Lichtmesz wirft mir „Antiamerikanismus“ vor, der „vorausgesetzt und nicht weiter begründet“ werde. Meine amerikakritische Haltung begründe dabei ich sehr wohl: zum einen mit der fast ununterbrochenen Interventionspolitik der USA seit 1898 (S. 14), die meist mit objektiv nicht vorhandenen Bedrohungen gerechtfertigt wird (S. 16 ff). Zum anderen das innig gepflegte Selbstbild der US-Amerikaner, keine imperialistische Nation zu sein (S. 162–163), das gerade zu dieser Politik in eklatantem Widerspruch steht.
Lichtmeß erliegt einem in der Filmliteratur weithin gepflegten Irrtum, wenn er behauptet, „The Green Berets“ (1968) sei kommerziell ein Flop gewesen. John Waynes Regiearbeit fuhr im Gegenteil einen satten Gewinn ein. Doch der als Vietnamkriegsfilm verkleidete Western konnte die kritische Haltung der Amerikaner zum Krieg in Südostasien nicht (mehr) ändern, und er hinterließ auch keinen bleibenden Eindruck.
Noch entschiedener muß ich seiner Aussage widersprechen, daß abgesehen von einem „kurzen Backlash“ während der konservativen achtziger Jahre durchweg kriegskritische Filme die Leinwände dominierten. Davon kann keine Rede sein, gerade im Vorfeld und nach „Nine-Eleven“ 2001 produzierte Hollywood eine Fülle von patriotischen und kriegsverherrlichenden Streifen: „Saving Private Ryan“ (1998), „U‑571“ (2000), „The Patriot“ (2000), „Black Hawk Down“ (2001), „Pearl Harbor“ (2001), „Behind Enemy Lines“ (2001), „Windtalkers“ (2002), und „We Were Soldiers“ (2002).
Kriegskritische Filme etablierten sich erst ab 2006 mit dem wider Erwarten andauernden Widerstand im Irak und der offiziellen Feststellung, daß dort keine Massenvernichtungswaffen existierten, womit der vorgebliche Kriegsgrund in Frage gestellt war.
Daß es in den USA selbstkritische, im Film ausgedrückte Gegenstimmen zur aggressiven Außenpolitik Washingtons gibt, steht außer Zweifel; daß diese ästhetisch ausgefeilt sein können, ebenfalls. Aber diese Streifen prägen nicht das Bewußtsein der breiten Mehrheit – so hat sich „Top Gun“ (1986) als stilbildend erwiesen. Als George W. Bush 2003 den Sieg über Saddam Hussein verkündete, tat er das auf einem Flugzeugträger und ließ sich zuvor ausgiebig in seiner Kluft als Marineflieger fotografieren. Die „Rambo“-Filme der achtziger Jahre und „Top Gun“ überlagerten so im Laufe der Zeit mit ihren revisionistischen Aussagen Filme wie „Apocalypse Now“ (1979) und „The Deer Hunter“ (1978).
Ich erwähne die letztgenannten Filme in meinem Buch als Beispiele für die Bandbreite der Kriegsdarstellungen in US-Filmen, eben nicht als typische US-Propagandafilme, wie man mir unterstellt – als diese taugen sie tatsächlich weniger. Die Darstellung des Vietcong in „The Deer Hunter“ ist allerdings auch nicht gerade ein Muster von Differenzierung, sondern sehr einseitig. Auf meine ausführlichen Analysen von „The Battle Cry of Peace” (1915), „Sergeant York“ (1941), „The Longest Day“ (1962) und „The Siege“ (1998) geht Lichtmeß leider mit keinem Wörtchen ein.
Er schreibt weiterhin: „Es macht einen entscheidenden Unterschied ob ein Wajda, Kubrick oder Tarkowskij bei einem Epos hinter der Kamera steht oder ein Emmerich oder Spielberg“ und kritisiert meinen unklaren ästhetischen Standpunkt. Ästhetik war für mich aber tatsächlich zweitrangig, ich behandle primär die politische Bedeutung der Filme und die Wechselbeziehung zwischen Politik und Filmindustrie. Und für diese politische Bedeutung zählt allein, ob ein Film von zehntausend oder von zehn Millionen Zuschauern gesehen wird. Ein Spielberg, ein Emmerich prägen durch ihre „Blockbuster“ ohne Zweifel Bewußtsein und Geschichtsbilder auch der deutschen Bevölkerung – von einem Wajda oder Tarkowskij kann man das nicht sagen.
Lichtmeß bleibt die Antwort auf die wichtige Frage schuldig, wie wir damit umgehen, daß über Hollywood die USA unsere Leinwände und Bildschirme dominieren und unsere Jugend die Sehnsucht nach Action zwangsläufig mit amerikanischen Produkten stillen muß. Daß Deutschland und EU-Europa politisch nur ein Anhängsel der Vereinigten Staaten sind, spiegelt sich eben in Kino und Fernsehen. Ein politisches Mündigwerden der Europäer kann ohne prinzipielle Änderungen in diesem Punkt nicht geschehen. In diesem Sinne bin ich tatsächlich der Meinung: Von Hollywood lernen heißt siegen lernen.