Formalismusstreit und Sozialistischer Realismus

PDF der Druckausgabe aus Sezession 121/ August 2024

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von Claus‑M. Wolfschlag –

In der NS-Zeit wur­den Tei­le der Kunst als »ent­ar­tet« bezeich­net. Die­se Metho­de der Aus­gren­zung ist all­ge­mein bekannt, »ent­ar­te­te Kunst« ist zum ste­hen­den Begriff gewor­den. Weni­ger gut im kol­lek­ti­ven Bewußt­sein ver­an­kert ist die Tat­sa­che, daß es auch in der kom­mu­nis­ti­schen Herr­schafts­zeit künst­le­ri­sche Restrik­tio­nen gab. Sie wur­den mit dem Vor­wurf des »For­ma­lis­mus« begründet.

Die Beschäf­ti­gung damit ist lehr­reich, soll­te aber nicht zu ein­fa­chen Reak­ti­ons­mus­tern füh­ren. Weder ist die einst als »ent­ar­tet« oder als »for­ma­lis­tisch« klas­si­fi­zier­te Kunst auto­ma­tisch von son­der­li­chem Wert, noch sind die Wer­ke der offi­zi­ell aner­kann­ten Künst­ler der NS-Ära oder des »Sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus« gene­rell ohne Qua­li­tät. Viel­mehr soll die Beschäf­ti­gung mit den his­to­ri­schen Vor­gän­gen als Lehr­stück über die poli­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­rung des Kul­tur­schaf­fens dienen.

Nach der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on 1917 erfolg­te in Ruß­land rasch poli­ti­sche Ein­fluß­nah­me auf die Kunst mit dem Ziel, sie für die päd­ago­gi­sche Erzie­hung des Vol­kes hin zum Kom­mu­nis­mus nutz­bar zu machen. Lenin for­mu­lier­te einen »Plan zur Monu­men­ta­len Pro­pa­gan­da«. Ana­log dazu äußer­te 1928 in Deutsch­land der kom­mu­nis­ti­sche Dra­ma­ti­ker Fried­rich Wolf, Vater des spä­te­ren Chefs des DDR-Aus­lands­nach­rich­ten­diens­tes Mar­kus Wolf: »Kunst ist Waffe.«

Inner­halb die­ser Ideo­lo­gie exis­tier­te anfangs ein Stil­plu­ra­lis­mus aus ver­schie­de­nen Strö­mun­gen. Die soge­nann­te rus­si­sche Avant­gar­de, also Supre­ma­tis­ten wie Kasi­mir Male­witsch und Kon­struk­ti­vis­ten wie El Lis­sitz­ky oder Wla­di­mir Jew­gra­fo­witsch Tat­lin, konn­te eine bedeu­ten­de Rol­le im staat­li­chen Pro­pa­gan­da­ap­pa­rat über­neh­men. Rasch aller­dings bemerk­te die Par­tei­füh­rung, daß die gro­ßen­teils abs­trak­ten avant­gar­dis­ti­schen Kon­zep­te nur spär­li­chen Anklang bei der brei­ten Bevöl­ke­rung fan­den. Es galt, nach ande­ren Rezep­ten zu suchen.

Der »Sozia­lis­ti­sche Rea­lis­mus« wur­de erst­mals 1932 als künst­le­ri­sche Metho­de der sowje­ti­schen Lite­ra­tur erwähnt. Er ent­wi­ckel­te sich aus Lenins Abbild­theo­rie, nach der sozia­lis­ti­sche Kunst im Gegen­satz zu den Ver­zer­run­gen bür­ger­li­cher Kul­tur eine Wider­spie­ge­lung der Wirk­lich­keit sei. Sie ist somit ein Gip­fel­punkt aller vor­an­ge­gan­ge­nen künst­le­ri­schen Metho­den in der Erken­nung der real exis­ten­ten Objek­te. Das Leben und das Ziel der Arbei­ter­klas­se soll­ten dadurch erfaßt und ästhe­tisch gewer­tet werden.

Da Kunst und Poli­tik als untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den betrach­tet wur­den, schaf­fe die Wirk­lich­keits­ab­bil­dung des »Sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus« gesell­schaft­li­ches Bewußt­sein. Dem stün­den aber »spät­ka­pi­ta­lis­tisch-moder­nis­ti­sche« Metho­den gegen­über, die nicht die Rea­li­tät abbil­de­ten, son­dern völ­lig frei dem Schöp­fer­tum eines indi­vi­du­el­len Künst­lers ent­sprun­gen sei­en. Da aber Plu­ra­lis­mus und indi­vi­du­el­les Kon­kur­renz­ver­hal­ten den kul­tu­rel­len Fort­schritt hem­men wür­den, müs­se dem bür­ger­li­chen Kul­tur­ver­fall ent­ge­gen­ge­wirkt werden.

Die dar­ge­stell­ten Figu­ren in »sozia­lis­tisch-rea­lis­ti­schen« Kunst­wer­ken hat­ten dem­nach kei­nen Eigen­cha­rak­ter, son­dern fun­gier­ten als Iko­nen für eine durch sie dar­ge­stell­te Moral. Die Dar­stel­lung war meist agi­ta­to­risch. Der künst­le­ri­sche Inhalt hat­te sich dem­ge­mäß auf die Dar­stel­lung der Arbeits­welt und tech­ni­scher Pro­zes­se zu redu­zie­ren. Wirk­lich­keits­dar­stel­lun­gen in Kunst­wer­ken muß­ten ideo­lo­gisch umge­formt wer­den, um der Erzie­hung der Rezi­pi­en­ten zu dienen.

Ein­fach­heit und Volks­tüm­lich­keit wur­den pro­pa­giert, was bedeu­te­te, daß die Inhal­te für die brei­ten Mas­sen rasch ver­ständ­lich trans­por­tiert wer­den soll­ten. Gefähr­li­che Situa­tio­nen wur­den im Rah­men der Dar­stel­lung mit pau­scha­li­sie­ren­den Gefüh­len wie Sen­ti­men­ta­li­tät oder Haß beant­wor­tet. Eigent­lich trau­ri­gen Ereig­nis­sen wur­de eine opti­mis­ti­sche, uto­pisch-auf­bruch­haf­te Stim­mung gege­ben. Als Per­spek­ti­ve galt der Klas­sen­kampf aus Sicht der Arbei­ter und Bauern.

Die­se Beschrän­kung der künst­le­ri­schen Sujets ging ein­her mit einer Aus­wei­tung der Büro­kra­tie, deren Auf­ga­be die Über­wa­chung des künst­le­ri­schen Gesche­hens war. 1936 schuf die KPdSU mit dem Komi­tee für Kunst­an­ge­le­gen­hei­ten ein Instru­ment, mit dem direkt Ein­fluß auf die wei­te­re kul­tu­rel­le Ent­wick­lung in der Sowjet­uni­on genom­men wer­den konn­te. Dazu gehör­te eine in den drei­ßi­ger Jah­ren auf­bran­den­de Kam­pa­gne gegen den »For­ma­lis­mus«.

Die­ser Begriff war zuerst von den Kon­struk­ti­vis­ten ver­wen­det wor­den. Sie woll­ten mit ihm zum Aus­druck brin­gen, daß eine neue Form auch zwangs­läu­fig zu neu­en Inhal­ten füh­re. Somit habe die Form Ein­fluß auf das mensch­li­che Bewußt­sein, was die Kon­struk­ti­vis­ten im »pro­gres­si­ven« Sinn zu nut­zen ver­such­ten. Unter »For­ma­lis­mus« wur­den in der wei­te­ren Ent­wick­lung zahl­rei­che Strö­mun­gen der künst­le­ri­schen Moder­ne ver­stan­den, vom Sur­rea­lis­mus über Kubis­mus, Futu­ris­mus und Expres­sio­nis­mus bis zur Neu­en Sachlichkeit.

Der Begriff wur­de gegen die künst­le­ri­sche Moder­ne ver­wen­det. Der kul­tur­po­li­ti­sche Streit in der Sowjet­uni­on hat­te dadurch natür­lich Aus­wir­kun­gen auf die künst­le­ri­sche Ent­wick­lung im ab 1945 vom öst­li­chen Hege­mon kon­trol­lier­ten Teil Deutsch­lands. Da die Herr­schaft der SED kei­ne ech­te demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on auf­wei­sen konn­te, erfolg­te jene über eine höhe­re Moral, in die­sem Fall durch die geschichts­de­ter­mi­nie­ren­de Ideo­lo­gie des Mar­xis­mus-Leni­nis­mus und den Antifaschismus.

In den Anfangs­jah­ren der DDR war der »Sozia­lis­ti­sche Rea­lis­mus« nach sowje­ti­schem Vor­bild als domi­nie­ren­de Kunst­dok­trin eta­bliert. Da das Land als Vasall der Sowjet­union fun­gier­te, wur­de also nicht noch­mals die Auf­bruchs­zeit kom­mu­nis­ti­scher Kunst mit ihren Abs­trak­ti­ons­expe­ri­men­ten durch­ge­spielt. Kunst fun­gier­te als Mit­tel inner­halb der Erzie­hungs­dik­ta­tur der DDR. Die­se Kul­tur­re­vo­lu­ti­on beinhal­te­te den »stän­di­gen Kampf« gegen Ein­flüs­se »reak­tio­nä­rer« oder »impe­ria­lis­ti­scher« Ideo­lo­gie und Kul­tur. Schon früh­zei­tig wur­den des­halb durch Par­tei und Kunst­be­trieb Abwei­chun­gen von der offi­zi­el­len Dok­trin abge­lehnt und als »For­ma­lis­mus« verfolgt.

Stand in der Anfangs­pha­se der SBZ-Kunst die Bewäl­ti­gung der Ver­gan­gen­heit im kom­mu­nis­ti­schen Geist im Vor­der­grund der Sujets, so rück­ten nach der DDR-Grün­dung die Auf­ga­ben der Gegen­wart in den Fokus künst­le­ri­scher Ver­ar­bei­tung. Das Kon­zept des »Sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus« war nicht nur von oben ange­ord­net, son­dern wur­de durch­aus von Künst­lern mit­ge­tra­gen. So for­der­ten zum Bei­spiel die Schrift­stel­ler Anna Seg­hers und Johan­nes R. Becher auf dem IV. Schrift­stel­ler­kon­greß 1956, das Leben arbei­ten­der Men­schen als Teil des sozia­lis­ti­schen Auf­baus zu verstehen.

Als Erbe der aris­to­kra­ti­schen und bür­ger­li­chen Por­trät­kul­tur wur­de das Typen­por­trät von Arbei­tern pro­pa­giert. Die Dar­stel­lun­gen die­ses Sujets in der DDR-Kunst waren meist ent-indi­vi­dua­li­siert, viel­mehr wur­den ideel­le Hel­den der Arbeit dar­ge­stellt. Kunst kam dem­nach unmit­tel­ba­re poli­ti­sche Funk­ti­on zu. Sie wur­de als Waf­fe im Klas­sen­kampf ver­stan­den, war auf die Grup­pen der Arbei­ter und Bau­ern zen­triert, durf­te Par­tei­lich­keit und Volks­ver­bun­den­heit aus­drü­cken. Das bedeu­te­te, daß die Inhal­te ver­ständ­lich, mas­sen­wirk­sam und hin­sicht­lich der Ästhe­tik an klas­si­schen natio­na­len Mus­tern ori­en­tiert trans­por­tiert wer­den soll­ten. Heu­te wür­de man es so aus­drü­cken: »Die Men­schen abho­len, wo sie sind.«

Ein zusätz­li­ches Anlie­gen war es von Anfang an, die zuvor als »ent­ar­tet« gel­ten­den Künst­ler zu reha­bi­li­tie­ren. Die All­ge­mei­ne Kunst­aus­stel­lung 1946 in Dres­den prä­sen­tier­te bei­spiels­wei­se in der NS-Zeit ver­bo­te­ne Kunst. Künst­le­ri­schen Ein­fluß hat­te der ursprüng­lich in allen vier Besat­zungs­zo­nen akti­ve »Kul­tur­bund zur demo­kra­ti­schen Erneue­rung Deutsch­lands« unter dem Vor­sitz Johan­nes R. Bechers. Kom­mu­nis­ti­sche Künst­ler soll­ten sich nicht wie­der in ihren tra­di­tio­nel­len Ver­ei­ni­gun­gen wie der Asso­zia­ti­on Revo­lu­tio­nä­rer Bil­den­der Künst­ler Deutsch­lands (Asso oder ARBKD) orga­ni­sie­ren, son­dern Offen­heit für »Volksfront«-Bündnisse mit nicht expli­zit kom­mu­nis­ti­schen Kol­le­gen demonstrieren.

Doch in der UdSSR lei­te­te Sta­lins Chef­ideo­lo­ge And­rei Schd­anow bereits 1946 Kam­pa­gnen gegen kul­tu­rel­le Deka­denz ein, die bald auch in den Bereich der sowje­tisch besetz­ten Zone über­schwap­pen soll­ten. Die The­sen wur­den in den Orga­nen der Sowje­ti­schen Mili­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on in Deutsch­land (SMAD) und der SED publi­ziert. Mit der Umset­zung wur­de 1948 der Lei­ter der Kul­tur­ab­tei­lung der SMAD, Alex­an­der ­Dym­s­chitz, betraut. Die Ver­mitt­lung der sowje­ti­schen Kunst­ideen oblag in der DDR dabei Mas­sen­or­ga­ni­sa­tio­nen wie der Gesell­schaft für Deutsch- Sowje­ti­sche Freund­schaft (DSF).

Die künst­le­risch also rela­tiv freie Pha­se ende­te mit der Staats­grün­dung der DDR 1949 und ging in eine restrik­ti­ve Peri­ode über. Rasch rich­te­te sich der sowje­ti­sche Kul­tur­of­fi­zier Alex­an­der Dym­s­chitz gegen die »bür­ger­li­che Deka­denz« in der Kunst. In der Täg­li­chen Rund­schau erschien 1949 sein Auf­satz »Über die for­ma­lis­ti­sche Rich­tung in der deut­schen Male­rei«. Das bür­ger­li­che Feind­bild wur­de damit mar­kiert, das von Pablo Picas­so über Karl Schmidt- Rottluff bis zum »kran­ken Schaf­fen Marc Chagalls« reich­te. Sie alle hät­ten »das Gefühl für die Har­mo­nie und das Schö­ne« ver­lo­ren, wür­den statt Men­schen »stump­fe Robo­ter« dar­stel­len und die Welt durch das »Pris­ma des Wahn­sinns« zei­gen. His­to­ri­sche Künst­ler wie Dürer, Cra­nach oder Zil­le wur­den hin­ge­gen als »von Lei­den­schaft erfüllt« gelobt.

Dym­s­chitz kri­ti­sier­te zudem das the­ma­ti­sche Ver­har­ren vie­ler Künst­ler in der unmit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit, die sich mit der Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit beschäf­tig­ten, statt sich inhalt­lich dem neu­en Men­schen und einem lebens­be­ja­hen­den Opti­mis­mus zuzu­wen­den. Gemeint waren damit Gemäl­de wie Wil­helm Lach­nits »Der Tod von Dres­den« von 1945 oder Hans Grun­digs »Den Opfern des Faschis­mus« von 1946.

1951 begann dann offi­zi­ell der Kampf gegen den »For­ma­lis­mus« in der DDR. Er wur­de ein­ge­lei­tet durch den Auf­satz »Wege und Irr­we­ge der moder­nen Kunst«, den ein Autor unter dem Pseud­onym N. Orlow in der Täg­li­chen Rund­schau ver­öf­fent­lich­te. Man gab dem »For­ma­lis­mus« die Schuld am angeb­lich man­geln­den Mit­hal­ten der Kunst beim gesell­schaft­li­chen Fortschritt.

Künst­ler, die sich nicht den Richt­li­ni­en des »Sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus« anschlos­sen hat­ten, muß­ten mit star­kem Gegen­wind der Par­tei rech­nen: Der Druck miß­li­e­bi­ger Bücher wur­de ver­bo­ten, Aus­stel­lun­gen wur­den geschlos­sen – so bei­spiels­wei­se die Ernst-Bar­lach-Schau 1952 in Dres­den kurz nach der Eröff­nung, da Bar­lach nach Ein­schät­zung des Neu­en Deutsch­land nur »ein auf ver­lo­re­nem Pos­ten ste­hen­der, in sei­nem Grund­zug rück­wärts gewand­ter Künst­ler« gewe­sen sei, der das Leid mys­ti­fi­ziert habe.

Gemäl­de wur­den über­malt oder ein­ge­stampft. Das betraf auch ganz lini­en­treue Bil­der wie Horst Strem­pels Wand­bild »Trüm­mer weg – baut auf« von 1948 in der Ein­gangs­hal­le des Bahn­hofs Ber­lin-Fried­rich­stra­ße. Das in der Form eines Tri­pty­chons gestal­te­te Bild spiel­te optisch mit dem christ­li­chen Auf­er­ste­hungs­mo­tiv. 1951 fiel das zuvor gefei­er­te Gemäl­de bei der Par­tei­spit­ze aber unter »Formalismus«-Verdacht und wur­de drei Jah­re nach sei­ner Fer­tig­stel­lung übermalt.

Zu einer Ver­här­tung der Pra­xis führ­te der Ungarn-Auf­stand 1956, der in vie­len Län­dern das kur­ze Tau­wet­ter been­de­te, das nach dem Tod ­Sta­lins ein­ge­setzt hat­te. Wei­te­ren Auf­trieb erhielt der schar­fe Kurs 1957. In jenem Jahr pro­pa­gier­te die soge­nann­te Harich-Jan­ka-Grup­pe um Wolf­gang Harich ent­sta­li­ni­sie­ren­de Refor­men inner­halb des DDR-Sozia­lis­mus, was zu einer Ankla­ge wegen Hoch­ver­rats führ­te. SED-Funk­tio­nä­re wie Kurt Hager und Alfred Kurel­la spra­chen sich gegen jede Liberalisierungs­tendenz im Kul­tur­sek­tor aus.

Der »Sozia­lis­ti­sche Rea­lis­mus« dien­te auch der bewuß­ten Abgren­zung von der Kunst­ent­wick­lung im Wes­ten, die ab 1955 durch die »Documenta«-Ausstellungen in Kas­sel und einen star­ken Hang zur Abs­trak­ti­on bestimmt war. »For­ma­lis­mus« wur­de mit Kapi­ta­lis­mus und Impe­ria­lis­mus ver­knüpft. Die Kunst der Bun­des­re­pu­blik, so ein Vor­wurf, len­ke von den poli­ti­schen Erfor­der­nis­sen der Zeit ab. Ihr man­ge­le es häu­fig an der Dar­stel­lung einer kla­ren poli­ti­schen Mei­nung. Sie sei nicht nur welt­an­schau­lich reak­tio­när, sie ver­mit­te­le oft kei­nen kla­ren Inhalt, kei­nen funk­tio­nal nutz­ba­ren Zweck.

Ein Ver­such, die geis­ti­ge Tren­nung von Volk und Kul­tur auf­zu­he­ben, war die 1958 auf dem SED-Par­tei­tag beschlos­se­ne För­de­rung der Lai­en­kunst. Die­ser »Bit­ter­fel­der Weg« ent­stand nicht von unten, son­dern wur­de oktroy­iert. Er führ­te zu kei­nen qua­li­ta­tiv über­zeu­gen­den Ergebnissen.

Kul­tur­po­li­tik wur­de in der DDR dabei durch­aus fle­xi­bel anhand der aktu­ell bestehen­den innen- und außen­po­li­ti­schen Erfor­der­nis­se betrie­ben. Die kul­tur­po­li­ti­schen Zügel locker­ten sich somit, wenn auch erst ab Anfang der 1960er Jah­re. Nun setz­te die SED im Rah­men einer ver­hal­te­nen Libe­ra­li­sie­rung auf weni­ger offen­sicht­li­che Repres­si­on, son­dern auf gedul­di­ge Über­zeu­gungs­ar­beit. Künst­ler for­der­ten zudem weni­ger staat­li­che Bevormundung,

die SED lenk­te ein, ohne jedoch die »Formalismus«-Kampagne zu been­den. Ende der 1960er Jah­re wur­de der »Formalismus«-Begriff durch Bezeich­nun­gen wie »bür­ger­lich-deka­dent« ersetzt. Noch­ma­li­ge Locke­run­gen erfolg­ten ab 1971 mit dem Auf­stieg Erich Hon­eckers zum Gene­ral­se­kre­tär des Zen­tral­ko­mi­tees der SED und Vor­sit­zen­den des Staats­rats der DDR. Die Typen­por­träts wichen lang­sam wie­der Cha­rak­ter­stu­di­en der Porträtierten.

Zudem ent­stan­den auch soge­nann­te Kon­flikt­bil­der, wie Uwe Pfeif­fers »Fei­er­abend«, die den Blick auf mög­li­che gesell­schaft­li­che Pro­ble­me inner­halb der DDR-Gesell­schaft lenk­ten. Die Trans­for­ma­tio­nen der DDR-Kunst wur­den nach­träg­lich von der Par­tei legi­ti­miert. Dar­in offen­bar­te sich ein lang­sa­mer Macht­ver­lust der SED über die Kunst, dem ein Uto­pie­ver­lust auf der geis­ti­gen Ebe­ne vor­an­ge­gan­gen war.

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