Der Typ Heydrich

pdf der Druckfassung aus Sezession 30 / Juni 2009

von Günther Deschner

Keine der Größen des Dritten Reiches ist rätselhafter und umstrittener als Reinhard Heydrich. Den einen gilt er als Triebfeder der Judenverfolgung, andere dichteten ihm selbst eine jüdische Großmutter an. Er spielte Violine, daß es seinen Zuhörern die Tränen in die Augen trieb – aber mit seiner Unterschrift brachte er Tausende in die KZs.

Er war her­aus­ra­gen­der Fünf­kämp­fer und Fech­ter – aber sei­ne Stim­me war zeit­le­bens die eines Kna­ben im Stimm­bruch. In den ers­ten Kriegs­jah­ren ver­brach­te er sei­ne Urlau­be als Jagd­flie­ger mit Ein­sät­zen im feind­li­chen Hin­ter­land. Auf dem Höhe­punkt sei­nes Lebens ver­füg­te er über eine Macht­fül­le, die ihn zum Herrn über Leben und Tod im Deut­schen Reich und den besetz­ten Gebie­ten machte.
Sei­ne Kar­rie­re war ein Senk­recht­start. Mit 27 Jah­ren war er Chef des Sicher­heits­diens­tes des Reichs­füh­rers SS (SD), mit 32 gebot er über die Gehei­me Staats­po­li­zei und die deut­sche Kri­po, zu Kriegs­be­ginn wur­de das Reichs­si­cher­heits­haupt­amt in Ber­lin, ein gigan­ti­scher Sicher­heits­ap­pa­rat, eigens für ihn geschaf­fen. 1941 schick­te ihn Hit­ler über­dies als sei­nen Statt­hal­ter nach Prag. Mit der Poli­tik von Zucker­brot und Peit­sche gelang es ihm, in weni­gen Mona­ten die Ver­ge­wal­ti­gung der Tsche­chen in Ver­füh­rung und das unru­hi­ge Pro­tek­to­rat in eine gut funk­tio­nie­ren­de deut­sche Waf­fen­schmie­de umzu­wan­deln. Auch aus die­sem Grund ließ ihn die tsche­chi­sche Exil­re­gie­rung durch zwei aus Eng­land ein­ge­flo­ge­ne Agen­ten im Mai 1942 umbringen.
Neben allen ande­ren Auf­ga­ben war Heyd­rich noch die »End­lö­sung der Juden­fra­ge« anver­traut, die er von der Aus­wan­de­rung bis zur Depor­ta­ti­on und den Anfän­gen der Mas­sen­tö­tung orga­ni­sier­te. Aller­dings: Die Zio­nis­ten bewun­der­te er (»Als Natio­nal­so­zia­list bin ich Zio­nist«), mit ihren Orga­ni­sa­tio­nen arbei­te­te er teil­wei­se eng zusam­men. In ihm wur­de wie in kei­nem ande­ren der SS-Staat manifest.
Blond, groß, schlank und sport­lich ent­sprach er schon rein äußer­lich dem NS-Men­schen­ide­al. Hät­te der Natio­nal­so­zia­lis­mus in einen Spie­gel geblickt, Rein­hard Heyd­rich hät­te her­aus­ge­schaut. Doch weit mehr als alle ideo­lo­gi­schen Posi­tio­nen des Natio­nal­so­zia­lis­mus fes­sel­ten Effi­zi­enz, Per­fek­ti­on und Macht Heyd­richs Ver­stand. Das galt auch für die von ihm selbst am meis­ten akzep­tier­te Auf­ga­be – die Bekämp­fung ech­ter oder ver­meint­li­cher »Staats- und Reichs­fein­de«: des poli­ti­schen Katho­li­zis­mus etwa, der Kom­mu­nis­ten, der übri­gen »Geg­ner­grup­pen« und der her­kömm­li­chen Kriminellen.
Heyd­rich war kaum von der Bom­be der Atten­tä­ter getrof­fen, da hat­te sich schon ein Geflecht von Mythen und Legen­den gebil­det, das ihn bis heu­te umspinnt. Man hat Heyd­rich als »Hit­lers schlimms­ten Hen­ker« bezeich­net. Das ist nicht abwe­gig, aber es trifft allen­falls die eine Sei­te der Medail­le. In sei­nem eige­nen Selbst­ver­ständ­nis sah sich Heyd­rich als Beschüt­zer des Rei­ches, dem Wort­sin­ne nach als »Reichs­pro­tek­tor« – nicht nur im Hin­blick auf sei­ne Rol­le als Statt­hal­ter in Böh­men und Mäh­ren. Fas­zi­niert von sol­cher Effi­zi­enz und Macht­fül­le fand – aus der Distanz von fünf Jahr­zehn­ten – der US-His­to­ri­ker Charles Syd­nor für Heyd­rich ein wert­neu­tra­les und den­noch gran­dio­ses Bild: »Unter den zahl­lo­sen klei­nen Ster­nen des Milch­stra­ßen­sys­tems im Uni­ver­sum Hit­ler war Heyd­rich die ein­zi­ge Super­no­va, die jüngs­te und – wenn man von Albert Speer absieht – fähigs­te Per­sön­lich­keit des Drit­ten Reiches.«

Dabei war nichts von all­dem die­ser »Super­no­va« in die Wie­ge gelegt. Rein­hard Tris­tan Eugen Heyd­rich war ein Kind der Musik. Am 7. März 1904 wur­de er in Hal­le an der Saa­le gebo­ren. Er lern­te vir­tu­os Vio­li­ne spie­len, besuch­te neben dem Gym­na­si­um die Kon­ser­va­to­ri­ums­klas­sen für Kla­vier, Cel­lo und Kom­po­si­ti­on – aber dem ewig musi­zie­ren­den, zum Katho­li­zis­mus kon­ver­tier­ten und fröm­meln­den Eltern­haus ent­floh der 18-jäh­ri­ge Abitu­ri­ent in sei­ne ers­te Kar­rie­re: Er wur­de See­ka­dett in der ers­ten Nach­kriegs­crew der klei­nen Kriegs­ma­ri­ne der Wei­ma­rer Repu­blik. Fast zehn Jah­re träum­te er den Traum vom Admi­ral. Dann gab die ehr­pus­se­li­ge Mari­ne dem Ober­leut­nant zur See Rein­hard Heyd­rich wegen einer Mäd­chen­ge­schich­te, auch nach dama­li­gen Ehr­be­grif­fen eine Lap­pa­lie, den »schlich­ten Abschied«. Im April 1931, auf dem Höhe­punkt der Welt­wirt­schafts­kri­se, war er arbeitslos.
Durch fami­liä­re Bezie­hun­gen kam er in Kon­takt zu den Natio­nal­so­zia­lis­ten, von denen er bis dahin kei­ne gute Mei­nung hat­te. Die Bewe­gung schien ihm poli­tisch wirr, die Par­tei­mi­liz, die SA, war ihm zu ple­be­jisch. Doch der Sohn von Heyd­richs Paten­tan­te, Frei­herr Karl von Eber­stein, Natio­nal­so­zia­list der ers­ten Stun­de und bereits »SA-Ober­füh­rer von Mün­chen-Ober­bay­ern«, kann­te den Stabs­chef der SA, Ernst Röhm, und den die­sem unter­stell­ten »Reichs­füh­rer« der noch jun­gen SS, Hein­rich Himm­ler. Die SA, mach­te er Heyd­rich klar, sei »die Linie«, doch in der SS wer­de »die Gar­de« auf­ge­baut, »eine abso­lu­te Eli­te, in der auch Aka­de­mi­ker, Intel­lek­tu­el­le, Ex-Offi­zie­re und Adli­ge« gut auf­ge­ho­ben seien.
So wur­de der arbeits­lo­se Heyd­rich über­re­det, sich bei Himm­ler vor­zu­stel­len. Der hat­te von Hit­ler gera­de den Auf­trag erhal­ten, einen gehei­men Nach­rich­ten­dienst auf­zu­bau­en, des­sen Auf­ga­be es sein soll­te, die zahl­rei­chen Agen­ten der poli­ti­schen Poli­zei­en Wei­mars auf­zu­spü­ren sowie Struk­tu­ren geg­ne­ri­scher Orga­ni­sa­tio­nen und beson­ders gefähr­li­che Per­so­nen »auf­zu­klä­ren«.
Himm­ler war beein­druckt von Heyd­rich. Der Mari­ne­of­fi­zier a. D. wirk­te auf den »Reichs­füh­rer« wie ein Dia­mant unter Glas­per­len, »ein Mann aus einem Guß«. Er reprä­sen­tier­te das ger­ma­ni­sche Ide­al, wie es Himm­ler vor­schweb­te: hoch­ge­wach­sen, blond, leis­tungs­be­reit und leis­tungs­fä­hig – und er hat­te jenen metal­li­schen Zug im Wesen, der als Aus­weis beson­de­rer ras­si­scher Begna­dung galt. Heyd­rich nahm die Stel­le an und bau­te – mit wenig Geld und aus kleins­ten Anfän­gen her­aus – einen schlag­kräf­ti­gen Sicher­heits­dienst (SD) auf.
Nach 1933, nach der Macht­er­grei­fung, wur­den die Dimen­sio­nen sprung­haft grö­ßer: Heyd­rich blieb Chef des SD und wur­de zusätz­lich nach­ein­an­der Chef der Baye­ri­schen Poli­ti­schen Poli­zei, dann der Gehei­men Staats­po­li­zei und der gesam­ten deut­schen Kri­po, 1939 schließ­lich des Reichs­si­cher­heits­haupt­amts. Bei der Aus­wahl sei­ner engs­ten Mit­ar­bei­ter setz­te er von Anfang an auf Fach­leu­te, eine hand­ver­le­se­ne Eli­te. Er warb Ein­ser-Juris­ten an, »Summa-cum-laude«-Historiker, Volks­wir­te, Inge­nieu­re und Päd­ago­gen. Eine stram­me NS-Gesin­nung war ihm weni­ger wich­tig als her­aus­ra­gen­des fach­li­ches Kön­nen. Was dar­un­ter zu ver­ste­hen war, ver­deut­licht bei­spiel­haft die Figur eines Theo­lo­gen, dem er die Lei­tung des Refe­rats zur Über­wa­chung des »Poli­ti­schen Katho­li­zis­mus« anver­trau­te: Dr. Dr. Wil­helm Patin. Ihn ließ Heyd­rich die kle­ri­ka­le »Geg­ner­grup­pe « aus­for­schen und ana­ly­sie­ren, die er für noch gefähr­li­cher hielt als die Kom­mu­nis­ten. Patin, aus »bes­ter Fami­lie«, hat­te Theo­lo­gie stu­diert und war zum Pries­ter geweiht wor­den. Nach Zwi­schen­sta­tio­nen als Reli­gi­ons­leh­rer und Baye­ri­scher Hof­stifts­ka­no­ni­kus hat­te er nach dem Dr. theol. noch den Dr. jur. erwor­ben. Er hat­te ein Buch über Nice­ta, den Bischof von Reme­sia­na, und eine Stu­die über das baye­ri­sche Reli­gi­ons­edikt von 1818 ver­öf­fent­licht und war Inha­ber hoher baye­ri­scher zivi­ler und kirch­li­cher Aus­zeich­nun­gen. Wie er erla­gen vie­le glän­zen­de aka­de­mi­sche Erschei­nun­gen und her­aus­ra­gen­de Ken­ner ihres Fachs den Ver­lo­ckun­gen von Heyd­richs SD.

Nur einer nach Wis­sen, Hal­tung, Effi­zi­enz, Per­fek­ti­on und Leis­tung hoch­se­lek­tier­ten Eli­te, davon war Heyd­rich über­zeugt, konn­te es gelin­gen, den Bestand des neu­en Rei­ches zu sichern.
In der For­schung ist oft dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den, daß die Par­tei, viel­leicht sogar Hit­ler selbst, mit die­sem von Heyd­rich reprä­sen­tier­ten Ver­ständ­nis von Herr­schaft als­bald Schwie­rig­kei­ten bekom­men hät­te. Die Kluft, die sich zwi­schen der nüch­ter­nen, ratio­na­len, tech­no­kra­ti­schen Hal­tung Heyd­richs und sei­ner Intel­lek­tu­el­len­rie­ge des SD einer­seits und den vie­len schwa­dro­nie­ren­den, res­sen­ti­ment­ge­la­de­nen Par­tei­bon­zen auf der ande­ren Sei­te, zwi­schen dem kal­ten Ver­stand und den blo­ßen Vor­ur­tei­len, dem blin­den Glau­ben auf­ge­tan hat­te, wur­de viel­leicht nur durch den Aus­bruch und Ver­lauf des Krie­ges ver­deckt und nicht zum geschicht­li­chen Ereig­nis. Im geschlos­se­nen Kreis der SS hat­te Heyd­rich nach der Macht­er­grei­fung sogar vor­ge­schla­gen, die Par­tei und mit ihr die SA auf­zu­lö­sen. Mit der Macht­er­grei­fung hät­ten bei­de ihre Auf­ga­ben erfüllt. »Jetzt«, so Heyd­rich, »kommt es doch auf die Siche­rung der Macht an und nicht auf die­ses ewi­ge Weitermarschieren«.
Die Idee der neu­en »Inne­ren Sicher­heit« des neu­en Staa­tes wur­de als Sys­tem cha­rak­te­ri­siert, »das den poli­ti­schen Gesund­heits­zu­stand des deut­schen Vol­kes über­wacht, jedes Krank­heits­sym­ptom recht­zei­tig erkennt und die Zer­stö­rungs­kei­me – mögen sie durch Selbst­zer­set­zung ent­stan­den oder durch vor­sätz­li­che Ver­gif­tung von außen hin­ein­ge­tra­gen wor­den sein – fest­stellt und mit jedem geeig­ne­ten Mit­tel besei­tigt«. In die­ser Sicher­heits­idee mach­te sich Heyd­rich zum Arzt, des­sen Schnit­te den gan­zen Orga­nis­mus ret­ten muß­ten. Die »orga­ni­sa­to­ri­sche Ent­wick­lung und Berüh­rung zwi­schen Gesta­po, Kri­po und SD«, so Heyd­rich selbst, wür­de »in orga­ni­scher und logi­scher Ver­bin­dung« immer nur das eine bezwe­cken: »Völ­li­ges Erfas­sen des Geg­ners in sei­nem geis­ti­gen Grund­ele­ment, tota­les Erken­nen und kri­mi­na­lis­ti­sches Ermit­teln sei­ner orga­ni­sa­to­ri­schen Form sowie sei­ner per­so­nel­len Beset­zung, schließ­lich plan­vol­les Bekämp­fen, Ver­nich­ten, Lahm­le­gen, Aus­schal­ten die­ses Geg­ners mit exe­ku­ti­ver Gewalt. Für uns gilt die Grund­idee: Vor­beu­gung sowohl im poli­ti­schen wie im kri­mi­na­lis­ti­schen Sektor«.
Aus die­sem neu­en poli­zei­li­chen Den­ken zog Heyd­rich den Bogen noch weit über den her­kömm­li­chen Kri­mi­na­li­täts­be­griff hin­aus und erklär­te gan­ze Per­so­nen­grup­pen zu poten­ti­el­len Volks­schäd­lin­gen. Sei­ne Sicher­heits­po­li­zei leg­te sich die Befug­nis zu, sie nach dem Prin­zip »Lie­ben­der Gärt­ner jätet Unkraut recht­zei­tig aus« von Fall zu Fall in Vor­beu­ge­haft zu neh­men. Eine Rechts­be­grün­dung eige­ner Art wuß­te Heyd­richs Amt »Recht und Ver­wal­tung« nach­zu­rei­chen: Nach des­sen Rechts­auf­fas­sung waren sowohl die Behör­den als auch jeder ein­zel­ne Volks­ge­nos­se Orga­ne des­sel­ben Vol­kes, die nach dem vom Füh­rer gesetz­ten Volks­wil­len zusam­men­zu­ar­bei­ten hät­ten. Auf der einen Sei­te fun­gie­re aktiv die Poli­zei, und auf der ande­ren Sei­te, so das Amt, »wirkt pas­siv der Ver­bre­cher mit, der in Vor­beu­ge­haft mit­ge­nom­men wird«.
Aller­dings: In den kal­ten Zonen, in die Heyd­rich im Ver­lauf sei­nes Auf­stiegs, vor allem durch die immer wei­ter um sich grei­fen­de Radi­ka­li­sie­rung des Krie­ges vor­ge­sto­ßen war, hielt es nicht jeder sei­ner SD-Intel­lek­tu­el­len lan­ge aus.
Der Gesta­po-Jus­ti­ti­ar Dr. Wer­ner Best wur­de nach Schwie­rig­kei­ten mit Heyd­rich aus dem Amt gedrängt. Best hat­te, obwohl glü­hen­der Natio­nal­so­zia­list und SS-Füh­rer noch aus der Kampf­zeit, dar­an fest­ge­hal­ten, daß auch die Erfor­der­nis­se der Reichs­si­cher­heit die Rechts­si­cher­heit nicht voll­ends besei­ti­gen durf­ten, daß es eine Gren­ze gab, an der Heyd­richs Per­fek­tio­nis­mus halt­ma­chen muß­te. Heyd­rich waren sol­che mora­li­schen oder rechts­phi­lo­so­phi­schen Beden­ken fremd. Die ihm gestell­ten Auf­ga­ben lös­te er mit jedem geeig­net erschei­nen­den Mit­tel. Für ihn kam es letzt­lich nur dar­auf an, auf wel­cher Sei­te des Gra­bens man stand.

Der »gan­ze Heyd­rich« zeig­te sich etwa in der Art, wie er an die für alle ande­ren unlös­bar gewor­de­nen Tsche­chen­fra­ge im Herbst 1941 her­an­ging. Sla­wen­haß, eine Ver­ach­tung der Tsche­chen, wie sie für man­che Natio­na­lis­ten des Sude­ten­lan­des und der Volks­deut­schen Böh­mens und Mäh­rens cha­rak­te­ris­tisch war, war für ihn kein Thema.
Die Wor­te, mit denen er sich in einer Geheim­re­de bei den deut­schen Amts­trä­gern in Prag als der neue Reichs­pro­tek­tor ein­führ­te, haben wohl man­ches ein­ge­fleisch­te NSDAP-Mit­glied an sei­nem Kalen­der zwei­feln las­sen: Es inter­es­sie­re ihn hier nichts ande­res, sag­te er, als daß die­ser Raum befrie­det und der deut­schen Kriegs­in­dus­trie nutz­bar gemacht wer­de. Er wer­de des­we­gen mit allen jenen Deut­schen und Tsche­chen zusam­men­ar­bei­ten, die die­sem Ziel för­der­lich sei­en, er wer­de alle jene, auch Deut­sche, aus­schal­ten, die die­ses Ziel behin­der­ten. Und dann: »Das ist das Wesent­li­che, daß wir nicht gedan­ken­los auf dem Tsche­chen her­um­knüp­peln, son­dern daß wir uns wirk­lich um die Din­ge küm­mern, die tat­säch­lich nicht in Ord­nung sind.«
Heyd­rich war stolz auf sei­ne geschicht­li­che Leis­tung: Er hat­te der Füh­rung des Rei­ches erst­ma­lig in der Geschich­te eine die zer­split­tern­den Län­der­tra­di­tio­nen über­win­den­de, mit völ­lig neu­em Sinn­ge­halt erfüll­te, reichs­ein­heit­li­che Poli­zei und einen umfas­sen­den poli­ti­schen Sicher­heits­dienst her­an­ge­bil­det. Aber immer wie­der brach­ten ihn die Auf­ga­ben, die ihm gera­de wegen die­ser gelun­ge­nen »Reform« der Inne­ren Sicher­heit zuge­scho­ben wur­den, in inne­ren Zwie­spalt: Schon sei­ne Rol­le bei der Aus­schal­tung Röhms, des ein­zi­gen Man­nes, dem er in der Par­tei Freund­schaft ent­ge­gen­ge­bracht hat­te, dann die Mas­sen­er­schie­ßun­gen sei­ner Ein­satz­grup­pen im Ost­krieg und schließ­lich sei­ne Funk­ti­on als der Beauf­trag­te für die »End­lö­sung« mach­ten ihm mehr als ein­mal die tie­fe Pro­ble­ma­tik des Ver­hält­nis­ses von Zweck und Mit­tel bewußt. Mit bit­te­rem Zynis­mus beklag­te er sich dar­über, er sei manch­mal nur »der obers­te Müll­kip­per des Deut­schen Rei­ches«. »Merk­wür­dig ist«, so hat sei­ne Wit­we fest­ge­stellt, »daß er sich sei­ner Henk­ers­ar­beit völ­lig bewußt war und daß er vor sich selbst sogar eine Art Recht­fer­ti­gung zur Hand hat­te«. Er habe in sei­ner Tätig­keit so etwas Ähn­li­ches wie eine mit gro­ßen per­sön­li­chen Belas­tun­gen ver­bun­de­ne Tat erblickt, die er um der Sache und der Zukunft des Rei­ches wil­len voll­brin­gen zu müs­sen glaub­te. »Ich kann mich zur Ver­fü­gung stel­len«, faß­te der mit sich selbst rin­gen­de Heyd­rich manch­mal zusam­men, »ande­re kön­nen ego­is­ti­sche Zie­le verfolgen«.
Oft ist Heyd­rich die­ser Hal­tung wegen mit Saint-Just, dem Revo­lu­ti­ons­tri­bun von 1789, ver­gli­chen wor­den. Von ihm wird berich­tet, er habe sein Haupt hoch getra­gen wie eine Mons­tranz, als er einen Kopf nach dem ande­ren for­der­te. In die­sem Sinn war Rein­hard Heyd­rich nicht nur »die fähigs­te«, son­dern viel­leicht auch die zer­ris­sens­te Per­sön­lich­keit des Drit­ten Rei­ches. Erläu­tern­de Par­al­le­len zu die­ser Per­sön­lich­keit, so hat das einer der bes­ten Mit­ar­bei­ter fest­ge­stellt, kann man wohl nur unter den Erobe­rern frü­he­rer Zei­ten fin­den, die nicht aus dok­tri­nä­ren Moti­ven und nicht um des mate­ri­el­len Ertra­ges wil­len aus­zo­gen, son­dern des­halb, weil die ele­men­ta­ren Instink­te ihrer unbän­di­gen Vita­li­tät nur im Aus­grei­fen in die Umwelt und in fort­schrei­ten­der Ver­meh­rung ihrer Macht ihre Selbst­be­stä­ti­gung fin­den konnten.

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