in der deutschsprachigen Publizistik noch ein unbeschriebenes Blatt. Gefördert von der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung hat der Linkspartei-Politiker Raul Zelik im Linkspartei-nahen Karl Dietz Verlag nun dessen bisheriges Hauptwerk ins Deutsche übertragen.
Wer trotz dieses Linkspartei-Sammelsuriums unvoreingenommen an Landas Buch herantritt, dürfte es nach der Lektüre bereuen. Denn obschon eingangs der Anspruch deutlich wird, der Faschismusdefinition Zeev Sternhells, die hierzulande nicht zuletzt durch Armin Mohler eine relative Popularisierung erfuhr, eine Widerlegung zu bieten, kann dieser Anspruch auf den folgenden Seiten nicht eingehalten werden.
Zur Erinnerung: Sternhells Ansatz mißt Ideologie und politischer Theorie von Faschisten zentrale Bedeutung zu, nicht eventueller Regierungspraxis, Klassenzugehörigkeit der Protagonisten etc.
Sternhells zentrale These ist hierbei, daß der romanische Ur-Faschismus eine dynamische Synthese aus revolutionärem Nationalismus und nichtmarxistischem Sozialismus mit Wurzeln im heterodoxen Syndikalismus darstellt. Daß es für Anhänger sozialistischer und syndikalistischer Ideen ein Ärgernis ist, wenn Teile ihrer Vorläufer zu Vorläufern faschistischer Agitation erklärt werden, ist verständlich, folglich auch, daß man kontern will; nur daß man ein Buch vorlegt und anschließend übersetzen läßt, das sich an seinem Gegenstand verhebt, irritiert.
Ishay Landa will nicht nur das Primat der Ideologie Sternhells zurückweisen, sondern auch dessen Konnex aus Sozialismusrevision und Nationalismus widerlegen, indem er Anstrengungen unternimmt, um dem Faschismus statt einer linken Ahnenkette eine liberale zu verpassen.
Die Faschismen als entartete Kinder des Liberalismus – das hätte streitbares Potential, wenn Landa sein eigenes Vorhaben nicht konterkarieren würde, indem er zu seinem Kronzeugen just Massimo Rocca macht. Rocca, ein italienischer Freimaurer, der bereits 1925 / 26 (!) mit dem Faschismus brach, wird ausführlich zitiert, um die strukturelle Wesensverwandtschaft zwischen Faschisten und Liberalen zu begründen.
Faktisch findet Landa bei Rocca das, was er sucht, aber was sagt das über die Genese der Faschismen überhaupt aus, wenn ein Faschist unter vielen weiteren den Kapitalismus retten wollte, indem er die Last liberaler politischer Institutionen und Menschenbilder über Bord warf?
Was bleibt vom zentralen Argument Landas wider Sternhell, man dürfe die Faschisten nicht zu sehr beim Wort nehmen, wenn er analog vorgeht, nur daß ebenjene (Proto-)Faschisten zitiert werden, die seine Ausgangsthese stärken und nicht diejenige Sternhells?
Ist es nicht ohnehin so, daß Landas Sinndeutung nur alten Wein in neuen Schläuchen vulgärlinker Faschismustheorien bedeutet, die bekanntermaßen vorgaben, daß faschistische Akteure keine unabhängig Handelnden waren, sondern lediglich die militant-barbarische Schutzmacht der Kapitalisten zum Zeitpunkt ihrer größten existentiellen Bedrohung?
Einiger kluger und informativer Abschnitte ungeachtet: Ishay Landas Fleißarbeit ertrinkt in Projektionen und ideologiebedingten Einseitigkeiten. Er ist keineswegs der Gegner, den ein – durchaus angreifbarer – Denker vom Format eines Zeev Sternhell verdient: Ein Lehrling hat hier seinen Meister gefunden, ohne es zu erkennen. Der Leser nimmt ihm dies ab.
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Ishay Landa: Der Lehrling und sein Meister. Liberale Tradition und Faschismus, Berlin: Karl Dietz Verlag 2021. 408 S., 20 €
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