„Eurabia?“ – Ferguson versah den Titel seines Essays noch mit einem Fragezeichen. Tatsächlich ist die institutionelle Genese dieses geopolitischen Großraumes aber bereits weit fortgeschritten. Seit über dreißig Jahren existiert auf EU-Ebene die „Parlamentarische Vereinigung für euro-arabische Kooperation“ (PAEAC), die einen gigantischen wirtschafts- und kulturpolitischen Komplex dirigiert, der unter dem Logo Euro-arabischer Dialog (EAD) firmiert. Dieser Vereinigung gehören EU-Parlamentarier aus allen etablierten europäischen Parteien an, die höchst erfolgreiche Lobbyarbeit auch auf nationaler Ebene betreiben (Bat Ye’or: Eurabia: The Euro-Arab Axis, Madison 2005). Es besteht ein inzwischen weitverzweigtes Netzwerk verschiedener Organisationen, die maßgeblich mit der Aufrechterhaltung der muslimischen Massenimmigration nach Europa sowie der mentalen Vorbereitung der einheimischen Europäer auf ein Leben mit (oder besser: unter) den islamischen Landnehmern beschäftigt sind. Ihr Einfluß auf Universitäten, Kirchen, Politiker und Medien aller Couleur ist enorm, umgekehrt gibt es so gut wie gar keine kritische Berichterstattung über die Machenschaften und die institutionelle Verankerung der „Eurabier“ in den europäischen Nationen. Man ist fast ausschließlich auf die Veröffentlichungen der einschlägigen Arbeiten von Bat Ye’or angewiesen, eine jüdisch-ägyptische Sozialwissenschaftlerin, die bezeichnenderweise in der akademischen Diskussion europäischer Universitäten nicht vorkommt. Einige ihrer Thesen sind allerdings jüngst von Oriana Fallaci in Die Kraft der Vernunft popularisiert worden. (Oriana Fallaci: Die Kraft der Vernunft, Berlin 2005). Daß die Fallaci vor kurzem als erste Italienerin überhaupt von Papst Benedikt XVI. zu einer Audienz empfangen wurde, kann angesichts des beträchtlichen Einflusses, den der EAD auch in der katholischen Kirche hat, immerhin als ein kleines Hoffnungszeichen gewertet werden.
Alles begann mit dem französischen Gaullismus. Nach der Unabhängigkeit Algeriens reifte unter de Gaulle der Plan eines franko-arabischen Blocks als Gegengewicht zur amerikanisch- israelischen Allianz – nebst informeller französischer Kontrollmacht über die ehemaligen Kolonien. Im Zuge der Ölkrise 1973 gelang es den Franzosen, auch Österreich und Deutschland und in der Folge die übrigen EWG-Staaten auf seine geopolitische Linie einzuschwören. Es scheint, als wäre es mehr der französischen Diplomatie als der (tatsächlich relativ stumpfen) arabischen „Öl-Waffe“ zu verdanken, daß die neun damaligen EWG-Länder am 6. November 1973 in Brüssel „Eurabien“ aus der Taufe hoben. In erster Linie ging es um die Übernahme außenpolitischer Forderungen der Araber gegenüber Israel und um die Anerkennung der Palästinenser und ihrer Rechte als eigenständiges Volk.
Dafür wurden die Europäer bald mit der Wiederanhebung der Öllieferungen belohnt. Die in dieser Situation notwendig gewordene engere außenpolitische Abstimmung unter den europäischen Staaten wirkte als nicht zu unterschätzender Stimulus auf den europäischen Integrationsprozeß. Am Horizont zeichnete sich damals bereits die europäische Alternative zur westlichen Supermacht USA ab. Allerdings hatte der nun einsetzende EAD auch gravierende innenpolitische Folgen für die beteiligten europäischen Nationen. Die neugegründete Zeitschrift Eurabia veröffentlichte in ihrer Juli-Ausgabe von 1975 einen Grundsatzartikel des belgischen PEAECMitgliedes Tilj Declerq, in dem die drei Säulen skizziert wurden, auf denen die Kooperation in Zukunft aufbauen sollte: 1. die europäische Unterstützung der arabischen Israelpolitik sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde (PLO) als Bedingung für wirtschaftliche Kooperation und Rohstofflieferungen, 2. die Bereitstellung muslimischer manpower durch forcierte Immigration nach Europa, 3. die Schaffung eines für Araber günstigen Klimas in der öffentlichen Meinung Europas durch entsprechende medienpolitische Maßnahmen. Der Deal lief also faktisch darauf hinaus, Europas Seele tatsächlich zu verkaufen: kein Blut für Öl, aber Islamisierung für Öl und geopolitischen Einfluß.
Seitdem hat sich der EAD rapide entwickelt. Wichtige Stationen zur übergreifenden Koordinierung der euro-arabischen Kulturpolitik waren zwei Symposien, eines in Venedig 1977, bei dem „Mittel und Formen der Kooperation für die Ausbreitung des Wissens über die arabische Sprach- und Literatur-Zivilisation“ geplant wurden, und eines in Hamburg 1983, bei der Hans-Dietrich Genscher eine servile Eröffnungsrede hielt, und bei der es um Maßnahmen zur Ausweitung der sozialen und kulturellen Rechte der einwandernden muslimischen Arbeiter und Intellektuellen ging. Seit Mitte der eunziger Jahre intensivierte sich der EAD nochmals signifikant. Auf der Euro-Mediterranean Conference im November 1995 in Barcelona wurde das MEDAProgramm (Euro-Mediterranean Partnership Program) beschlossen, das insgesamt rund zehn Milliarden Euro pro Jahrfünft in muslimische Länder pumpt. Ein European Institute for Research on Mediterranean and Euro-Arab Cooperation (MEDEA) wirkt mit seinen nationalen Zweigstellen als wichtiger Meinungsmacher auf die Medien. In Granada wurde eine Euro-Arab Business Management School gegründet, als Vorläufer einer geplanten Universität. Diese und eine Menge anderer eurabischer Institutionen und Netzwerke haben die mentale Disposition der europäischen Bevölkerung seit den siebziger Jahren nachhaltig verändert.
Bat Ye’or beschreibt die rechtliche, sozialökonomische und mentale Situation nichtmuslimischer Bevölkerungsteile in islamischen Staaten mit dem Neologismus „Dhimmitude“, abgeleitet vom arabischen Wort Dhimmi (Schutzbefohlener/ Tributpflichtiger). Seit Jahren legt sie wissenschaftliche Studien zur dreizehnhundertjährigen (Leidens-)Geschichte der von islamischen Eroberern unterworfenen Völker auf drei Kontinenten vor (Bat Ye’or: Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam, München 2002). Diese Studien sind geeignet, sämtliche Mythen der eurabischen Meinungslobby nachhaltig zu zerstören, und das ist auch ihr Zweck (Bat Ye’or: Islam and Dhimmitude. Where Civilisations collide, Madison 2002). Nur leider werden sie in Europas akademischem Milieu kaum rezipiert. Die Ideologeme des Palaestinensianism, der angeblichen multikulturellen Idylle von „Al-Andalus“, der islamischen Ursprünge der europäischen Zivilisation, Edward Saids Kritik am „Orientalism“ und andere fragwürdige Vorstellungen beherrschen fast ungebrochen die europäischen Lehrstühle. Europas Eliten werden auf diese Weise kontinuierlich zur Akzeptanz muslimischer Ansprüche erzogen – in einer Art von vorauseilender psychologischer „Dhimmitude“. Geopolitische Hybris und der Primat ökonomischen Gewinnstrebens haben das Abendland auf eine abschüssige Bahn gelenkt. Wohin die Reise geht, kann man an den Resten der Kopten, Armenier, Libanesen und anderer einst blühender orientalischer Völker studieren.