Der Band Die Achse ist hierbei keine Ausnahme. Daniel Hedinger versteht die auf seiner Habilitation (Ludwig-Maximilians-Universität München 2017) beruhende Arbeit als »Beitrag zu einer Globalgeschichte des Faschismus« im Rahmen der »transnationalen Faschismusforschung«, sieht im »glokalen Faschismus« eine »inhärente Globalität« und »transnationale Prozesse kumulativer Radikalisierung« wirken und so weiter und so fort.
Das muß man mögen oder zumindest tolerieren, sonst wird einem die Lektüre recht schnell vergällt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Historischen Seminar der LMU München macht es einem geschichtsinteressierten Leser mit relativem Vorwissen aber auch so nicht unbedingt einfach, sich auf seine geschichtliche Schau der »Achse« zwischen Deutschland, Italien und Japan einzulassen, wenn man ihn an seiner verwendeten Literatur mißt.
Alle drei Länder werden ja für die Zeit ihrer teils widersprüchlichen Kooperation (im Kern: 1936 bis 1945, doch dorthin kommt der Autor erst ab Seite 182) apodiktisch als »faschistisch« eingruppiert – aber weder Ernst Nolte noch sein Gegenspieler Zeev Sternhell tauchen beispielsweise in der Bibliographie auf, ganz zu schweigen von Nischenprofis wie Hans Werner Neulen, obschon Hedinger immer wieder von der Europäisierung und dann Universalisierung des Faschismus spricht. Um ideenpolitische und ideologische Basisdefinitionen steht es denkbar schlecht, und ähnlich verhält es sich immer dann, wenn es nicht um chronologische Detailbeschreibungen geht – dieses Handwerk beherrscht Hedinger –, sondern um Wertungen bzw. Deutungen.
Ein erstes Beispiel: Die Internationalisierung der Achse, indem NS-Deutschland seine Vasallen wie Rumänien oder den Unabhängigen Staat Kroatien dem Dreimächtepakt zwischen Berlin, Rom und Tokio beitreten ließ, entspreche dem »Ideal faschistischer Hierarchisierung«. Aber bitte, wenn dies der Gradmesser sein soll: Was war dann die von Moskau ausgehende und von den Satelliten widerspruchslos zu erduldende dogmatische Führung der Kommunistischen Internationalen (Komintern): Ultrafaschismus?
Ein zweites Beispiel: »Der« Faschismus wird im ganzen als »Antiglobalisierungsbewegung« gefaßt, »die das Heil im Nationalen suchte«. Dabei wird anhand Hedingers präziser Darlegung der deutsch-italienisch-japanischen Außenpolitiken doch deutlich, wie das (als gestrig verlachte) Nationale eben von allen drei Akteuren der Achse zugunsten eines (morgigen) raumgreifenden Imperialen verworfen wurde.
Ein drittes (und letztes) Beispiel unter vielen: Hedinger, der als Japanexperte gelten kann, schildert kenntnisreich die frühen Sympathien der italienischen Faschisten für das nationalchinesische und damit antijapanische Anliegen der Nationalen Volkspartei, der Kuomintang. Führende Faschisten ergriffen ideologisch für den chinesischen Einigungsprozeß Partei, was überdies durch ökonomische Interessen Roms im Fernen Osten verstärkt wurde. Gleichzeitig schildert Hedinger, wie faschistische (Putsch-)Versuche in Japan an der nationalistisch-autoritären Monarchie scheitern mußten.
Hier wäre es spannend gewesen, entsprechende Paradoxien aufzuschlüsseln: Wie konnte es dennoch zur italienisch-japanischen Verschränkung kommen? Wieso ließ man in Rom die damals längst nicht von den Mao-Kommunisten geschlagenen Nationalchinesen ohne weiteres fallen? War die spätere »Achse« vielleicht nicht primär von einer einheitlich faschistischen Ideologie getragen, sondern von sich zum Teil schroff widersprechenden Interessen geostrategischer und geoökonomischer Natur bei epochemachenden gemeinsamen Feindbestimmungen? Ausgerechnet hier, wo Neues zu erschließen wäre, bleibt Hedingers Analyse bruchstückhaft.
Bedauerlicherweise paßt dieses Verdikt ins Bild, das sich schon länger in der Weltkriegssparte der Mainstreamverlage wie C. H. Beck oder Suhrkamp abzeichnet (vgl. die Rezensionen zu Hans Wollers Mussolini-Studie in der 73. und zu Christian Goeschels Mussolini-Hitler-Porträt in der 95. Sezession): Es geht noch nicht mal darum, daß man es hier mit »linken« oder »antifaschistischen« Propagandaschinken zu tun hätte. Die Autoren kann man »mittig« verorten.
Das Problem ist viel fundamentaler: Die Manuskripte erscheinen einfach dürftig.
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Daniel Hedinger: Die Achse. Berlin, Rom, Tokio: 1919–1946, München: Verlag C. H. Beck 2021. 543 S., 29,95 €
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