Wenn Andrew Sullivan, einer der einflußreichsten amerikanischen Blogger, uns in der aktuellen Ausgabe des “Merkur” wissen läßt, warum er bloggt, ist also Vorsicht geboten. Zusammengefaßt lautet die Antwort ungefähr: Weil Bloggen so vorläufig, so lebendig, so egozentrisch, so umgangssprachlich, so grenzenlos, so kommunikativ, so korrigierbar, so vernetzt, so verlinkt, so unmittelbar – mit einem Wort so postmodern ist. Das klingt allerdings ziemlich trostlos. Wer will schon permanent und überall von Vorläufigkeiten angerempelt werden?
Für Informationssüchtige mag es attraktiv sein, sich ständig mit Dingen zu konfrontieren, die sich wenig später schon wieder ganz anders darstellen. Der Rest dürfte dazu gar keine Zeit haben, es sei denn, es handelt sich um morbide Blogger, die eben das zu ihrem Lebenssinn erhoben haben.
Als “Blogger avant la lettre” bringt Sullivan Platon, Pascal, Karl Kraus und Montaigne ins Spiel. Ein wichtiger Hinweis darauf, daß Blogger nicht gleich Blogger ist. Wenn wir jetzt nicht vergessen, daß zu Platons Gespräch immer Sokrates gehört, der die Kunst beherrschte, im Gegenüber eine Erkenntnis zu wecken, daß wir es bei Pascal mit dem Ringen um Gott zu tun haben, daß Karl Kraus’ Rigorosität durch Genialität gedeckt war und daß Montaigne seine Essais an der konkreten sinnlichen Erfahrung ausrichtete, wissen wir, woran wir uns nicht orientieren dürfen: an der “launenhaften Kakophonie” (Sullivan) einer moderierten oder nicht moderierten Kommentarfunktion.
Dahinter steckt nicht die Furcht, daß unsere “Anhänger ungefiltert gar nicht mehr so ‘wahr, gut und schön’ aussehen”, sondern das Wissen, daß der Mensch von sich aus nicht dazu neigt, wahr, gut und schön zu sein. Daß es sich dabei nicht um unabwendbares Schicksal handeln muß, mag als Trost für all jene geeignet sein, die mit uns nach vorne schauen.