Philipp F. Lawler: Der verlorene Hirte

Eine Rezension von Alexander Schmidt

Mas­si­ve Papst-Kri­tik aus der Feder eines glü­hen­den Papst-Ver­eh­rers: Auch die­ser schein­ba­re Wider­spruch ver­wirk­licht sich in dem gegen­wär­ti­gen Pon­ti­fi­kat, ohne dabei eine grö­ße­re Über­ra­schung aus­zu­lö­sen. Zu stark wir­ken die Irri­ta­tio­nen nach, die Hen­ry Sire ali­as Mar­can­to­nio Colon­na mit dem Buch Der Dik­ta­tor­papst aus­ge­löst hat. Sei­ne oft­mals ver­kürz­ten Dar­stel­lun­gen haben das ver­min­te Gelän­de der Aus­ein­an­der­set­zung um Jor­ge Berg­o­lio vor­erst in ein Sperr­ge­biet verwandelt.

Um so mehr erstaunt es, daß die Rol­le des Räum­pan­zers nun ein Reprä­sen­tant des neo­kon­ser­va­ti­ven Estab­lish­ments aus dem Umfeld von Heri­ta­ge Foun­da­ti­on und Geor­ge Bush über­nom­men hat. Es ist der US-Jour­na­list Phil­ipp F. Law­ler. Er lei­tet den katho­li­schen Nach­rich­ten­dienst Catho­lic World News und war Autor für Washing­ton Post und Wall Street Journal.

Auch wenn sich sein Ton im Zuge der Miß­brauchs­kri­se deut­lich ver­schärft hat, ist Law­ler vom Rene­ga­ten­tum mei­len­weit ent­fernt. Zu groß ist sei­ne Bewun­de­rung für Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI., um auch nur einen Mil­li­me­ter Kri­tik an der Ido­li­sie­rung des Papst­am­tes zuzu­las­sen. Und gera­de dies macht sein Buch Der ver­lo­re­ne Hir­te so lesens­wert. Es ist weder ermü­den­de Hier­ar­chie-Kri­tik von links noch ein vor­her­seh­ba­rer Angriff von tra­di­tio­na­lis­ti­scher Sei­te, son­dern eine nüch­ter­ne Ana­ly­se der Doku­men­te und Dis­kus­si­ons­ver­läu­fe des gegen­wär­ti­gen Pon­ti­fi­kats. Dar­aus zieht das Buch sei­ne argu­men­ta­ti­ve Wucht und Bilanz: »Papst Fran­zis­kus (…) desta­bi­li­siert die Weltkirche«.

Die Jah­re nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil sind für Law­ler durch das Rin­gen zwi­schen den libe­ra­len Refor­mern und kon­ser­va­ti­ven Restau­ra­to­ren um die Inter­pre­ta­ti­on der Kon­zils­do­ku­men­te gekenn­zeich­net. Wäh­rend der Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. sei die­ses ein­deu­tig zuguns­ten der Restau­ra­to­ren aus­ge­fal­len. Das Bild des Rin­gens beschreibt für Law­ler gleich­zei­tig die Art des damals geüb­ten Umgangs mit den Kri­ti­kern. Sie sei­en nicht abser­viert wor­den, son­dern blie­ben stets Teil der geführ­ten Debat­ten und erhiel­ten Auf­ga­ben in der Kurie. Die­ser Teil habe unter Anfüh­rung von Kar­di­nal Kas­per beim ver­gan­ge­nen Kon­kla­ve nun obsiegt.

Law­ler legt kennt­nis­reich an vie­len Bei­spie­len dar, wie ab die­sem Zeit­punkt die Agen­da der Libe­ra­len inner­halb der Kurie nach immer dem­sel­ben Mus­ter durch­ge­setzt wur­de. Papst Fran­zis­kus eröff­ne durch unkla­re Äuße­run­gen eine Debat­te, deren Wei­ter­füh­rung und Aus­gang er sei­nen Kar­di­nä­len und deren PR-Agen­ten über­las­se, obgleich es sei­ne Pflicht wäre, für Klar­heit zu sor­gen. Hier wird Fran­zis­kus für ihn zum »Ver­lo­re­nen Hirten«.

Nicht, weil er die Gül­tig­keit des Pon­ti­fi­kats in Fra­ge stellt, son­dern weil, mit Han­nah Are­ndt gespro­chen, der­je­ni­ge ver­lo­ren sei, der nicht rich­tet, obwohl er dazu ver­pflich­tet ist. Gleich­zei­tig prä­sen­tiert Law­ler wie­der­keh­ren­de Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter, mit denen die Reform­kar­di­nä­le unter ande­rem durch Beru­fung auf die päpst­li­che Auto­ri­tät ihre eige­ne Poli­tik machen – und genau dort setzt er den Hebel an. Theo­lo­gi­sche Indif­fe­renz kön­ne kei­ne päpst­li­che Auto­ri­tät bean­spru­chen und der Wider­spruch zu den Geset­zen der Logik und gel­ten­dem Recht ohne­hin nicht. Je mehr Fran­zis­kus die Rich­tungs­ent­schei­dun­gen sei­ner Vor­gän­ger umkeh­re, um so stär­ker unter­mi­nie­re er damit die behaup­te­te Unum­kehr­bar­keit sei­ner eige­nen Weisungen.

Für die Dau­er die­ses Pon­ti­fi­kats emp­fiehlt Law­ler neben dem Gebet, sich am eme­ri­tier­ten Papst zu ori­en­tie­ren und von den Bischö­fen die Klar­heit ein­zu­for­dern, der es Papst Fran­zis­kus man­gelt. Ange­sichts sei­ner her­vor­ra­gen­den Ana­ly­se möch­te man den Autor für die­se Schluß­fol­ge­rung ein­mal kräf­tig durch­schüt­teln und ihm mit Blick auf die Kir­chen­vä­ter, Kir­chen­leh­rer und die kirch­li­che Leh­re selbst zuru­fen: »Es ist die Tra­di­ti­on, die Klar­heit schafft!« Dies igno­riert Law­ler. Sei­ne her­vor­ra­gen­de Ana­ly­se schmä­lert dies nicht. Der ver­lo­re­ne Hir­te ist ein Schlüs­sel­werk für das gegen­wär­ti­ge Pontifikat.

Phil­ipp F. Law­ler: Der ver­lo­re­ne Hir­te, Bad Schmie­de­berg: Reno­va­men 2018. 293 S., 19 € - hier bestellen

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Kommentare (2)

Laurenz

4. Juni 2019 08:01

Nichts gegen das Lesen, aber die Beschäftigung mit einer politischen & kommerziellen kriminellen Vereinigung, welche, schlimmer als die Mafia, bis in das Staatswesen unseres Landes eingreift, die Justiz aushöhlt, kann nur die Aberkennung des Status einer Gesellschaft des öffentlichen Rechts, und einer Vergesellschaftung des Vermögens sein. Ein Eintrag in das Vereinsregister reicht, und damit eine einhergehende Verantwortlichkeit der Vorstände.

Niekisch

4. Juni 2019 20:18

" »Papst Franziskus (…) destabilisiert die Weltkirche«." und zugleich auch Welt der Völker, indem er grenzenlose Zuwanderung von "Flüchtlingen" propagiert.