„Anywheres“ und „Somewheres“ aus David Goodharts Buch The Road to Somewhere. Aber was läßt die Parteien „Volk“ und „Nicht-Volk“ so eskalieren, daß nicht einmal der (von rechts) angebotene Dialog konstruktiv erscheint?
Goodhart differenziert zunächst: Jeder Cosmopolit habe auch auf irgendeine Art eine Verwurzelung, jeder Somewhere erkunde auch die Welt, sei es virtuell oder im EasyJet-Flieger. Das Problem sei die Militanz, mit der ein Teil der Anywheres ihren Machtanspruch durchzusetzen versuchen. Warum und gegen Was sie aus ihrer Sicht kämpfen, läßt sich aus deren Wertevorstellungen ableiten:
Der Individualismus als Grundwert löst prinzipiell von Zugehörigkeit ab, sei es Volk, Religion, Rasse, Geschlecht und Ordnungen. Alles bewegt sich dann nur noch im (extremen) Spannungsfeld von Mensch und Menschheit. Gleichheit wird dabei von Anywheres als Befreiung empfunden, erlöst quasi aus den Beschränkungen von „innen“ und „außen“.
Hier zeichnet sich ein eminenter paradigmatischer Unterschied ab: Wird die Gruppe, in der man lebt, als Bedrohung oder eben als Geborgenheit erlebt? Sind die Grenzen um mich herum eine Verteidigung oder ein Gefängnis? Anywheres neigen zur Interpretation einer „Bedrohung durch Grenzen“, genau, wie etwa auch Identität als bedrohlich empfunden wird – es sei denn, sie ist so durchlässig, daß sie nichts mehr aussagt, wie etwa in der Floskel „Mensch“.
Dies hat meines Erachtens u.a. lebensbiographische Hintergründe. Familie in ihrer Gänze kann und wird von Kindern unbewußt entweder als Geborgenheit oder als Streßfaktor wahrgenommen. Hier entsteht schon im frühen Kindesalter eine prägende Wahrnehmung, die natürlich mehr tendenzieller denn absoluter Natur ist. Wer Gemeinschaft als Bedrohung des Ichs wahrgenommen hat, der meidet instinktiv die Herdplatte der Verbundenheit. Dadurch findet eine „verschiebende“ Projektion von der Mikro- auf die Makroebene statt.
Lebensgeschichtliche Formungen gelangen in eine kollektive Ideologie und kristallisieren sich danach in theoretischen Konzeptionen wie etwa Polyamorie, Genderismus und One-World-Ideologie als Surrogate für „Gemeinschaften ohne Verbindung“. Die Psyche kommt lange vor der Ideologie!
Grundsätzlich gibt es einerseits dabei den tiefsitzenden Erlösungsglauben an eine (Wieder-?) Erlangung eines harmonischen, wertneutralen und ökonomischen Paradieses. Das erkennt man auch beim Kommunismus an der Erzählstruktur. Nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats hört die Erzählung plötzlich auf, man erwartet fast ein „Und wenn sie nicht gestorben sind…“.
Diese Erlösungsphantasie kristallisiert sich nun seit den 68ern auch im Ökologischen. Eine stille, starke Utopie von der Dualität Mensch-Natur, woraus besonders die grüne Ideologie ihre Kohärenz speist.
Um so leichter fällt es andererseits dem ökonomischen Liberalismus bzw. seinen Vertretern in der Politik das Märchen von der künstlichen Intelligenz, dem bedingungslosen Grundeinkommen und dem globalen Anspruch auf gleiche Versorgung aller Menschen und der Umwelt als realisierbares Ziel zu verkaufen. Das ist Größenwahn auf höchstem Niveau.
Goodhart meint, das Problem bestünde vor allem in der Disbalance der Kräfte aufgrund der Machtverteilung. Somit kommt er, in der Hoffnung auf Versöhnung, zu dem naheliegenden Schluß, daß ein moderater Nationalismus konfliktentschärfend sein könnte.
Das wäre jedoch eine Vertagung des Grundproblems, wie es die letzten 50 Jahre eigentlich schon stattgefunden hat, wenngleich ein moderater Nationalismus neue Perspektiven böte. Anywheres und Somewheres leben jeweils in ihren Biotopen Metropole und Nicht-Metropole an – und nebeneinander vorbei.
Nun haben aber seit den 68ern die Anywheres die Schlüsselpositionen der Gesellschaft nicht nur besetzt, sondern arbeiten emsig an der Umgestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinne. Hier leben aber auch die Somewheres und legen mit Trump, Brexit, AfD, Orban etc. ihr Veto ein.
Und exakt hier liegt der neuralgische Punkt: im Nein der Somewheres versinkt das Schaumschloß des anywhereschen Weltkonzepts im Boden der Realität. Im konsequenten Nein der Somewheres spiegelt sich vor allem die Angst über fehlende Selbstwirksamkeit wider und reißt die Globalisten aus dem schwärmerischen Träumen im Selbstkonzept.
Plötzlich wird die Welt unberechenbarer. Schuldig erscheinen aber nicht die unrealistischen Vorstellungen der Zukunft, sondern diejenigen, die zur Auseinandersetzung damit nötigen. So sind aus Sicht der Anywheres die Somewheres, diejenigen, die in die Welt des realexistenten Fortschritts nicht hineinpassen – die „Übrig“gebliebenen.
Sie verhindern, gefährden, blockieren die Erfüllung der Zukunftsvision und müssen als Gefährder natürlich neutralisiert werden. „Nazis raus!“ spiegelt diese infantile Strategie im Wesentlichen am besten wider. Wir haben es hierbei mit einer Massenpsychose zu tun.
Fazit: Die Situation gebietet Vorsicht. Manche Psychotiker schlagen schon mal nach Gespenstern, und nicht immer nur mit verletzenden Worten.
Die alte Bundesrepublik ist längst unwiederbringlich verloren, auch wenn manche Rechtskonservative sich krampfhaft an deren Rettung festhalten. Dafür lohnt es nicht zu bluten, denn von toten Gäulen soll man bekanntlich absteigen.
Wofür wir kämpfen ist das was noch kommen soll, ein neues, selbst-bewusstes und freies Deutschland mit einem deutschen Volk darin. Das ist im Augenblick ein „somewhere“, ein Ort von dem man genau weiß, daß es ihn gibt. Nur der Weg dorthin ist noch nicht ganz klar.
Ein gebuertiger Hesse
"Die Psyche kommt lange vor der Ideologie!"
Schon für diesen Satz, diese Einsicht, ist der ohnehin augenöffenende Beitrag die Lektüre wert. Bitte mehr dergleichen!
Hinsichtlich des großen "Somewhere" für Unsereins sei der Aufsatz "Harz Wolfserwartungsland. Wer wo überleben wird" in der jüngsten Tumult-Ausgabe empfohlen: https://www.manuscriptum.de/werkreihe-tumult/tumult-winter-2018-19.html