vor allem in der Dis­ba­lan­ce der Kräf­te auf­grund der Macht­ver­tei­lung. Somit kommt er, in der Hoff­nung auf Ver­söh­nung, zu dem nahe­lie­gen­den Schluß, daß ein mode­ra­ter Natio­na­lis­mus kon­flikt­ent­schär­fend sein könnte.

Das wäre jedoch eine Ver­ta­gung des Grund­pro­blems, wie es die letz­ten 50 Jah­re eigent­lich schon statt­ge­fun­den hat, wenn­gleich ein mode­ra­ter Natio­na­lis­mus neue Per­spek­ti­ven böte. Any­whe­res und Some­whe­res leben jeweils in ihren Bio­to­pen Metro­po­le und Nicht-Metro­po­le an – und neben­ein­an­der vorbei.

Nun haben aber seit den 68ern die Any­whe­res die Schlüs­sel­po­si­tio­nen der Gesell­schaft nicht nur besetzt, son­dern arbei­ten emsig an der Umge­stal­tung der Gesell­schaft in ihrem Sin­ne. Hier leben aber auch die Some­whe­res und legen mit Trump, Brexit, AfD, Orban etc. ihr Veto ein.

Und exakt hier liegt der neur­al­gi­sche Punkt: im Nein der Some­whe­res ver­sinkt das Schaum­schloß des any­whe­re­schen Welt­kon­zepts im Boden der Rea­li­tät. Im kon­se­quen­ten Nein der Some­whe­res spie­gelt sich vor allem die Angst über feh­len­de Selbst­wirk­sam­keit wider und reißt die Glo­ba­lis­ten aus dem schwär­me­ri­schen Träu­men im Selbstkonzept.

Plötz­lich wird die Welt unbe­re­chen­ba­rer. Schul­dig erschei­nen aber nicht die unrea­lis­ti­schen Vor­stel­lun­gen der Zukunft, son­dern die­je­ni­gen, die zur Aus­ein­an­der­set­zung damit nöti­gen. So sind aus Sicht der Any­whe­res die Some­whe­res, die­je­ni­gen, die in die Welt des real­exis­ten­ten Fort­schritts nicht hin­ein­pas­sen – die „Übrig“gebliebenen.

Sie ver­hin­dern, gefähr­den, blo­ckie­ren die Erfül­lung der Zukunfts­vi­si­on und müs­sen als Gefähr­der natür­lich neu­tra­li­siert wer­den. „Nazis raus!“ spie­gelt die­se infan­ti­le Stra­te­gie im Wesent­li­chen am bes­ten wider. Wir haben es hier­bei mit einer Mas­sen­psy­cho­se zu tun.

Fazit: Die Situa­ti­on gebie­tet Vor­sicht. Man­che Psy­cho­ti­ker schla­gen schon mal nach Gespens­tern, und nicht immer nur mit ver­let­zen­den Worten.

Die alte Bun­des­re­pu­blik ist längst unwie­der­bring­lich ver­lo­ren, auch wenn man­che Rechts­kon­ser­va­ti­ve sich krampf­haft an deren Ret­tung fest­hal­ten. Dafür lohnt es nicht zu blu­ten, denn von toten Gäu­len soll man bekannt­lich absteigen.

Wofür wir kämp­fen ist das was noch kom­men soll, ein neu­es, selbst-bewuss­tes und frei­es Deutsch­land mit einem deut­schen Volk dar­in. Das ist im Augen­blick ein „some­whe­re“, ein Ort von dem man genau weiß, daß es ihn gibt. Nur der Weg dort­hin ist noch nicht ganz klar.

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Kommentare (65)

Ein gebuertiger Hesse

12. Februar 2019 13:55

"Die Psyche kommt lange vor der Ideologie!"
Schon für diesen Satz, diese Einsicht, ist der ohnehin augenöffenende Beitrag die Lektüre wert. Bitte mehr dergleichen!

Hinsichtlich des großen "Somewhere" für Unsereins sei der Aufsatz "Harz Wolfserwartungsland. Wer wo überleben wird" in der jüngsten Tumult-Ausgabe empfohlen: https://www.manuscriptum.de/werkreihe-tumult/tumult-winter-2018-19.html

Laurenz

12. Februar 2019 15:15

Zur Psyche der Anywheres ....

https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2019/der-grosse-graben/
Dieser Artikel in der Jungen Freiheit drückt viel besser die Situation aus, als jede intellektuelle Pseudo-Debatte, die nur geschmeidig ablenken soll. 

Zitat- Die Psyche kommt lange vor der Ideologie! - Zitatende

Ein obskure Behauptung. Die Ideologie bestimmt nach dem materiellen Sein den Geist, wie auch die Opposition. 

Herr Ludwig scheint wohl zu glauben, was er schreibt, wie fatal. Das passiert allen, die in ein religiöses Verhältnis geraten, da hatte Broder als Gast bei der AfD-Bundestagsfraktion ausnahmsweise mal Recht. 

Die Erschaffung des Lebenswandels eines Anywheres basiert grundsätzlich auf der Abschöpfung der Lebensleistungen von Somewheres, gerade bei der Ausnutzung von "no borders". Sozialstaaten funktionieren weitestgehend nur auf Basis indigener Bevölkerungen. Multi-Kulti-Staaten, vornehmlich in den Amerikas, sind keine Sozialstaaten. Hier besteht ein faktischer Widerspruch, welcher multi-ethnische - und soziale Gesellschaften gegenseitig ausschließt. Das hat sogar Frau Wagenknecht eingesehen. Als Brasilien allen Flüchtlingen weltweit Aufnahme anbot, aber keinen Cent Unterstützung, war das tatsächliche Echo dünn. Hier sind wir als ganz schnell wieder beim Trotzkismus der Clinton-Foundation. Keiner darf merken, daß das Weltbürgertum nicht funktioniert, von daher benötigen wir die permanente Revolution. Es geht hier einzig und allein um die totalitäre Herrschaft des Anywheres über den Somewhere, also Weltrevolution.

Interessiert es denn einen Anywhere, wie die Regionen des Kobaltabbaus durch Somewheres aussehen? Nicht wirklich. Viel wichtiger ist der (Diesel-)Klassenkampf von oben, um auf breiter Front den Somewhere zu enteignen, der alte Kommunisten-Trick.

Hat denn mein bester Freund Napoleon Macron endlich den europäischen Binnenmarkt durchgesetzt und dafür gesorgt, daß ich trotteliger Boche meinen Strom billig bei der EdF bestellen kann? Aber Macron sorgt doch sicher dafür, daß die Force de Frappe nur noch auf außereuropäische Ziele zielt, oder? Und Macron konnte doch sicher in den aktuellen Debatten mit den französischen Some- und Anywheres diese davon überzeugen, daß die nächsten 50 Jahre die Franzosen mit der Finanzierung von europäischen Struktur- und Regime-Change-Projekten dran sind, oder?

Tobinambur

12. Februar 2019 16:10

Daumen hoch. „Forza! Analytische Klarheit“.
Somewhere – Anywhere. Alles schon dagewesen. Offenbar hat’s niemand gehört. In Carl Schmitts Diktion: „Land und Meer“ (Lesen!). Abstrakter formuliert: Nominalsimus versus Universalismus/Platonismus, siehe: Leo Heinrich: „Nominalistische Gedankenspäne“ (Lesen!) oder Odo Marquard: „Abschied vom Prinzipiellen“ (Lesen!).
„Nur der Weg dorthin ist noch nicht ganz klar.“ Zustimmung.
Also: müssen wir an diesem Klar-Werden arbeiten. Was mir so langsam Sorge bereitet ist der Einbruch des Dunkeldenk ins (hier dargebotene) rechte Denken durch anthroposophische Verschwurbelung – bei der Sezession (Sommerfeld) und im Blog (@Gustav Grambauer u.a.). Kühler analytischer Blick, a la… (sagen wir mal) Clausewitz über Wittgenstein bis Sun Tzu und Leibniz – das waren nur rapsodische Namen) statt Rudolf Steiner (bitte, bitte Lesen! Zur Abschreckung).
Die Bedeutung eines Begriffs (z.B. Volk) ist bestimmt durch seinen Gebrauch. Das ist Wittgenstein. Das erfordert: Hinschauen! Auf das, was ist. Nicht Wesensschau! Es gibt kein Wesen. Das ist philosophischer Quark. Es gibt kein deutsches Wesen. Es gibt Ähnlichkeiten. Verwandtschaft. Sich wohlfühlen. Vertraut sein. Füreinander-einstehen. Gemeinsamkeiten – und zwar konkrete Gemeinsamkeiten: von der phänotypischen Hautfarbe bis zum gemeinsamen Musikgeschmack. Das heißt: Vom Unverfügbaren (Hautfarbe, Abstammung) bis hin zum rein Konventionellen (ich höre lieber Schubert als Gangsta-Rap). „Die Psyche kommt lange vor der Ideologie!“ Und das Physische kommt noch vor der Psyche. Vom Unverfügbaren (der Physis, die Materie) über die Psyche zur Überzeugung (Ideologie)… das alles zählt.
Somewhere-anywhere. Land-Meer. Nominalismus-Universalismus – das sind gute Distinktionen. Darüber kann man reden und sich einigen oder im Dissens verharren.
„Die alte Bundesrepublik ist längst unwiederbringlich verloren“… und das deutsche Volk wie es einmal war auch. Leider. Die Zerstörung ist tiefgreifend und wird immer exzessiver und schneller. Der Malstrom des Egalitarismus und der anywhereschen Anti-Diversität (unter der Lügen-Fratze der Buntheit) wird weiter eskalieren. Wir sollten diese Gefahr klar erkennen und nicht mit romantischem Gefasel übertünchen, das wird böse enden.
„Das Verhängnisvolle des romantischen Typus bestehe nun darin, dass er in eine bestimmte überkommene Vorstellung fliehe, die ihn blind mache für Veränderungen der Realität. Also kreiere der Romantiker einen Gegensatz zum Unabwendbaren und verliere dadurch den Bezug zum real Erforderlichen zugunsten bequemer Utopien, deren schöpferisches Zentrum er selber sei.“ (Frank Lisson über den Begriff der politischen Romantik bei Carl Schmitt, in der Sezession 42/2011)

Weltversteher

12. Februar 2019 16:54

Topinambur: "Nicht Wesensschau! Es gibt kein Wesen. Das ist philosophischer Quark."

Im Gegenteil. Alles, jedes ist wesenhaft. Wesen ist Ursprung, ohne Wesen keinerlei Erscheinung.

quarz

12. Februar 2019 18:30

@Weltversteher, @Topinambur

"Im Gegenteil. Alles, jedes ist wesenhaft."

Kompromiss: Lassen wir die Frage nach dem Wesen mal außen vor und orientieren uns praktisch an den Ähnlichkeitsbeziehungen, von denen Topinambur gesprochen hat (Ich habe mich vor einiger Zeit auch in einigem Detail darüber geäußert). Das Resultat mag der Nominalist dann als Konstruktion deuten und der Platonist als erschlossenes Wesen. Dieser Zugang hat den Vorteil, dass er sich mit empirischen Befunden zwanglos ins Einvernehmen setzen kann.

Tobinambur

12. Februar 2019 18:41

Wesen (griech. ousia, lat. essentia). Der Gebrauch von ousia geht auf Platon zurück: das ontologisch Dauernde, wie die Idee. D.i. Universalienrealismus. Direkte Linie zum linken Utopismus: das wahre Wesen von XYZ entfaltet sich im (sozialistischen) Endzustand. Linker Universalismus: auf dem „Weg zur Menschheit“. Von Soros bis Bill Gates. Oder der braune Linksextremismus: Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen. Was ist das Wesen der Röte des roten Apfels? Die Rotheit. Oder die Tischheit meines Tischs? Alles Allgemeinbegriffe, die als Ideen mit eigenständiger Existenz unabhängig von den konkreten Einzeldingen als Abstrakta verdinglicht werden. Einziges Gegengift: Nominalismus! Antiessentialismus! Abschied vom Prinzipiellen! Religiöser Glaube als Spiritualität und nicht als verdinglichter Glaube! Warum bin ich Deutscher? Wegen meiner „Deutschheit“? Meinem deutschen Wesen? Was soll das? Ich bin Deutscher, weil ich nicht unabhängig von diesen konkreten „Einzeldingen“ existiere, die ich als Deutsche bezeichne, erkenne und anerkenne (!) – mich, meine Kinder, Familie, mein Volk. Warum bin ich Somewhere? Weil ich hier lebe, wo ich lebe und, wenn ich in andere Länder verreise, dann bin ich ein Reisender, der wieder zurückkehrt, - und kein Migrant, der seine Familie zu Hause sitzen lässt, oder ein Anywhere-Bobo, der nach Los Angeles zum Eis essen fliegt und zuhause im Irgendwo gegen Langstreckenflüge demonstriert. Man kann alles auch konkret beschreiben und braucht nicht im Dunkeln munkeln.

Heinrich Loewe

12. Februar 2019 18:49

@ Hesse
Wolfserwartungsland ist eine absolute Perle der aktuellen TUMULT. Man ist erstaunt und hoch erfreut, daß junge Leute noch so schreiben (können). Das Vorbild Rolf Schilling ist unverkennbar. Ist ja auch im selben Gefilde zu Hause.

Thorsten

13. Februar 2019 02:47

Ich war zunächst fasziniert von Gaulands (bzw. Goodharts) Gesellschaftsanalyse, doch nach längerer Diskussion mit Freunden habe ich die Theorie wieder verworfen.

Das Modell der Anywheres und Somewheres versucht zu erklären, warum die Gesellschaft hinsichtlich der Migrantenfrage gespalten ist: Es liege an der unterschiedlichen Lebenswirklichkeit der beiden großen Gesellschaftsgruppen. Nach Gauland gibt es etwa 50% Somewheres und 20% bis 25% Anywheres (das hat er von Goodhart übernommen). Die letztere Größenordnung passt aber nicht zu der Beschreibung der Gruppe als Entwurzelte, die heute hier und morgen da auf der Welt arbeiten und leben. Diese "Nomaden" bilden niemals 20% der Gesellschaft, eher 2% wenn nicht sogar nur 0,2%! Damit bleiben sie zwar immer noch die kognitive Elite, die in Medien, Universitäten und Politik arbeitet und kulturell den Ton angibt, aber ihre Gruppengröße hat keine Relevanz mehr als Wählergruppe.

Die Gruppe der Anywheres kann man auch nicht einfach ausweiten auf die nächsten 20% Bessergestellten der Gesellschaft, die sich in Enklaven betuchter Wohngegenden zurückzieht, ihre Kinder auf Privatschulen schickt, etc. und sich auf diese Weise von der restlichen Bevölkerung abkoppelt. Denn auf diese Gruppe trifft die Bezeichnung Anywheres nicht mehr zu - sie wären vielmehr eine weitere Gruppe von Somewheres. Ihre Lebenswirklichkeit ist gerade nicht, dass sie nomadisch durch die Welt ziehen. Wir kämen hier zu einer deutlich anderen Gesellschaftsanalyse und reden über drei Gruppen: eine winzige mit großer Ausstrahlungskraft auf die zweite, die sich dank ihres sozioökonomischen Status zurückziehen kann, und eine abgehängte dritte. Dieses Modell erklärt die Spaltung der Gesellschaft zwar weiterhin durch unterschiedliche Lebenswirklichkeiten, jedoch nicht mehr als Kontrast von Anywhere und Somewhere, sondern als Kontrast zwischen arm (den ethnischen Spannungen ausgesetzt) und reich (Möglichkeit zur Einigelung). Außerdem käme in diesem Modell der Ausstrahlungskraft der winzigen Elite eine wesentliche (und noch zu erklärende) Bedeutung zu, während die Ausstrahlung im ursprünglichen Modell keine (Goodhard) bzw. nur eine nebensächliche (Gauland: akademisches Milieu) Rolle spielte. Das Modell von Goodhard/Gauland ist damit hinfällig.

Andreas Walter

13. Februar 2019 06:24

Ich glaube auch, dass man auch von Natur und Wesen sprechen kann. Denn Geist ist es nicht, was auch die Bonobos von den Schimpansen unterscheidet. Das spielt sich im Stammhirn ab und nicht im Frontallappen, was die Einen zum "schmusen" und die Anderen zum draufhauen, treten und beissen motiviert, wenn ein Konflikt auftritt. Wobei auch Bonobos womöglich nicht ganz frei von Gewalt sind, wenn es sich um ein gruppenfremdes Bonobo-Männchen handelt. Zumindest wurde darüber neulich in der Presse berichtet, über so einen Fall, allerdings im Zoo.

https://www.derwesten.de/region/wuppertaler-zoo-bili-bonobo-id216398727.html

Bonobos zählen übrigens auch ganz klar zu den Somewheres. In ihrem Fall könnte man sogar von den Justtheres sprechen. Ihr spezieller Charakter wird nämlich explizit von der besonderen Umgebung und Örtlichkeit, der ökologischen Nische bestimmt, in der sie leben. 4.000 davon existieren derzeit noch in der DRK und sind sehr stark vom Aussterben bedroht.

Ich glaube darum schon, dass die Umgebung auf Dauer auch den Charakter bestimmt, und darum karge Regionen eher die Anywheres hervorbringen, die darum auch in Mobilität und Eroberungen geübt sind. Steppennomaden und Wüstensöhne zum Beispiel, aber auch Paviane.

Was übrigens auch erklärt, warum erst ab etwa 10.000 Dollar-PPP Einkommen im Jahr der Drang zur Migration nachlässt (Versorgungssicherheit):

https://www.nzz.ch/wirtschaft/mit-entwicklungshilfe-laesst-sich-das-migrationsproblem-nicht-loesen-ld.1451697

Wohlhabende, fruchtbare Länder und Regionen waren daher schon immer Anziehungspunkte für die Anywheres, schon seit der Zeit der Jäger und Sammler. Eine dieser fruchtbaren Lebensadern raus aus dem "dunklen" Herzen Afrikas war der Nil. Von dort aber ging es dann immer nur schubweise während der Eiszeiten weiter, durch eine Kombination von Meeresspiegelabsenkung und Klimazonenverschiebung. Allerdings bei weitem nicht in den Massen an Frühmenschen, wie sich derzeit bereits Menschen auf die Suche nach ihrem "gelobten Land" machen. Was jetzt daher kommt ist kein Experiment, sondern ein noch nie in diesen Dimensionen dagewesener sozialer Albtraum, der Europa wegfegen, in eine Jahrzehnte lange Krise führen wird, die, wenn nicht durch eine "Europawirtschaftskrise" oder einen "Europakrieg" noch übertroffen, dann fliessend in die Weltenergie- und eventuell auch Phosphatkrise übergehen wird.

Denn erst kommt das Fressen, dann die Moral. Auch das lehren uns im Grunde die Bonobos. Weil wir aber Menschen sind können wir beides sein, mit einer jeweils dann unterschiedlichen Psyche. Diese Anpassungsfähigkeit besitzt sonst kein anderes höheres Lebewesen auf der Welt.

Man kann daher fast jeden Menschen zum Mörder machen wie auch fast jeden friedfertig bekommen. Das liegt darum einzig und allein an genug Arbeit, sprich Geld, sprich Versorgungssicherheit, sprich Versorgung und Sicherheit, wie sich Menschen dann verhalten.

Leider kann aber auch Deutschland nicht so viele Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, wie jedes Jahr neue Menschen auf der Welt geboren werden.

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/studie-zu-fachkraeftemangel-deutschland-braucht-jaehrlich-260-000-zuwanderer/23974302.html

"The current average population increase is estimated at 82 million people per year."

Deutschland "braucht" davon also nur 0,32%, wobei jetzt schon auch Millionen Jugendliche auch in Europa bereits ohne Arbeit sind. Vom brain drain ganz zu schweigen, den der Entzug selbst von potentiellen Fachkräften dann für ärmere Gesellschaften bedeutet. Teufelskreis.

https://youtu.be/PUwmA3Q0_OE

Gustav Grambauer

13. Februar 2019 07:47

Die Anywheres rasen exponentiell beschleunigt ihrem Abgrund entgegen, habe diese Analyse dreimal gelesen weil sie so köstlich ist, der reine Nektar:

https://www.project-syndicate.org/commentary/political-party-systems-undermining-european-union-by-george-soros-2019-02

- G. G.

Rorschach

13. Februar 2019 08:36

Ein neues Modell um die Lage zu verdeutlichen, halte ich für unverzichtbar. "Irgendwo" und "nirgendwo".

Michael B.

13. Februar 2019 09:31

> Die letztere Größenordnung passt aber nicht zu der Beschreibung der Gruppe als Entwurzelte, die heute hier und morgen da auf der Welt arbeiten und leben. Diese "Nomaden" bilden niemals 20% der Gesellschaft, eher 2% wenn nicht sogar nur 0,2%!

> und reden über drei Gruppen

Ihre neu eingefuehrte Gruppe ist m.E. weniger verschieden, als postuliert. Die Lattetrinker schicken ihre Kinder ueber Erasmus ins Ausland und haben generell schon das gesamte geistige Ruestzeug der anywheres. Sie moegen nicht pausenlos herumreisen, als expat in fuenf Laendern leben usw. usf., aber ihre Wohlgesonnenheit gehoert definitiv dieser wurzellosen Schicht. Zu denen blicken sie (auf?), da moechten sie hin. Und wenn sie es nicht koennen, dann foerdern sie es eben mit ihren Mitteln in Kommunikation des entsprechendem Weltbildes oder eben u.a. auch Wahlen (und die gehen waehlen!).

Reaktion

13. Februar 2019 10:31

"Was für eine Philosophie man wähle, hängt sonach davon ab, was für ein Mensch man ist."

Johann Gottlieb Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, 1794 §5

Tobinambur

13. Februar 2019 10:45

@quarz. Ein zu übereilter Kompromiss wäre der geistigen Durchdringung des Problems abträglich. Den wunden Punkt der beiden Positionen haben Sie aber treffend benannt. Einmal der Konstruktivismus. Das könnte man die Degenerationsform des Nominalismus in den Händen der Anywheres nennen. Die philosophisch solidere Somewhere-Position des Nominalismus heißt Konventionalismus, oder in anderen Worten: Ethos (das Hergebrachte und der Charakter), Tradition, Übertragung, die Verankerung, Verwurzelung, Gewohnheit (im besten Sinn). Der Platonismus dagegen degeneriert in den Händen der Somewheres wie auch der Anywheres zum Totalitarismus, Dogma, Ideologie, Zwang, Phrasen… (das hat Popper – bei aller Problematik – gut erkannt). Warum? @quarz sagt: als „erschlossenes Wesen“. Genau das ist problematisch: das Wesen ist erkenntnistheoretisch unzugänglich, unerschließbar – es sei den man greift zum „Übersinnlichen“ und der „intellektualen Anschauung“, die der deutsche Idealismus erfolglos propagiert hat. Oder man diktiert es par ordre du mufti!
Ich müsste die Wesensschau in die Hände weltlicher Philosophen-Priester-Politiker legen. (Aber das Volk ist kein Gegenstand der Religion oder ein Religionsersatz. Nicht einmal der Ahnenkult der Römer war das. Und wenn es Religionsersatz wird… die Konsequenzen haben wir gesehen.) Genau das tun aber die Anyhere-Universalisten: Das Wesen der Menschheit z.B. wird für sie in ihrer one world-Durchmischung realisiert. Und die Deutschen haben für sie per se kein Wesen, weil sie es so diktieren - und sie können das diktieren, weil sie die Macht haben und weil der Gegenbeweis eben nicht zu erbringen ist. Warum streiten sich die Deutschen seit Jahrhunderten darum, was ihr Wesen ist? Andere Völker hatten zu ihrem Volksbegriff immer einen konkreten, nicht auf’s ontologische Wesen fixierten Zugang. Sie sind es einfach. Die Franzosen z.B. (als es sie noch mehr oder weniger gab). Wir reden statt dessen lieber über unser deutsches Wesen – was nicht heißt, dass wir nicht über das Deutsch-sein reden sollten, aber eben nicht als Narren, die dieses Wesen suchen wie den 12. Spieler in der Fußballmannschaft: den Mannschaftsgeist.

Laurenz

13. Februar 2019 11:10

@Thorsten ..... ich denke nicht, daß Ihr Beitrag Goodhards These widerspricht.

Die bezeichnenden Attribute und Grenzen (Profiteure und Verlierer) sind doch fließend. Alleine schon der Aspekt der Privatschule und die finanzierbare Ignoranz bezüglich der eminenten Geldentwertung verursachen schon hier im Blog Identitätskrisen. Das hat gesessen, sprich getroffen, auf die 12.

Herr Gaulands Gedankengänge sind trotz häufiger Brillanz zutiefst bodenständig. Wie bei den meisten alten (weißen) Männern sinkt die (bestechliche) Todesangst mit der Zahl der erlebten Jahre. Um generell Gaulands Argumente zu reflektieren reicht doch ein Blick in das eigene persönliche Umfeld. Wer kann es sich erlauben, die eigenen Kinder zu mobilisieren, ob nun mit Auto, oder EU-Bahn-Ticket und Airbnb, wer kann das nicht, und wer hält dagegen?  https://www.heise.de/newsticker/meldung/Paris-zieht-gegen-Airbnb-vor-Gericht-und-fordert-Rekordstrafe-4303193.html

Die ewige Mär, alte weiße Männer versauten mit ihren falschen politischen Entscheidungen die Zukunft der jungen Generation sind so lächerlich unwahr, daß wieder mal keiner den nackten Kaiser sieht. Auch junge Akademiker finanzieren in ganz Europa mal rein gar nichts. Die europäische Jugend bezahlt mit ihrem eigenen Steueraufkommen noch nicht mal die Infrastruktur, die sie selbst nutzt. Unter dem Alter von 45 Jahren lebt ganz Europa von den Zuwendungen alter weißer Männer, also von der Substanz. Im Werbesektor haben sich Banken und Automobilindustrie schon lange von der Jugend abgewandt, da ist nichts mehr zu holen. Da gab es schon vor einem Jahrzehnt einen massiven Strategie-Wechsel.

Bei Gustav Grambauer finden Sie den hervorragenden Link zu unserem liebsten Transatlantiker (und größten Anywhere). Dem ist das hiesige Politbüro noch zu groß. Deswegen feindet er ja die alten weißen Männer an, die ihren "eigenen" Kindern und "eigenen" Enkeln noch Zugang zur Bildung und Kultur verschaffen.

Wenn @Andreas Walter, mutmaßlich in deutscher Naivität, in dasselbe Horn bläst, den falschen Link (Tagesspiegel) postet, anstatt den richtigen https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/bertelsmann-stiftung-fordert-jaehrlich-eine-viertelmillion-zuwanderer/ ..... braucht man sich um den Zustand unserer Gesellschaft und die Qualität der Debatte nicht zu wundern. Denn entweder würfelt die Bertelsmannstiftung bei ihren Studien .... Zitat (aus der Jungen Freiheit) - Im Jahr 2015 hatte die Bertelsmann Stiftungnoch eine jährliche Zuwanderung von 500.000 Migranten gefordert. (ag) -Zitatende oder wie Gustav Grambauers Link besagt, tut es Bertelsmann doch weh, wenn die eigenen Verlage mit der Anywhere-Propaganda immer mehr in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Die Argumentationsketten des Tagesspiegels sind vollkommen absurd, trotz aller Unkenrufe, z.B. das indigene Japan existiert noch. 

Natürlich sind auch die Anywheres auf Wasserträger angewiesen. Das führt zu Interessenskonflikten. Solange genug Geld da ist, deutschen Beamten noch ca. 70-72% des letzten Bruttogehalts als Pension (13 Pensionszahlungen per anno) zu zahlen und Angehörige des öffentlichen Dienstes mit mehr als 10 Jahren Dienstzeit quasi den Beamten gleich gestellt sind, besteht immer die Gefahr, daß der deutsche Mob bemerkt, daß die öffentlichen Debatten, vor allem die der aSozialdemokraten um 45% oder 48% Rente, in der Tat lächerlich sind. Und selbst die AfD ist zu blöd, sich hier wirklich weitere 10% Wählerstimmen oder mehr zu holen, was wohl daran liegt, daß man bald selbst entsprechendes Staats-Salaire zu erhalten gedenkt.
Von daher, Thorsten, finden Sie die vom Schorsch in seinem Artikel beschriebene Entwicklung der AfD in den Neuen Ländern nicht umsonst. Alle, die im Westen unseres noch schönen Landes etwas zu erben gedenken, halten die Fresse und leisten sich den Grünen Ablaßbrief, wir haben's doch (noch). In den Neuen Ländern konnten bis 1990 heute alte weiße Männer keine Substanz, die man vererben könnte, aufbauen. 
Wer sich also weitere politische Eskalation wünscht, muß den Westen seines materiellen Erbes berauben.

Reaktion

13. Februar 2019 11:36

Noch ein Gedanke zum Gegensatz von „Anywheres“ und „Somewheres“:
In seiner hochinteressanten und höchst anregenden Studie "The Jewish Century" teilt Yuri Slezkine die Welt in Merkurianer - also mobile Händler, Menschen, die heute überwiegend im Dienstleistungssektor arbeiten - und Apollonianer - also Menschen, die auf ihrem Land leben und es bebauen. Amerika sei nach Slezkine der Inbegriff der Moderne, ein Staat ohne Staatsnation, bestehend aus lauter Minderheiten und daher auch ohne „Fremde“ und ihre Diskriminierung. Das Niederreißen von Grenzen, die offene Gesellschaft, Demokratisierung, Globalisierung, Unionisierung, der freie Fluß von Kapital, Gütern und Dienstleistungen sei Ausdruck des Geistes der Moderne und des im 20. Jahrhundert weltweit herrschend gewordenen „merkurischen“ Denkens. Diesem universellen, "merkurianischen" Wirtschafts- und Gesellschaftstypus, liegt der Dienstleistungsnomade oder auch Peripatetiker wie er von Robert M. Hayden (The cultural ecology of service nomads) bzw. Joseph Berland (No Five Fingers are Alike) und Aparna Rao (The Other Nomads. Peripatetic Minorities in Cross-Cultural Perspective) beschrieben wurde, zugrunde.
Der ewige Konflikt zwischen Nomaden und Sesshaften bildet nach gängiger Auffassung bekanntlich schon den Rahmen der biblischen Erzählung von der Ermordung des Hirten Abel durch den Ackerbauern Kain.
Man könnte, weiter gedacht, letztlich auch auf die Dichotomie von Moderne und Tradition im Sinne der Lehre von der Integralen Tradition (Guenon, Evola u.a.) rekurrieren.

Niekisch

13. Februar 2019 12:48

Heute ist der 13. Februar. Versuchen wir 74 Jahre zurückzudenken, halten wir inne und gedenken wenigstens ein paar Sekunden unserer Vorfahren in der verbrannten Stadt.

Vielleicht lässt dieser Moment der Ruhe den richtigen Ansatzpunkt für die Auseinandersetzung mit dem Gastbeitrag finden, einem Text, der uns in die Gründe und Abgründe unserer Existenz führt. Er zwingt uns, zuerst Fragen zu stellen, um Antworten zu finden:

1. Laufen wir nicht in eine durch andere oder uns selbst gestellte Falle, beschränken unsere Argumentationsmöglichkeiten, wenn wir solche Antagonismen wie "anywhere" und "somewhere" annehmen?

2. Sind nicht beide Begriffe konturlos, gibt es nicht treffendere deutsche Begriffe dafür? Geht "anywhere(s)" überhaupt?

3. Sind "somewhere" a l l e Adressaten der "anywhere" gleichermaßen oder sind die "somewhere" als "Gedanken Gottes" (Herder) alle unterschiedlich?

4. Können wir Deutsche überhaupt in irgendeiner Form "somewhere" wie andere sein, wo wir doch dem Heilsvolk an der Spitze der "anywhere" damals einen eigenen Heilsweg entgegensetzen wollten (Jakob Taubes), dessen Scheitern uns bis heute vom "Tätervolk" zum "Opfervolk" umgeschmolzen hat, das frühere "Opfervolk" hingegen zum "Tätervolk".

5. Wenn es eine Psyche der "anywhere" gibt, welche Psyche besitzen dann wir alle oder jeder einzelne von uns angesichts der kollektiven, von Generation zu Generation übertragenen Traumata der Christianisierung, der Kirchenherrschaft, der endlosen Kette von Kriegen mit Hekatomben von Opfern, des grausamen Psychokrieges mit Ausrottungsandrohungen gegen das deutsche Volk seit den Macy - Konferenzen und der jetzt ins entscheidende Stadium übergehenden Verdrängung vom letzten Stückchen Boden, das uns geblieben ist?

6. Woher rührt die Militanz der "anywhere" wirklich? Ist es wirklich nur der Individualismus? Oder eine gegenüber allen "somewhere" messianistisch gegründete Intoleranz?

7. Wer hat schon seit der Thora von der Auflösung der Völker außer einem Volk in einer Menschheit geträumt, die zum Tempel des Leitvolkes pilgert?

8. Beinhaltet nicht die Analyse Goodharts ein (un)bewußtes Vorbeigehen an den wahren Ursachen des "anywhere", das H.D. Sander mit dem "Auflösen aller Dinge" umschrieben hat?

9. Wenn, wie er mit Ludwig Wittgenstein sagt, der Geist der Moderne vom Heilsvolk bestimmt ist, ist dann nicht auch die Psyche der "anywhere" und der "somewhere" zugleich davon bestimmt?

10. Sind Psyche und Geist voneinander zu trennen? Erwachsen Psyche und Geist "anywhere", "somewhere" oder ganz konkret aus einer Klimazone, einem Erdteil, einer Region, einer Landschaft, einem Ort?

11. Kann es speziell für uns Deutsche überhaupt irgendeine Zukunft in Gesundheit und Glück geben, wenn unsere schon so lange andauernde tiefe Verwundung mit den vielen Brandmalen durch langandauernde Heilung mit positiven, lebensbejahenden Narrativen endlich überwunden wird?

12. Wann zertritt "somewhere" Germania der Lügenschlange "anywhere" den Kopf?

Elvis Pressluft

13. Februar 2019 13:24

Stilfrage (oder auch nicht): Mich irritiert die Begrifflichkeit als solche. Was sich hinter unnötigen Anglizismen verschanzt, ist meist auch analytisch untauglich. Tragender als die hier vorgeschlagene Unterscheidung scheint mir das eingeschriebene Paradox der „Anywheres“, das sich mindestens bis A.D. 1968 (wahrscheinlich viel weiter) zurückverfolgen lässt: Die aus tiefem Selbsthaß entspringende gesuchte und forcierte Bindungslosigkeit – die dann selbst zur Bindung mit Letztbegründungskraft wird. Wer „No Borders“ an Wände schmiert, richtet selbst Abgrenzungen auf – usf. Man beobachte neuerdings den kryptoreligiösen Charakter des rituellen freitäglichen Schulschwänzens „für das Klima“, mitsamt Heiligenverehrung (das stets fällige Wort, dessen eigentliche Bedeutung Journalisten kaum noch kennen, heißt IKONE), die sich auf eine psychisch kranke Jugendliche richtet. Mir scheint es ausreichend, diese Doppelfigur aus Sendungsbewußtsein und Lebenslügen zur Kenntnis zu nehmen. Die grüne Partei ist die Form, die sich diese militante Unwahrhaftigkeit in Deutschland gegeben hat – und ihre derzeitige Popularität berechtigt schon für sich genommen zu den schlimmsten Befürchtungen.

Niekisch

13. Februar 2019 14:07

Bitte Korrektur zu 12:48 Nr. 11. Es muß heißen: "...Brandmalen nicht durch langanhaltende Heilung...

Gotlandfahrer

13. Februar 2019 15:40

Wir legen unsere Mustererkennung über das Geschehen und versuchen schlüssige Erklärungs- und Prognosemodelle zu erzeugen. Was tatsächlich wirkt, werden wir als Teil des Ganzen wohl nie ganz verstehen.

So wie ich es wahrnehme, macht sich ein Großteil des Volkes schlichtweg keine tiefergehenden Gedanken, wird daher auch nie zu so konsequenten Schlußfolgerungen wie hier oder auf der anderen Seite der Barrikade kommen.

Vermutlich wird es wie immer darauf ankommen, welche Geschwindigkeit höher ist: Die der Veränderung oder die der Anpassung. Um in unserem Sinne heilende Zustände überhaupt möglich werden zu lassen, sollte die Veränderungsgeschwindigkeit steigen.

Waldgaenger aus Schwaben

13. Februar 2019 16:38

Erstens halte ich von der Psychologisierung politischer Meinungen wenig bis nichts. Wenn schon psychologisiert wird, dann sollten die Thesen auch empirisch untermauert werden.
Werden (unerwünschte) politische Meinungen psychologisch erklärt, ist der Ruf nach Umerziehung nicht weit, und der Ruf nach der Herausnahme der Kinder aus den Familien damit sie in staatlicher Obhut vor verderblichen elterlichen Prägungen geschützt werden.

Zweitens missfällt mir diese anywheres / somewheres Trennung. Wir guten, einfachen bodenständigen Deutschen gegen die Globalisten. Das ist zu simpel.
Wenn man schon die anywheres / somewheres Trennungslinie zieht, erkennt man schnell, sass sie mitten durch die meisten Menschen hier in diesem unserem Land geht. Damit ist sie für die politische Auseinandersetzung unbrauchbar.

Die Anklänge an die Kampagne gegen die "wurzellosen Kosmopoliten" am Ende der Stalin-zeit sind unübersehbar. Gemeint waren damals die Gleichen, die auch Niekisch hier kaum noch verhüllt nennt.

Das ist nicht nur inhaltlich falsch, damit wird die deutsche Rechte keinen Blumentopf gewinnen und als skurriles Bestiarium rechter Weltuntergangs und -verschwörungssekten enden.

Was Gauland richtig erkannt hat, ist dass die AfD in einen Themennotstand hinein taumelt. Die Eurokrise ist in der öffentlichen Wahrnehmung durch, das Flüchtlingsthema wird auch bald sein. Nicht in der Realität, aber in der öffentlichen Wahrnehmung!

Die AfD braucht ein weiteres Standbein. Die soziale Frage, so wichtig sie ist, kann es nicht sein. Da tummeln sich schon zu viele, und mit genug schuldenfinanzierten Wahlgeschenken lässt sich der Protest noch lange einhegen.
Ein anderes Thema aber liegt offen und un-beackert da. Der Abbau der Demokratie. Weniger denn je hat der Wähler Einfluss auf politische Entscheidungen. Mehr denn je wird versucht, durch politische Propaganda zu manipulieren.

Niekisch

13. Februar 2019 17:20

"Gemeint waren damals die Gleichen, die auch Niekisch hier kaum noch verhüllt nennt. Das ist nicht nur inhaltlich falsch,.."

@Waldgaenger.. 16:38: Wieso bitte ist das inhaltlich falsch? Nicht nur der Anschein spricht dafür, auch der Literaturhinweis der Redaktion.

"Ein anderes Thema aber liegt offen und un-beackert da. Der Abbau der Demokratie". Wieso denn das? Klagt die AfD nicht gerade gegen illegale repressive Maßnahmen des Verfassungsschutzes ? Ständig fordert sie auch plebiszitäre Elemente usw. Was noch? Soll sie die Abschaffung der Staatsschutzdelikte fordern, insbesondere §§ 2130 ff. StGB?

RMH

13. Februar 2019 17:49

"Erstens halte ich von der Psychologisierung politischer Meinungen wenig bis nichts. Wenn schon psychologisiert wird, dann sollten die Thesen auch empirisch untermauert werden.
Werden (unerwünschte) politische Meinungen psychologisch erklärt, ist der Ruf nach Umerziehung nicht weit, und der Ruf nach der Herausnahme der Kinder aus den Familien damit sie in staatlicher Obhut vor verderblichen elterlichen Prägungen geschützt werden. "

@Waldgänger,
was sie mit diesen Formulierungen auch beschreiben (absichtlich?), ist der historisch belegbare klassische Schulterschluss zwischen Psychologie und linkem Denken, der von Freud an bestand hat. Eine Ausprägung davon sind ferner die Denkrichtungen/Schulen, die man landläufig auch mit dem Begriff "Freudomarxismus" beschreibt. Der Freudomarxismus hat aber seine deutlichen Einflüsse auf die 68er, die sog. sexuelle Revolution etc. und damit bis heute.

Hier einfach ein "mag ich nicht" aus nachvollziehbaren konservativen Reflexen anzusetzen, greift deutlich zu kurz. Ganz im Gegenteil, wie ich es bereits in einem anderen Beitrag zu einem anderen Thema gefordert habe, sollte sich gerade die neue Rechte nicht mit einer bloßen Beschäftigung mit Marx im Sinne von "Marx von Rechts" befassen sondern häufiger eben auch mit Psychologie und Sex, den anderen links okkupierten Geländen. Die zu diesem Gastbeitrag in der Diskussion veröffentlichten Debattenbeiträge zeigen die deutlichen Berührungsängste mit bzw. z.T. gänzliche Unkenntnis psychologischer Analyse und entsprechenden Basiswissens auf diesen Gebieten, den eigentlich wird im großen und Ganzen vom Thema abgewichen und es werden eigene Themen, die man für wichtiger hält, platziert etc. (was einen als langjähriger SiN-Begleiter ja leider nicht mehr überrascht). Und bei der Beschäftigung mit der "Psychologie" ist es vollkommen egal, ob Freud und seine Epigonen in der aktuellen praktischen Psychologie überhaupt noch eine Rolle spielen, denn im Bereich des Politischen spielen sie nach wie vor eine Rolle über die Denkschulen und -Muster der 68er, die man doch zumindest als rechter/konservativer erkennen muss. Gerade eben weil mit der Psychologisierung immer auch eine Art von Pathologisierung einhergegangen ist, die zu den bekannten Lagern, Einrichtungen im ehem. Ostblock und bis hin zu den noch bestehenden Umerziehungslagern Chinas und Nordkoreas führt, sollte man die Denkmuster kennen, benennen und argumentativ beantworten können.

Im "Westen" wird seit längerem der pharmakologische Weg beschritten - wer weiß, evtl. gibt es bald die Pille gegen die Hinterwäldler, die Hill Billies, die "Deplorables", allesamt neudeutsch nunmehr eben auch "Somewheres" genannt.

Insofern begrüße ich diesen Beitrag ausdrücklich und würde mir mehr Artikel mit psychologischen und vor allem auch psychiatrischen Hintergründen wünschen.

Also liebe Mitforisten, bitte rann an die Werke von W. Reich & Co, Foucault etc. - ggf. ergänzend auch mal in die "Psychonautik" einsteigen und evtl. ganz praktisch einen Trip werfen (hat E. Jünger schließlich auch gemacht), könnte dem einen oder anderen gut tun (Achtung, Ironie).

Erkenne und Erforsche den Gegner, seine Methoden, sein Denken und setze das eigene dagegen.

Gelddrucker

13. Februar 2019 19:02

Inwiefern ist das Flüchtlingsthema in der öffentlichen Wahrnehmung durch?

Die Straßenbilder werden sich weiter zum negativen verändern und somit wird die Zahl der Widerständler automatisch wachsen.

LotNemez

13. Februar 2019 20:11

Ich komme eben vom Dresdner Heidefriedhof, wo eine Kranzniederlegung zum Gedenken an die Toten des 13.ff Februar stattfand. Wir sangen "Wenn alle untreu werden" Ich unterhielt mich auch mit einem Sudetendeutschen. Der erinnerte sehr an einen tolkienschen Zwerg, eine echte Frohnatur. Auf meine Frage, ob die Sudetendeutschen in Böhmen denn gut vernetzt seien, meinte er, es gäbe da nichts zu vernetzen, er sei wie der Letzte der Mohikaner. Überhaupt sei die Masse nicht wichtig, es zähle die Qualität eines Mannes. Man trage eben Erbe, Gesinnung, Haltung, das alles eben, in sich. Dies sagte er mit einer lebendigen Selbstverständlichkeit, die einem im "Deutschland des Jahres 2019" einfach imponieren muss.

Ich dachte eben beim Lesen der Kommentare: Wenn man alle deprimierten deutschen Intellektuellen erschießen würde, wären am Ende nur Leute wie Sascha Mounk und Jakob Augstein übrig. Ideologen haben es bis zum vorläufigen Scheitern ihrer Ideologie natürlich leicht, positiv zu denken. Aber auch unsere Verzagtheit ist ganz unnötig, zudem kontraproduktiv.

Dagegen hilft, konkret und lösungsorientiert zu denken. Ich liebe die Philosophie, aber am Ende der Gedanken sollte nach Möglichkeit eine Wendung ins Positive kommen, sollte etwas konkretes, griffiges stehen. Es wurde hier schon gesagt, dass uns Konservativen nur das Machbare als Antrieb dienen kann. Ein Luftschloss zu errichten, wie auch einen toten Gaul zu reiten ist unsere Sache nicht.

Was also tun? Der inneren Haltung die nötige Aufmerksamkeit beizumessen, sich von einer Sudetendeutschen Frohnatur eine Scheibe abschneiden, das ist machbar. Gleichgesinnte aufzumuntern, jemanden mit einem freundlichen Schulterklopfen auf die Möglichkeit eines Weges aufmerksam zu machen, das ist machbar.

So stellen wir, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten der „Gemeinschaften ohne Verbindung" (F. Ludwig), des situativ entstehenden und sich zerstreuenden Schwarms einen für Beistehende attraktiven weil beständigen, solidarischen Verbund entgegen.

LotNemez

13. Februar 2019 20:36

P.S. Viele sind irritiert von der Sperrigkeit des Begriffspaares anywhere-somewhere, gehen aber doch im großen und ganzen inhaltlich mit. Ich benutze dafür die Bezeichnungen entortet-verortet synonym und möchte diese hiermit als Alternative vorschlagen. Sie sind, meine ich, in der zeitgenössischen Soziologie bereits etabliert, werden auch im vergleichbaren Kontext benutzt und warten darauf, entlehnt werden.

Waldgaenger aus Schwaben

13. Februar 2019 21:02

@Niekisch
"Klagt die AfD nicht gerade gegen illegale repressive Maßnahmen des Verfassungsschutzes ?"

Nicht klagen, kämpfen!

Mit großer Freude habe ich heute vernommen, dass das Volksbegehren "Rettet die Bienen" in Bayern erfolgreich war. Selbstverständlich haben meine Familie und ich alle unterschrieben.

In Bayern waren seit 1949 erst sieben (mit dem heutigen) Volksbegehren erfolgreich. Drei davon wurden von der kleinen ÖDP, die auch in Bayern nie mehr als 2% der Stimmen erreichte, initiiert. Die beiden anderen waren Nichtraucherschutz in Gaststätten und Abschaffung des bayerischen Senates

Die richtigen Leute, mit dem richtigencpolitischen Gespür und viel Motivation können viel erreichen. In Sachsen gibt es eine ähnliche Volksgesetzgebung wie in Bayern. Was hört man von der größten Oppositonspartei dort? Ausser internen Streiteren?

Die AfD Sachsen könnte das erfolgreiche bayerische Volksbegehren einfach übernehmen. Klassischer Naturschutz sollte ein rechtes Thema sein.

Die AfD könnte auch ein Volksbegehren zur Abschaffung des sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz initiieren oder wenigstens zur Beschneidnung dessen Befugnisse. Wäre lustig zu sehen, wie sich die Linke und die Grünen dazu positionieren.

@RMH
Speziell was Reich angeht, hatte ich mal Kontakt mit einigen Leuten die bei dem oksuren "Bund gegen Anpassung" waren, der mit dem Ahriman-Verlag verbandelt ist. Das war in der Zeit vor dem Internet. Erst im Nachhinein fand heraus aus welcher Ecke deren seltsame Ansichten stammten, die sie sehr rigide vertraten.

Ob die Lektüre der Werke Reichs mir geholfen hätte, bezweifle ich im Nachhinein. Heute würde ich die eher nach der Funktionsweise des Orgonakkumulator fragen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Orgon

In dem wissenschaftlich-technische Umfeld in dem wir uns damals bewegten, wäre das der Ko-Schlag gewesen.

Waldgaenger aus Schwaben

13. Februar 2019 21:20

@RMH
Nachtrag:
Ich hatte in meinem Beitrag nicht nur geschrieben "mag ich nicht", sondern auch, dass psychologische Erklärungen für das Zustandkommen politischer Weltanschauungen, empirisch belegt werden müssen. Nur weil etwas plausibel klingt, muss es noch lange nicht richtig sein.

Nun kenne ich den Freudomarxismus nicht genug, um zu behaupten, dass er gänzlich ohne statistische Belege argumentiert. Dort wo er es nicht tut unterscheidet er sich m.E. qualitiv nicht von Scientology.

Aber das Beharren auf nachprüfbare Fakten ist vielleicht meinem weißen, alten männlichen Denken geschuldet.

RMH

13. Februar 2019 22:15

"Aber das Beharren auf nachprüfbare Fakten ist vielleicht meinem weißen, alten männlichen Denken geschuldet."

Genau zu solch einer faktenbasierten Auseinandersetzung müssen wir ja auch wieder in der Politik zurückkommen. Sie liegen also völlig richtig. Der gesamte psychologisch-sexuelle Komplex wirkt aber bis heute und erklärt sehr viel von dem eigentlich "Irrationalen" in den Positionen des politischen Mainstreams und insbesondere bei den Grünen. Bspw. dieses verbohrte Beharren auf einer weitgehenden Freigabe von Abtreibungen - das lässt sich mit Fakten nicht alleine klären, da muss man die Motivlage kennen.

Themen wie diese sind auch der Hauptgrund, warum ich eine Beschäftigung damit befürworte - wenn es diesen Anlass der aktuellen Wirkmacht durch Links-Grün nicht geben würde, ja dann … dann würde das Ganze zum großen Bereich des potentiell interessanten, aber vermutlich letztlich nutzlosem Wissen zählen, also eher unerheblich.

Niekisch

13. Februar 2019 22:29

"entortet-verortet"

@ LotMez 13.2. 20:36: leider keine Substantive, es geht ja um Personen. Minusseelen dürfen wir heute nicht mehr sagen, deswegen:
Heimatseelen versus Weltseelen (anywhere)

LotNemez

14. Februar 2019 00:46

Diese drei Dinge werden gern vermengt:
1. Psychiater sind Neurologen, also Nervenmediziner.

2. Freud, Reich, Jung waren Psychoanalytiker und hatten mit der

3. Psychologie nicht viel zu tun, die sich weitgehend parallel entwickelte (obwohl es Schnittpunkte gab) die heute an den Unis zu den Naturwissenschaften gezählt wird und die üblicherweise nur das gelten lässt, was sich etwa in Versuchen oder statistisch überprüfen lässt. Was beim Über-Ich nicht der Fall ist.

Die Psychoanalyse gilt daher NICHT als Wissenschaft. chNitsdestotrotz stand sie Pate für diverse erziehungs- sozial- und kriminalwissenschaftliche Theorien, während die Psychologie ihrerseits noch viel deutlicher unserem Leben einen Stempel aufgedrückt hat (jede 3tes Pärchen lernt sich über Datingplattformen mit Matching-Algorithmen kennen) sich aber mittlerweile auch in einer Art Abwehrkampf gegen empiriefeindliche Perspektiven außerhalb ihrer Fakultäten befindet. Als ethisch bedenkliche Forschung angefeindet wurden etwa die Erkenntnisse zur Unterschiedlichkeit der kognitiven Fähigkeiten der Geschlechter.

Will man nun Deutschland auf die Couch legen und ihm bspw. Triebstau oder Penisneid atestieren, ist das zwar kreativ, nur leider wissenschaftlicher Unfug. Das heißt aber noch nicht, dass eine Beschäftigung damit nicht zu interessanten Erkenntnissen führen würde. Denn genau genommen ist so einiges, was hier verhandelt wird, nicht in streng wissenschaftlichem Sinne nachprüfbar. Wie will man z.B. messen, ob der Islam mehr Religion oder Gesellschaftssystem ist? Dafür gibt es dann die Geistes- und Sozialwissenschaften, die andere Möglichkeiten haben, zu ihren Aussagen zu kommen. (Raten)

Und schließlich konnte sich einiges, wie die Akupunktur, die Homöopathie oder eben die Psychoanalyse auch ohne Wirknachweis bzw. ohne Funktionsverständnis durchsetzen. Nicht jedes Geheimnis muss gelüftet werden. Es darf und sollte in unserer Welt noch Raum für das Mysterium geben.

RMH

14. Februar 2019 10:30

@
LotNemez,

den Hinweis, dass die aktuelle Psychologie nicht viel mit ihren "Ahnen" (Freud & Co.) zu tun hat, habe ich mit dem Satz

"Und bei der Beschäftigung mit der "Psychologie" ist es vollkommen egal, ob Freud und seine Epigonen in der aktuellen praktischen Psychologie überhaupt noch eine Rolle spielen, denn im Bereich des Politischen spielen sie nach wie vor eine Rolle über die Denkschulen …"

glaube ich ausreichend gegeben. Aus meiner Sicht braucht sich kein aktueller Psychologe auf den Schlips getreten fühlen, wenn ich die Beschäftigung mit den genannten Gebieten Freud, Reich etc. unter dem Begriff "Feindaufklärung" laufen lassen möchte.

Die aktuelle Psychologie hat hingegen gerade für uns Deutsche wichtige Feldforschungsarbeit geleistet, unter anderem bei der Erforschung von Kriegstraumata und wie diese an die nachfolgenden Generationen, die nicht unmittelbar selbst Betroffene waren, weiter gegeben wurden.

Andreas Walter

14. Februar 2019 10:53

Freud und seine Lehre und Erkenntnisse zu unterschätzen wäre meiner Meinung nach ein schwerwiegender Fehler. Ohne die hätte nämlich auch sein Neffe Edward Bernays niemals so einen Erfolg auch in den VSA gehabt. Natürlich ist es bitter für jeden ehrlichen Menschen zu sehen, wie leicht man dadurch auch Massen von Menschen auch zum negativen hin manipulieren kann, und das auch ständig getan wird. Nicht nur in der Werbung, sondern auch in der Politik, in der Presse und in der Unterhaltungsindustrie. Im Grunde ist Manipulation heute dadurch der Standard geworden, und das Gegenteil eher ein seltenes, aussergewöhnliches, ja, darum sogar bedrohliches Ereignis, nämlich Wahrhaftigkeit.

Doch es gibt eben auch eine feine Kunst, durch die man Lügner entlarven kann, wenn man sie nicht gleich vollkommen nackt dastehen lassen, ihnen die überhaupt nicht vorhanden Kleider vom Leib reissen möchte. Satire zum Beispiel vermag das sehr gut. Um richtig bloßzustellen aber muss man in Massen auftreten, ein richtig grosses Spektakel daraus machen, das nicht mehr übersehen, ignoriert werden kann, egal wie unbequem es auch für den König dann sein mag. Dazu genügt aber nicht die IB, und auch nicht die AfD oder Pegida. Dazu braucht man schon 1 Million Leute, besser aber möglichst alle Wähler der AfD. Alle Andersdenkenden, egal was das nämlich bedeutet. Eine Schlacht um die Freiheit der Rede und Gedanken, egal welche das auch immer sein mögen. Darin liegt nämlich schon immer die Macht der Tyrannen. Wir haben auch vor Gericht nämlich nur die Freiheit zu schweigen, nicht aber auch die Freiheit zu reden.

https://youtu.be/54qxBwQFkeo

Waldgaenger aus Schwaben

14. Februar 2019 11:44

@RMH
"Die aktuelle Psychologie hat hingegen gerade für uns Deutsche wichtige Feldforschungsarbeit geleistet, unter anderem bei der Erforschung von Kriegstraumata und wie diese an die nachfolgenden Generationen, die nicht unmittelbar selbst Betroffene waren, weiter gegeben wurden."

Ich denke oft, dass ich mich in der Gegenwart deshalb so fremd fühle und vieles nicht verstehe, weil ich noch von Männern und Frauen geprägt wurde, die den Krieg intensiv erlebt hatten. Die Großeltern sogar beide Weltkriege.

Wieso z.B. treiben die Deutschen die eigenen Kinder massenhaft ab und begrüßen enthusiastisch Migranten? Ich verstehe es nicht und bin da vermutlich einem konservativen Moslem näher als den meisten Deutschen.

Aber das gehört in das Private und ist vom Politischen zu trennen.

Niekisch

14. Februar 2019 11:49

Die Kernfrage des Artikels ist die Frage nach der Psyche der "anywhere". Und die Anschlußfrage ist diejenige nach der Psyche der "somewhere", besonders der Psyche der Deutschen, da wir uns zuerst um uns selber zu kümmern haben.

Wie weit sind wir da bisher gekommen? Wer arbeitet konkret am Thema? Wer schweift ab? Vielleicht sind meine Fragen im Kommentar v. 13.2. 12:48 nicht zielführend, aber warum werden sie nicht wenigstens argumentativ zurückgewiesen? Die Redaktion geht auf die Bibel zurück, ich auf den Talmud, was aber nicht auf den Tisch kommt (kommen darf?). Ohne ein paar heiße Eisen geht es hier nun einmal nicht. Ohne Bearbeitung der psychischen Verfassung der deutschen Landsleute werden wir hier nicht zu einem Ergebnis kommen, damit wohl auch nicht zu öffentlichkeitswirksamen Aussagen und Losungen.
Vielleicht sollten wir zunächst einmal eine Literatursammlung vornehmen und dann versuchen, in einem zweiten, späteren Durchgang zu konkretisieren. Ich erlaube mir anzufangen:
1. Sander, Dr. H.D., Die Auflösung aller Dinge
2. Mohler, Armin, Was die Deutschen fürchten
3. Schrenck-Notzing, Caspar, Charakterwäsche
4. Obleser, Horst, Odin -Ein Gott auf der Couch-
5. Bauer, Joachim, Schmerzgrenze
6. Picker, Richard, Krank durch die Kirche?
7. Gruen, Arno, Der Fremde in uns
8. Grunenberg, Antonia, Die Lust an der Schuld
9. Katz, Jacob, Zwischen Messianismus und Zionismus
10. Mausfeld, Rainer, Warum schweigen die Lämmer?
11. Rohrmoser, Günter, Deutschlands Tragödie.
12. Felkel, Alain, Aufstand -Die Deutschen als rebellisches Volk-
13. Evola, Julius, Menschen inmitten von Ruinen
14. Velikovsky, Immanuel, Menschheit im Gedächtnisschwund
usw. Literatur aus dem Umfeld von SiN lasse ich weg, da sie hier sicher bekannt ist.

Niekisch

14. Februar 2019 11:55

Noch nachgeschoben:

15. Loewenstein, Rudolph M. Psychoanalyse des Antisemitismus
16. Marcuse, Herbert, Feindanalysen -Über die Deutschen-
17. Stein, Hannes, Moses und die Offenbarung der Demokratie

Urwinkel

14. Februar 2019 12:12

Kennt jemand 'Nowheres' oder 'Everywheres'? Das ist Geheimwissen, das die Schwätzer außen vor lässt. Dahin trauen jene sich zum Glück nicht rein noch ran. Blödsinnige Nachfragen,
die ich kalenderanekdotisch dokumentieren kann, zeugten davon. Vorab genug dabei. Es ist elendig und zermürbend, diese Verblödung dort draußen zu ertragen. Das ist ein hartes Brot. Kein
'schimmliges' - nachhaltige NDW-Schwätzer! Solchen Grinseverpeilten ist kaum noch beizukommen. Die grinsen frech weiter.

heinrichbrueck

14. Februar 2019 14:12

"und bin da vermutlich einem konservativen Moslem näher als den meisten Deutschen"
https://koptisch.wordpress.com/2012/11/22/warum-linke-fur-muslime-gefahrlicher-sind-als-rechte/

links ist wo der daumen rechts ist

14. Februar 2019 20:40

Perdon, ganz klar ist mir nicht, warum man jeden Schmafu der Angelsachsen kommentieren muß, ehe man auch nur ein Wort über Sinn und Zweck einer Methodologie der Gegensätze verliert, die ja zudem nicht ganz neu ist – und auch eine spezifisch deutsche Tradition hat (dies nur am Rande den neurechten „Kindern von Mohler und Meme“ ins Stammbuch).

Ausgehend vom Artikel hätten wir nun als Extrempositionen einerseits „wurzellose Kosmopoliten“, andererseits irgendetwas, das nicht nach „Blubo“ duften will. Naja.

Gehen wir doch einmal zurück in die typisch deutschen Debatten vor, während und nach WK1.
Also z.B. Friedrich Meineckes „Weltbürgertum und Nationalstaat“, Max Schelers „Genius des Kriegs…“, Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ oder Helmuth Plessners „Grenzen der Gemeinschaft“. Hat es sich dabei um strikte Entgegensetzungen gehandelt? Bei genauerer Lektüre doch wohl nicht. Meinecke hat in den folgenden Auflagen die Erfüllung im Nationalstaat doch sanft revidiert, Scheler sprach während des Krieges tatsächlich von einem typisch deutschen Kosmopolitismus, der dem angelsächsischen Krämertum überlegen sei (hier folge ich den glänzenden Ausführungen von Kurt Flasch), Mann ging es bei alldem „um sein Grundbedürfnis nach Balance und Mittlertum“ (Joachim Fest), ähnliches ließe sich auch von Plessner behaupten.

Aber zurück zur Methodologie:
Vom im Kommentarteil etwas zerzausten Sigmund Freud stammt eine relativ wenig beachtete Schrift mit dem Titel: „Über den Gegensinn der Urworte“. Der Jakobson-Kenner Elmar Holenstein hat diese Abhandlung semiologisch reformulierend vom Kopf auf die Füsse gestellt und die Kernthese um das Gegensatzpaar „merkmalhaltige“ und „merkmallose“ Terme angereichert.

Und diese Suche nach dem „Merkmalhaltigen“ ist für mich im Gegensatz zu einer totalitär werdenden Dialektik, einer finalen Exklusion des Anderen oder einem heute kaum noch praktizierbaren „Sprung in den Glauben“ ein verschüttetes Gut deutscher Tradition.

Andreas Walter

14. Februar 2019 23:05

@links ist wo der daumen rechts ist

Da möchte ich Sie doch lieber an Rosenberg et al. verweisen, was die Kompetenz in solch schwierigen Fragen betrifft:

https://www.kuwi.europa-uni.de/de/lehrstuhl/sw/sw1/mitarbeiter/rosenberg/_Rosenberg_Regularitaet-und-Irregularitaet-in-der-Kasusmorphologie-deutscher-Sprachinselvarietaeten-_Russland-Bras_.pdf

Diese Leute wissen mit Sicherheit, was auch die Wörter Dialektik und Dialekt gemeinsam haben, oder warum sich auch Jiddisch signifikant von Deutsch unterscheidet, obwohl doch der Gestehungsort der Gleiche ist.

Zooey

14. Februar 2019 23:28

Einen frühen Anywhere findet man herzergreifend und psychologisch subtil im "Anton Reiser" geschildert. Die Urache wird ohne Umschweife sogleich genannt: die mangelnde Elternliebe. (Kann man umfasend verstehen: Mangel an Liebe zueinander, Mangel an Liebe zu ihren Kinder, Mangel an Liebe zur Welt - und ich meine, klar, nucht in einem sentimentalen Sinn.) Reisers Leben ist sodann dr vergebliche Versuch, diesen Mangel zu kompensieren.

Für die moderne Welt sind solche Gestalten "attraktiv" in dem Sinne, dass ihr Lechzen nach Anerkennung sie zu Höchstleistungen treibt. (Und es geht ja hier - etwas verengt - um sozial erfolgreiche Anywheres.)

Zooey

15. Februar 2019 00:22

Die Frage von @Niekisch nach der deutschen Psyche aufgreifend, denke ich:

1. Die gegenwärtigen Grenzauflöaungen provozieren auch Gegenreaktionen. Beispiel: Die "metoo"-Debatte, wo die Enpfindlichkeit wiederum ins Mass- und Grenzenlose gesteigert wird. Schön und gut - aber wie ist damit in Einklang zu bringen, dass sexuelle und physische Übergriffe von Migranten verharmlost werden. Diesen Eindruck zu haben oder diese Frage zu stellen, hat nichts mit "rechts" zu tun.

2. Mag sein, dass hier einige? die meisten? prinzpiell gegen Einwanderung und/oder Asylrechte sind. Ich nicht. Eben nur gegen MASSENeinwanderung - vor allem wenn damit ein staatlicher Kontrollverlust einhergeht. Hier wäre für mich ganz einfach eine Politik des Augenmasses gefragt.

3. Heimatgefühle sind für mich ganz konkret mit der Landschaft meiner Herkunftsregion verbunden. Mir blutet dann allerdings das Herz, wenn ich sehe, wie diese Landschaft mit Windkrafträdern verschandelt wird. Von "Naturschützern" betrieben! Und wenn mir dann noch ein Einheimischer sagt: Och, sieht aber doch nicht schlimm aus! Ist deutsch womöglich, kein sinnliches Empfinden zu haben?

4. Ich könnte nun die Liste der Befremdlichkeiten (öffentliche Rundfunk! GRENZwerte) fortsetzen, aber um's abzukürzen:

Wie findet man Mass und Grenzen in einer zu Mass- und Grenzenlosigkeit tendierenden Welt? (Um nicht missverstanden zu werden: Grenzüberschreitungen halte ich für eine anthropologische, tendentiell männliche Konstante.)

Wie findet die deutsche Psyche aus ihrem Selbsthass zu einem gesunden Selbstbewusstsein (auch hier: der deutsche Selbsthass ist nicht unverständlich). Begreift man dies als psychologisches Problem, begreift man zugleich, dass moralische Appelle nichts fruchten.

Vielmehr: Natürlich ist das freudianische Schema sehr grob, aber ist der Eindruck so verkehrt, dass die deutsche Psyche stark, zu stark am Über-Ich hängt und an einer eklatanten Ich-bzw. Wir-Schwäche leidet? Das soziale Über-Ich ist derzeit eben links bestimmt - deshalb fällt das eher Rechten auf bzw. bestimmt das Über-Ich die Opposition als rechts.

Franz Bettinger

15. Februar 2019 04:16

@Thorsten: Sie haben dargelegt, warum das Modell Some- gegen Anywhere nicht überzeugt. Aber auch Ihr Modell des Arm gegen Reich überzeugt mich nicht. Ich selbst bin von meiner Lebens-Wirklichkeit her wohl ein Anywhere, doch fühle ich mich nicht so. Ich bin Deutscher, bin es gern und bleibe es auch im Ausland. Ich kämpfe für das Überleben unseres Volkes und trauere (jetzt schon) um sein absehbares Verschwinden. Ich versuche nun, den Riss in der Gesellschaft - denn darum geht es - einmal anders zu erklären. Obwohl auch meine These bruchstückhaft ist. Also:
Die Gutmenschen (mein Wort für das mE deplatzierte Anywheres), die ich kenne, leiden unter dem Gefühl eigener Minder­wertigkeit. Dieses Gefühl haben sie in der Kindheit und Schulzeit entwickelt. Und es ist vermutlich berechtigt. Miese Noten, schlechte Turner, humorlose Typen, die sich selbst als Versager kennengelernt haben. Mit dem Denken haben sie keine guten Erfahrungen gemacht. Denken tut ihnen geradezu weh, und so vermeiden sie es. Mehr, sie stigmatisieren es. Ja, sie wollen, dass die Gesellschaft das Denken so flach hält wie nur möglich. Das ist auch der Grund, warum die heutigen Schulen und Hochschulen zum Gegenteil dessen (reformiert) wurden, was sie einmal waren. Einst Stätten des Intellekts und der Bildung. Heute Verwahr-Anstalten für die Kinder berufstätiger Eltern und Keimzellen für Verdummung, Indoktrination und den neuen Sklavenstaat "Brave New World"! Wenn gesunde Kinder auf Rätsel stoßen, bauen sie ihr Weltbild um, bis es zur Realität passt. Das tun die gestörten erwachsenen Gut- und Defizit-Menschen nicht. Deshalb beginnt unter ihrer Ver-führung schon in der Kita die Ab-Erziehung normalen Verhaltens. Es beginnt die Normopathie: Das Krankhafte wird zur Norm erklärt. Vielehen, Kindersex, Analverkehr, Väter-Hass, Selbsthass, Deutschenhass, Tattoos, 64 Geschlechter und Nasenringe zum Beispiel. Kurz: Der Riss in der Gesellschaft ist der zwischen Leistungsträgern (Performern) und Versagern.

Maiordomus

15. Februar 2019 06:56

@"links, wo der Daumen rechts ist", auch @Tobinambur und zumal Niekisch und noch andere: das klingt in der Tat weder nach "Kersti Wolnow" noch Frau Frey, auch wenn Beiträge jener Art ihren Platz finden mögen. Kurt Flasch gehört zu den Kennern deutscher Mystik, z.B. Meister Eckhart, hat als einer der ausgewiesensten deutschen Intellektuellen der Gegenwart eindrucksvoll seine Lebensgeschichte geschrieben; dabei dargetan, warum er sich nicht als Gläubigen verstehen kann, trotzdem ohne Ressentiment gegenüber seiner katholischen und "altdeutschen" Prägung durch gute Lehrer alter Schule. Nicht leicht bleibt es aber für Sie und andere, geschätzte Kollegen, aus diesen Ihren seriösen Grundlagen eine praktikable politische Theorie als Theorie der Praxis vernünftigen Handelns zu konstruieren, um so zu Handlungsanleitungen gegen den Mainstream der heutigen Politik zu gelangen. Hier haben Länder mit noch älterer demokratischer und föderalistischer Tradition Vorteile, wobei Sie aber selber den "Vorteil" des Nachteils haben, dass Sie Totalitarismen konkret bewältigen mussten. Bleiben Sie dran und verlieren Sie nicht die Geduld. "Mein Geduld hat Ursach" lautet eine neuere Losung von SiN, vielleicht tauglicher als der ältere lateinische Leitspruch *Et si omnes" der heiligen Franziska von Chantal, Weggefährtin des savoyardischen Bildungsapostels Franz von Sales. @links. Sie halten Abstand "von jedem Schmafu der Angelsachsen", wobei der zurecht kritisierte Neusprech meistenteils aber neudeutsche Imitation ist. Im Original klingt es in der Regel etwas weniger dümmlich.

heinrichbrueck

15. Februar 2019 10:14

@ Maiordomus
Es schwingt doch eine gewisse Naivität mit. Ihre Ethik in Ehren, sie klingt vorbildhaft, aber die Demokratie der Schweiz hatte nie diejenigen Feinde am Hals. Hinzu kommt, die Schweiz wurde immer indirekt durch das große Deutschland beschützt. Solange die Pickelhaube an der Grenze stand, konnten die Schweizer Demokratie spielen.
In den Visegradstaaten herrscht auch das politische Denken: Sollen die Deutschen doch Flüchtlinge nehmen, wir bleiben weiß! Gelingt die Umvolkung hier, bleiben die natürlich nicht weiß.
Deutschland mußte auch noch nie Totalitarismen bewältigen, es mußte Todfeinde bewältigen. Deutschland kann nur stark sein. Oder es kann demokratisch fertiggemacht werden. Demokratie ist ein Luxus schwacher Länder.

Maiordomus

15. Februar 2019 10:38

@links, wo der Daumen rechts ist. Wertschätzung für Kurt Flasch, den Sie wie ich als brillanten Autor würdigen, von dem man vieles lernen kann, bedeutet wohl nicht, mit ihm weltanschaulich oder gar politisch übereinstimmen zu müssen. Dies wäre, wenn schon, eher bei Hans Blumenberg der Fall (über den Flasch eine nicht ganz ausreichende Biographie geschrieben hat). Dem modernen deutschen Philosophen des Zeitbegriffs wird vorgeworfen, zeitweilig Ernst Jünger und anderen (geistig unabhängigen Rechten) allzu nahe gestanden zu haben. Eine solche Kritik ist natürlich weder sachlich noch intelligent. Flasch hat aber, wie der in vielem mit ihm in manchem vergleichbare Schweizer Philosoph und Ex-Dominikaner Gonsalv Mainberger über Thomas von Aquin doktoriert, auf welchem Wege er sich in Sachen philosophisches Argumentieren klare Grundbegriffe erarbeitet hat, wie dies sonst zum Beispiel bei Kant-Spezialisten der Fall zu sein pflegt. Solche Denker, siehe Popper, bleiben lesenswert.

heinrichbrueck

15. Februar 2019 11:09

@ Zooey
Feminismus ist Demoralisierung und Herabsetzung der Wehrhaftigkeit. Die Frau glaubt also, sie könne dem Manne das Schwert aus der Hand schlagen, und es gäbe keine Konsequenzen zu befürchten? Zwei Möglichkeiten: der Mann hebt das Schwert wieder auf, Rübe ab oder er bedankt sich; dann kommen stärkere Männer, Gebüsche, Marktplätze, Einzelfälle eben. Schwäche zeugt keinen Respekt. Deshalb haben Frauen (gibt es wenige Ausnahmen?) in der Staatsführung auch nichts verloren. Die Frauen können gegen die Natur wetten, aber die Natur hat mehr Zeit. Und mehr Freiheit, als die germanisch-deutsche Frau ihr Eigen nennen durfte, hatte keine fremde Frau jemals. Hochmut wird immer eine demokratische Institution bleiben. Für ein bißchen Pseudofreiheit und Papiergeld, werden Jahrtausende Familien- und Volksgeschichte geopfert.

Niekisch

15. Februar 2019 11:28

Es ist weiteres, sehr Bedenkenswertes vorgetragen worden, das als facettierte Ziegel in das Dach unseres Denkgebäudes eingefügt werden sollte. Um bei diesem Bild zu bleiben: Wir haben jetzt ein statisches Problem: Wenn bei unserem germanisch-keltisch- christlich - jüdischen deutschen mehrstöckigen Haus das Erdgeschoß im eigenen Grund-und Boden tief verankert ist, das erste Geschoß aufgrund Mitwirkung eines anderen, christlich- jüdischen Architekten seitlich stark verschoben ist, das zweite Obergeschoß wiederum aufklärerisch versetzt, das dritte idealistisch, romantisch, nihilistisch usw. verschoben oder zurechtgerückt ist, dann bleibt uns nichts anderes übrig als von unten bis oben die Beschaffenheit der Geschosse und alle tragenden Wände auf Standsicherheit und inneren Einklang zu prüfen. Das ist, wie @Maiordomus richtig bemerkt nicht leicht und soll letztlich zu vernünftigen Handlungsanweisungen gegen den mainstream führen.

Liege ich falsch, wenn ich meine, daß wir da bisher zum Erdgeschoss nur Gedankensplitter haben? Was läßt sich in den Fundamenten zur Psyche unserer Vorfahren antechristlicher Zeit finden? Was hat sich in Jahrtausenden verändert? Was ist noch heute virulent? Was bedenkenswert, was verwerfenswert?

Meines Wissens ist Horst Obleser (s. 14.2. 11:49) einziger Autor und Wissenschaftler, der nahezu alle psychologisch bedeutsamen, auch in den bisherigen Kommentaren aufblitzenden oder durchscheinenden Elemente unserer frühen, teils bis heute wirkenden, Psyche bearbeitet.
Übers Wochenende werde ich mir die Mühe machen, sein Werk neu zu durchforsten und ein Exzerpt zu liefern, hoffe nur, daß bis dahin nicht der Bademeister zuschlägt.

RMH

15. Februar 2019 12:00

@Zooey,

Sie haben vollkommen recht. Es geht um das rechte Maß - in eigentlich allen Belangen. Wir leben in einer Zeit und Kultur, wo jeder das Maximum will und es auch gewohnt ist, lieber zu viel zu fordern, um dann im Ergebnis zumindest bei dem zu landen, was er eigentlich benötigt und mit dem er zufrieden ist. Keiner beschränkt sich auf sein eigentliches Anliegen mehr, da er sonst Gefahr läuft, dass dieses nicht mehr verwirklicht werden kann, da der andere dies mit seinen Mehrforderungen dann abgräbt. Das ganze wird auch noch wissenschaftlich verbrämt durch diverse Theorien zur Entscheidungsfindung und Verhandlungsführung.

Unter diesen Voraussetzungen ist es in der Tat schwer, wieder das "rechte Maß" zu finden - und dieses Gespür für Verhältnismäßigkeiten, Proportionen und das richtige "Maß" in allen Lebensbelangen zeichnete einmal konservativ-liberales Denken aus. Davon sind leider auch viele Rechte abgekommen, dabei ist rechts eben auch rechtes Maß.

Laurenz

15. Februar 2019 12:05

@LotNemez ... Ihren letzten Beitrag hier haben Sie trefflich formuliert. Ich möchte nicht dagegen argumentieren. Aber haben Sie vielleicht schon mal in Erwägung gezogen, daß z.B. Juristen oder Theologen vielleicht gezwungen sind, wissenschaftlich zu arbeiten, aber keine Wissenschaftler sind? Beruht denn Wissenschaft, auch mit empirischem Beleg nicht auch nur auf einem Glauben? Ist das persönlich errungene Wissen des Einzelnen, ob nun Quellenkunde oder getestet, abseits kindlicher Prägung, nicht immer Wissenschaft?
Don Juan definierte in Carlos Castanedas Werken die Welt (der menschlichen Wahrnehmung) ungefähr in das Bekannte und das Unbekannte. "Das gefürchtete Unbekannte bleibt solange Magie, bis es zum Bekannten wird."

@RMH .... Zitat-Die aktuelle Psychologie hat hingegen gerade für uns Deutsche wichtige Feldforschungsarbeit geleistet, unter anderem bei der Erforschung von Kriegstraumata und wie diese an die nachfolgenden Generationen, die nicht unmittelbar selbst Betroffene waren, weiter gegeben wurden. -Zitatende ...

Ob es nun die Erbsünde aus der Bibel ist, oder die Aufstellungspraxis von Bert Hellinger oder Sie auf psychologische Werke zurückgreifen. Es stimmt wohl, was aber nicht heißt, daß man es hinnehmen müßte. Da viele Mio. Menschen durch die Kriege traumatisiert waren/sind, in meiner Familie beide Großväter und mein Vater, der noch als Kind im letzten Krieg traumatisiert wurde, was bis jetzt, mein Vater ein Herr in hohem Alter ist, nachwirkt. Daher mag es zwar erkenntnisreiche Resultate gegeben haben, aber für die vielen Mio. standen keine Therapieplätze zur Verfügung. Daher einigte man sich meistens auf das Schweigen und vertiefte sich in die Arbeit. Ich selbst konnte mir dann in meiner Generation den aufwendigen Luxus erlauben, die Traumata meiner Altvorderen, die ich ererbte, von mir zu trennen, denn sie gehören ja nicht zu meinem persönlichen Schicksal.

@Niekisch ... Ihr Anliegen bezüglich Ihrer Autorensammlung in allen Ehren, aber haben Sie schon mal darüber nach gedacht, wen Sie damit erreichen möchten? Vor sehr langer Zeit hatte ich mal "Mein Kampf" gelesen und wenn ich mich recht erinnere, rezitierte der Autor über Propaganda-Mechanismen, die er & andere wohl bei den Bolschewisten abgekupfert hatten. Der wichtigste Punkt war, nicht mehr als 5 Themenpunkte zu veröffentlichen unter ständiger Wiederholung, da das Gedächtnis der Masse arg kurz sei. Ich "glaube", daß das, egal, welcher politischen Couleur man zugeneigt ist, stimmt. Ich will nicht gegen die Erkenntnis der Vergangenheit schreiben, aber bisher haben die von Ihnen aufgeführten Werke doch niemanden erlöst, oder? Wie wäre es, wenn Sie etwas neues schreiben würden, was dieser Aufgabe, der Erlösung des deutschen Volkes, gerecht würde?

@Zooey & Franz Bettinger .... mir ist die Frage nach der Verkommenheit der abhanden gekommenen Moral, ob nun Anal-Verkehr oder nicht, etwas zu banal, denn die Frage wabert nur so fast ewig durch die Jahrhunderte. Die Beschwerde über eine überschaubare Entwicklung eines erlebten Niedergangs bleibt immer ein historischer Blick, welcher gefangen hält, ähnlich Karl Mays sogenannter chinesischer Wasserfolter. Damit wird man dann auch gerne vom politischen Gegner festgenagelt, was einen, komischerweise, nicht zum neuen Messias macht. Wäre es nicht günstiger, die eigenen Wünsche und Vorstellungen zur Art der Zusammensetzung einer Gesellschaft, neu zu formulieren, also etwas neues zu erschaffen? Wie sagte Scheidemann, "es lebe das neue"? Ist es nicht so, daß die politische Linke oder von mir aus gerne auch die Anywheres, sich immer als progressiv darstellen, und den Konservatismus als das ewig gestrige? Dabei ignoriert man doch gerne die progressive schwule SA-Führung, wie die Epochen-weisende "Heilige Schar" des hellenistischen Thebens, immer wieder gerne ein Brüller zum Karneval..... historisch nicht ganz korrekt hier .... https://youtu.be/QkWS9PiXekE (Kinder bitte weggucken). Wäre es daher nicht günstig, neuer als die Neuen zu sein?

Laurenz

15. Februar 2019 12:48

@heinrichbrueck ... das Ergebnis ihrer Analyse ist korrekt, aber die Analyse selbst nicht. Auch in deutschen Familien sind Männer schon immer weniger wert gewesen. Das hat rein biologische Ursachen, die sich in der Kultur manifestiert haben. Anders als eine Bärin, kann die Menschenfrau, trotz 10 Liebhabern, nur von einem Manne schwanger werden. Männer können aber, zumindest in ihren besten Jahren, 10 Frauen schwängern, was bedeutet, das Frauen für einen Stamm/Volk unglaublich kostbar sind und Männer weniger. Beobachten Sie bei Hochzeiten Paare. Die Eltern der Frau halten sich in der Regel für etwas besseres, wenn auch meist nur unterschwellig. Aus dem Grund schickt man Männer auch auf die Jagd und in den Krieg (heutzutage ist für beides das Synonym die Arbeit), weil man eher auf sie verzichten kann. Das Volk, daß seine Amazonen in den Krieg schickt, mit der großen Chance, drauf zu gehen, stirbt, einfach eine logische Konsequenz.
Feminismus oder Gleichberechtigung bedeuten den gesellschaftlichen Abstieg der Frau, welches schon gerne im Bolschewismus praktiziert wurde, die Entwertung der Weiblichkeit.
Historisch kam der Notstand, Frauen zur Arbeit zu schicken, in Deutschland im ersten Weltkrieg zum tragen. Im preußisch-französischen Krieg konnte man noch darauf verzichten, Frauen den Nachschub produzieren zu lassen. Im 1. Weltkrieg war das nicht mehr möglich.
Frau Bach, die zweite, Anna Magdalena Bach, konnte mindestens genauso gut Noten lesen und schreiben, wie der Meister selbst. Aber das ist doch gar nicht die Frage, denn die Frage lenkt von des Pudels Kern bewußtermaßen in der gesellschaftlichen Debatte ab.
Frau Schwarzer & Co. wurden fürstlich dafür bezahlt, daß sie der Gesellschaft einredeten, daß Frauen arbeiten sollten. Früher mußte der Lohn eines Mannes für 5 Personen ausreichen. Heute arbeiten in jeder Familie 2 erwachsene Trottel für denselben Lohn oder weniger, anstatt nur einer.
Die Punkte in der deutschen Rechtsprechung, die der Frau wirklich zum Nachteil gereichten, entstanden aus der Ausbreitung des Christentums und fanden sich dadurch in unserem römischen Recht wieder. Laut Tacitus standen germanische Frauen in einem gesunden Verhältnis zu ihren Männern.
Sie, heinrichbrueck, vertreten die römische Haltung. Monty Python schilderte die Problematik schon Ende der 70er ..... für alle ehemals männlichen Lorettas, viel Spaß beim Kinder kriegen.... https://youtu.be/R79yYo2aOZs

Laurenz

15. Februar 2019 12:59

@heinrichbrueck ... die Schweiz entstand im Widerstand zu den Habsburgern (auch Schweizer), also einer damals angehenden Großmacht. Und früher wurde die Lebensart in den Alpen als nicht unbedingt so prickelnd angesehen. Die heutige Schweiz, im Gegensatz zur vormaligen Föderation der Eidgenossenschaft, ist ein Resultat der Eroberung Bonapartes. Und bis in die Neuzeit hinein, war (nach Clausewitz) der politische Zweck, die Schweiz zu erobern, nie groß genug, um die Kosten dafür zu rechtfertigen. Die Schweiz hat freiwillig ca. ein achtel Fremdländer ins Land geholt, weil sie besonders stark unter dem Phänomen des Inzests, also einer großen Masse an Dorfdeppen litt.

RMH

15. Februar 2019 15:24

"Die Schweiz hat freiwillig ca. ein achtel Fremdländer ins Land geholt, weil sie besonders stark unter dem Phänomen des Inzests, also einer großen Masse an Dorfdeppen litt."

@Laurenz,
mit dieser Argumentation befinden Sie sich jetzt in guter Gesellschaft mit W. Schäuble.

Niekisch

15. Februar 2019 17:32

"Wie wäre es, wenn Sie etwas neues schreiben würden, was dieser Aufgabe, der Erlösung des deutschen Volkes, gerecht würde?"

@ Laurenz 15.2. 12:48: Fragen kommen nun mal vor Antworten. Gerne können Sie in der Zwischenzeit auf ca. 900 Artikel und eine Vielzahl von Kommentaren zugreifen, in denen Sie sicher etwas zumindest für Sie Neues finden: https://diskuswerfer.wordpress.com/
Vorläuferblog und Archiv: http://metapolitika.wordpress.com/ Besonders weise ich auf die Kategorie "Metapolitisches" hin mit Texten zu einem "weltanschaulichen Minimum", zu Verhaltenscodici und sonstigen Vorschlägen.

@ Alle: Da auf SiN ein neuer Artikel eingestellt ist, frage ich nach, ob noch Interesse an meinem Vorhaben s. 15.2. 11:28 letzter Satz, besteht.

RMH

15. Februar 2019 18:16

@Niekisch,
ich für meine Wenigkeit habe Interesse.

Maiordomus

15. Februar 2019 18:27

@Laurenz. Die Zahl dieser "Dorfdeppen" wäre kaum kleiner geworden, wenn Sie in die Schweiz eingewandert wären. Ich fürchte das Gegenteil. Ihre Einschätzung meiner autochthonen Landsleute, deren immer wieder als populistisch verschriene Ablehnung autoritärer Herrschaft und jeglicher Art Diktatur über Jahrhunderte nachgewiesen werden kann, entspricht fast haargenau derjenigen Schicklgrubers. Wenn die Bademeister das nicht allmählich selber merken, zweifle ich an deren politischer Intelligenz.

Niekisch

15. Februar 2019 21:13

"ich für meine Wenigkeit habe Interesse."

Dann, @ RMH 15.2. 18:16, stürze ich mich schon Ihnen zuliebe in die Arbeit und bringe ein erstes Zitat für den Einstieg. Der Autor führt fiktive Gespräche mit Gott Odin, der die Erde aufsucht. Dieser: "Es hängt sicher mit der augenblicklichen Umweltbedrohung zusammen, daß den Bäumen wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Mensch braucht den Baum zum Leben. In der Gestalt des Baumes findet der Mensch sein eigenes Bild wieder und die empfindsamen und sensiblen Menschen nehmen den Fluß der Energien im Baum wahr. Aber es gab einen Baum, der als "der Baum" galt! Das war die Weltesche Yggdrasil. Und auf diesen Baum wollte ich Sie hinweisen...Dieser Baum ist mein Baum!"...Das germanische Unbewußte verhält sich in seiner Struktur wie das anderer Völker, aber es besitzt etwas andere Inhalte. Erforschen Sie es".....Es ist die Zeit der Dämmerung und nach vollbrachtem Tagwerk versammeln sich alle Männer in der Halle des Königs, in deren Mitte eine riesige Eiche wurzelt. Ihr Stamm, der auch "Kinderbaum" genannt wird, weil ihn die Frauen zum Lindern ihrer Schmerzen beim Gebären umklammern, trägt das Dach der Halle und ihre Zweige reichen weit darüber hinaus" (Obleser, S.12 ff.)

Sehen wir nicht schon an diesem eher banalen Beispiel die Diversität zwischen "anywhere"-Seele und "somewhere"-Seele, zwischen nomadischer Weltseele und deutscher Heimatseele? Sind wir überwiegend nicht noch immer naturnah -wäldlerisch- romantisch-unhändlerisch-Wanderer wie Odin, aber nicht nomadisch?

Wird fortgesetzt.

Laurenz

15. Februar 2019 22:41

@RMH ... Wolfgang Schäuble ist Alemanne und unterscheidet sich von seinen Schweizer Stammesgenossen nur marginal. Ich, als Franke, bin da, recht zufrieden, außen vor.

Niekisch

16. Februar 2019 11:03

Fortsetzung von 15.2. 21:13:
Obleser, S. 53 ff: "In dem mythischen Gedicht "Der Seherin Gesicht" (Völuspa) schildert die Seherin Völva die Entstehung der Welt. ..Der Schöpfungsbericht der Germanen erscheint in seinen Bildern und seiner Sprache als etwas Schlichtes und Elementares. Er übermittelt uns ein tiefes Naturverständnis, das z.T. erstaunliche Parallelen zu heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen aufweist. So findet sich in der kalten Welt Niefelheims die Vorstellung vom Weltraum, den wir heute mit einer Temperatur von -237 Grad Celsius beschreiben". Zu Beginn besteht nur ein geheimnisvoller, magisch erfüllter Urraum, der in seiner abstrakten Fassung das Nichts beinhaltet und an dem versucht wird, den leeren, unerfüllten Weltenraum begrifflich zu fassen, bis nach völlig apersonaler Entwicklungsgeschichte Ymir und Audhumbla als Erzeuger auftreten. "Es entsteht eine fein ausdifferenzierte Welt", wie die Völuspá erzählt:

"Nicht hatten sie Seele,
nicht hatten sie Sinn,
nicht Lebenswärme
noch lichte Farben;
Seele gab Odin,
Sinn gab Hönir,
Leben gab Lodur
und lichte Farbe".

Ist das nicht ein schönes Bild zur Erschaffung der Menschen? "In der mythischen Ausgestaltung von Ask und Embla findet sich das germanische Mann-Frau-Verhältnis wieder. Beide werden ohne Rangunterschiede beschrieben, aber sie sind nicht "aus einem Holz gemacht". Sie verwirklichen sich dementsprechend in verschiedenen Rollen, ohne einander patriarchal oder matriarchal untergeordnet zu sein" Dennoch stehen die später noch zu beschreibenden männlichen Ideale und Werte einer Ausdifferenzierung der weiblichen Seite entgegen. Hinzu kommt mit der Christianisierung die ungleiche Stellung der Frau gegenüber dem Mann, die bis heute nicht wieder revolviert, also zurückgewendet ist.

Wird fortgesetzt.

RMH

16. Februar 2019 12:27

@Laurenz,
wohne selber in Unterfranken und bei uns wird immer wieder kolportiert, dass der Gauleiter Helmuth alles ab Bad Kissingen kastrieren lassen wollte, da erbgesundheitlich untauglich (diese Legende hat einen historischen Kern, den sog. Dr. Hellmuth Plan, bei dessen Umsetzung es tatsächlich zu eugenischen Maßnahmen wie Sterilisierungen und auch Tötungen kam - und das nicht nur im geringen Umfang).

Mit diesen Inszest-Degenerierungsvorwürfen sollten man also aufpassen - auch als deutscher und vor allem auch als Franke. Und als Franke sollte Ihnen als bekennender Kirchenhasser ja eigentlich auch die Geschichte vom Frankenapostel Kilian bekannt sein, der auf die Einhaltung der strengen Regeln der katholischen Kirche zur Verhinderung von Blutschande bestand und deswegen von einem Mordkommando einer verärgerten Witwe, deren Hochzeit Kilian aus eben diesen Regeln nicht befürwortete, gemeuchelt wurde. Die katholische Kirche mit ihren Strengen Heiratsregeln hat also ihren Teil dazu geleistet, dass die befürchteten Inzest-Degenerationen nicht eintreten. Da waren die Germanen wohl aus anderem Holz geschnitzt.

@Niekisch,
Danke!

Franz Bettinger

16. Februar 2019 22:19

@Laurenz, Majordomus, RMH: Ich empfehle, das Kapitel Inzucht entweder zu schließen oder es von einem Biologen sachkundig vortragen zu lassen. Das Wort Inzucht ist - teils zu Unrecht - negativ konnotiert. Klar gab es in den kleinen abgelegenen Dörfern der Schweiz Inzucht, und zwar bedeutend mehr als sonst wo. Das abzustreiten ist schlicht dumm. ABER: Die negativen Auswirkungen von Inzucht werden im Allgemeinen (und erst recht nach 1945) übertrieben dargestellt. Inzucht ist die Kreuzung genetisch naher Verwandtschaften. Das ist in der Tier und Pflanzen- Welt ("Gott gewollt?") sogar die Regel. Es kann auch vom Menschen gewollt sein. Dann wird es nicht negativ Inzucht genannt, sondern positiv Züchtung. Züchtung von Großem, Starkem, Resistentem, Ertragreichem, Fruchtbarem oder Furchtlosem... . Das tun wir mit Pflanzen und Tieren ganz selbstverständlich. Warum, wenn es schlecht wäre? Es ist nicht schlecht. Man gewinnt durch Züchtung, was man anstrebt. Eher selten treten auch mal unvorhergesehene unerwünschte negative Nebeneffekte auf. Bei erbkranken (oder erb-schwachen) Lebewesen können durch Inzucht vermehrt Erbkrankheiten (oder Schwächen) auftreten. Bei "Erb-Starken" treten hingegen die Stärken noch stärker zutage. Genug damit!

Niekisch

17. Februar 2019 13:31

@ RMH 16.2. 12:27: Gerne geschehen und jetzt im Anschluß an 16.2 11:03 weiter:

Ein wenig zu unseren Vorfahren (Obleser, aaO S. 264 ff.): „Der Ausgangsort der Germanen liegt etwa im Raum von Schleswig- Holstein, Dänemark und Südschweden..In der Bronze- und Eisenzeit breiteten sie sich über Nord-und Mitteleuropa aus und schmolzen eingesessene Stämme , vornehmlich die Kelten und Illyrer, ein oder verdrängten sie. Eine „politische“ Einheit gab es nie, nach neuesten archäologischen Forschungen vielleicht kleinräumig im Bereich des Fundortes der Sonnenscheibe von Nebra (Thüringen). Die soziale Organisation beruhte auf bäuerlichen Sippen und Sippenverbänden mit welchselnder „politischer“ Bedeutung.In die Geschichte treten die Germanen erst durch die Zusammenstöße mit den Römern um die Zeitwende ein. Über 200 germanische Stammesnamen sind überliefert. Als politisch selbständige Gebilde entwickelten sie sich erst seit dem 4. Jahrhundert.
Die Germanen galten im Gegensatz zu den Südländern als hochgewachsen, hellhäutig, helläugig und blond. Von den Anthropologen wurden sie gerne als nordische Rasse bezeichnet. In der Bronzezeit wohnten sie meist in kleineren Siedlungen ,wobei sie in ihren Häusern die Stallungen für die Haustiere unterbrachten. Ihre Kleidung fertigten sie in beachtlicher Webkunst, sie verstanden sich aufs Färben. Wollene Gewänder und Pelze, bei den Männern besonders ein viereckiges Manteltuch und an den Füßen sandalenartige Schnürschuhe, waren ihre Tracht. Während die Frauen das Haar an der Stirn gescheitelt trugen, knoteten bei einzelnen Stämmen die Männer ihr Haar zum bekannten Suebenknoten.
Politisch waren z.B. die Sachsen demokratisch organisiert, bei anderen Stämmen herrschte ein Königtum. Eine Priesterkaste wie bei den Kelten gab es nicht. Sakrale Aufgaben wurden von den Sippenoberhäuptern durchgeführt. Bei Orakelbefragungen hatten die Frauen eine besondere Stellung. Es seien die berühmte Veleda, aber auch Waluburg genannt, eine semnonische Seherin, deren Name im 2. Jh. in Ägypten aufgefunden wurde.

In der Bronzezeit entwickelte sich der Sonnenkult, der bis dahin stark von Gott Ziu, dem nordischen Tyr, beherrscht wurde. Diese Form der Sonnenverehrung schloß sich an den frühindogermanischen Himmelsgottglauben an. Von der Zeitwende an begann sich wohl Wotan (Odin) durchzusetzen, der mit dem neben ihm stehenden Bauerngott Donar (Thor) ein bestimmendes Element des Volksglaubens war. Mit dieser Zeit stimmen die ersten Runenfunde überein. Runen dienten ausschließlich der magischen Praxis, der Beschwörung und Bannung.

Die Germanen besaßen ein hochentwickeltes, allerdings mündliches Kommunikationssystem. Verträge bedurften nicht der Schriftform, da sie durch einfache Rituale bekräftigt wurden. Der Mann schwor bei seinem eigenen Schwert. Das Schwert des Königs wurde als Symbol für den Frieden angesehen. Ein Stab oder Stock bestätigte den Willen eines Mannes. Der Händedruck wurde benutzt, um eine Zahlung zu bestätigen, einen Verlobungsvertrag zu schließen, Rechte und Vollmachten zu übertragen, eine Versöhnung zu bekräftigen.

Auch die religiösen Traditionen waren ausschließlich an die mündliche Überlieferung gebunden. Das Beürfnis nach schriftlicher Aufzeichnung wurde so lange Zeit aufgeschoben.

Der Charakter der Germanen läßt sich auf dem Hintergrund der Persönlichkeit Odins (Wotans) zweifach beschreiben: Auf der einen Seite finden wir eine harte, wuchtige, auf sich gestellte Männlichkeit, auf der anderen Seite den merkwürdigen Hang zum Umherschweifen, der bald beim einzelnen Menschen, bald völkisch aufbricht. Zu Kraft, Stärke, Härte, Widerstandsfähigkeit, die auch mit Kampfgier, Verwegenheit und äußerst entschlossenem Handeln verbunden sein kann, kommen ein starker Hang zu Freiheitswillen und Streben nach Unabhängigkeit. Deshalb wohl auch gehen die Germanen „in die Schlacht“. Die Vielzahl unserer Wanderlieder weist auf den nur bei uns mit schwachem Abglanz noch vorhanden Drang zum Umherschweifen hin, diese frühere Unruhe. Der Geselle „geht auf die Walz“, auch unsere Sprache gibt noch Auskunft: zur Hölle fahren, aus der Haut fahren, Lebensgefährtin usw. Der „Bewegungscharakter“ in der deutschen Sprache ist nicht zu übersehen. Sogar eine Vision des Mystikers Nikolaus von Flüe gibt ihm im „singenden Pilger“ die Ehre.

Singend kommt Odin (Wotan) gewissermaßen aus der Sonne auf die Welt, immer bringt er etwas Veränderndes mit: ein Schwert, eine Botschaft, oder wie bei Flüe die drei geheimnisvollen Worte, die dieser um ein Wissen um die ungeteilte dreifaltige Gottheit erkennt, und das Gefühl der Liebe, die mit einem tiefen Wissen um Himmel und Erde verbunden ist. Hinter dem Archetypus des Wanderers macht sich das Motiv der Gottsuche bemerkbar. Es macht den Menschen unruhig und gequält sucht er. Ein Wanderer ist auf sich alleine gestellt. Dabei scheut er die Konformität und flieht vor der unmittelbaren Begegnung, die er eigentlich sucht. Er entwickelt durch das Auf-sich-selbst-gestellt-sein besondere Autonomie und Individualität, die das Urwissen des Menschen, das dieser auf der Ebene des kollektiven Bewußtseins in sich trägt, um die Suche nach einem Zugang zum „Höheren“ erweitert.

Wie aktuell Wotan - Odin im letzten Jahrhundert geworden ist und auch jetzt noch ist, das versuche ich in der nächsten Folge mit C.G. Jung (Aufsätze zur Zeitgeschichte) anzureißen.

Zooey

17. Februar 2019 21:09

@Niekisch
Vielen Dank für den Hinweis auf Obleser. Im Internet finden sich auch einige Skripte zum Download. Auch zu Odin.

@Laurenz
Ich wollte nicht die Moraltrompete blasen - Obleser s. o. bestätigt übrigens meinen Befund - und bin ganz bei Ihnen: Neues zu wagen. "Siehe, ich mache alles neu."

Wie sieht denn das Neue in ihrer Vorstellung aus?

Laurenz

18. Februar 2019 10:07

@Franz Bettinger ..... ja sicher. In der Tierzucht ist der nationalsozialistische Lebensborn extrem ausgeweitet. Sternenhengste dienen auch der eigenen Enkelin oder Urenkelin. Wegen Kaputt-Verzüchtung des deutschen Schäferhundes kauft die deutsche Polizei belgische Schäferhunde für den Dienst. Bigotterie sorgt immer für Spannungsfelder.

Niekisch

18. Februar 2019 13:25

@ Zooey: Danke für den Hinweis. Zuerst greife ich auf den eigenen Bestand zurück, dann aufs Netz. Das ist vielleicht etwas überholt, hat aber den Vorteil, daß der mainstream weniger Chancen hat. Und nun weiter anschließend an 17.2. 13:31, damit wir unter Verarbeiten von Oblesers Werk (S. 274 ff.) zum Kern kommen:

C.G.Jung hat sich in seinen „Aufsätzen zur Zeitgeschichte“ über das Phänomen der deutschen Psyche 1936 zu Wotan/Odin geäußert im Hinblick auf Deutschland geäußert:“ Daß aber in einem eigentlichen Kulturlande ...ein alter Sturm- und Rauschgott, nämlich der längst im historischen Ruhestand befindliche Wotan wieder , wie ein erstorbener Vulkan zu neuer Tätigkeit erwachsen könnte, das ist mehr als kurios; es ist geradezu pikant. Er ist..in der Jugendbewegung lebendig geworden. Es waren jene blonden Jünglinge (bisweilen auch Jungfrauen), die man als rastlose Wanderer sah auf den Landstraßen vom Nordkap bis nach Sizilien, mit Rucksack und Laute bewehrt, treue Diener des schweifenden Wandergottes. Später, gegen Ende der Weimarer Republik, übernahmen das Wandern die Abertausende von Arbeitslosen, die man überall auf zielloser Wanderschaft traf. 1933 wanderte man nicht mehr, sondern man marschierte zu Hunderttausenden, vom 5-jährigen Knirps bis zum Veteranen. Die Hitlerbewegung brachte wörtlich ganz Deutschland auf die Beine und produzierte das Schauspiel einer Völkerwanderung am Ort. Wotan, der Wanderer, war erwacht“. Jung sah Deutschland damals in einem Zustand der „Ergriffenheit“.

Die Sprache des Dritten Reiches war voll solcher an Wotan/Odin orientierten Bezeichnungen: Der Gott des Windes besaß in seinen germanischen Gauen „Sturmabteilungen“, „Volkssturm“, die abscheuliche Hetzschrift „Der Stürmer“, das Hakenkreuz enthielt linksdrehend entgegen dem alten Glückssymbol einen fälschlich linksdrehenden, an den Wind angelehnten Wirbel, worauf Hitler schon frühzeitig hingewiesen wurde und ihm zugleich der Untergang prognostiziert wurde.

Was machte die Deutschen so empfänglich für solche Symbole? Was für ein Problem trugen sie in ihrer nationalen Seele? Nach den Regeln moderner psychotherapeutischer Techniken haben wahrgenommene Störungen Vorrang und positive Narrative können heilend wirken. Es muß gefragt werden, was es uns Deutschen so schwer macht, ein unbefangenes Verhältnis zu unserer Geschichte zu behalten oder neu freizulegen.

Die Bezeichnung „Deutsche“ findet sich erstmals um 840 n. Chr., abgeleitet vom althochdeutschen „diotisk“= „dem Volk eigentümlich“. Das „gemeine teutsch“ ist in der österreichischen Kanzleisprache 1464 belegt, im 18. Jh. kam die Einigung der Gemeinsprache zustande. Das auf dem mündlichen Volksrecht beruhende lateinisch niedergelegte Stammesrecht wurde später durch das römische Recht mehr und mehr verdrängt.

Nach den ersten brutalen Eingriffen durch die römische Besatzung um die Zeitwende in Kultur- und Rechtsleben der Vorfahren war es dann Karl (d. Gr.), der die von Widukind geführten Sachsen grausam unterwarf, viele Sachsenführer hinrichten ließ und die Irminsul, das germanische Baum-Heiligtum bei Marsberg, zerstören ließ, 785 die Annahme des Christentums erzwang. Die Sachsen nannten fortan Karl den „Schlachter“, der sie das Fürchten gelehrt hatte. Wir wissen, daß Angst und Furcht zwar starke, aber keine guten Lehrmeisterinnen sind. Im psychoanalytischen Sinne bedeutet dies eine Unterwerfung unter das Überich, das hier von Kaiser Karl und einer christlichen Dogmatik repräsentiert wird. Erreicht wird damit übermäßige Anpassung, nicht jedoch echtes eigenes Erkennen und Verarbeiten, was die Verinnerlichung eines guten Objektes ist, auf das sich weitere weitere Erfahrungen in positiver Weise gründen können. Die Unterwerfung kam explizit auch dadurch zum Ausdruck, daß Karl alle Aufzeichnung des germanischen Kulturgutes bei Todesstrafe eintreiben ließ und diese Sammlung von von mehreren Tausend Handschriften durch den Nachfolger Ludwig den Frommen verbrannt wurden. Unersetzliche Dokumente gingen für das Gedächtnis der Menschen verloren. Das Aufeinanderprallen der Kulturen war gewaltig, die ungeheure Grausamkeit, mit der den heidnischen Vorfahren die Götter genommen wurden und das Christentum aufgezwungen wurde, muß in der Tiefe der germanischen Seele eine schmerzhafte Wunde hinterlassen haben. Die Traditionen wurden massiv gebrochen, was zwar einerseits das heimliche Fortbestehen im Volksglauben begünstigte-der Himmelsgott Wotan wurde, wie C.G.Jung es beschrieb, zu nächtlichen Sturmjäger-, andererseits war durch diesen Abbruch der germanischen Entwicklung und das Überstülpen der christlichen Mentalität eine Entwicklungsstörung eingetreten, die im Unbewußten des germanischen Volkes eine massive Traumatisierung zur Folge hatte.

Es ist hier nicht möglich, alle weiteren Traumatisierungen -auch solche, die wir anderen Menschen und Völkern zufügten-, zu schildern, gehe jeder selber auf die Suche und er wird hinsichtlich der Deutschen besonders oft fündig werden. Aus dem bisher schon Dargestellten läßt sich eine tiefe und zeitlich weit zurückreichende Verunsicherung der Deutschen erkennen, die in und nach den beiden Weltkriegen sicher ihren Höhepunkt erreicht hat und bis heute anhält, sich sogar – wie Antonia Grunenberg eindringlich schildert – in eine „Lust an der Schuld“ hineingesteigert hat. Dramatisch beeinträchtigt wurde das deutsche Nationalgefühl und damit ein Teil der Seele durch die Nachkriegsspaltung Deutschlands. Die Teilung war eine unfreiwillige, aber im Unbewußten willkommene Möglichkeit, sich von ungeliebten Anteilen zu distanzieren. Beide konnten es sich erlauben, den „häßlichen Deutschen“ , für jeden allerdings unterschiedlich interpretiert, auf den anderen zu projizieren und bei sich selbst nicht wahrzunehmen. Weit problematischer erscheint aber die von den Germanen herrührende Haltung gegenüber ihren Führern zu sein, die sich nicht nur gegenüber einzelnen Führern zeigt, sondern sich als grundsätzliches Phänomen bemerkbar macht. Wie bei den Einheriern der Walhall wird die Treue und Verpflichtung dem Führer gegenüber als einer der ersten Werte betrachtet. Daraus resultiert eine große Abhängigkeit und es bedarf einiger Anstrengungen, um sich unter solchen Bedingungen ein eigenes Urteil zu bilden und großen Mut, sich evtl. zu einer ungehorsamen Haltung durchzuringen. Vielleicht ist es unter solchen Umständen leichter zu verstehen, daß Zivilcourage nicht unbedingt die Stärke der Deutschen ist. Das geringe nationale Selbstbewußtsein zeigt sich auch an einem ungenügend ausgeprägten Bewußtsein für eigene Werte und Ziele, was sich an der starken Orientierung an Normen und Werten anderer Nationen ober überstaatlicher Ideen und Dogmen bemerkbar macht. Durch die Neigung zur Gefügigkeit geraten sie in Konflikt mit ihren hochentwickelten Idealen, die durch Kunst und Philosophie eine beachtliche Ausdifferenzierung erfahren haben. Das Treue halten wollen führt zur Vernachlässigung bis zur Unterdrückung eigener, persönlicher wie nationaler Ziele. Andererseits entsteht gerade durch diese Haltung ein Gefühl des Zukurzkommens und des Mangels auf den verschiedensten Ebenen. Dies wirkt wiederum auf das aggressive Potential ein, macht ungeduldig, drängt zu Vorherrschaft und Dominanz, für die jedoch nicht genügend echte Eigenverantwortlichkeit entwickelt ist, besonders wenn es an integren Führungspersönlichkeiten fehlt. Der Widerspruch zwischen dem Willen zum Herrschen und Dominieren und den Gefolgschaftsidealen ist von den Deutschen keineswegs bewältigt. Unbewältigt sind auch die kriegerischen Anteile, die wir durch das christliche Element einhegen könnten. Deutschland ist ein noch weitgehend unreifes Gebilde, das noch große Integrationsarbeit an sich selbst erbringen muß, um sich auch als Volk mit ausgereifter Persönlichkeit beweisen zu können.

Wenn wir zu einem ausgewogenen Urteil im Verhältnis zwischen der Psyche der anywhere“ und der „somewhere“ - unter denen wir sicher ein Extremfall sind- kommen wollen, dann müssen wir ganz sicher mit heilenden, positiven Narrativen aus Geschichte, Kunst und Kultur zunächst das Selbstbewußtsein unserer Menschen ins Gleichgewicht zu bringen versuchen. Dabei sollte kein einziges Merkmal unserer vielfach gekränkten Seele unterdrückt oder unbeachtet gelassen werden, der germanische Furor nicht, aber auch nicht das christlich besänftigende Wesen. Vor allen Dingen sollte in A l l e m wahrheitsangenäherter Sichtweise eine Chance gegeben werden und Deutschland, unser heute bloß noch inneres Reich, wird als Beschützerin Europas unter Gleichen neu erstehen können.

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