Der ehemalige Bundesminister für Verteidigung, Rudolf Scharping, fand den Slogan so originell, daß er damit seine Rede anläßlich der Eröffnung des Potsdam Center for Transatlantic Security on Military Affairs (TSMA) würzte. Und im Urlaub befanden sich wohl auch die meisten Studenten, als das TSMA am 4. März 2002 eröffnete, denn es war mitten in den Semesterferien. Die Studenten der Universität wurden nicht einmal informiert. Statt mit dem sonst üblichen akademischen Pomp begann die Einrichtung ihre Tätigkeit eher diskret, gerade mal einige kleine Zeitungsmeldungen gaben die Gründung bekannt.
Keine studentischen Abordnungen, keine groß angelegte Feierlichkeit, stattdessen eine interessante Mischung von hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik, Militär und Rüstungswirtschaft. Gründungsschirmherr der Stiftung war Scharping, der in seiner erwähnten Rede ausdrücklich seine „besondere Genugtuung“ bekundete. Scharping teilt sich das Protektorat übrigens mit dem früheren US-amerikanischen Außenminister Henry Kissinger.
Außer Scharping wohnte noch der brandenburgische Innenminister und CDU-Landeschef Jörg Schönbohm der Zeremonie bei. Weiter sprachen bei der Veranstaltung der Chairman des Defense Security Board des US-Verteidigungsministeriums und ehemalige Stellvertretende US-Verteidigungsminister Bill Schneider sowie der Präsident der Universität Potsdam, Wolfgang Loschelder. Als Gründer und Direktoren des neuen TSMA traten die „Industriemanagerin und Zeithistorikerin“ Margarita Mathiopoulos und Manfred Görtemaker, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam, auf. Mathiopoulos wurde termingerecht nur drei Wochen vor dieser Veranstaltung zur Honorarprofessorin für Internationale Sicherheitspolitik ernannt.
Wo die Bezugspunkte des Instituts zukünftig liegen sollten, stellte Scharping bereits in den ersten Sätzen seiner Rede klar. Noch vor der pflichtschuldigen Erwähnung der „Höhen und Tiefen der preußischdeutschen Geschichte“ fabulierte Scharping über das „gutgewählte Datum“ der Eröffnung: Denn genau 213 Jahre zuvor, am 4. März 1789, sei der amerikanische Kongreß das erste Mal zusammengetreten, um George Washington zum ersten US-Präsidenten zu wählen. Es folgte in Scharpings Rede der obligatorische Bezug auf das „… Band der gemeinsamen Werte und Prinzipien, das mittlerweile die Staaten, die Institutionen und die Menschen der ›Atlantic Community‹“ umfasse, und auf Berlin als „Symbol für die transatlantische Partnerschaft schlechthin“.
In einer Pressemeldung zur Institutseröffnung wurden dessen Ziele knapp zusammengefaßt: Das TSMA wolle „… einen Beitrag dazu leisten, die strategischen Interessen der Atlantischen Gemeinschaft im 21. Jahrhundert zu umreißen und die Prioritäten der deutschen, europäischen und amerikanischen Sicherheitspolitik neu zu definieren“, das Institut werde Projekte „… zur deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im europäischen und transatlantischen Rahmen, zur neuen Rolle der Nato, zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit, zur Förderung der europäisch-amerikanischen Sicherheitspartnerschaft, zur Prävention der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, zu transnationalen Risiken und Anti-Terrorstrategien, zu russischen und asiatischen Sicherheits- und Militärinteressen“ verfolgen. Als letztes Projekt wird die Förderung der „Kooperation zwischen Rüstungsindustrie und Regierungen“ genannt.
Für dieses Projekt scheint die Gründerin und Direktorin Margarita Mathiopoulos bestens geeignet. Bereits im Alter von zwanzig Jahren war Margarita Mathiopoulos 1977 als weiblicher Presseattaché der griechisch-zypriotischen Botschaft in Bonn beschäftigt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie aber erst durch ihren Kontakt zu dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt bekannt. Der alternde Sozialdemokrat wollte die gerade dreißigjährige Mathiopoulos zur Pressesprecherin seiner Partei machen. Brandt kannte bereits ihren Vater, Basil Mathiopoulos, dem er „… während der griechischen Junta-Zeit wahrscheinlich das Leben gerettet“ habe, wenn man der Darstellung von Mathiopoulos folgt.
Allerdings paßte Brandts Kandidatin kaum in das Raster sozialdemokratischer Personalpolitik. Die Parteilose war Stipendiatin der FDP-nahen Friedrich Naumann Stiftung und zu allem Überfluß mit dem CDU-Mann Friedbert Pflüger verlobt, damals noch Pressesprecher des Bundespräsidenten Weizsäcker. Für die SPD war das alles zuviel, und die Partei opponierte so heftig gegen Brandts Entscheidung, daß der seinen Schützling fallen lassen mußte und nach heftigen internen Debatten sogar von seinem Amt als Parteivorsitzender zurücktrat.
Daß Mathiopoulos schon damals „… vom Amerikanischen Traum und der Atlantischen Allianz“ beseelt war, dürfte ihre Aussichten auf den prestigeträchtigen Posten bei der SPD auch nicht unbedingt verbessert haben; bereits war sie bei Karl Dietrich Bracher mit einer Arbeit über „Geschichte und Fortschritt im Denken Amerikas: Ein europäisch-amerikanischer Vergleich“ promoviert worden.
Nach dem gescheiterten Anlauf in der Politik übernahm Mathiopoulos zwischen 1992 und 1997 die Funktion einer Pressesprecherin der NordLB, danach heuerte sie beim Rüstungskonzern British Aerospace an. Dort war sie für die Planung der Konzerngeschäfte in Nordamerika und Europa verantwortlich. 1995 übernahm sie zudem eine Honorarprofessur für US-Außenpolitik und Internationale Politik an der Technischen Universität Braunschweig. Seit Sommer 2001 ist sie Geschäftsführende Gesellschafterin des EAG European Advisory. Bei der EAG European Advisisory Group handelt es sich um eine GmbH, die unter anderem vom ehemaligen Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, General Klaus Naumann geführt wird.
DEAG versteht sich als beratendes Scharnier und Vermittlung zwischen Politik‑, Wirtschaft- und Rüstungsunternehmen. Zur reichhaltigen Angebotspalette des EAG-Konzerns gehören die Anfertigung politischer und strategischer Analyssen, Konfliktforschung, Anti-Terror-Strategien, sogenannte „Verteidigungsdiplomatie“ sowie die Beeinflussung politischer und ökonomischer Entscheidungsprozesse. Damit, so die EAG in ihrer Selbstdarstellung, fülle sie eine wichtige Marktnische aus und wappne Eliten aus Politik und Wirtschaft für das 21. Jahrhundert. Neben Mathiopoulos und Naumann arbeiten auch noch der Ungarische Botschafter Istvan Gyarmati sowie Bill Schneider, dem Vorsitzenden des „Defense Science Board of the US-Department of Defense“ eines Konzerns, der seinerseits enge Verbindungen mit dem TSMA-Institut eingehen sollte.
Darüber amtiert sie als Vizepräsidentin der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft und ist Mitglied der Studiengruppe für „strategische Fragen“ der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sogar eine eigene, nach ihr benannte Stiftung hat sie bereits ins Leben gerufen. Sekundiert wird sie auch dort von ihrem Mann, dem mittlerweile zum Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Parteivorstands der CDU aufgestiegenen Pflüger. Die Stiftung beschäftigt sich „mit der Lösung religiöser und kultureller Konflikte“ und mit „der Bewahrung liberaler Strukturen im Zeitalter der Globalisierung“.
2002 trat die parteilose Mathiopoulos öffentlichkeitswirksam in die FDP ein („die einzigen wirklichen Modernisierer Deutschlands“), was den regierenden Sozialdemokraten nur mäßig gefallen haben dürfte. Dieser Umstand, so heißt es gerüchteweise aus dem Verteidigungsministerium, habe zur aktuellen Finanzmisere des TSMA-Instituts beigetragen. Denn finanziert wird die „unabhängige akademische Einrichtung“ mit Hilfe von „privaten und öffentlichen Mitteln aus Deutschland und den USA“. Dabei belaufen sich die jährlichen Kosten nach Auskunft der Welt auf 3 Millionen Euro.
Bereits einige Monate nach der TSMA-Gründung gab es erste Probleme. Scharping soll noch als Verteidigungsminister eine Anschubfinanzierung von 250.000 Euro zugesagt haben. Über diese Zusage gibt es allerdings keine schriftliche Vereinbarung, und so fühlt sich das Ministerium nicht gebunden. Der FDP-Eintritt der Gründerin und Direktorin Mathiopoulos war wohl das falsche Signal an die potentiellen Geldgeber mit SPD-Parteibuch. Kritisiert wurde das unter anderem lautstark vom neuen Parteifreund, dem FDP-Bundestagsabgeordneten Werner Hoyer, der die Beschneidung als „geradezu kleinkariert“ bezeichnete.
Bleibt schließlich die Frage, was das TSMA eigentlich mit der Universität zu tun hat? Das weiß selbst Mitgründer Görtemaker nicht genau zu sagen. Ihm zufolge ist einer der Berührungspunkte TSMA-Universität, daß beide Gründungsdirektoren zugleich Angehörige der Universität seien. Zum anderen solle die Professur für Militärgeschichte in die Institutsarbeit einbezogen werden. Dieser „in Deutschland einzigartige Lehrstuhl“ (Scharping) wird von der Bundeswehr finanziert und hat nicht zuletzt jene pazifistischen Reflexe ausgelöst, die sich auch gegen das TSMA-Institut richten.
Dabei ist die Vorstellung einer deutschen militärischen Denkfabrik im Herzen des längst vergangenen Preußen ganz absurd. Dessen Zielsetzung hat gerade nichts zu tun mit einem neuen deutschen Großmachtstreben. Das TSMA wird, sofern es seine zukünftige Finanzierung erlaubt, als eine Art Filiale der amerikanischen Rüstungslobby fungieren. Daran ändert auch die für passionierte Kriegsgegner beunruhigende neue Ballung militärischer Einrichtungen in der brandenburgischen Landeshauptstadt (Einsatzführungskommando, Militärgeschichtliches Forschungsamt und jetzt eben TSMA) gar nichts.