Männergeschrei und Frauenworte

Unter den marktfähigen, etablierten Journalisten gibt´s nicht viele, die das Minarett-Verbot in der Schweiz so deutlich begrüßten wie Alice Schwarzer. Im Editorial der aktuellen Emma findet sie deutliche Worte zugunsten des Schweizer Volksabstimmungsergebnisses.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Wenn Intel­lek­tu­el­le, Jour­na­lis­tIn­nen oder Poli­ti­ke­rIn­nen mit mir dar­über (Islam & Isla­mis­mus, E.K.) spra­chen, schlos­sen sie meis­tens die Türe und senk­ten die Stim­me. Wie ich denn die Ent­wick­lung so ein­schät­ze – und was man in ihrem Land wohl tun kön­ne… Ihnen selbst sei­en lei­der die Hän­de gebun­den, denn jede Kri­tik am Isla­mis­mus sei ja so leicht miß­zu­ver­ste­hen als Isla­mo­pho­bie, ja Rassismus.

Ich ent­geg­ne­te jedes­mal frei her­aus, sie soll­ten nur kei­ne Scheu haben. Die Kri­tik an einem demo­kra­tie- und eman­zi­pa­ti­ons­feind­li­chen Islam­ver­ständ­nis sei doch selbstverständlich.

Belus­tigt kom­men­tiert Schwar­zer den Affekt des „Belei­digt-seins“ zahl­rei­cher euro­päi­scher Poli­ti­ker, der Hand in Hand geht mit der Befürch­tung, aus­ge­rech­net die „Mei­nungs­frei­heit“ sei durch das Abstim­mungs­er­geb­nis  gefähr­det.  Schwar­zer weiter:

Noch ver­wun­der­li­cher aber sind die Reak­tio­nen eini­ger deut­scher Blät­ter. So ist das Schwei­zer Volks­vo­tum für die Ham­bur­ger Zeit „ein schwar­zer Tag für Euro­pa, für den Wes­ten und für die Frei­heit“. Und der Ber­li­ner Tages­spie­gel orte­te gar einen „Rück­fall hin­ter die Errun­gen­schaf­ten der Auf­klä­rung“ und einen „kra­chen­den Tritt gegen Ver­nunft und Wissen“.

Nur die Bild-Zei­tung, als erfolg­rei­ches Bou­le­vard­blatt ver­pflich­tet, die Hand am Puls des Vol­kes zu haben, ver­mel­de­te am 2. Dezem­ber tri­um­phal: Von 169.600 abge­ge­be­nen Stim­men sei­en 82 Pro­zent der Bild-Lese­rIn­nen eben­falls für ein Ver­bot von Mina­ret­ten gewesen.

Schwar­zer faßt die Stimm­ab­ga­be der „Schwei­ze­rIn­nen“ zusammen:

Hin­ter die­ser Mina­rett-Abstim­mung steckt natür­lich viel mehr: näm­lich das gan­ze Unbe­ha­gen! Das Unbe­ha­gen an den Got­tes­staa­ten und ihren Stei­ni­gun­gen und Selbst­mord­at­ten­ta­ten. Das Unbe­ha­gen an der (Zwangs)Verschleierung von Frau­en sogar mit­ten in Euro­pa. Das Unbe­ha­gen an der Zwangs­ver­hei­ra­tung von hier­zu­lan­de auf­ge­wach­se­nen Töch­tern und Söh­nen. Das Unbe­ha­gen an der sta­tis­tisch nach­weis­ba­ren höhe­ren Gewalt in tra­di­tio­nel­len mus­li­mi­schen Fami­li­en. Das Unbe­ha­gen an der Rela­ti­vie­rung von Eman­zi­pa­ti­on und Rechts­staat, ja der gan­zen Demo­kra­tie – und das im Namen „ande­rer Sit­ten“ und eines „wah­ren Glau­bens“. Kurz­um: Die Sor­ge um die in den letz­ten 200 Jah­ren so müh­sam und blu­tig erkämpf­ten Men­schen­rech­te im Westen.

Über die­ses Unbe­ha­gen muß end­lich öffent­lich gere­det wer­den! Von Jour­na­lis­ten wie Poli­ti­kern, hin­ter deren angeb­li­cher „Tole­ranz“ gar zu oft ganz ein­fach Angst steckt: Angst vor Kon­tro­ver­sen, Angst vor gewalt­tä­ti­gen Isla­mis­ten und, last but not least, Angst vor wirt­schaft­li­chen Einbußen.

Die Debat­te läßt sich nicht län­ger gewalt­sam unter­drü­cken. Umfra­gen bele­gen: Die Mehr­heit der Euro­pä­er (55 Pro­zent) sieht im Islam heu­te eine „Reli­gi­on der Into­le­ranz“. Und 78 Pro­zent stim­men dem Satz zu: „Die mus­li­mi­schen Ansich­ten über Frau­en wider­spre­chen unse­ren Werten.“

Quer­fron­ten sind „span­nend“ (eigent­lich mein Kan­di­dat für das Unwort 2010, aber hier paßts eini­ger­ma­ßen), manch­mal gar zum Zer­rei­ßen span­nend. Mit der Emma geht´s mir meis­tens so; für mich ist sie die bes­te (hoher Anspruch, Ver­zicht auf kos­me­ti­sche u.ä. Weib­chen-The­men ) und schreck­lichs­te (Abtrei­bungs­kampf, Gen­de­rei etc.) Frau­en­zeit­schrift zugleich. Als poli­tisch kor­rekt aber wür­de ich die Emma schon des­halb nicht anse­hen, weil sie selbst die­je­ni­gen The­men, die heu­te als pc gel­ten (z.B.Homo-Angelegenheiten, Quo­ten­re­ge­lun­gen ), schon damals ver­foch­ten hat, als der­glei­chen kei­nes­wegs oppor­tu­ner main­stream war, son­dern beharr­li­che (wenn auch zwei­fel­haf­te) Akte des Widerstands.

Schwar­zers islam­kri­ti­sche Ein­las­sun­gen sind kei­nes­wegs neu – im Zuge ihrer freund­li­chen Hin­wen­dung zu CDU-Frau­en, vor allem zu Mer­kel und von der Ley­en, hät­te man aber erwar­ten kön­nen, daß sie nun artig „mode­rie­rend“ die Schwei­zer Zustän­de kom­men­tiert. Tut sie nicht. Und im Forum der Emma folgt das Lese­rIn­nen­pu­bli­kum ihrer Argu­men­ta­ti­on mit gro­ßer Zustim­mung. Mot­to, logisch: „Bloß kein Män­ner­ge­schrei über unse­ren Köpfen!“

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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