Dune – Planet des Widerstands

von Volker Zierke -- PDF der Druckfassung aus Sezession 120/ Juni 2024

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»Demo­kra­tie hält zusam­men«, lügt uns ein Pla­kat frech an. 2024 wird der 75. Geburts­tag des Grund­ge­set­zes gefei­ert, die Bun­des­re­gie­rung läßt sich eine Wer­be­kam­pa­gne sicher­lich nicht wenig Geld kos­ten, wäh­rend ihre Welt um sie her­um zusammenbricht.

Demo­kra­tie hält nichts zusam­men – eher hat­te wohl Bis­marck recht, wenn er behaup­tet, »Blut und Eisen« wür­den »uns« zusam­men­hal­ten. Im Niger putscht das eine Regime das ande­re weg und treibt anschlie­ßend die Ame­ri­ka­ner aus dem Land. In der Ukrai­ne rei­tet der Tod.

Die Welt, die Pla­kat-Desi­gner für die Bun­des­re­gie­rung ent­wer­fen, exis­tiert schlicht­weg nicht. Den »Mythos Grund­ge­setz« gab es nie. Und des­we­gen läßt sich auch nie­mand davon mit­rei­ßen. Die Scha­den­freu­de dar­über, daß das so ist, weicht schnell der Ernüch­te­rung, daß man auch nichts Bes­se­res anzu­bie­ten hat, kei­ne Idee, kei­nen Mythos.

Der Film Dune: Part Two mit sei­ner Geschich­te um einen neu­en Mes­si­as inmit­ten von Macht­po­li­tik erscheint zum rech­ten Zeit­punkt. Und das ist kein Zufall. Die Geschich­te um den Mes­si­as Paul Atrei­des steckt den Fin­ger in die Wun­de. Es ist die Wun­de einer gan­zen Generation.

Die Dune-Ver­fil­mun­gen zei­gen (wie schon die Buch-Vor­la­ge Der Wüs­ten­pla­net von Frank ­Her­bert) ein Sci­ence-fic­tion-Uni­ver­sum, das auf den ers­ten Blick erst ein­mal sehr fremd­ar­tig anmu­tet und den­noch ver­traut wirkt. In der Welt von Dune regiert ein Impe­ra­tor nach dem »Tei­le und herrsche«-Prinzip das Uni­ver­sum. Sei­ne ade­li­gen Lehns­män­ner glie­dern sich in Dynas­tien, nament­lich die Atrei­des und die Harkonnen.

Die Beweg­grün­de der ein­zel­nen Frak­tio­nen sind stets macht­po­li­ti­scher und kei­nes­falls idea­lis­ti­scher oder reli­giö­ser Natur. Nur wer Macht besitzt, kann sein Volk beschüt­zen. Und nur wer sein Volk beschützt, hat eine Macht­ba­sis. Dar­in ist nichts Idea­lis­ti­sches, son­dern etwas kom­plett Kal­tes, Berech­nen­des. Aber es gibt auch Insti­tu­tio­nen und Bünd­nis­se, die ober­halb und neben den Dynas­tien arbei­ten: die Raum­fah­rer-Gil­de zum Bei­spiel, die die Macht hat, mit Hil­fe ihrer über­sinn­lich begab­ten Navi­ga­to­ren das Welt­all zu bereisen.

von einem Pla­ne­ten zum ande­ren will, soll­te sich bes­ser mit die­ser Gil­de gut stel­len. Und dann ist da noch der Lands­raad, das Par­la­ment, in der sich alle Par­tei­en tref­fen und gegen­ein­an­der intri­gie­ren. Eine mys­te­riö­se, von Frau­en geführ­te Geheim­or­ga­ni­sa­ti­on darf auch nicht feh­len – angeb­lich mani­pu­liert sie die Geschi­cke des Uni­ver­sums schon seit Jahrtausenden.

Macht in die­ser Welt hat vor allem, wer das »Spi­ce«, das Gewürz, kon­trol­liert: eine Dro­ge, einen Roh­stoff, der aus­schließ­lich auf dem Wüs­ten­pla­net Dune gefun­den wer­den kann. Der Abbau macht den Unter­neh­mer stein­reich (und damit auch mäch­tig), denn ohne Spi­ce kann kein Raum­schiff der Gil­de irgend­wo­hin flie­gen. Des­we­gen ist es für die Atrei­des – also Her­zog Leto Atrei­des und sein Sohn Paul – auch sehr ver­lockend, als der Impe­ra­tor beschließt, ­ihnen Dune als Lehen anzuvertrauen.

Unend­li­che Macht, unend­li­cher Reich­tum win­ken, und die Erz­fein­de, die Har­kon­nen, sind erst ein­mal aus­ge­boo­tet. (Wenn nun in der end­lo­sen Ana­lo­gie der »rich­ti­gen Welt«, im afri­ka­ni­schen Wüs­ten­land Niger, der Wind sich ändert und neu­er­dings rus­si­sche Wag­ner-Trup­pen statt US-ame­ri­ka­ni­scher GIs patrouil­lie­ren, dann glaubt auch kein Mensch dar­an, daß bei die­sem Vor­ge­hen Gum­mi­be­grif­fe wie »Demo­kra­tie« und »Men­schen­rech­te« eine Rol­le gespielt hätten.)

Es geht und ging immer um Macht. Ein­ge­denk die­ser Tat­sa­che glaubt Her­zog Leto ­Atrei­des nicht ein­mal eine Sekun­de dar­an, daß es sich nicht um eine Fal­le han­deln könn­te – obwohl er mit dem Impe­ra­tor befreun­det ist: In dem Moment, als die Atrei­des-Streit­macht den Boden des Wüs­ten­pla­ne­ten berührt, wird sie sich in einer Welt vol­ler Fein­de befin­den. Und so kommt es auch.

Nach kur­zer Zeit wer­den die Streit­kräf­te Letos über­fal­len und auf­ge­rie­ben, er selbst von einem Ver­trau­ten ver­ra­ten, und wäh­rend er umge­bracht wird, kön­nen sei­ne Frau und sein Sohn Paul in die Wüs­te ent­kom­men. Ihre Häscher, die Har­kon­nen und kurz­fris­tig ver­bün­de­te Impe­ri­ums­trup­pen, sind sich sicher: Dort, jen­seits der gro­ßen Städ­te, wer­den die bei­den bald den Tod fin­den – ent­we­der durch die erbar­mungs­lo­se Hit­ze der Wüs­te selbst oder durch die dort leben­den rie­si­gen Sand­wür­mer, viel­leicht auch durch die Hän­de der Fre­men, der Ein­ge­bo­re­nen, die sich noch gegen jeden Besat­zer auf­ge­lehnt haben.

Wenn wir jetzt wie­der einen Blick ins »rich­ti­ge Leben« wer­fen, dann müs­sen wir fest­stel­len: Ein sol­ches, rein auf Logik, Macht und Geld abstel­len­des Welt­bild hat nicht dazu geführt, daß die Welt auch tat­säch­lich nach die­sen Para­me­tern funk­tio­niert. Im Gegen­teil: Ein gän­gi­ges Nar­ra­tiv von Mei­nungs­ma­chern, Berufs­sta­tis­ti­kern und Gesund­heits­exper­ten ist, daß »unse­re Welt kom­ple­xer wird« – ana­log zu den Intri­gen und Ver­schwö­run­gen und unter­schied­lich ­moti­vier­ten Frak­tio­nen in Dune.

Die­se kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge ver­ste­hen vie­le der dum­men Bür­ger lei­der nicht – und wen­den sich in der Fol­ge Homöo­pa­thie, Rechts­extre­mis­mus und Coro­na-Leug­nung zu. Je kom­ple­xer die Welt, des­to mehr Men­schen grei­fen zurück auf ein­fa­che Erklä­run­gen für die Phä­no­me­ne, die sie nicht verstehen.

In Dune sehen wir, daß das gar kein Wider­spruch sein muß: Also, was, wenn die Welt unse­rer Vor­fah­ren nicht weni­ger kom­plex war? Was, wenn das Got­tes­gna­den­tum nur eine ein­fa­che Erklä­rung für kom­ple­xe Macht­kon­stel­la­tio­nen war – hät­te ein genau­es Wis­sen um die­se Din­ge irgend etwas geän­dert? Ist die Magie in dem Moment ver­flo­gen, in dem wir aner­ken­nen, daß Geld die Welt regiert? Gott ist nicht tot, solan­ge wir ihn nicht töten oder uns bewußt dafür ent­schei­den, ihn nicht zu töten.

Die Bene Ges­se­rit, der erwähn­te Frau­en­or­den in Dune, der sei­ne Fäden lie­ber im Hin­ter­grund zieht, weiß um die­sen Umstand, um die Macht der Mythen und der Reli­gi­on. Des­we­gen haben sie schon vor lan­ger Zeit eine Vor­aus­sa­gung auf dem Wüs­ten­pla­ne­ten hin­ter­las­sen, die es Paul Atrei­des ermög­licht, sich unter den gläu­bi­gen Frem­den als Mes­si­as auf­zu­schwin­gen. Der Knack­punkt: Der Mes­si­as-Kom­plex ist nicht ein­ge­bil­det, son­dern wahr. Paul Atrei­des mani­pu­liert das dum­me Volk also nicht, son­dern schenkt ihnen rei­nen Wein ein. Er sieht die Zukunft klar vor sich, und alles, wor­an er Hand anlegt, gelingt.

Einer der grö­ße­ren Unter­schie­de zwi­schen der Buch­vor­la­ge von Frank Her­bert und der (bis­lang) zwei­tei­li­gen Ver­fil­mung von Denis ­Ville­neuve ist, daß der­je­ni­ge, der sei­ne Beru­fung am kri­tischs­ten sieht, Paul Atrei­des selbst ist – weil er dank einer Zukunfts­vi­si­on weiß, daß sein Erfolg mit 61 Mil­li­ar­den Toten ein­her­ge­hen wer­de. Im Film Dune: Part Two wird die­ser inne­re Kon­flikt ledig­lich auf die äuße­re Ebe­ne ver­scho­ben, so daß Pauls Gelieb­te Cha­ni zum Gesicht des Zwei­fels am Mes­si­as wird. Einen wirk­li­chen Unter­schied macht das frei­lich nicht aus – Pro­phe­zei­un­gen sind da, um erfüllt zu werden.

Man mag in Paul Atrei­des’ Zwei­feln (Buch) bzw. in der Figur Cha­ni (Film) eine Art kri­ti­sche Bre­chung des Kon­zepts des Mythos selbst sehen, einen Fin­ger­zeig dar­auf, daß Füh­rer­fi­gu­ren und reli­giö­se Heils­brin­ger in unse­rer durch­ra­tio­na­li­sier­ten, genüg­sa­men und so furcht­bar fakten­basierten Welt kei­nen Platz haben sollten.

Den­noch schafft es Paul Atrei­des, den Tod sei­nes Vaters zu rächen, führt die Fre­men zum erhoff­ten Sieg, nicht nur über Har­kon­nen, son­dern sogar über den Impe­ra­tor höchst­selbst. Immer alles in Zwei­fel zu zie­hen, über­all Fin­ten, »Psy-Ops« und aus­ge­klü­gel­te Tak­ti­ken zu ver­mu­ten, mag zwar die moder­ne Mög­lich­keit sein, immer recht zu behal­ten, ohne von über­haupt nichts eine Ahnung zu haben, es sagt aber rein gar nichts über die tat­säch­li­che Beschaf­fen­heit der Welt aus.

Daß Mythen wir­ken, dafür steht das Medi­um Kino­film doch selbst. Und Denis Ville­neuve ist sein wil­li­ger Erfül­lungs­ge­hil­fe, indem er das, was Paul Atrei­des will, bild- und ton­ge­wal­tig auf die Lein­wand zau­bert. Ob male­risch schö­ne Land­schafts­pan­ora­men, kämp­fe­ri­sche Anspra­chen von Paul Atrei­des, per­fekt cho­reo­gra­phier­te Kämp­fe: Das reißt mit. Das funk­tio­niert. Selbst wenn es nicht so gedacht sein sollte.

Mit Logik allein funk­tio­niert kein Film. Mit Logik allein läßt sich kein Krieg gewin­nen. Sta­tis­ti­ken und Berech­nungs­mo­del­le mögen für die, die sie gern stu­die­ren, unfehl­bar sein. Aber Instinkt und Füh­rer­qua­li­tä­ten sind im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes unbe­re­chen­bar. Wir nei­gen gern dazu, in Zei­ten zuneh­men­der Tech­ni­sie­rung auf die­se Tech­ni­sie­rung – natur­ge­mäß auf der ratio­nal-prak­ti­schen Ebe­ne ver­or­tet – zu hof­fen. Tik­Tok, Tele­gram, Elon Musk – alles Zünd­stei­ne für eine Gene­ra­ti­on tech­nik­af­fi­ner und erfolgs­be­wuß­ter Rech­ter, die mit ihrer Hil­fe die moder­ne Welt in Brand set­zen möch­te: Nur unse­re Her­zen, die ent­flam­men beim Gedan­ken dar­an nicht so recht.

Dune zeich­net die Welt nicht so, wie sie sein soll­te. Sie zeigt uns auch kei­ne Welt, wie sie in ihrem mytho­lo­gi­schen Zustand ein­mal war. Sie zeigt eine Welt, die von Blut und Eisen zusam­men­ge­hal­ten wird; eine Welt, die aus den Fugen gerät, aber immer­hin ist jemand da, der sie noch zusam­men­zu­hal­ten vermag.

Unser Pro­blem ist nicht, daß auch unse­re Welt aus den Fugen gerät und daß wir nie­man­den haben, der sie zusam­men­hal­ten kann. Unser Pro­blem ist, daß unser Mythos des gemein­sa­men Wider­stands durch kei­nen Elon Musk die­ser Welt erfun­den wer­den kann. Unser Pro­blem ist, daß alles mit dem Her­zen beginnt.

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